Münchner Stadtgespräche - Umweltinstitut München e.V.
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Die Statistiken sagen Erfreuliches:<br />
Die Zahl derer, die in <strong>München</strong> kein<br />
Dach über dem Kopf haben, hat sich<br />
seit Mitte der 1990er Jahre fast halbiert.<br />
Zu diesem Ergebnis kam die Gruppe für Sozialwissenschaftliche<br />
Forschung (GfS) in einer<br />
Untersuchung Mitte letzten Jahres. Die<br />
Hochrechnung auf das gesamte Jahr 2007<br />
ermittelte 339 Obdachlose – 1995 waren<br />
es noch 607. Das ist deshalb bemerkenswert,<br />
weil bundesweit die Zahl derer<br />
steigt, die „Platte machen“.<br />
Wer macht Platte?<br />
Laut Definition sind Obdachlose Menschen,<br />
die die Grundlagen bürgerlicher Existenz –<br />
Wohnen, Erwerbsarbeit, Einkommen – verloren<br />
und mindestens 15 Tage während eines<br />
Monats im Freien übernachtet haben.<br />
Männer sind mit 86 Prozent Frauen gegenüber<br />
deutlich in der Überzahl. Erfreulich ist<br />
der Rückgang jüngerer Menschen: Der Anteil<br />
der unter 40-jährigen sank von einem<br />
Drittel 1995 auf etwa ein Viertel 2007.<br />
Jünger als 20 war kein einziger.<br />
Jüngst Zugezogene sind eher selten auf<br />
der Straße zu finden; mehr als die Hälfte<br />
der Obdachlosen lebt schon länger als 20<br />
Jahre in <strong>München</strong>. Und wer einmal unter<br />
der Brücke ist, bleibt da nicht für alle Zeiten.<br />
Jeder Zweite ist weniger als fünf Jahre<br />
ohne Obdach, jeder siebte jedoch mehr<br />
als 15 Jahre lang.<br />
Mit rund 85 Prozent dominieren Deutsche<br />
die Gruppenstruktur, wobei sich die Zahl<br />
der Menschen mit anderen Staatsangehörigkeiten<br />
von gut zwei auf 15 Prozent mehr<br />
als versechsfacht hat. Geschuldet ist das<br />
laut Arbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe<br />
der EU-Erweiterung, da verstärkt Migranten<br />
aus Osteuropa auf der Straße landen,<br />
wenn sie keine Arbeit finden.<br />
Was sind die Ursachen?<br />
Schlechte Ausbildung, häufig wechselnde<br />
Jobs, Arbeitsplatzverlust, der meist finanzielle<br />
Schwierigkeiten nach sich zieht, und/<br />
oder Partnerkonflikte, häufig kombiniert<br />
mit Alkoholproblemen bahnen den Weg in<br />
die Obdachlosigkeit. Immerhin 20 Prozent<br />
nehmen ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld<br />
oder Sozialhilfe nicht wahr – weil sie<br />
kein Selbstvertrauen mehr haben, weil sie<br />
Ausländer sind, keine Papiere (mehr) besitzen,<br />
Kommunikationsdefizite haben oder<br />
einfach unabhängig sein wollen. Gegen<br />
Wohnheime gibt es bei Obdachlosen einige<br />
Vorbehalte aufgrund falscher Informationen<br />
oder schlechter Erfahrungen. Manche<br />
beklagen, dass es keine Angebote für Paare<br />
gibt oder sie ihren Hund nicht mitnehmen<br />
können.<br />
Angebot deutlich verbessert<br />
Dabei hat sich das Wohnangebot für Obdachlose<br />
in <strong>München</strong> deutlich verbessert:<br />
Seit 1996 sind zehn neue Wohnheime aufgemacht<br />
worden, drei für Frauen und sieben<br />
für Männer. Das Angebot an Plätzen<br />
für psychisch Kranke, Suchtkranke und ältere<br />
Obdachlose ist gestiegen, inzwischen<br />
gibt es vorwiegend Zwei- und sogar Einbettzimmer.<br />
Das alles und der Ausbau der<br />
ambulanten und stationären Hilfen haben<br />
vermutlich dazu geführt, dass die Zahl der<br />
Obdachlosen in <strong>München</strong> rückläufig ist,<br />
ganz im Gegensatz zu anderen Städten.<br />
Keine andere Stadt kann ein solch differenziertes<br />
System an Hilfsangeboten vorweisen.<br />
Null Prozent wird es nicht geben<br />
Trotz aller Verbesserungen wird es<br />
weiterhin Menschen unter der Brücke geben.<br />
Die Angst vor zu dichtem Zusammenleben,<br />
noch dazu mit Fremden, die Angst,<br />
Die unter der<br />
Brücke leben<br />
„Brücken bauen“ heißt das Motto des 850sten<br />
Stadtgeburtstags. Wir haben hinter die Kulissen<br />
geschaut und wollten wissen, wie es um<br />
die Menschen bestellt ist, die unter der Brücke<br />
leben.<br />
bestohlen zu werden, die Angst vor Konflikten<br />
und vor zu großen Einschränkungen<br />
der persönlichen Freiheiten – dies kommt<br />
für viele einer Entmündigung gleich. Diese<br />
Menschen ziehen ein „freies“ Leben auf<br />
der Straße vor, wenigstens für ein paar<br />
Jahre.<br />
Weil das Verhältnis zwischen Einkommen<br />
und Ausgaben immer weiter auseinandergeht<br />
und gerade in <strong>München</strong> die Lebenshaltungskosten<br />
vergleichsweise hoch sind,<br />
weil die Altersarmut tendenziell ansteigt,<br />
wird sich das Problem möglicherweise<br />
wieder verschärfen. Um dem entgegenzusteuern,<br />
sollten die Angebote weiter ausgebaut<br />
werden. Die Richtung der Stadt<br />
<strong>München</strong> stimmt offenbar.<br />
Christina Hacker<br />
Fotos: Thomas Rath<br />
<strong>Münchner</strong> <strong>Stadtgespräche</strong> Nr. 48/49 05/2008<br />
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