TRITONUS - HochschülerInnenschaft an der Universität für Musik
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Kennen Sie die Seilerstätte?<br />
Unsere Geschichte, respektive die<br />
Historie dieses Ortes <strong>an</strong> <strong>der</strong><br />
Seilerstätte, beginnt 1660 unter <strong>der</strong><br />
Fe<strong>der</strong>führung Eleonores von Gonzaga,<br />
ihres Zeichens Kaiserin und Witwe<br />
Ferdin<strong>an</strong>ds III. Sie holte, als streng gläubige<br />
Katholikin, den Orden <strong>der</strong><br />
Ursulinen, <strong>der</strong> zu dieser Zeit schon über<br />
g<strong>an</strong>z Europa verstreut St<strong>an</strong>dorte pflog,<br />
nach Wien. Das Grundkonzept <strong>der</strong><br />
Ursulinen, die Erziehung und Läuterung<br />
junger adeliger Mädchen, sollte auch in<br />
Wien Anwendung finden. Zu diesem<br />
Behufe wurden dem Orden sieben<br />
Gebäude vereignet, welche in den<br />
Jahren d<strong>an</strong>ach ständige Erweiterung<br />
erfuhren.<br />
Den Ursulinen war wachsen<strong>der</strong> Erfolg<br />
vergönnt: Mehr und mehr adelige<br />
Jungdamen nahmen Unterricht. Gönner<br />
f<strong>an</strong>den sich, die dem Orden Spenden in<br />
Form von Gebäuden zukommen ließen.<br />
Das Haus wuchs beständig im<br />
Grundriß, bis es um 1720 ungefähr die<br />
heutigen Ausmaße erreicht hatte.<br />
Neben den Donationen war ein<br />
Zinshaus, in dem sich adelige Witwen<br />
einmieteten, damit sie dem Orden nahe<br />
sein konnten, eine wichtige Einnahmequelle.<br />
Im Jahr 1675 wurde dort, wo sich zuvor<br />
das Gasthaus "Zum roten Löwen"<br />
befunden hatte, die heute noch bestehende<br />
Kirche errichtet und eingeweiht.<br />
Die Glocke ist noch ein Original aus<br />
jener Zeit, dem heiligen Aloisius geweiht<br />
und trägt die Inschrift "Mich goß Meister<br />
Gross im Jahre 1675 zu Wien". Durch<br />
Zufall wurde sie entdeckt und läutet<br />
heute wie<strong>der</strong> die Messen ein. Die Orgel<br />
wurde 1966, weil sie <strong>für</strong> die Zwecke <strong>der</strong><br />
<strong>Universität</strong> zu klein war, durch eine größere<br />
ersetzt, <strong>für</strong> die <strong>der</strong> Chor durchbrochen<br />
werden mußte. Ansonsten gab es<br />
keine gravierenden Verän<strong>der</strong>ungen.<br />
Josef II. löste die meisten Klöster <strong>der</strong><br />
Stadt auf. Nicht so jenes <strong>der</strong> Ursulinen,<br />
die engen Kontakt zur Mutter des<br />
Herrschers, Maria Theresia, unterhielten,<br />
wenngleich ihnen auch das<br />
Zinshaus und damit eine wichtige<br />
Möglichkeit <strong>der</strong> Selbsterhaltung weggenommen<br />
wurde. Diese Zeit <strong>der</strong> Not und<br />
Armut dauerte <strong>an</strong>, bis Fr<strong>an</strong>z I. die<br />
Besitzungen wie<strong>der</strong> retournierte.<br />
<strong>TRITONUS</strong> Jg.36 / Nr.1 / Jänner 2004 - Seite 5<br />
Universitäres<br />
Der Gebäudekomplex <strong>an</strong> <strong>der</strong> Seilerstätte, heute Teil <strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>für</strong> <strong>Musik</strong> und darstellende<br />
Kunst, ist ein "altehrwürdiges" Gebäude mit interess<strong>an</strong>ter Historie. Im wahrsten<br />
Sinne des Wortes begegnet uns diese <strong>an</strong> allen Ecken des Hauses und begleitet uns bis in<br />
die Keller.<br />
Text: Gregor A. Grömmer (nach einem Interview mit Herrn Karl Pelech)<br />
Das rege Interesse <strong>der</strong> Herrschenden<br />
<strong>an</strong> den Gebäuden mag auch damit<br />
zusammenhängen, daß sie nicht ausschließlich<br />
religiösen Zwecken dienten,<br />
son<strong>der</strong>n auch militärischen. Alle alten<br />
Klöster <strong>der</strong> Stadt Wien, das Dominik<strong>an</strong>er-,<br />
Fr<strong>an</strong>zisk<strong>an</strong>er-, Augustiner- und<br />
Ursulinenkloster, bef<strong>an</strong>den sich exakt<br />
<strong>an</strong> <strong>der</strong> Stadtmauer und sind durch<br />
unterirdische Gänge mitein<strong>an</strong><strong>der</strong> verbunden,<br />
die zum einen als Fluchtwege<br />
dienten, zum <strong>an</strong><strong>der</strong>en eine schnelle und<br />
unsichtbare Truppenbewegung ermöglichten.<br />
Hier wurden die Soldaten einquartiert,<br />
wenn es notwendig wurde, sie<br />
in Bereitschaft zu halten. Auch die<br />
Architektur zeugt davon: In den Gängen<br />
des Studentenheims finden zwei M<strong>an</strong>n<br />
in voller Bewaffnung nebenein<strong>an</strong><strong>der</strong><br />
Platz; die Grundmauern sind etwa eineinhalb<br />
Meter dick. In Zeiten des<br />
Krieges und <strong>der</strong> Belagerungen ein<br />
unschätzbarer Vorteil <strong>für</strong> den Feldherrn.<br />
Die Stadtmauer verlief in etwa entl<strong>an</strong>g<br />
<strong>der</strong> Straße und wo wir heute die <strong>an</strong><strong>der</strong>e<br />
Straßenseite sehen, bef<strong>an</strong>den sich zur<br />
Zeit <strong>der</strong> Türkenbelagerungen schon die<br />
ersten Bollwerke.<br />
So fiel das Haus denn auch 1683, während<br />
<strong>der</strong> zweiten Türkenbelagerung, in<br />
die Hände <strong>der</strong>selben. Während <strong>der</strong><br />
napoleonischen Kriege (um 1809) wurden<br />
fr<strong>an</strong>zösische Truppen einquartiert.<br />
Bis zu dieser Zeit wurde dem Gebäude<br />
so viel Schaden zugefügt, daß den<br />
Ursulinen eine Renovation unmöglich<br />
wurde. Der schulische Betrieb konnte<br />
zwar noch bis 1900 im gleichen Ausmaß<br />
aufrecht erhalten werden, doch war <strong>der</strong><br />
Orden fin<strong>an</strong>ziell nicht mehr abgesichert.<br />
Nach <strong>der</strong> Machtergreifung Hitlers<br />
beschlagnahmte die Gestapo das<br />
Kloster und es blieb, zu welchem<br />
Zwecke immer, versperrt. Die Schwestern<br />
w<strong>an</strong><strong>der</strong>ten aus. Die letzte bek<strong>an</strong>nte<br />
Spende einer Gläubigen, eine weiße<br />
Madonna, datiert in das Jahr 1945 und<br />
stellt eine D<strong>an</strong>ksagung dar, weil das<br />
Gebäude von den Bomben verschont<br />
geblieben war. Sie ist verschwunden.<br />
1960 wurde <strong>der</strong> Gebäudekomplex von<br />
<strong>der</strong> Stadt Wien aufgekauft und nach<br />
vollständiger Renovierung (1960 – 1969)<br />
<strong>der</strong> <strong>Universität</strong> <strong>für</strong> <strong>Musik</strong> und darstellende<br />
Kunst übergeben, welche zu dieser<br />
Zeit in <strong>der</strong> Lothringerstraße ihr<br />
Ausl<strong>an</strong>gen f<strong>an</strong>d und dort <strong>an</strong> erheblicher<br />
Platznot litt. Gedacht war das Gebäude<br />
<strong>für</strong> die Auslagerung <strong>der</strong> Streicher-,<br />
Bläser- und Kompositionsklassen.<br />
Fotos: Gregor A. Grömmer