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kritik der wertkritik kritik der kritik der wertkritik herrschaft, befreiung ...

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schen Wi<strong>der</strong>standkämpferInnen und den Aktivisten-<br />

Innen des IWW (Industrial Workers of the World) in<br />

Abgrenzung zu den ParteibürokratInnen <strong>der</strong><br />

Kommintern hinstellen (Negri /Hardt 2003: S.418f.).<br />

1. Erwachen als Wie<strong>der</strong>aneignung <strong>der</strong> Geschichte<br />

Im Gegensatz zu Negris Appell zum Vergessen<br />

entwickelte Walter Benjamin eine Theorie von<br />

Erinnerung, die er ganz in den Dienst <strong>der</strong> Befreiung<br />

<strong>der</strong> Menschheit und <strong>der</strong> Utopie stellte. Benjamin<br />

gehörte zum Kreis um das Institut für Sozialforschung<br />

und somit zur Frankfurter Schule um<br />

Adorno und Horkheimer. Das Thema Erinnerungen<br />

beschäftigte Benjamin über 10 Jahre. Sowohl in<br />

<strong>der</strong> „Berliner Chronik“ von 1932 als auch in dem<br />

unvollendeten Passagen-Werk spielen sie eine wichtige<br />

Rolle. Nach seiner Flucht vor <strong>der</strong> deutschen<br />

Wehrmacht nach Frankreich und kurz vor seinem<br />

Selbstmord schrieb er 1940 die berühmten<br />

„Geschichtsphilosophischen Thesen“. Dieser Text<br />

gilt als einer <strong>der</strong> schönsten, aber auch rätselhaftesten,<br />

philosophischen Texte des 20.Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong><br />

Arbeiterbewegung und dem Sieg des Nationalsozialismus<br />

versuchte er den historischen<br />

Materialismus neu zu bestimmen, da <strong>der</strong> Sieg <strong>der</strong><br />

Barbarei über die Zivilisation mit <strong>der</strong> herkömmlichen<br />

marxschen Geschichtstheorie nicht mehr zu<br />

erklären war. Vor allem verabschiedete sich<br />

Benjamin von dem Geschichtsbild <strong>der</strong> deutschen<br />

Arbeiterbewegung, die an die kontinuierliche<br />

Entwicklung des Fortschritts glaubte und führte einen<br />

neuen Zeitbegriff ein.<br />

Nicht in <strong>der</strong> Zukunft, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Geschichte<br />

und in den Erinnerungen sah Benjamin das<br />

Potenzial für die Befreiung <strong>der</strong> Menschheit. Es könne<br />

für die revolutionäre Klasse, das Proletariat nicht<br />

darum gehen, objektive Entwicklungsgesetze zu<br />

vollstrecken, son<strong>der</strong>n im Gegenteil das Kontinuum<br />

<strong>der</strong> Geschichte aufzusprengen (Benjamin 1969:<br />

S.276). Revolutionen sah Benjamin nicht als<br />

Lokomotiven <strong>der</strong> Geschichte, son<strong>der</strong>n als ihre<br />

Notbremsen. Bei <strong>der</strong> Sprengung des Kontinuums<br />

sollen Erinnerungen helfen. Über die jüdische<br />

Gedächtniskultur schrieb er: „Die Thora und das<br />

Gebet unterweisen sie dagegen im Eindenken.<br />

Dieses entzaubere ihnen die Zukunft, <strong>der</strong> die verfallen<br />

sind, die sich bei den Wahrsagern Auskunft ho-<br />

len. Den Juden wurde die Zukunft aber darum doch<br />

nicht zur homogenen und leeren Zeit. Denn in ihr<br />

war jede Sekunde die kleine Pforte, durch die <strong>der</strong><br />

Messias treten konnte“ (ebenda: S.279). Im<br />

Passagen-Werk zitierte Benjamin den jungen Marx:<br />

„Die Reform des Bewusstsein besteht nur darin,<br />

dass man die Welt ... aus dem Traum über sich selbst<br />

aufweckt“ (zitiert nach Benjamin V I, 1982: S.570).<br />

Erinnerung und das Erwachen als Form <strong>der</strong><br />

Bewusstwerdung des Vergangenen bieten die<br />

Möglichkeit, vergangene Glückserfahrungen zu aktualisieren<br />

und gegen die offizielle Überlieferung zu<br />

bewahren, sowie sich alle Ereignisse zu vergegenwärtigen,<br />

um <strong>der</strong> Herrschaft jeden Sieg in Frage zu<br />

stellen (Opitz /Wizisla, Band I, 2000: S.290).<br />

Erinnerungen waren für Benjamin aufblitzende<br />

Bil<strong>der</strong>. „Das wahre Bild <strong>der</strong> Vergangenheit huscht<br />

vorbei. Nur als Bild, das auf Nimmerwie<strong>der</strong>sehen<br />

im Augenblick seiner Erkennbarkeit eben aufblitzt,<br />

ist die Vergangenheit festzuhalten“ (Benjamin 1969:<br />

S.270). Die Bil<strong>der</strong>, die wir nie sahen, ehe wir uns ihrer<br />

erinnern, gestalten die Vergangenheit in neuer<br />

Form (Opitz / Wizisla, Band I, 2000: S.265). Diese<br />

Vergangenheit war nie so aktuell wie im Moment<br />

des Erinnerns, <strong>der</strong>en Auslöser für Benjamin vor allem<br />

Momente <strong>der</strong> Gefahren waren. Die Bil<strong>der</strong> seiner<br />

eigenen Kindheit versuchte Benjamin hingegen auf<br />

Spaziergängen durch Berlin wie<strong>der</strong>zugewinnen.<br />

Neben diesen spontan aufblitzenden Bil<strong>der</strong>n<br />

sprach Benjamin aber auch von <strong>der</strong> Möglichkeit eines<br />

aktiven Erinnerns, das einem Graben in den Schichten<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit gleiche. „Denn Sachverhalte<br />

sind nur Lagerungen, Schichten, die erst <strong>der</strong> sorgsamsten<br />

Durchforschung das ausliefern, was die wahren<br />

Werte, die im Erinnern stecken, ausmacht: die<br />

Bil<strong>der</strong>, die aus früheren Zusammenhängen losgebrochen<br />

als Kostbarkeiten in den nüchternen Gemälden<br />

unserer späten Einsicht (…) stehen. Und gewiss bedarf<br />

es, um Grabungen mit Erfolg zu unternehmen,<br />

eines Planes“ (zit. nach ebenda: S.266). Durch das bewusste<br />

Erinnern können sich die Menschen das<br />

Wertvolle <strong>der</strong> eigenen Vergangenheit wie<strong>der</strong> aneignen.<br />

Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Neubestimmung des<br />

historischen Materialismus zog Benjamin den<br />

Schluss, dass die unterdrückte Klasse nicht mehr im<br />

Namen <strong>der</strong> Zukunft kämpfen kann. Sie tritt als<br />

Subjekt <strong>der</strong> historischen Erkenntnis als rächende<br />

Klasse auf, „die das Werk <strong>der</strong> Befreiung im Namen<br />

Nemo Klee Kollektives Gedächtnis, Herrschaft und Befreiung<br />

seite_36 grundrisse_16_2005

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