Münchner Stadtgespräche - Umweltinstitut München e.V.
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<strong>Münchner</strong> <strong>Stadtgespräche</strong> Nr. 48/49 05/2008<br />
18<br />
Wir stehen nicht am Ende unserer<br />
Demokratie, wir fangen erst<br />
richtig an.“ Mit diesem programmatischen<br />
Satz in seiner Regierungserklärung<br />
wollte Bundeskanzler Willy<br />
Brandt im Oktober 1969 in der Bundesrepublik<br />
eine neue Ära beginnen. Mit dem<br />
auf die Kurzformel gebrachten „Mehr Demokratie<br />
wagen!“ versprach die sozialliberale<br />
Bundesregierung eine Öffnung der Gesellschaft<br />
hin zu mehr Beteiligung auf allen<br />
Feldern der Gesellschaft. Diese Initiative<br />
der damaligen Regierung ist einerseits<br />
nicht vom geschichtlichen Kontext zu trennen,<br />
ging es damals doch darum, sich deutlich<br />
von der konservativ geprägten Bundesrepublik<br />
der Gründerjahre abzugrenzen.<br />
Andererseits erlaubt der optimistische<br />
Wahlspruch den Schluss: Demokratie ist<br />
also nicht gleich Demokratie.<br />
Grundgesetzlich verankert ist, dass alle<br />
Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Dieses<br />
Recht übt das Volk, der Souverän, durch<br />
Wahlen und Abstimmungen aus. Wahlen<br />
entscheiden über die Zusammensetzung<br />
der Parlamente und Gemeindevertretungen<br />
und damit auch über die Regierungen.<br />
Unklar ist bis auf den heutigen Tag die Frage,<br />
in welchem Umfang Bürgerinnen und<br />
Bürger denn auf dem Weg von Abstimmungen<br />
Einfluss auf politische Entscheidungen<br />
nehmen können. Ein bundesweit geltendes<br />
Instrument Volksbegehren und Volksentscheid<br />
gibt es nicht. Im Oktober 1995 setzte<br />
in Bayern ein „von unten“ initiierter<br />
Volksentscheid landesweit den kommunalen<br />
Bürgerentscheid durch. Seitdem verfügen<br />
die Bürgerinnen und Bürger Bayerns<br />
über ein Instrument, auf Gemeindeebene<br />
direkt auf das politische Geschehen Einfluss<br />
nehmen zu können. Allerdings gibt es<br />
dabei neben formalen Hürden eine gewichtige<br />
inhaltliche Barriere: Gegenstand von<br />
Volks- und Bürgerentscheiden dürfen keine<br />
Themen sein, die Auswirkungen auf den<br />
Haushalt haben. Dieses Schlüsselrecht,<br />
über Umfang und Zweckbestimmung des<br />
Haushalts zu bestimmen, beanspruchen die<br />
gewählten Vertreterinnen und Vertreter<br />
ausschließlich für Parlament, Stadt- und<br />
Gemeinderat. Bayerische Verfassungsrichter<br />
verneinten jüngst erst wieder die<br />
Rechtmäßigkeit eines Volksbegehrens,<br />
über den Bau des Transrapids abzustim-<br />
men. Ausschlaggebend für das Verfassungsgericht<br />
waren haushaltsrechtliche<br />
Gründe, die Abstimmung über das Verkehrsprojekt<br />
nicht zuzulassen. Nur voller<br />
Neid kann unsereins einen Blick auf unseren<br />
Nachbarn Schweiz werfen. Zahlreiche<br />
Fragen von der Gemeindeebene bis hin zum<br />
gesamten Land regeln die Eidgenossen mit<br />
Volksabstimmungen. Haushaltsrechtliche<br />
Vorbehalte engen den Handlungsspielraum<br />
nicht ein. So haben die Schweizerinnen<br />
und Schweizer beispielsweise mit direkten<br />
Plebisziten die Grundlage für ein System<br />
des öffentlichen Verkehrs geschaffen, das<br />
seinesgleichen sucht.<br />
Nur Mut!<br />
Plädoyer für einen<br />
Bürgerhaushalt<br />
Nehmen wir ein weiteres Großprojekt, das<br />
zwar noch in einiger Ferne liegt, aber<br />
bereits heute finanziell zu Buche schlägt<br />
und weit reichende Auswirkungen auf unser<br />
Alltagsleben haben wird. Nach Wunsch<br />
und Willen des <strong>Münchner</strong> Oberbürgermeisters,<br />
des Stadtrats (gegen 1 Stimme) und<br />
zahlreicher Interessenverbände, bewirbt<br />
sich <strong>München</strong> um die Ausrichtung der Winterolympiade<br />
im Jahr 2018. Was die einen<br />
bereits heute als willkommenen wirtschaftlichen<br />
Impulsgeber feiern, würde für<br />
andere weniger erfreuliche Folgen haben.<br />
Jede weitere Stärkung der Metropolenstruktur<br />
der Region <strong>München</strong> geht zu Lasten<br />
anderer Regionen im Land. Doch auch<br />
in der begünstigten Metropole würden<br />
nicht alle gleichermaßen vom sportlichen<br />
Großereignis profitieren: Wenn im Sog eines<br />
Booms die Kosten für Dienstleistungen<br />
und Wohnungsmieten steigen, haben Menschen<br />
mit geringem Einkommen das Nachsehen.<br />
Öffentlich diskutiert sind Pro und<br />
Contra einer Bewerbung um die olympischen<br />
Winterspiele 2018 bislang nicht, es<br />
fehlt damit an gesellschaftlicher und damit<br />
auch demokratischer Legitimation eines Ereignisses<br />
dieser Tragweite.<br />
Reicht uns, was wir bereits haben?<br />
Anfang März haben Kommunalwahlen<br />
stattgefunden. Die Wahlbeteiligung hat<br />
mit 47,7 Prozent einen sehr tiefen Stand<br />
erreicht. Findet der Souverän am Wahlrecht<br />
und seiner Ausübung nicht mehr allzu<br />
viel Gefallen? Oder ist es schlicht das Verhalten<br />
vieler politischer Verantwortungs-