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Münchner Stadtgespräche - Umweltinstitut München e.V.

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einer Gesellschaft, die Zugriff auf die Autodatenbanken<br />

elf westeuropäischer Staaten<br />

hat. Die Maut beträgt acht Pfund, ungeachtet<br />

der Verweildauer in der Zone, der<br />

zurückgelegten Entfernung und des Fahrzeugtyps.<br />

Daran gibt es Kritik, und wir untersuchen<br />

jetzt verschiedene Möglichkeiten,<br />

um das zu ändern und so die Effekte<br />

verschiedener Fahrten und Fahrzeuge besser<br />

widerzuspiegeln.<br />

<strong>München</strong> setzt in erster Linie auf Parklizenzgebiete,<br />

um den innerstädtischen Verkehr<br />

zu reduzieren: Anwohner haben Ausweise,<br />

alle anderen müssen bezahlen,<br />

wenn sie parken wollen. Hatten Sie Ähnliches<br />

für London auch mal angedacht, bevor<br />

die Entscheidung für die Maut fiel?<br />

Es gibt in London ein ähnliches System, bei<br />

dem die tägliche Parkgebühr für die von<br />

außerhalb kommenden Autofahrer viel höher<br />

ist als die jährliche für die Anwohner.<br />

Dieses System hat schon einige Jahre vor<br />

Einführung der Maut existiert. Es hat aber<br />

nach unserer Meinung nicht ausgereicht,<br />

um die Pendler zu entmutigen, mit dem<br />

Auto in das Stadtzentrum zu fahren. Und es<br />

hat den Verkehr nicht reduziert, der nur<br />

durchfährt. Nach unserer Schätzung sind<br />

es 2003 20 Prozent gewesen, die weder<br />

Start noch Ziel im Zentrum hatten.<br />

Haben sich schon potenzielle Nachahmer<br />

erkundigt, wie es bei Ihnen in London funktioniert?<br />

Fünf große US-amerikanische Städte wie<br />

zum Beispiel New York und San Francisco<br />

haben Geld von der Regierung bekommen,<br />

um Projekte zur Vermeidung von Verkehrsstaus<br />

zu entwickeln. Wir haben in letzter<br />

Zeit intensive Diskussionen mit Vertretern<br />

dieser Städte gehabt. Es gibt weltweit Interesse<br />

an der Maut. Meine Kollegen und<br />

ich haben Informationen an asiatische,<br />

afrikanische, südamerikanische und europäische<br />

Großstädte weitergegeben.<br />

Ist <strong>München</strong> auch dabei gewesen?<br />

Soweit ich weiß, nein.<br />

E-Mail-Interview: Thomas Rath<br />

Fotos: pixelio.de / sixtine (unten), TfL<br />

Angst vor der Freiheit<br />

In Deutschland wird gerne und heftig über<br />

Schule diskutiert. Aber selten darüber, wie<br />

Kinder am besten lernen.<br />

Es hat erstaunlich lange gedauert, bis<br />

die Eltern aufgewacht sind. Doch<br />

jetzt scheint es so weit zu sein.<br />

Immer mehr Menschen sagen laut und<br />

vernehmlich, was bislang eher privat geäußert<br />

wurde: Das „G8“, das achtjährige<br />

Gymnasium, überfordert die meisten<br />

Schüler und deren Familien. Selten sind<br />

sich die Kommentatoren der großen Tages-<br />

und Wochenzeitungen so einig wie<br />

bei diesem Thema. Unisono kritisieren sie,<br />

wie wenig Zeit die Stofffülle den Schülern<br />

lässt – Zeit für Musik, Sport, Spiel,<br />

Lebenszeit.<br />

So berechtigt diese Kritik ist, so sehr erstaunt<br />

das verklärte Bild vom Gymnasium,<br />

das damit transportiert wird. Als sei die<br />

Welt vor der Einführung des G8 noch in<br />

Ordnung gewesen; als sei die Kindheit<br />

bislang vollkommen unbeschwert und<br />

Schule ein Hort von Kreativität und umfassender<br />

Bildung gewesen. Wenn sich auf<br />

einmal so viele Lehrinhalte als anscheinend<br />

entbehrlich herausstellen – warum<br />

hat sich vorher niemand beschwert? Wenn<br />

Chemie in der achten Klasse oder Erdkunde<br />

in der siebten auf einmal doch nicht so<br />

furchtbar wichtig sein soll – wieso haben<br />

sich die Eltern so lange damit abgefunden,<br />

dass ihre Kinder dies alles lernen mussten?<br />

In Wahrheit geht es bei der ganzen Diskussion<br />

nicht um „Bildung“ oder darum, was<br />

junge Menschen vernünftigerweise wissen,<br />

können und kennen lernen müssen,<br />

um in einem zivilisierten Land selbstständig<br />

und menschenwürdig leben zu können.<br />

Es geht darum, Zugangsberechtigungen zu<br />

erteilen: Wer darf studieren? Wer bekommt<br />

die gutbezahlten Jobs? Wer wird<br />

später Erfolg und Einfluss haben?<br />

Das Gymnasium galt solange als erfolgreiche<br />

Schulform, wie nur die Kinder der anderen<br />

versagt haben. Kinder ausländischer<br />

Herkunft, Kinder sozial schwacher Eltern,<br />

Kinder, die zu schüchtern, zu langsam, zu<br />

zappelig oder zu unangepasst waren, wurden<br />

schon immer aussortiert, querversetzt,<br />

abgestuft. Das war in Ordnung und wurde<br />

gesellschaftlich akzeptiert. Doch auf einmal<br />

sind stabile Familienverhältnisse,<br />

Wohlstand und bürgerliche Herkunft kein<br />

Garant mehr, bis zum Abitur durchzuhalten.<br />

Auf einmal sind die Versagensängste in<br />

der Mitte der Gesellschaft angekommen –<br />

das geht dann doch zu weit.<br />

An einer echten Bildungsreform, an einer<br />

Schule, die wirklich kindgerecht und lebensdienlich<br />

wäre, sind allerdings nur we-<br />

<strong>Münchner</strong> <strong>Stadtgespräche</strong> Nr. 48/49 05/2008<br />

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