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Münchner Stadtgespräche - Umweltinstitut München e.V.

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dass Frauenförderung in den Hintergrund<br />

treten könne. Sie hat wenig dazu beigetragen,<br />

dass Gender Mainstreaming zu einer<br />

verbindlichen, von Politik und Verwaltungsspitze<br />

verantworteten Gesamtstrategie<br />

wird. Andererseits hat sie angeregt, Gender-Aspekte<br />

zu einem integralen Bestandteil<br />

der Verwaltungsreform zu machen.<br />

Und sie hat dazu beigetragen, dass 2004<br />

ein Beschluss zu Gender-Budgeting und damit<br />

für eine geschlechtsdifferenzierte<br />

Haushaltsplanung gefasst werden konnte.<br />

Erfolgreich war die Gleichstellungsstelle<br />

auch in der betrieblichen Gleichstellungspolitik.<br />

Es gibt viele positive Beispiele für geschlechtsdifferenzierte<br />

Arbeitsansätze (z.<br />

B. Beauftragte und Fachstellen in den pädagogischen<br />

Bereichen), für die stärkere<br />

Berücksichtigung von Fraueninteressen bei<br />

Planung und Leistungserbringung (z. B. im<br />

Gesundheitsbereich und in der planenden<br />

Verwaltung) oder für fachliche Netzwerkarbeit<br />

(z. B. Fachforum <strong>Münchner</strong> Mädchenarbeit<br />

oder Fachausschuss Frauen und<br />

Gesundheit). Es gibt aber zu wenige Beispiele<br />

für eine gute Praxis von Gender<br />

Mainstreaming.<br />

Das verantwortliche Personal- und Organisationsreferat<br />

hat sich selbst keinem Gender<br />

Mainstreaming-Prozess unterzogen. Es<br />

hat aber in den „Leitsätzen 2000“ Gleichstellungsarbeit<br />

konzeptionell mit Gender<br />

Mainstreaming verbunden. Es bietet im<br />

Rahmen seiner Qualifizierungsverantwortung<br />

Fortbildungen zum Thema an und för-<br />

dert insoweit Gender Mainstreaming-Prozesse<br />

in den Organisationsbereichen.<br />

Schon seit Beginn der 1990er Jahre gab es<br />

im Referat für Stadtplanung und Bauordnung<br />

erfolgreiche Bemühungen, Fraueninteressen<br />

in die <strong>Münchner</strong> Stadtplanung<br />

einzubringen. Im Verwaltungsreformprozess<br />

wurde gezielt ein stärkeres Genderbewusstsein<br />

der männlichen Beschäftigten<br />

durch neu konzipierte Seminare gestärkt.<br />

Aktuell verfolgt das Planungsreferat eine<br />

„gendergerechte Stadtentwicklung“ zur Integration<br />

der Stadtgesellschaft und hält<br />

sie für „unverzichtbar zur Qualitätssicherung<br />

integrierter Stadtentwicklungsplanung“.<br />

Gezielt werden Instrumente des<br />

Gender Mainstreaming nach innen und<br />

außen, z.B. in Pilotprojekten genutzt.<br />

Das Referat für Arbeit und Wirtschaft fördert<br />

Gender-Budgeting. Es geht darum,<br />

dass die Gleichstellungsorientierung auch<br />

deutlich wird bei der Vergabe öffentlicher<br />

Mittel. Es sollen für die Existenzgründungs-,<br />

Beschäftigungs- und Tourismusförderung<br />

Indikatoren für ein Monitoring entwickelt<br />

werden, um Fördermaßnahmen und lokale<br />

wirtschaftliche Aktivitäten zu evaluieren<br />

und deren Effizienz und Effektivität auch im<br />

Hinblick auf eine gleichstellungsorientierte<br />

Wirkung zu bewerten. Mit dem <strong>Münchner</strong><br />

„Cross-Mentoring-Programm“ werden<br />

Frauen durch zusätzliche Kompetenzen,<br />

Praxiserfahrungen, Kontakte und Coaching<br />

dabei unterstützt, Führungspositionen anzustreben<br />

und zu erreichen und die so genannte<br />

„gläserne Decke“ zu durchbrechen<br />

(die „gläserne Decke“ beschreibt das Phänomen,<br />

dass hochqualifizierte Frauen oft<br />

im mittleren Management an unsichtbaren<br />

Barrieren hängen bleiben; Anm. d. Red.).<br />

Engagiert sind das Sozialreferat und modellhaft<br />

das Stadtjugendamt. Das Sozialreferat<br />

hat seit 2003 klare Aussagen zu Gender<br />

Mainstreaming in seinen jährlichen<br />

strategischen Zielen. Operationalisiert sind<br />

diese beispielsweise in Gender-Schulungen<br />

für alle Führungskräfte. Das Stadtjugendamt<br />

hat nach vielen Jahren geschlechtsdifferenzierter<br />

Pädagogik und von<br />

Frauenförderung 2002 Gender Mainstreaming<br />

als verbindliche Strategie definiert.<br />

Im Umsetzungsprozess sind die Verantwortung<br />

der Führungsebene festgelegt, ein<br />

Zielkatalog beschlossen und eine Umsetzungsstruktur<br />

geschaffen worden. Verbunden<br />

wurde die Top-down-Verantwortung<br />

der Führung mit Bottom-up-Elementen zur<br />

Beteiligung der Mitarbeiterschaft. Der Einstieg<br />

war eine flächendeckende Schulung<br />

aller Führungskräfte durch Gender-Kompetenz-Trainings.<br />

Jede Abteilung hat eigene<br />

Gender-Ziele, die regelmäßig überprüft<br />

wurden. Der gesamte Prozess ist wissenschaftlich<br />

evaluiert worden. Auch wenn<br />

noch viele Probleme und Lücken deutlich<br />

geworden sind, bleibt festzuhalten, dass<br />

kein (Jugend-)Amt dieser Größenordnung<br />

bundesweit sich einem solchen Prozess unterzogen<br />

hat.<br />

Die Bilanz erscheint zwiespältig: Gender<br />

Mainstreaming ist noch nicht Element einer<br />

nachhaltigen Entwicklung in <strong>München</strong>.<br />

Trotz einer Fülle von positiven Aktivitäten<br />

zur Frauenförderung fehlt es an einer die<br />

Stadtverwaltung und die von ihr geförderten<br />

freien Träger verpflichtenden Gesamtstrategie<br />

zur Umsetzung von Gender Mainstreaming<br />

– und damit an einer konsequenten<br />

Gender-Analyse und der jeweiligen<br />

Prüfung, welche Auswirkungen die politischen<br />

bzw. Verwaltungsentscheidungen<br />

auf die Geschlechter haben.<br />

Herausforderungen<br />

Das ist auch die entscheidende Herausforderung<br />

im Sinne von Nachhaltigkeit: Gender<br />

Mainstreaming als dauerhafter und Organisation<br />

verändernder Prozess zur Herstellung<br />

von Geschlechtergerechtigkeit<br />

muss in <strong>Münchner</strong> als Top-down-Strategie<br />

verbindlich beschlossen, strukturell verankert<br />

und zielorientiert umgesetzt werden.<br />

Gender Mainstreaming sollte eingebettet<br />

sein in ein kommunales Gesamtkonzept der<br />

Querschnittsaufgaben. „Gestaltung von<br />

Vielfalt“ wird zu einer entscheidenden<br />

kommunalen Zukunftsaufgabe. <strong>München</strong><br />

leistet sich den Luxus, für die unterschiedlichen<br />

Dimensionen von Vielfalt – Geschlecht,<br />

Ethnie, Alter, Behinderung, sexuelle<br />

Orientierung – eine ebensolche Vielfalt<br />

an organisatorischen Lösungen geschaffen<br />

zu haben. Sinnvoll wäre eine<br />

querschnittspolitische Gesamtstrategie zur<br />

synergetischen Verbindung von Gender<br />

Mainstreaming, Interkultureller Öffnung,<br />

Inklusion Behinderter, Berücksichtigung<br />

von Alter und Akzeptanz unterschiedlicher<br />

sexueller Orientierungen. Dabei könnte<br />

man voneinander lernen, z. B. von der strategischen<br />

Klarheit und Umsetzungsdynamik<br />

des <strong>Münchner</strong> Integrationskonzeptes, und<br />

die vorhandenen Erfahrungen und Instrumente<br />

aus der Organisations-, Personaloder<br />

Qualitätsentwicklung übergreifend<br />

und effektiv nutzen. Eine solche institutionelle<br />

Gesamtstrategie würde differenzierte<br />

und profilierte Einzelstrategien für die jeweiligen<br />

Vielfaltsdimensionen nicht überflüssig<br />

machen. Im Gegenteil: Gender<br />

Mainstreaming und Gleichstellungsarbeit<br />

bleiben auf der Agenda.<br />

Hubertus Schröer,<br />

ehemaliger Leiter des Stadtjugendamtes<br />

Foto: Andreas Bauer<br />

<strong>Münchner</strong> <strong>Stadtgespräche</strong> Nr. 48/49 05/2008<br />

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