Ausgabe 2/2008 FRÄNZI – FORUM - Franziskanergymnasium Bozen
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Im Herbst noch kräftig ausgemistet?<br />
Zur Wiedereinführung der Nachprüfungen<br />
Die Nachprüfungen sind also wieder da (vgl.<br />
dazu Fränzi-Forum Nr. 2/2007) und damit auch<br />
die Diskussionen darüber, ob das gut sei oder<br />
nicht. Als im Sommer 2007 der damalige Unterrichtsminister<br />
Giuseppe Fioroni ankündigte, zum<br />
System der Nachprüfungen zurückkehren zu<br />
wollen, gab es in der Schulwelt sofort heftige<br />
Auseinandersetzungen darüber, ob diese Maßnahme<br />
dazu diene, die Qualität der Schule zu<br />
heben <strong>–</strong> was die Absicht des Ministers war <strong>–</strong><br />
oder ein Rückschritt sei in die überwunden<br />
geglaubte Zeit der autoritären Schule.<br />
Wie Nachprüfungen funktionieren, denke ich,<br />
wissen alle: Ein Schüler, der ein Schuljahr mit<br />
einer negativen Leistung in einem, zwei oder<br />
höchstens drei Fächern abschließt, muss unmittelbar<br />
vor Beginn des nächsten Schuljahres<br />
beweisen, seine Lücken geschlossen zu haben.<br />
Gelingt ihm das, darf er aufsteigen, andernfalls<br />
muss er das Jahr wiederholen <strong>–</strong> „'l passar più<br />
oltre ci è negato…“. So war es an den Oberschulen<br />
bis 1994.<br />
In den 13 darauf folgenden Jahren wurde jeder<br />
Schüler bereits mit Unterrichtsende im Juni<br />
definitiv versetzt oder zurückgewiesen, Herbstprüfungen<br />
gab es keine. Dem Klassenrat fiel<br />
dabei die schwere Aufgabe zu abzuschätzen, ob<br />
Schülern, die nicht in allen Fächern das Schuljahr<br />
mit einer positiven Leistung abgeschlossen<br />
hatten, zugetraut werden konnte, den Sommer<br />
über ihre Lücken zu schließen. Überprüft werden<br />
durfte das nämlich erst im Laufe des darauf<br />
folgenden Schuljahres <strong>–</strong> nachdem die Schüler<br />
bereits in der nächsten Klasse waren.<br />
An unserer Schule wurden diejenigen, die bei<br />
dieser Überprüfung durchfielen und im selben<br />
Fach am Ende des Jahres wieder negativ<br />
waren, konsequent zurückgewiesen. Offensichtlich<br />
wurde das aber an vielen Schulen so nicht<br />
gehandhabt, weshalb der Minister sich genötigt<br />
sah, die Schulen zu mehr Strenge zu zwingen<br />
(„una scuola piú severa“).<br />
Ich bin überzeugt davon: Dort, wo immer schon<br />
streng darauf geachtet wurde, dass Lernrückstände<br />
aufgeholt werden, hat sich mit der Wiedereinführung<br />
der Herbstprüfungen nicht viel geändert.<br />
Das lässt sich <strong>–</strong> zumindest für uns <strong>–</strong> anhand von<br />
Zahlen belegen. Heuer bestanden bei uns elf von<br />
15 Schülern die Herbstprüfung, vier fielen durch.<br />
Exakt die gleiche Anzahl von Schülern wäre aber<br />
nach der Regelung der letzten 13 Jahre schon im<br />
Juni zurückgewiesen worden. Mit anderen Worten:<br />
Rein zahlenmäßig gibt es bei der Durchfall-<br />
quote keinen Unterschied zwischen den beiden<br />
Systemen. Wenn deshalb in der Presse zu lesen<br />
war, dass heuer „im Herbst noch kräftig ausgemistet“<br />
worden sei, so stimmt das nicht.<br />
Ein wichtiges Detail geht aber aus den Zahlen<br />
nicht hervor: Im Juni wären nicht die selben vier<br />
Schüler zurückgewiesen worden wie im September:<br />
Zwei davon nutzten nämlich ihre Chance<br />
und zeigten sich im Herbst so gut vorbereitet,<br />
dass sie aufsteigen durften, während zwei andere,<br />
die nach der alten Regelung im Juni versetzt<br />
worden wären, sich offensichtlich zu wenig vorbereitet<br />
hatten und bei der Herbstprüfung eine<br />
ungenügende Leistung erbrachten.<br />
Ähnlich sähe es wohl bei den Schülern aus, die<br />
in den Jahren 1995 bis 2007 an unserer Schule<br />
nicht oder mit dem ominösen „Sternchen-Sechser“,<br />
d.h. auf Klassenratsbeschluss trotz einer<br />
oder zwei negativer Fächer, versetzt wurden. 64<br />
Schüler wurden in diesen 13 Jahren an unserer<br />
Oberschule zurückgewiesen, rund ein Drittel<br />
davon <strong>–</strong> die genaue Anzahl im Rückblick zu<br />
ermitteln ist unmöglich <strong>–</strong> hätte zu einer Wiederholungsprüfung<br />
antreten dürfen und einige sie<br />
wohl auch bestanden.<br />
Umgekehrt wurden 167 Schüler mit einem und<br />
108 mit zwei negativen Fächern versetzt: Vermutlich<br />
hätten von diesen nicht alle im Herbst<br />
den Nachweis erbringen können, ihre Lücken<br />
geschlossen zu haben.<br />
Unter dem Strich, glaube ich, wäre rein zahlenmäßig<br />
kaum ein anderes Resultat herausgekommen,<br />
wenn es in den letzten 13 Jahren die<br />
Nachprüfungen gegeben hätte <strong>–</strong> genauso wenig,<br />
wie es heuer etwas ausgemacht hat. Ich finde<br />
die Nachprüfung allerdings gerechter, weil jeder<br />
Schüler mit negativen Fächern die Chance hat zu<br />
beweisen, dass er imstande ist, seine Rückstände<br />
aufzuholen <strong>–</strong> eine Chance, die ihm anderenfalls<br />
häufig nicht gewährt werden konnte.<br />
Wir dürfen sie zwar<br />
nicht Nachprüfungen<br />
nennen (hat das Unterrichtsministerium<br />
in<br />
Rom gesagt), denn<br />
die „esami di riparazione“<br />
seien 1995<br />
endgültig abgeschafft<br />
worden und niemand<br />
denke daran, sie wieder<br />
einzuführen. Neu<br />
sei lediglich, dass die<br />
Schulen jetzt strenger<br />
als in den vergangenen<br />
13 Jahren kontrollieren<br />
müssen, ob die Schüler<br />
ihre Lernrückstände<br />
aus dem Vorjahr aufgeholt<br />
haben.<br />
Tatsächlich ist aber<br />
kein Unterschied zu<br />
den Nachprüfungen<br />
von früher zu erkennen:<br />
Die Überprüfung,<br />
ob die Lernrückstände<br />
aufgeholt wurden,<br />
erfolgt wieder vor<br />
Unterrichtsbeginn, und<br />
wer das, was er bis<br />
zum Juni nicht gelernt<br />
hat, immer noch nicht<br />
kann, muss das Jahr<br />
wie der holen…<br />
Fränzi - Forum 3