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kritik der wertkritik kritik der kritik der wertkritik herrschaft, befreiung ...

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Die folgenden zwei Texte, die uns Paolo Virno freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, können<br />

als Vertiefungen von Thematiken gelesen werden, die <strong>der</strong> Autor in <strong>der</strong> Grammatik <strong>der</strong> Multitude 1<br />

behandelt. Die erste dieser beiden Anmerkungen bezieht sich auf eine Überlegung im Kapitel<br />

„Gemeinplätze und General Intellect“, bei <strong>der</strong> es um die Frage nach <strong>der</strong> Orientierung <strong>der</strong> Subjekte<br />

im sozialen Kontext <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Großstädte geht. Wie Walter Benjamin stößt Virno dabei auf<br />

das Problem <strong>der</strong> Geschwindigkeit, mit <strong>der</strong> sich „Zersetzung <strong>der</strong> (traditionellen) Merkwelten“ vollzieht.<br />

Formen <strong>der</strong> Wahrnehmung und des Gedächtnisses sind technisch reproduzierbar, was die<br />

kindliche Begeisterung für die Wie<strong>der</strong>holung inmitten hochtechnisierter Erfahrungswelten wie<strong>der</strong><br />

auftauchen lässt. Mit ihr verbindet sich damit auch eine Perspektive <strong>der</strong> Kritik. Der zweite Text<br />

führt eine Überlegung weiter, die in Zusammenhang mit <strong>der</strong> Thematisierung des Phänomens<br />

„Angst“ angestellt wird. Das Zurückgeworfensein auf die Welt als solche in <strong>der</strong> postfordistischen<br />

Produktion verstellt uns den Weg „zurück“ zu „Heimaten“, „Ursprüngen“, „substanziellen<br />

Gemeinschaften“. Und doch eröffnet sie die Sicht auf das, was uns in Form von<br />

noch nie<strong>der</strong>gehaltenen Vermögen gemeinsam ist.<br />

Paolo Virno<br />

Zwei Anmerkungen zur Grammatik <strong>der</strong> Multitude<br />

Kindheit und Kritik<br />

Es ist kein kritisches Denken vorstellbar, das<br />

nicht zugleich immer auch eine Meditation über die<br />

Kindheit ist.<br />

Dennoch hat sich von Rousseau bis zu den antiautoritären<br />

Kommunen von 1968 die Aufmerksamkeit<br />

<strong>der</strong> ReformerInnen und RevolutionärInnen<br />

gegenüber den heranwachsenden menschlichen<br />

Wesen immer in Pädagogik verwandelt; in den<br />

Versuch also, die Erziehung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> dem Ideal<br />

einer gerechteren Gesellschaft entsprechend zu gestalten.<br />

Auf diese Weise jedoch wurde stets verkannt,<br />

worum es in Wirklichkeit ginge: aus <strong>der</strong><br />

kindlichen Erfahrung selbst Kriterien und Begriffe<br />

zu gewinnen, die imstande sind, die gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse und die Beziehungen innerhalb<br />

<strong>der</strong> Produktion weiter zu erhellen, sowie die<br />

Position <strong>der</strong> Kritik damit zu verbinden. In einer<br />

Umkehr <strong>der</strong> pädagogischen Perspektive müssen wir<br />

also davon ausgehen, dass wir diesbezüglich von <strong>der</strong><br />

Kindheit etwas lernen können.<br />

Die Gesellschaft, die auf dem verallgemeinerten<br />

Prinzip <strong>der</strong> Kommunikation fußt, sodass sogar die<br />

Arbeit im Wesentlichen sprachlichen Charakter annimmt,<br />

muss von <strong>der</strong> Erfahrung <strong>der</strong>er aus befragt<br />

werden, die noch nicht sprechen und sich erst allmählich<br />

den Zugang zur Sprache erwerben. Die<br />

neuesten Formen <strong>der</strong> Technik, jene Bereiche <strong>der</strong><br />

künstlichen Intelligenz also, <strong>der</strong>en Zweck es ist, die<br />

kognitiven Prozesse und die Selbstreflexion zu objektivieren,<br />

können einem besseren Verständnis zugeführt<br />

werden, wenn man sie mit <strong>der</strong> kindlichen<br />

Aufnahme <strong>der</strong> Welt vergleicht. Das sinnlose und parasitäre<br />

Wesen <strong>der</strong> Lohnarbeit offenbart sich in aller<br />

Schärfe angesichts <strong>der</strong> Spielformen <strong>der</strong> Kleinkin<strong>der</strong>,<br />

in denen die Abwesenheit bestimmter Zwecke und<br />

<strong>der</strong> Hang zum Experimentieren wun<strong>der</strong>bar vereint<br />

sind. Schließlich weisen die traditionslosen und erfahrungsarmen<br />

urbanen Lebensformen puerile (albern-kindliche)<br />

Züge auf, die von <strong>der</strong> Kindheit, auch<br />

wenn sie sich stets zu ihrer Rechtfertigung auf sie<br />

berufen, ein recht blasses und parodiehaftes Bild<br />

bewahren.<br />

We<strong>der</strong> leichtfertig hingeworfene Metapher, die<br />

nur dazu dient, um über an<strong>der</strong>es zu sprechen, noch<br />

Anrufung eines Zustands <strong>der</strong> noch unversehrten<br />

„Authentizität“, beschäftigt sich die Reflexion über<br />

die Kindheit mit einer stets aktuellen Seinsweise<br />

und einer Form <strong>der</strong> Erfahrung, die verschiedensten<br />

Bereichen eigen ist. Die buchstäbliche Kindheit, mit<br />

<strong>der</strong> wir immer zu tun haben, ist als solche auch eine<br />

Kategorie <strong>der</strong> Erkenntnis und Kritik.<br />

Im Laufe <strong>der</strong> 80er Jahre hat eine schwache utopische<br />

Kraft fast ausschließlich in <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> Kindheit überlebt, die von denen,<br />

die sich ansonsten in den „Realismus“ und die<br />

Resignation einübten, vorangetrieben wurde. Obgleich<br />

sie meist nicht direkt zum Ausdruck gebracht<br />

wurde, hat in jener Auseinan<strong>der</strong>setzung eine<br />

Anmerkungen zur Grammatik <strong>der</strong> Multitude.<br />

Paolo Virno<br />

grundrisse_16_2005 seite_53<br />

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