Schwerpunktthema: - Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
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von<br />
<strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong><br />
Dokumente und Standpunkte<br />
Wer hat Sachsens<br />
Lehrer belogen?<br />
Nazis blockiert –<br />
was kommt<br />
nach dem<br />
13. Februar 2010<br />
in Dresden?<br />
Wer wohnt in der<br />
„Linde“ und warum?<br />
<strong>Schwerpunktthema</strong>:<br />
<strong>Schwerpunktthema</strong>:<br />
<strong>Schwerpunktthema</strong>:<br />
Disharmonien Disharmonien <strong>im</strong> <strong>im</strong> Schwarz-Gelben Schwarz-Gelben Streichkonzert<br />
Streichkonzert<br />
Warum schrumpfen<br />
Sachsens Kommunalhaushalte?<br />
Wen trifft Sachsens Sparwahn?<br />
Heft 2/2010<br />
Warum urteilt das Bundesverfassungsgericht<br />
über Hartz IV?<br />
Wer profi tiert<br />
vom Verkauf<br />
kommunaler<br />
Wohnungen?<br />
Wie<br />
veräppelt man die<br />
Feuerwehr?
Das Erste<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
dass diese Ausgabe des PVL zwischen Ostern<br />
und Pfingsten herauskommt, hat zwar<br />
nichts direkt mit dem Kirchenjahr zu tun,<br />
regt aber bei der Einst<strong>im</strong>mung auf den Inhalt<br />
durchaus an: Seitdem Herr Tillich Ministerpräsident<br />
ist, heißt es, „diesmal“ werde<br />
er sich nicht am Osterreiten beteiligen,<br />
weil er auswärts <strong>im</strong> Urlaub sei, aber wegen<br />
der nicht beherrschbaren Sicherheitsprobleme<br />
sei es ohnehin kaum möglich, dass<br />
sich Sachsens Regierungschef an einem<br />
solchen Ereignis beteilige, da seine Leibwächter<br />
ja nicht reiten könnten.<br />
Dafür ist die Bevölkerung, ob zu Pferde oder<br />
nicht, den Kürzungen der Regierung in der<br />
Kinder- und Jugendpolitik, bei der Betreuung<br />
alter und behinderter Menschen, Projekten<br />
für Suchtkranke und Initiativen zur<br />
Gleichstellung von Frauen und Männern<br />
schutzlos ausgesetzt.<br />
Daran wollen wir etwas ändern, denn wo die<br />
Bedrückung durch Sozialabbau zun<strong>im</strong>mt,<br />
muss der Gegendruck erhöht werden. Das<br />
beginnt mit Aufklärung: Auf mehreren<br />
Parlament von links (pvl) ist das Magazin der <strong>Fraktion</strong><br />
<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong>. Pvl erscheint sechs<br />
Mal <strong>im</strong> Jahr und ist kostenlos. Abo unter:<br />
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1<br />
01067 Dresden<br />
Telefon: 0351/493 5800<br />
Telefax: 0351/493 5460<br />
E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de<br />
http://www.linksfraktion-sachsen.de<br />
Seiten dieses PVL, angefangen mit der Titelseite,<br />
widmen wir uns dem Thema Sozialkürzungen.<br />
„Bewaffnet“ mit den darin<br />
enthaltenen Informationen lässt sich noch<br />
besser Meinung machen – für eine Korrektur<br />
der sozialen Schieflage schwarz-gelber<br />
Regierungspolitik.<br />
Auch die Gemeinden, Städte und Kreise<br />
sind in finanzieller Not. Ein „Schutzschirm<br />
für Kommunen“ gehört daher zu den Kernforderungen<br />
unserer <strong>Fraktion</strong>. Hier geht es<br />
nicht in erster Linie darum, den Kämmerern<br />
in den Verwaltungen eine Freude zu machen,<br />
sondern die Grundlagen der öffentlichen<br />
Daseinsvorsorge zu sichern. Auch<br />
dies ist Thema <strong>im</strong> PVL. Dazu gehören <strong>im</strong><br />
Regelfall auch Wohnungen. In Dresden wurden<br />
die städtischen Wohnungen komplett<br />
verkauft – wohin das geführt hat, versucht<br />
unser Rückblick zu beantworten.<br />
Was wir angesichts eines drohenden, europaweit<br />
größten Naziaufmarsches für angemessen<br />
halten, haben wir zusammen<br />
mit zwölftausend anderen Menschen am<br />
13. Februar dieses Jahres in Dresden gezeigt<br />
– mit dem Effekt, dass die Nazis nicht<br />
marschieren konnten. Ein historischer Tag,<br />
den wir mit einer Doppelseite aufarbeiten.<br />
Dass das Pfingstwunder den Nazis zuteil<br />
wird und sie der Geist ergreift, glaube ich<br />
zwar nicht – aber dass die Verantwortungsträger/innen<br />
an der Stadtspitze und in der<br />
Landesregierung künftig bereits <strong>im</strong> Vorfeld<br />
geistreicher agieren, wäre auch schon ein<br />
Fortschritt!<br />
In diesem Sinne wünsche ich eine anregende<br />
Lektüre – auch der spannenden Themen,<br />
die ich hier noch nicht verraten habe!<br />
Herzlichst, Ihr<br />
Marcel Braumann<br />
Impressum:<br />
V.i.S.d.P.: Marcel Braumann<br />
Redaktion: Elke Fahr<br />
Layout: Carola Müller<br />
Auflage: 15.000 Stück<br />
Druck: Druckhaus Dresden GmbH<br />
Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt<br />
die Positionen der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> wieder.<br />
Diese Publikation dient der Information und darf in einem<br />
Wahlkampf nicht zur Parteienwerbung eingesetzt werden.<br />
Titel: Rund 4.000 Menschen protestierten am 10. März 2010<br />
am Rande der 9. Sitzung des 5. <strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong>es vor<br />
dem Plenargebäude in Dresden gegen die Sparpläne der Regierung<br />
<strong>im</strong> Kinder-, Jugend- und Sozialbereich. Foto: efa<br />
Inhalt<br />
Das Erste 2<br />
Schl<strong>im</strong>mer geht‘s n<strong>im</strong>mer 3<br />
Jugend ist mehr wert 4–7<br />
Leben in der Linde 8–9<br />
Wohnungen, Strom und Gas –<br />
über kommunale Daseinsvorsorge<br />
am Beispiel Dresden 10<br />
Sachsens Kommunen droht<br />
Finanzkollaps 11<br />
Im Namen des Volkes –<br />
Was nicht passt,<br />
wird passend gemacht 12–13<br />
Sieben Jahre Agenda 2010:<br />
sieben verlorene Jahre 14<br />
Staatsregierung erpresst<br />
„Halbtagslehrer“ 15<br />
Schwarzbraun ist die Haselnuss, ... 16<br />
Feuerwehrrente in Sachsen:<br />
Versprochen – gebrochen 17<br />
Dresden, 13. Februar 2010:<br />
Sie kamen nicht durch! 18–19<br />
Parlamentarische <strong>LINKE</strong> Initiativen 20<br />
<strong>LINKE</strong> besuchen diakonische<br />
Einrichtungen in Herrnhut 20<br />
Kosten der Krise nicht auf Sachsens<br />
Bürgerinnen und Bürger abwälzen –<br />
Alternativen sind möglich! 21<br />
Serbska strona 22<br />
Ist weniger mehr –<br />
oder bald fast nichts? 23<br />
Das Letzte 24<br />
2 pvl 2/2010<br />
Foto: efa
Foto & Montage: efa<br />
Schl<strong>im</strong>mer geht’s n<strong>im</strong>mer<br />
Nach 100 Tagen schwarz-gelber Regierung<br />
stellte ich bereits <strong>im</strong> Januar fest, dass dem<br />
neuen Kabinett Tillich/Zastrow noch keine<br />
Kabinettstückchen gelungen seien. So<br />
schwach sei noch keine sächsische Regierung<br />
gestartet. Inzwischen hat diese Koalition,<br />
die von sich behauptete, ein „bürgerliches“<br />
Bündnis zu sein, schon mehrere<br />
Bruchlandungen hingelegt: Man kürzt ein<br />
Drittel bei der Jugendhilfe, mehr als jemals<br />
zuvor seit 1990, man setzt sich über Tarifvereinbarungen<br />
mit Lehrerinnen und Lehrern<br />
hinweg, man streicht ohne Skrupel dort<br />
am meisten, wo am wenigsten zu holen ist:<br />
bei Sozialprojekten und Ehrenamtlichen.<br />
Herr Zastrow findet sich und die FDP <strong>im</strong>mer<br />
noch so toll, dass er wegen ausbleibender<br />
Lobgesänge über seine Politik dazu<br />
übergegangen ist, pauschal die Medien zu<br />
besch<strong>im</strong>pfen und Verschwörungstheorien<br />
zu verbreiten. So aber kann man kein Land<br />
vernünftig regieren. Dass der FDP-Chef<br />
dazu nicht in der Lage ist, hat er ja wohl<br />
selbst geahnt und deshalb auf einen Platz<br />
am Kabinettstisch verzichtet. Dort aber ist<br />
die FDP nun mit einem stellvertretenden<br />
Ministerpräsidenten Morlok präsent, der<br />
jeden Tag neu unter Beweis stellt, dass die<br />
FDP unter „Leistungsträgern“ etwas anderes<br />
versteht als die meisten Menschen <strong>im</strong><br />
Land.<br />
Was den Bürgern in Sachsen in den vergangenen<br />
Wochen an Kürzungen nicht nur<br />
<strong>im</strong> Sozial- und Bildungsbereich zugemutet<br />
worden ist, soll weniger als ein Zehntel<br />
jener Grausamkeiten sein, die sich CDU<br />
und FDP für 2011/2012 vorgenommen haben.<br />
Dabei wird <strong>im</strong>mer so getan, als gehe<br />
es um notwendige Sparsamkeit wegen<br />
schwerer materieller Verluste in Folge einer<br />
pvl 2/2010<br />
Naturkatastrophe. Davon aber kann keine<br />
Rede sein – die Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
ist nicht vom H<strong>im</strong>mel gefallen, und die<br />
schwarz-gelben Rezepte zur angeblichen<br />
Schadensbegrenzung sind tatsächlich eine<br />
Verschl<strong>im</strong>mbesserung:<br />
Die schier unvorstellbaren Spekulationsverluste<br />
der Banken sind auch das Ergebnis einer<br />
Deregulierung der Finanzmärkte, zu der<br />
SPD und GRÜNE in ihrer Zeit in der Bundesregierung<br />
den Weg frei gemacht haben. In<br />
Sachsen wiederum waren es CDU-Politiker,<br />
allen voran der damalige Finanzminister<br />
und spätere Ministerpräsident Milbradt,<br />
die der Sachsen LB eine Geschäftspolitik<br />
verordnet haben, die am Ende in den Ruin<br />
auf Kosten der Steuerzahler geführt hat.<br />
2,75 Milliarden Euro Bürgschaften werden<br />
<strong>im</strong> Laufe der kommenden Jahre bedient<br />
werden müssen. Dies darf nicht zusätzlich<br />
den ohnehin schrumpfenden aktuellen Etat<br />
belasten.<br />
Deshalb wollen wir, dass die Kosten des<br />
Crashs der Landesbank durch langfristige<br />
Kredite abgefedert werden. Wer sich einer<br />
„Neuverschuldung null“ brüstet und zugleich<br />
seine finanzpolitischen Sünden aus<br />
laufenden, abnehmenden Haushaltsmitteln<br />
begleichen will, ist ein Heuchler! Das gilt<br />
auch für den jetzigen Ministerpräsidenten,<br />
der als Finanzminister am verfassungswidrigen<br />
Notverkauf der Landesbank am <strong>Landtag</strong><br />
vorbei federführend beteiligt gewesen<br />
ist, wie es Herr Tillich <strong>im</strong> letzten Jahr offiziell<br />
vom <strong>Sächsischen</strong> Verfassungsgerichtshof<br />
bescheinigt bekam.<br />
Über die dubiosen Praktiken des Parteien-Sponsoring<br />
bei Tillichs CDU haben<br />
die Verfassungsrichter bislang noch<br />
nicht geurteilt. Dass man allerdings einen<br />
Ministerpräsidenten in<br />
Sachsen für Fotos und<br />
Gespräche gegen hohe<br />
Geldzahlungen an dessen<br />
Partei mieten kann,<br />
beschädigt das Ansehen<br />
der Politik generell, denn<br />
schon der Anschein,<br />
dass ein Regierungschef<br />
käuflich sein könnte, ist<br />
verheerend.<br />
Die CDU kriegt selbst<br />
den Hals nicht voll genug,<br />
setzt aber woanders den<br />
Rotstift an und erhöht zugleich<br />
die Rückstellungen<br />
für Beamtenpensionen.<br />
Ganz abgesehen davon,<br />
dass der herkömmliche<br />
Beamtenstatus ohnehin<br />
hinterfragt werden muss<br />
und die <strong>LINKE</strong> dafür plädiert,<br />
dass alle Beschäftigten<br />
in die gesetzliche Rentenversicherung<br />
einzahlen, ist festzuhalten: Verglichen<br />
mit anderen Bundesländern hat Sachsen<br />
nur wenige Beamte. Deshalb gibt es gerade<br />
in Zeiten der Finanzkrise keinen vernünftigen<br />
Grund, mehr als 400 Millionen Euro in<br />
Pensionsrückstellungen zu stecken.<br />
Trotzdem: Auch wir wissen, dass dem Land<br />
künftig weniger Geld zur Verfügung stehen<br />
wird. Das hat z.B. mit unnötigen Steuergeschenken<br />
von Schwarz-Gelb an einzelne<br />
Interessengruppen zu tun, die Sachsen<br />
jährlich mehr als 120 Millionen Mindereinnahmen<br />
bringen, aber auch mit der Kostensteigerung<br />
be<strong>im</strong> Leipziger City-Tunnel oder<br />
bei der Waldschlösschenbrücke. Der Bevölkerungsrückgang<br />
und das Auslaufen des<br />
Solidarpakts sorgen objektiv für Bedingungen,<br />
die Einsparungen erforderlich machen.<br />
Dazu haben wir Vorschläge gemacht: z. B.<br />
Abschaffung der Landesdirektionen (früher<br />
Regierungspräsidien) und Fusion von<br />
Landesämtern in Sachsen, Thüringen und<br />
Sachsen-Anhalt.<br />
Es gibt also Sparpotenzial, das zugleich<br />
dem Bürokratieabbau dient. Stattdessen<br />
will die FDP Lehrern und Polizisten die Gehälter<br />
kürzen und aus der Tarifgemeinschaft<br />
der Länder aussteigen. Ein modernes und<br />
soziales Sachsen wird es also nur mit LINKS<br />
geben. Der Wahlkampf für den Wechsel hat<br />
begonnen!<br />
MdL Dr.<br />
André Hahn<br />
<strong>Fraktion</strong>svorsitzender<br />
3
Jugend ist mehr wert!<br />
Sachsens Staatsregierung hat ein Sparprogramm<br />
aufgelegt, nachdem bereits <strong>im</strong> laufenden<br />
Jahr 170 Mio. Euro und die folgenden<br />
beiden Jahre je 1,7 Mrd. Euro eingespart<br />
werden sollen. Dass vor dem Hintergrund<br />
wegbrechender Einnahmen gespart werden<br />
muss, steht außer Frage. Nur das WO und<br />
WIE ist mehr als strittig. Zumal Informationen<br />
dazu nur tröpfchenweise die einzelnen Ministerien<br />
verlassen.<br />
Bezeichnend jedoch ist, dass die ersten<br />
konkret vernehmbaren Sparvorgaben ausgerechnet<br />
den Kinder- und Jugendbereich<br />
treffen. In Folge dessen drohen unzählige<br />
Projekte und Initiativen der Verbände, Beratungsstellen,<br />
der Kinder- und Jugendhäuser<br />
<strong>im</strong> ganzen Land den Bach runterzugehen.<br />
Dagegen protestierten rund 4.000 junge<br />
Menschen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />
sowie zahlreiche Ehrenamtler aus verschiedenen<br />
Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe<br />
am 10. März vor dem <strong>Landtag</strong>. Und das völlig<br />
zu Recht, denn: Jugend ist mehr wert!<br />
„Der Freistaat fördert die Kinder- und Jugendarbeit<br />
mehr als andere Bundesländer. In Sachsen<br />
haben wir zum Teil sehr leistungsstarke<br />
Strukturen. Diese wollen wir festigen. Wir<br />
müssen von temporären Förderprogrammen<br />
Abstand nehmen. Für eine gute Arbeit braucht<br />
es Planungssicherheit durch eine stabile Finanzierung.<br />
Auch in der Zukunft sollen die<br />
Kommunen die Jugendpauschale bekommen,<br />
damit vor Ort Jugendclubs und Beratungsstellen<br />
betrieben werden können. Die landesweiten<br />
Träger der Jugendarbeit unterstützen wir<br />
weiterhin.“<br />
aus dem „Vertrag für Sachsen.<br />
Wissen, wo’s lang geht.“ Regierungsprogramm<br />
der CDU Sachsen 2009–2014“<br />
Soweit die CDU Sachsen vor der Wahl. Die<br />
Realität von heute sieht so aus: Mitte Februar<br />
erhielten die überörtlichen Jugendverbände<br />
die Nachricht, dass für sie – <strong>im</strong> laufenden<br />
Haushaltsjahr und entgegen aller Planungen<br />
– ganze 600.000 Euro weniger zur Verfügung<br />
stehen. Das bedeutet nichts anderes,<br />
als dass gezielt auf den Wegfall von Stellen<br />
hingearbeitet wird. Beispielsweise teilen<br />
sich bei der „Landesarbeitsgemeinschaft<br />
Mädchen und junge Frauen e.V.“ schon heute<br />
drei Mitarbeiterinnen die 1,8 Stellen. Die<br />
genannte Kürzungssumme entspricht <strong>im</strong> Übrigen<br />
fast exakt der Summe, die seit Beginn<br />
(…) „Die Einsparungen <strong>im</strong> Bereich<br />
der verbandlichen, offenen und mobilen<br />
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen<br />
werden die hier tätigen Sozialpädagogen<br />
und Jugendmitarbeiter<br />
genauso demoralisieren wie die<br />
bisher erreichten Kinder und Jugendlichen.<br />
Wie ist der heranwachsenden<br />
Generation zu vermitteln, dass ausgerechnet<br />
bei Kindern und Jugendlichen<br />
der „Rotstift“ unverhältnismäßig<br />
angesetzt wird? (…)<br />
Tobias Bilz, Landesjugendpfarrer<br />
(…) „Wir rufen die Landespolitik auf,<br />
gerade in Krisenzeiten fachlich fundierte<br />
und transparent erarbeitete<br />
Entscheidungen zu treffen, die auch<br />
der örtlichen Ebene eine mittelfristige<br />
Planungssicherheit geben. Landkreise,<br />
Kommunen und Freie Träger<br />
haben bisher diese Prozesse engagiert<br />
gestaltet und haben es in keiner<br />
Weise verdient, dass ihnen mit<br />
Ignoranz und Geringschätzigkeit begegnet<br />
wird. Nicht nur der Inhalt der<br />
Entscheidungen – sondern vor allem<br />
die Art und Weise der Kommunikation<br />
stellt einen Vertrauensbruch dar<br />
und hat so bereits jetzt zur Demotivation<br />
tausender in diesen Arbeitsfeldern<br />
tätiger und engagierter<br />
Bürgerinnen und Bürger geführt. (…)<br />
T. Moritz, Th. Kadenbach /<br />
AG Jugendhilfeverbundsystem<br />
<strong>im</strong> Landkreis Bautzen<br />
Erst <strong>im</strong> vergangenen Herbst wurde<br />
die überörtliche Jugendhilfeplanung<br />
für 2010 bis 2014 aktualisiert und<br />
verabschiedet. Diese begründet den<br />
aktuellen Bedarf und konstatiert darüber<br />
hinaus einen Mehrbedarf in best<strong>im</strong>mten<br />
Bereichen der Jugendhilfe.<br />
Von Einsparpotenzialen ist hier<br />
genauso wenig die Rede wie <strong>im</strong><br />
3. <strong>Sächsischen</strong> Kinder- und Jugendbericht,<br />
der ebenfalls <strong>im</strong> letzten Jahr<br />
veröffentlicht wurde. Kinder und<br />
Jugendliche sind unsere Zukunft,<br />
in die es zu investieren lohnt. (…)<br />
Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten<br />
Sachsen e.V. (AGJF)<br />
(..) Nun ist auch klar, dass die Kürzungen<br />
nicht mehr nur durch Enthaltsamkeit<br />
<strong>im</strong> Bürobedarf oder durch<br />
die Zahlung von Gehältern jenseits<br />
von Gut und Böse zu kompensieren<br />
sind. Vereine und deren Angestellte<br />
blicken in eine düstere Zukunft,<br />
wenn sie denn überhaupt eine<br />
haben. Angebote an Kinder und<br />
Jugendliche werden sich aufgrund<br />
der ausbleibenden Förderung verteuern<br />
müssen, ein Schritt, den nicht<br />
alle jungen Menschen oder deren<br />
4 pvl 2/2010<br />
Fotos: efa
dieser Legislatur jeden Monat für zusätzlich<br />
geschaffene Posten in den Ministerien zu berappen<br />
ist. Aufs Jahr hochgerechnet macht<br />
das 7,4 Millionen Euro – und damit fast genauso<br />
viel, wie das Sozialministerium allein<br />
bei der Jugendhilfe einsparen muss.<br />
Der Kommunale Sozialverband hat aus verwaltungstechnischer<br />
Sicht das Beste daraus<br />
gemacht, die Einsparungen ohne jegliche<br />
Fachberatung gleichmäßig verteilt und den<br />
Trägern einfach nur noch 80 Prozent Personalkosten<br />
sowie 17 Prozent Sachkostenmittel<br />
zugeteilt. Der Rest soll nun über Eigenmittel<br />
erwirtschaftet werden. Der regierungstragenden<br />
CDU scheint vor lauter Sponsoringanfragen<br />
seitens der sächsischen Wirtschaft entgangen<br />
zu sein, dass Kinder und Jugendliche<br />
nicht über breite fi nanzielle Mittel verfügen,<br />
um den Kontakt mit dem Sozialpädagogen<br />
ihres Vertrauens oder der Jugendhaus-Mitarbeiterin<br />
vor Ort durch mitgebrachte Drittmittel<br />
gegenfi nanzieren zu können. Bei einigen<br />
Trägern führt diese Politik direkt und mittelfristig<br />
in die Insolvenz, aber vielleicht ist das<br />
der innovative jugendpolitische Ansatz, gewachsene<br />
Projekte und Strukturen kaputt zu<br />
sparen, anstatt die beschlossene Jugendhilfeplanung<br />
für Sachsen umzusetzen?<br />
Die <strong>im</strong> CDU-Regierungsprogramm beschriebene<br />
„Planungssicherheit durch eine stabile<br />
Finanzierung“ erleben wir gegenwärtig an der<br />
vor allem für die Kommunen und Landkreise<br />
überraschenden Kürzung der Jugendpauschale<br />
um 27 Prozent und damit von 14,30<br />
Euro auf 10,40 Euro je Jugendlichem unter<br />
27 Jahre. Und das mitten <strong>im</strong> laufenden Haushaltsjahr.<br />
Zum Vergleich: Die mehr als 4 Millionen<br />
Euro, mit denen hier auf Kosten der<br />
nächsten Generation Haushaltskonsolidierung<br />
betrieben wird, entsprechen einem Prozent<br />
der zusätzlichen 400 Millionen Euro, die<br />
der Freistaat zur Fertigstellung des Leipziger<br />
City-Tunnels mindestens noch wird aufwenden<br />
müssen ...<br />
Den Gebietskörperschaften fehlen je nach<br />
Größe zwischen 100.000 und 560.000 Euro<br />
<strong>im</strong> laufenden Haushalt und bis Mitte März<br />
pvl 2/2010<br />
hatten bereits zehn der 13 Gebietskörperschaften<br />
in Sachsen Widerspruch gegen den<br />
Bescheid zur Kürzung der Jugendpauschale<br />
eingelegt. Die örtlichen Kämmerer und Jugendamtsleiter<br />
haben nachgerechnet, wie<br />
sich die Kürzungen auf die Strukturen auswirken:<br />
In einem Landkreis ist von der Entlassung<br />
von 30 Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen<br />
die Rede, <strong>im</strong> Landkreis<br />
Meißen werden ab Juli statt 35 nur noch 23<br />
sozialpädagogische Fachkräfte in der Jugendarbeit<br />
tätig sein und der Landkreis Nordsachsen<br />
rechnet mit einer Reduzierung von 47 auf<br />
36 Fachstellen.<br />
Die schwarz-gelbe, fi skalisch gesteuerte Bildungs-<br />
und Sozialpolitik in Sachsen ist unausgegoren<br />
und weit weg von fachlichen<br />
Überlegungen. Der einzige Orientierungsrahmen<br />
der Staatsregierung heißt Sparen<br />
und Tillichs politischer Gestaltungswille erschöpft<br />
sich in den Varianten des Abbaus:<br />
Abbau von Personal, Abbau von Strukturen<br />
in der Jugend-, Sozial- und Gleichstellungsarbeit.<br />
Und auch wenn es ob dessen selbst in<br />
den Reihen der CDU vernehmbar grummelt,<br />
wird es wohl auch in dieser Frage be<strong>im</strong> sattsam<br />
bekannten „Kadavergehorsam“ bleiben.<br />
Als leuchtendes Beispiel dafür darf die Sozialministerin<br />
voranschreiten. Denn statt für<br />
ihr Ressort zu kämpfen und die Höhe der Einsparungen<br />
in ihrem Hause, dessen Ausgaben<br />
zu 90 Prozent Pfl ichtaufgaben sind, gegenüber<br />
dem Finanzminister infrage zu stellen,<br />
erklärte Ministerin Clauß per Zeitungsinterview:<br />
„Operationen tun <strong>im</strong>mer weh“. Ergänzend<br />
ließ Sozial-Staatssekretärin Andrea<br />
Fischer kurz darauf verlauten: „Keine Häkelkurse<br />
für Mädchen <strong>im</strong> ländlichen Raum“ und<br />
„Man kann gewisse bildungsferne Schichten<br />
einfach nicht mehr erreichen.“ Bei solchen<br />
Aussagen stellt sich die Frage nach der Qualifi<br />
kation, konkret, ob Frau Fischer als Juristin<br />
für das Amt der Staatssekretärin für Soziales<br />
tatsächlich geeignet ist.<br />
Blättert man in noch gar nicht so alten Regierungsdokumenten,<br />
dämmert es einem, wie<br />
das mit dem „Geschwätz von gestern“ in �<br />
Eltern mitgehen können. (…) Kinder<br />
und Jugendliche, aber auch pädagogische<br />
Fachkräfte sind die Adressaten<br />
der neuesten Kürzungen. Sie<br />
sollen nun einstehen für das Unvermögen<br />
von Banken und Unternehmen,<br />
aber auch das Kneifen von<br />
Politik, die sich keinen anderen Rat<br />
weiß, als dort zu kürzen, wo es, vermeintlich,<br />
am wenigsten zu spüren<br />
ist! (…)<br />
Kinder- und Jugendring Sachsen e.V.<br />
(…) Strukturen werden nachhaltig<br />
zerstört und die Beziehungsarbeit<br />
mit den Jugendlichen einfach gekippt.<br />
Und das in einer Situation, in<br />
der die rechtsextremistischen Kräfte<br />
insbesondere <strong>im</strong> ländlichen und<br />
kleinstädtischen Bereich jede Chance<br />
nutzen, Räume zu besetzen, radikale<br />
Lösungen anzubieten und sich<br />
<strong>im</strong> Ehrenamt breit machen. Wir können<br />
Rechtsextremismus nicht bekämpfen,<br />
wir können aber jegliche<br />
Form von Extremismus verhindern<br />
oder <strong>im</strong> Ke<strong>im</strong> ersticken – indem wir<br />
als verlässliche Ansprechpartner/<br />
innen mit Kindern und Jugendlichen<br />
in Kontakt sind, uns für sie interessieren<br />
und mit ihnen sprechen, Räume<br />
zum Probieren und Lernen bereit<br />
stellen, außerschulische Bildung<br />
anbieten und sie bei Problemen<br />
unterstützen. (…) Es braucht ein<br />
klares Bekenntnis der politischen<br />
Verantwortungsträger/innen <strong>im</strong><br />
Freistaat Sachsen, dass eine nachhaltige<br />
Kinder- und Jugendarbeit<br />
gewollt ist (…).<br />
Ulrike Worbs-Reichenbach,<br />
Vorsitzende KJR Meißen e.V.<br />
5
�<br />
Sachsen aussieht. Vor anderthalb Jahren<br />
bspw. bezog die Staatsregierung wie<br />
folgt Stellung zum 3. <strong>Sächsischen</strong> Kinderund<br />
Jugendbericht des Sozialministeriums:<br />
„Die Staatsregierung teilt die Einschätzung,<br />
dass insbesondere die Jugendarbeit in ländlichen<br />
Regionen vor dem Hintergrund der demografi<br />
schen Entwicklung wie auch nach der<br />
Verwaltungsreform vor besonderen Herausforderungen<br />
steht. Sie sieht die Notwendigkeit,<br />
die wechselseitige Bezugnahme von mit<br />
Kindern und Jugendlichen agierenden Institutionen<br />
zu stärken. Die Staatsregierung wird<br />
auch weiterhin die Förderung für die örtliche<br />
Ebene so gestalten, dass Planungssicherheit<br />
und ein geringer Verwaltungsaufwand beibehalten<br />
werden. Sie wird bei der Umsetzung<br />
der Förderstrategie das Augenmerk weiter<br />
auf die Entwicklung der Strukturqualität in<br />
der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit<br />
entsprechend der jugendhilfeplanerischen<br />
Bedarfslagen auf örtlicher Ebene legen.“<br />
Die Einschätzung der Vertreterinnen und<br />
Vertreter des <strong>Sächsischen</strong> Städte- und Gemeindetages<br />
und des Landkreistages zu<br />
den Einsparungen <strong>im</strong> aktuellen Haushalt<br />
hörten sich in den Beratungen des Landesjugendhilfeausschusses<br />
jedoch deutlich kritisch<br />
gegenüber der Staatsregierung und<br />
dem Sozialministerium an. Denn die Entscheidungsträger<br />
vor Ort wissen, wie notwendig<br />
fl ächendeckende Beratungs- und<br />
Betreuungsstrukturen in der Jugend- und<br />
Sozialarbeit sind und dass Prävention günstiger<br />
zu haben ist als Nachsorge!<br />
Gestaltende Politik für Kinder und Jugendliche<br />
fi ndet unter Ministerpräsident Tillich<br />
nur noch – und das auch nur ansatzweise –<br />
bei der Feuerwehr und <strong>im</strong> Sportverein statt.<br />
Den Rest erledigt der Finanzminister. Das<br />
mag für kleine Orte wie Panschwitz-Kuckau<br />
ausreichen, für Sachsen ist es ein sozialund<br />
vor allem bildungspolitisches Armutszeugnis.<br />
Schließlich ist allgemein bekannt,<br />
dass Bildung nur zu 25 Prozent in der Schule<br />
stattfi ndet und weitere Kompetenzen, Fähigkeiten<br />
und Fertigkeiten außerschulisch<br />
erworben werden, zum Beispiel <strong>im</strong> Kinder-<br />
und Jugendhaus am Nachmittag, auf<br />
Bildungsfahrten und Ferienfreizeiten und<br />
nicht zuletzt <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen Jahr<br />
in der Ökologie, <strong>im</strong> Kulturverein oder in der<br />
Sozialstation.<br />
Die <strong>im</strong>mer wieder ins Feld geführte Behauptung,<br />
die Folgen der Finanzkrise seien die<br />
Ursache für die Haushaltskonsolidierung, ist<br />
an den Haaren herbeigezogen. Das Loch in<br />
der sächsischen Staatskasse ist nicht zuletzt<br />
durch Mehrausgaben wie für die Dresdner<br />
Waldschlösschenbrücke von 25 Mio. Euro,<br />
durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz<br />
von Schwarz-Gelb bedingte Steuerausfälle<br />
in Höhe von ca. 114 Mio. Euro und vor<br />
allem für die Rückstellungen zum Auffangen<br />
der Landesbankhaftung in Höhe von 830<br />
Millionen Euro verursacht worden.<br />
Im letzten <strong>Sächsischen</strong> Kinder- und Jugendbericht<br />
kündigte die Staatsregierung an:<br />
„Bei der Fortschreibung der Planung für die<br />
Jahre 2010 bis 2014 werden die Herausforderungen<br />
der demografi schen Entwicklung<br />
sowie die Umsetzung der jugendpolitischen<br />
Handlungserfordernisse Schwerpunkt sein.<br />
Damit werden die Bildungsthematik insgesamt<br />
und die Stärkung außerschulischer Bildungsorte<br />
vorrangig berücksichtigt.“<br />
Wie ernst die CDU und die nunmehr mitregierende<br />
FDP Aussagen wie diese meinen,<br />
lässt sich aus der Abst<strong>im</strong>mung zu unserem<br />
gemeinsam mit der SPD ins März-Plenum<br />
eingereichten Antrag zur Rücknahme der<br />
Beschlüsse zur Haushaltskonsolidierung auf<br />
Kosten von Kindern und Jugendlichen ablesen.<br />
Schwarz-Gelb hat an diesem Tag die<br />
Möglichkeit vertan, den Kahlschlag <strong>im</strong> Sozialressort<br />
<strong>im</strong> laufenden Haushalt zu korrigieren<br />
und in Sachsens Zukunft zu investieren.<br />
MdL<br />
Annekatrin<br />
Klepsch<br />
Sprecherin für<br />
Kinder- und<br />
Jugendpolitik<br />
und Soziokultur<br />
(…) Es ist unverständlich und vor<br />
allem nachfolgenden Generationen<br />
gegenüber fahrlässig, mit welchem<br />
Aufwand die Sächsische Staatsregierung<br />
die Neuverschuldung verhindern<br />
und die Schuldentilgung<br />
vorantreiben will. Dies konterkariert<br />
geradezu die proklamierte Generationengerechtigkeit,<br />
weil wir damit<br />
unseren Kinder und Jugendlichen<br />
das Hineinwachsen in die Gesellschaft<br />
erschweren. Dies wiegt mindestens<br />
genauso schwer wie der<br />
Umgang mit fi nanziellen Hypotheken,<br />
die durch unsachgemäße Haushaltspolitik<br />
erzeugt wurden. (…)<br />
Landesverbandes<br />
Soziokultur Sachsen e. V.<br />
(…) Kinder und Jugendliche haben<br />
eine geringe Lobby. Sie sind<br />
keine Wähler. Sie gehören zu den<br />
Schwächsten und können sich<br />
nicht wehren. Bei Banken und in<br />
der Automobilindustrie sieht das<br />
anders aus. Dort war sofortige Hilfe<br />
möglich. (…) Die Kürzung wird sich<br />
rächen. Ausgaben durch Jugenddelinquenz<br />
werden steigen, rechtsextremistische<br />
Kräfte werden die<br />
leeren Stellen ausfüllen und mit ihrem<br />
vereinfachenden Weltbild und<br />
radikalen Lösungen junge Menschen<br />
erreichen. Ist das gewollt?<br />
Maria Vetter, Vorstandsvorsitzende<br />
KJR Erzgebirge e.V.<br />
(…) Gelingendes Aufwachsen von<br />
Kindern ist kein Selbstläufer! Auch<br />
in Sachsen sind <strong>im</strong>mer mehr junge<br />
Menschen von Armut und Ausgrenzung<br />
bedroht. Sie bedürfen dringend<br />
und nachhaltig der Förderung und<br />
Unterstützung, um sie zu befähigen,<br />
in der Zukunft ihr Leben eigenverantwortlich<br />
und gemeinschaftsfähig<br />
zu gestalten. (…) Kann es<br />
sich der Freistaat – auch unter dem<br />
Gesichtspunkt des demografi schen<br />
Wandels – leisten, durch kurzsichtige<br />
und in ihrem Umfang deutlich<br />
überzogene Sparmaßnahmen<br />
die Potentiale vieler junger Menschen<br />
ungenutzt zu lassen und<br />
ihre Zukunft zu gefährden? (…)<br />
Deutscher Kinderschutzbund<br />
Sachsen e.V.<br />
6 pvl 2/2010
CDU/FDP-Koalition wälzt Krisenfolgen<br />
auf die Schwächsten ab<br />
Bevölkerungsrückgang und Abnahme der<br />
Solidarpakt-Mittel verursachen sowieso<br />
schon schrumpfende Staatshaushalte in<br />
allen ostdeutschen Bundesländern. Hinzu<br />
kommen Einnahmeausfälle durch eine Finanz-<br />
und Wirtschaftskrise, die verantwortungslose<br />
Banker <strong>im</strong> Zusammenspiel mit<br />
neoliberaler Politik ausgelöst haben. Dennoch<br />
hat die schwarz-gelbe Sächsische<br />
Staatsregierung den Steuergeschenken für<br />
Besserverdienende zugest<strong>im</strong>mt, die dem<br />
Freistaat Mindereinnahmen von über 100<br />
Million Euro jährlich bescheren.<br />
Über die Frage, wer jetzt dafür die Zeche<br />
zahlen soll, gibt es <strong>im</strong> <strong>Landtag</strong> einen fundamentalen<br />
Unterschied zwischen CDU<br />
Name <strong>Fraktion</strong> Wohnort / Landkreis<br />
Bandmann, Volker CDU Görlitz / GR<br />
Bienst, Lothar CDU Rietschen / NOL<br />
Biesok, Carsten FDP Dresden / DD<br />
Bläsner, Norbert FDP Heidenau / PIR<br />
Breitenbuch, Georg-Ludwig von CDU Kohren-Sahlis / L<br />
Clauß, Christine Ursula CDU Leipzig / L<br />
Clemen, Robert CDU Leipzig / L<br />
Colditz, Thomas CDU Aue / ERZ<br />
Dietzschold, Hannelore CDU Wurzen / L<br />
Fiedler, Aline CDU Dresden /DD<br />
Firmenich, Iris CDU Frankenberg / FG<br />
Fischer, Sebastian CDU Priestewitz / MEI<br />
Flath, Steffen CDU Annaberg-Buchholz / ERZ<br />
Fritzsche, Oliver CDU Markkleeberg / L<br />
Gemkow, Sebastian CDU Leipzig / L<br />
Gillo, Dr. Martin CDU Dresden / DD<br />
Günther, Tino FDP Kurort Seiffen / ERZ<br />
Hähnel, Andreas CDU Chemnitz / C<br />
Hartmann, Christian CDU Langebrück / DD<br />
Hauschild, Mike FDP Bautzen / BZ<br />
Heidan, Frank CDU Plauen / V<br />
Heinz, Andreas CDU Pöhl / V<br />
Herbst, Torsten FDP Dresden / DD<br />
Hippold, Jan CDU L<strong>im</strong>bach-Oberfrohna / Z<br />
Hirche, Frank CDU Hoyerswerda / BZ<br />
Jonas, Anja FDP Markkleeberg / L<br />
Karabinski, Benjamin FDP Freiberg / FR<br />
Kienzle, Alfons CDU Reichenbach / V<br />
Kirmes, Svend-Gunnar CDU Leipzig / L<br />
Krasselt, Gernot CDU Oederan / FG<br />
Krauß, Alexander CDU Schneeberg / ERZ<br />
Kupfer, Frank CDU Oschatz / TDO<br />
Lehmann, Heinz CDU Neusalza-Spremberg / GR<br />
Liebhauser, Sven CDU Döbeln / FG<br />
pvl 2/2010<br />
und FDP auf der einen und der <strong>LINKE</strong>N, SPD<br />
und den Grünen auf der anderen Seite, wie<br />
die Abst<strong>im</strong>mung über den Gemeinschaftsantrag<br />
der <strong>Fraktion</strong>en <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> und SPD<br />
unter dem Titel„Keine Haushaltskonsolidierung<br />
auf Kosten von Kindern und Jugendlichen<br />
oder in anderen sozialen Bereichen“<br />
am 10. März 2010 gezeigt hat:<br />
Die Antragsteller von <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> und SPD<br />
und auch die Abgeordneten der <strong>Fraktion</strong><br />
BÜNDNIS 90/<strong>DIE</strong> GRÜNEN st<strong>im</strong>mten diesem<br />
Antrag zu. Die Abgeordneten von<br />
CDU und FDP st<strong>im</strong>mten dagegen. Damit<br />
wurde der Antrag abgelehnt und der Weg<br />
für die vielfach Existenz bedrohenden Mittelkürzungen<br />
frei gemacht.<br />
Von den 58 CDU-<strong>Landtag</strong>sabgeordneten<br />
Sachsens haben 55 mit NEIN gest<strong>im</strong>mt,<br />
drei waren nicht anwesend. Von den 14<br />
FDP-<strong>Landtag</strong>sabgeordneten Sachsens<br />
haben 13 mit NEIN gest<strong>im</strong>mt, einer war<br />
nicht anwesend.<br />
Ergebnis der Abst<strong>im</strong>mung:<br />
Gesamtst<strong>im</strong>men: 123<br />
Für den Antrag zur Rücknahmen der Sozial-<br />
Kürzungen st<strong>im</strong>mten 50 Abgeordnete.<br />
Gegen den Antrag st<strong>im</strong>mten 69 Abgeordnete<br />
(s. Tabelle), vier Abgeordnete enthielten<br />
sich der St<strong>im</strong>me.<br />
Die Nein-Sager <strong>im</strong> Überblick<br />
(in alphabetischer Reihenfolge):<br />
Name <strong>Fraktion</strong> Wohnort / Landkreis<br />
Löffler, Jan CDU Neukirchen/Pleiße / Z<br />
Martens, Dr. Jürgen FDP Meerane / Z<br />
Meyer, Stephan CDU Oderwitz / GR<br />
Michel, Jens CDU Lohmen / PIR<br />
Mikwauschk, Aloysius CDU Räckelwitz / BZ<br />
Modschiedler, Martin CDU Dresden / DD<br />
Morlok, Sven FDP Leipzig / L<br />
Nicolaus, Kerstin CDU Hartmannsdorf / Z<br />
Otto, Gerald CDU Zwickau / Z<br />
Patt, Peter Wilhelm CDU Chemnitz / C<br />
Petzold, Jürgen CDU Auerbach / V<br />
Piwarz, Christian CDU Dresden / DD<br />
Pohle, Ronald CDU Leipzig / L<br />
Rohwer, Lars CDU Dresden / DD<br />
Rößler, Dr. Matthias CDU Dresden-Cossebaude / MEI<br />
Rost, Wolf-Dietrich CDU Leipzig /L<br />
Saborowski-Richter, Ines CDU Chemnitz / C<br />
Schmalfuß, Prof. Dr. Andreas FDP Chemnitz / C<br />
Schmidt, Thomas CDU Taura / FG<br />
Schneider, Prof. Dr. Günther CDU Grünhainichen / ERZ<br />
Schowtka, Peter CDU Wittichenau / BZ<br />
Schreiber, Patrick CDU Dresden / DD<br />
Schütz, Kristin FDP Görlitz / GR<br />
Seidel, Rolf CDU Leipzig / L<br />
Springer, Ines CDU Glauchau / Z<br />
Strempel, Karin CDU Meißen / MEI<br />
Tiefensee, Volker CDU Schönwölkau / TDO<br />
Tillich, Stanislaw CDU Panschwitz-Kuckau / BZ<br />
Tippelt, Nico FDP Glauchau / Z<br />
Wehner, Oliver CDU Heidenau / PIR<br />
Windisch, Uta CDU Burkhardtsdorf / ERZ<br />
Wissel, Patricia CDU Neukirch/Lausitz / BZ<br />
Wöller, Prof. Dr. Roland CDU Freital / PIR<br />
Zastrow, Holger FDP Dresden / DD<br />
7
Leben in der Linde<br />
„Sie können meinen Namen ruhig schreiben.<br />
Ich habe nichts zu verlieren“, sagt Mario,<br />
24, ohne Familie, ohne Job, ohne Obdach.<br />
Wie der hellwache junge Mann sein<br />
Leben refl ektiert, würde gut zwischen zwei<br />
Buchdeckel passen. Ein dickes Buch, von<br />
dem man froh ist, dass es nicht die eigene<br />
Geschichte erzählt: Als Zwilling geboren,<br />
zerbricht Marios Welt mit der Ehe der<br />
Eltern. Die Mutter zieht mit den Jungs weg,<br />
dem neuen Mann <strong>im</strong> neuen Haus bleiben<br />
die Kinder fremd. Im Alter von fünf Jahren<br />
beginnt ihre „He<strong>im</strong>karriere“, mit sieben<br />
werden sie getrennt. „Ich habe schon<br />
<strong>im</strong> He<strong>im</strong> Drogen genommen, da war ich<br />
13“, erinnert sich Mario. Den Hauptschulabschluss<br />
schafft er noch, die Dachdeckerlehre<br />
nicht mehr. Rausch best<strong>im</strong>mt sein Leben.<br />
Er haust mal hier, mal da – und jede<br />
versuchte Rückkehr nach Hause endet in<br />
Chaos und Gewalt. Er braucht Geld, heuert<br />
bei einer Drückerkolonne an, haut ab<br />
und steht irgendwann komplett abgebrannt<br />
<strong>im</strong> Leipziger Sozialamt. Dort kümmert man<br />
sich, macht Wohnung und Ausbildung klar.<br />
Es läuft gut - bis er wieder Mist baut. Zwei<br />
Mal U-Haft, dann stellt ihn der Richter vor<br />
die Wahl: Drogentherapie oder Knast. Er<br />
greift mit der Therapie nach seiner vielleicht<br />
letzten Chance. Ende 2009 schließt<br />
er die Therapie ab. Erfolgreich, wie er sagt.<br />
Jetzt will er arbeiten, alles soll anders werden.<br />
„Ich schaffe das!“, macht er sich Mut.<br />
Nach der Therapie gab es Mario eigentlich<br />
nicht. Wer hier keine Adresse oder wenigstens<br />
eine „Kundennummer“ be<strong>im</strong> Arbeitsamt<br />
hat, existiert nicht. Wo also hin?<br />
Steckbrief:<br />
Das Lindenhaus<br />
der Dresdner Tafel<br />
Statt ins Obdachlosenhe<strong>im</strong> schickte ihn<br />
das Dresdner Sozialamt zum Lindenhaus<br />
der Dresdner Tafel, einer wohl deutschlandweit<br />
einmaligen Anlaufstelle für wohnungslose<br />
Jugendliche. Glücksfall für Mario, denn<br />
„Hier wir einem geholfen – sofern man das<br />
will.“ Und Mario wollte. Das hat Manuela<br />
William, eine der ehrenamtlichen Helfer<br />
<strong>im</strong> Haus, schnell erkannt. Die 37-Jährige<br />
gelernte Anlagentechnikerin hat ihm zugehört,<br />
seine Papiere sortiert, Fehlendes beschafft,<br />
Adressen rausgesucht, mit ihm Bewerbungen<br />
geschrieben, rumtelefoniert<br />
und schließlich ein Vorstellungsgespräch<br />
rausgeholt, an dessen Ende die Zusage für<br />
einen Bauhelferjob stand.<br />
„Viele regen sich<br />
doch auf, dass die<br />
Jugend abrutscht.<br />
Aber wo bitte ist deren<br />
Perspektive?<br />
Wenn wir ihnen nicht<br />
helfen, wer dann?“,<br />
begründet Manuela<br />
William ihr Engagement.<br />
Als Mutter<br />
zweier Kinder, das<br />
jüngste behindert<br />
und der „Große“ auf<br />
der Schwelle zum Erwachsensein,<br />
weiß<br />
sie, dass es gerade<br />
für Heranwachsende<br />
schwer ist, falsche<br />
von echten Freunden<br />
zu unterscheiden<br />
und auf dem rechten<br />
Das Lindenhaus in Dresden ist ein ehrenamtliches<br />
soziales Projekt, das 18- bis<br />
25-jährigen Wohnungslosen <strong>im</strong> Winter Asyl<br />
bietet. Der Platz reicht für sieben männliche<br />
und vier weibliche Bewohner. Pro Saison<br />
nehmen durchschnittlich zwölf Jugendliche<br />
das Angebot an, <strong>im</strong> Schnitt bleiben sie<br />
für vier Wochen. Das Haus gehört der Stadt<br />
Dresden, der Tafelverein darf es mietfrei nutzen.<br />
Die Betriebskosten werden ebenso über<br />
Spenden bestritten wie Einrichtung, Verpfl egung<br />
und Werterhaltung. Einen vor anderthalb<br />
Jahren gefassten Beschluss zur Sanierung<br />
von Dach und Fenstern hat die Stadt<br />
<strong>im</strong> Frühjahr dieses Jahres wieder gekippt.<br />
Die Sanierung der Bäder, von denen eines behindertengerecht<br />
ist, verdankt die Tafel der<br />
Großspende eines lokalen Unternehmens,<br />
ebenso wie die moderne Küchenausstattung.<br />
Hotels wie Ibis und Arcandor sind Dauerspender<br />
und ermöglichen u. a., dass die Nutzer-Preise<br />
niedrig bleiben. So zahlen Bewohner<br />
pro Übernachtung 1 Euro und 50 Cent für<br />
ein Mittagessen.<br />
Weg zu bleiben. Obwohl selbst auf Hartz IV<br />
angewiesen, schiebt sie regelmäßig Freiwilligendienst<br />
in der „Linde“: „Mit Hartz IV<br />
glaubt man doch irgendwann selbst, dass<br />
man nichts kann, nichts ist und sich eigentlich<br />
auch gleich umbringen kann. Oder man<br />
macht was. Deshalb sind wir hier.“ Mit „wir“<br />
meint sie auch Anke Fischer, ebenfalls 37<br />
und Mutter zweier Kinder. Dass davon auch<br />
eines behindert ist, ist Zufall, dass die beiden<br />
Frauen sich <strong>im</strong> Lindenhaus trafen,<br />
nicht. Über die Arbeitsagentur hatte Anke<br />
Fischer zum Sozialen gefunden. Nachdem<br />
ihre „Maßnahme“ ausgelaufen war, wollte<br />
sie nicht einfach zurück ins Abwarten mit<br />
Alg II und kam zum Lindenhaus. Hier ist sie<br />
Manuela William (li.) und Anke Fischer kümmern<br />
sich ehrenamtlich um obdachlose Jugendliche.<br />
Das tägliche Mittagessen für Bedürftige,<br />
zumeist Hartz-Betroffene, aus dem Wohngebiet,<br />
kostet ebenfalls 1 Euro. In Zusammenarbeit<br />
mit der Volkssolidarität bietet<br />
das Lindenhaus darüber hinaus den Rentnern<br />
aus der Umgebung Mittagessen für<br />
2,50 Euro an, das pro Tag von rund 20,<br />
zumeist allein stehenden Männern und<br />
Frauen, angenommen wird. Die beiden<br />
Clubräume werden auch für Veranstaltungen<br />
vermietet, die Miete fl ießt in die<br />
Unterhaltung der „Linde“ zurück. Die Betriebsleitung<br />
liegt in den Händen von Erhard<br />
Nickel, der mit einer halbe Stelle<br />
bei der Dresdner Tafel angestellt ist. Der<br />
Hausbetrieb wird über Ehrenamtler abgesichert,<br />
die zumeist selbst bedürftig sind.<br />
efa<br />
Spenden für das Lindenhaus an:<br />
Dresdner Tafel e.V.<br />
Kennwort: Lindenhaus<br />
Ostsächsischen Sparkasse Dresden<br />
Konto: 3 120 002 002, BLZ: 850 503 00<br />
8 pvl 2/2010
Leben zeitweilig in der Linde: Felix, Mario und Nicole (v.l.)<br />
da, wenn mal einer reden will. Ansonsten<br />
klappert sie meist Ämter ab, spricht be<strong>im</strong><br />
Jugend-, Arbeits- oder Sozialamt vor – und<br />
sucht nach Wohnraum für die Lindenhäusler.<br />
Seit Dresden seinen kommunalen Wohnungsbestand<br />
an die GAGFAH verhökert<br />
hat, ist das allerdings ungleich schwerer<br />
geworden.<br />
Alkohol, Drogen und Gewalt sind <strong>im</strong> Lindenhaus<br />
tabu. Wer das nicht einsieht,<br />
muss gehen. Die Bewohner haben die Räume<br />
sauber zu halten und sich ins Hausleben<br />
einzubringen. Im Sommer gibt’s eigene<br />
Beete zur Pfl ege, der Grill <strong>im</strong> Garten ist<br />
Mitte vergangenen Jahres hatte die<br />
Dresdner Tafel mehrere Stellen aus dem<br />
Bundesprogramm „Kommunal-Kombi“ –<br />
davon drei für das Lindenhaus – beantragt<br />
und auch bewilligt bekommen. Im<br />
Januar sollte es losgehen; der Kommunal-Kombi<br />
hätte neun Hartz-IV-Betroffene<br />
für drei Jahre in Arbeit gebracht. Mit<br />
deren Arbeit wiederum hätten die wohnungslosen<br />
Jugendlichen vom Lindenhaus<br />
das ganze Jahr über Obdach und<br />
Ansprechpartner gehabt, müsste das<br />
Haus seine Bewohner keinen Tag vor<br />
die Tür setzen und hätte zudem endlich<br />
einen Sozialpädagoge einstellen können.<br />
Wie gesagt: Hätte. Mit dem Ende<br />
2009 verkündeten Aus der Ko-Finanzierung<br />
durch den Freistaat für Kommunal-Kombi-Stellen<br />
ist all das Schnee<br />
von gestern. Für die Folgen des Bewilligungsstopps<br />
müssen insbesondere<br />
pvl 2/2010<br />
Marke Eigenbau und demnächst soll auch<br />
der Kochkurs wiederbelebt werden. Kraftüberschuss<br />
kann <strong>im</strong> Keller-Sportraum abgebaut<br />
werden. „Wenn wir den Jugendlichen<br />
nahe bringen könnten, wie ein Alltag<br />
mit Ordnung, eigenem Zutun und Ehrlichkeit<br />
aussieht, hätten wir viel erreicht.<br />
Das haben die nie gelernt“, sagt Anke Fischer<br />
und verweist darauf, dass „wer gibt<br />
auch bekommt“. In der Linde kann das<br />
auch mal eine Umarmung sein. Dennoch<br />
werden die „Linden-Kinder“ nie zurückholen,<br />
um was man sie betrog. „Was Familie<br />
ist, das weiß ich nicht“, fasst Mario knapp<br />
zusammen. efa<br />
Aus für Kommunal-Kombi trifft die Schwächsten<br />
die Schwächsten der Gesellschaft aufkommen.<br />
Priorität hätten nun mal wettbewerbsfähige<br />
Arbeitsplätze auf dem<br />
ersten Arbeitsmarkt, begründete FDP-<br />
Wirtschaftsminister Morlok, warum er<br />
der Vorgabe aus dem CDU-Finanzministerium<br />
bedingungslos folgen konnte.<br />
efa<br />
übrigens …<br />
… musste das Lindenhaus über den Jahreswechsel<br />
geschlossen bleiben, weil<br />
der Hausbetrieb aufgrund der gestrichenen<br />
Kommunal-Kombi-Stellen nicht mehr<br />
abzusichern war. Hausbewohner Felix<br />
(21) musste deshalb für diese Zeit bei<br />
Bekannten um Obdach betteln. Um nicht<br />
zu verhungern, ging er Blut spenden und<br />
kaufte sich vom der Spender-Entschädigung<br />
was zu essen.<br />
Fotos: efa<br />
Von „Lindenstraße“<br />
zum Lindenhaus<br />
1998 tourte die Crew der „Lindenstraße“<br />
durch den Osten. Auf der Suche<br />
nach einer möglichst Aufsehen erregenden<br />
Werbeaktion geriet die Truppe an<br />
Dresdens Tafelchefi n Edith Franke. Die<br />
griff zu und verteilte die Soap-Darsteller<br />
erst mal in aller Herrgottsfrühe auf die<br />
Spenden-Sammeltouren quer durch die<br />
Stadt. Später postierte sie sie <strong>im</strong> großen<br />
Ausgabezelt, wo diesmal neben Lebensmitteln<br />
auch Autogramme übern<br />
Tresen gingen. Der Promi-Tafeltag zeigt<br />
Wirkung: „Was die Schauspieler hier erlebt<br />
hatten, hat sie berührt und sie boten<br />
an, etwas für Straßenkinder zu tun“,<br />
erinnert sich Edith Franke: „Da bin ich<br />
sofort los und habe nach einem passenden<br />
Haus gesucht.“ Das fand sie <strong>im</strong><br />
leer stehenden Kindergarten in der Mathildenstraße.<br />
Ein Jahr später wurde hier<br />
mithilfe der „Lindenstraße“ unter dem<br />
Namen „Lindenstraße-Haus“ ein Obdachlosenasyl<br />
für Jugendliche eröffnet:<br />
mit drei Angestellten, drei ABM-Kräften<br />
und vielen ehrenamtlich Helfern.<br />
Drei Jahre lang bezahlte die „Lindenstraße“<br />
die Arbeitskräfte, dann musste<br />
sich das Haus auf eigene Füße stellen.<br />
Und dem „Lindenstraße-Haus“ kam<br />
aus Markenschutzgründen die „Straße“<br />
abhanden. Einzig das Straßenschild <strong>im</strong><br />
Obergeschoss erinnert noch an alte Zeiten.<br />
Das Haus ganz umbenennen, wollte<br />
damals keiner, längst hatte sich die<br />
„Linde“ etabliert. Dabei war genau das<br />
am Anfang gar nicht so sicher. Bevor<br />
der Umbau des mitten <strong>im</strong> Wohngebiet<br />
liegenden Hauses begann, hatten Franke<br />
und Co. die künftigen Nachbarn eingeladen,<br />
um das Projekt vorzustellen.<br />
„Sodom und Gomorrha!“, fasst Edith<br />
Franke die Erinnerung an jenen Abend<br />
zusammen: „Alle Schandtaten dieser<br />
Welt wurde der verdorbenen Jugend<br />
dieses Landes zugeschrieben. Ablehnung:<br />
Hundert Prozent!“<br />
Das ist lange her. Wenn die „Linde“<br />
heute zum Sommerfest einlädt, ist das<br />
Haus rappelvoll. Dann drehen auch Bewohner<br />
von jetzt und einst die Würste<br />
auf dem Grill und umsorgen die Gäste.<br />
Sehr beliebt sind auch die Linden-Kinderfeste<br />
und die mit der Volkssolidarität<br />
organisierten Veranstaltungen. Wenn es<br />
<strong>im</strong> Lindenhaus klingelt, kann das heute<br />
auch ein Bewohner aus der Nachbarschaft<br />
sein, der Kleidung bringt, oder<br />
Bücher oder vielleicht etwas Obst. Kürzer<br />
kann der Weg vom Spender zum<br />
Empfänger nicht sein. efa<br />
9
Wohnungen, Strom und Gas – über kommunale<br />
Daseinsvorsorge am Beispiel Dresden<br />
Im März 2006 hat Dresden seine Wohnungsgesellschaft<br />
WOBA verkauft und sich<br />
damit schuldenfrei gemacht.<br />
Die bejubelte Schuldenfreiheit war mit<br />
47.000 Wohnungen, 3.810.000 Quadratmeter<br />
Stadtfl äche und der Verunsicherung<br />
zehntausender Mieterinnen und Mieter sowie<br />
hunderter Beschäftigter der WOBA<br />
Dresden erkauft worden.<br />
Im Ringen um den Verkauf, an dem auch<br />
die damalige Stadtfraktion der <strong>LINKE</strong>N zerbrach,<br />
wurde <strong>im</strong>mer behauptet, öffentliches<br />
Eigentum sei bei Gütern der Daseinsvorsorge<br />
<strong>im</strong> Allgemeinen und bei Wohnungsbeständen<br />
<strong>im</strong> Besonderen nicht mehr oder zumindest<br />
nicht mehr <strong>im</strong> bisherigen Umfang<br />
erforderlich. Soziale Wohlfahrt könne auch<br />
gesichert werden, wenn diese sich weitgehend<br />
<strong>im</strong> Privateigentum, insbesondere<br />
auch <strong>im</strong> Besitz von Kapitalfonds befi nden.<br />
Die Schuldenfreiheit der öffentlichen Hand<br />
sei ein Wert an sich, nein gar ein „sozialpolitischer<br />
Imperativ “ und: Dresden schuldenfrei<br />
zu machen sei ein wichtiges Signal<br />
für ganz Deutschland.<br />
Wie sieht es nun heute in Dresden mit dem<br />
ehemaligen Bestand der WOBA Wohnungen<br />
aus? Anfang des Jahres berichteten mehrere<br />
Zeitungen über die Bilanz des börsennotierten<br />
Gagfah-Konzerns, an den der gesamte<br />
kommunale Wohnungsbestand verkauft<br />
worden war. Der Konzern könne aus dem<br />
Gleichgewicht geraten, weil Großaktionär<br />
Fortress zu hohe Renditen erwartet,<br />
hieß es da. Und<br />
tatsächlich<br />
führt bereits der alte Firmenname des Woba-Käufers<br />
in die Irre: Gagfah steht für „Gemeinnützige<br />
Aktiengesellschaft für Angestellten-He<strong>im</strong>stätten“.<br />
Gemeinnützig ist das<br />
Unternehmen aber schon längst nicht mehr.<br />
Die Gagfah ist inzwischen Deutschlands<br />
größter börsennotierter Immobilienkonzern,<br />
herrscht über 170.000 Wohnungen und<br />
strebt vor allem eines an: Profi t. Die Sächsische<br />
Zeitung schreibt am 3. Januar: „In<br />
der Tat spart die Gagfah, wo sie nur kann.<br />
Mieter, die sich telefonisch an den Konzern<br />
wenden, landen in einem Call-Center. Heizkostenberechnung<br />
und Hausmeisterdienste<br />
haben Fremdfi rmen übernommen. In Dresden<br />
ist seit September 2008 nicht mehr die<br />
Gagfah für die Instandhaltung ihrer rund<br />
41.000 Wohnungen zuständig, sondern die<br />
Firma BO aus dem bayerischen Bad Aibling.<br />
Der Gewinn speist sich vor allem aus Mieten<br />
und Wohnungsverkäufen. 2008 kamen<br />
allein aus dem Dresdner Gagfah-Bestand<br />
78 Millionen Euro zusammen.“<br />
Der Totalverkauf der WOBA also hat erhebliche<br />
negative Auswirkungen. Die Stadt<br />
hat jegliche Einfl ussnahme auf Wohnungsangebot,<br />
Mietmarkt und Wohnkl<strong>im</strong>a verloren<br />
und muss sich bei der aktiven Gestaltung<br />
von Stadtentwicklung, Wohnumfeld<br />
und Stadtumbau stark einschränken. Die<br />
Mieten steigen, der Wohnungsleerstand<br />
sinkt, die Gagfah<br />
verkauft die<br />
„Filetstücke“<br />
„Filetstücke“<br />
und die die Unsicherheitsicherheit<br />
wächst.<br />
Dre<strong>im</strong>al verkauft: Wohnungen in der Dresdner Hauptstraße: von der WOBA zur Gagfah zur<br />
Werner Mössner Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH München<br />
Der Vorsitzende<br />
des hiesigenMietervereins<br />
sagt<br />
dazu: „So lange<br />
es in Dresden<br />
einen sehr hohen Leerstand gab, hatten<br />
die Mieter auf dem Markt das Sagen. Jetzt<br />
scheint sich die Situation zu ändern. Wir hatten<br />
<strong>im</strong> vergangenen Jahr so viele Neuaufnahmen<br />
wie schon seit zehn Jahren nicht mehr“.<br />
Seit 2005 stiegen die Kaltmieten bei Neuvermietungen<br />
in Dresden durchschnittlich um<br />
ca. 20 Prozent. Mit Ausnahme von Plattenbauwohnungen<br />
mit geringer Ausstattung in<br />
einfachen Lagen haben sich die Mieten jährlich<br />
um etwa vier Prozent erhöht. Am höchsten<br />
sind die Steigerungen mit 33 Prozent bei<br />
Wohnungen, die nach 1948 gebaut wurden<br />
und einen mittleren Wohnwert aufweisen.<br />
Wohnungen mit gutem Wohnwert stiegen um<br />
27 Prozent. Damit sind die Mieten allgemein<br />
in der Stadt bereits mit denen westlicher<br />
Großstädte wie Hannover vergleichbar.<br />
Für <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> beweist die Entwicklung<br />
einmal mehr, dass öffentliche Güter, wie<br />
die Energie, die Wasserver- und -entsorgung,<br />
der öffentliche Nah- und Fernverkehr,<br />
ein Teil der Wohnungen, die medizinische<br />
Versorgung, das Gros der Kultur- und<br />
Bildungseinrichtungen entweder vor Privatisierung<br />
zu bewahren oder wieder zu<br />
vergesellschaften sind. Öffentliche Güter<br />
oder Güter der öffentlichen Daseinsvorsorge<br />
müssen für alle Bürgerinnen und Bürger<br />
chancengleich zugänglich sein und bereitgestellt<br />
werden.<br />
Im Laufe der letzten Jahre hat sich sowohl die<br />
öffentliche Debatte als auch die praktische<br />
politische Haltung zum neoliberalen Angriff<br />
auf die Güter der öffentlichen Daseinsvorsorge<br />
geändert. Nicht nur in Dresden, auch in<br />
vielen deutschen Städten wurden erfolgreich<br />
Bürgerbegehren durchgeführt, so 2008 in<br />
Leipzig zu den Stadtwerken, ebenfalls 2008<br />
in Meißen zum Krankenhaus und 2007 in<br />
Freiburg zum Wohnungsbestand.<br />
Der Dresdener Weg der Privatisierung sämtlicher<br />
städtischer Wohnungen war ein Irrweg.<br />
2010 scheint man daraus gelernt zu<br />
haben: Im März dieses Jahres st<strong>im</strong>mte der<br />
Dresdner Stadtrat dem Kauf der Energieversorgungsgesellschaft<br />
GESO von der Baden-<br />
Württembergischen EnBW zu. Damit wird<br />
der Weg der Re-Kommunalisierung gegangen.<br />
Eine eigenständige kommunale Energiepolitik<br />
mit fairen Preisen für die Endverbraucher<br />
wird wieder möglich.<br />
Hans-Jürgen Muskulus<br />
Stadtrat <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> in Dresden<br />
10 pvl 2/2010<br />
Foto: CM
Sachsens Kommunen droht Finanzkollaps<br />
„Die Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
werden 2010 in den Kommunen<br />
<strong>im</strong>mer stärker spürbar. Ein Teil der Städte<br />
steht vor dem Kollaps und droht handlungsunfähig<br />
zu werden. Dort ist die <strong>im</strong> Grundgesetz<br />
garantierte kommunale Selbstverwaltung<br />
in Gefahr“, so die Präsidentin des<br />
Deutschen Städtetages Petra Roth Anfang<br />
Februar in Berlin. Doch auch die kommunalen<br />
Spitzenverbände in Sachsen schlagen<br />
Alarm, befürchten sie doch schon in diesem<br />
Jahr ein Rekord-Defi zit von zwölf Milliarden<br />
Euro! Und auch in den kommenden drei Jahren<br />
ist aufgrund wegbrechender Einnahmen<br />
und explodierender Kommunalausgaben mit<br />
zweistelligen Milliardendefi ziten zu rechnen.<br />
Nach der mittelfristigen Finanzplanung<br />
Sachsens und der Abrechnung von 2009 gehen<br />
die kommunalen Einnahmen aus dem<br />
Finanzausgleich gegenüber dem laufenden<br />
Jahr um 600 Mio. Euro (2011) bzw. 870<br />
Mio. Euro (2012) zurück. Die Gesamteinnahmen<br />
werden <strong>im</strong> kommenden Jahr um rund<br />
1,7 Mrd. Euro zurückgehen. Das bisherige<br />
Haushaltsvolumen von rund 16,5 Mrd. Euro<br />
(2010) wird 2011 bis 2013 auf 14,7 Mrd. Euro<br />
sinken. Der Freistaat und die Städte und Gemeinden<br />
haben dann wesentlich weniger<br />
Geld zur Verfügung.<br />
Der Staat ist nach dem Grundgesetz (Art.<br />
28.2) und der Landesverfassung (Art. 87.1)<br />
verpfl ichtet, den Gemeinden, Städten und<br />
Landkreisen eine dauerhafte Erfüllung ihrer<br />
Selbstverwaltungsaufgaben zu ermöglichen.<br />
Schon deshalb muss sich die Staatsregierung<br />
auf Bundesebene für eine umfassende<br />
Gemeindefi nanzreform einsetzen. Die bestehende<br />
Unterfi nanzierung der kommunalen<br />
Haushalte muss dauerhaft beseitigt werden<br />
Ein Schutzschirm für Städte und Gemeinden,<br />
dafür steht <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>. Wir fordern, die<br />
Gewerbesteuer zu<br />
einer Gemeinde-<br />
wirtschaftssteuerweiterzuentwickeln,<br />
die alle<br />
unternehmerisch<br />
Tätigen einbezieht<br />
und die Last der<br />
bisherigen Gewerbesteuer<br />
auf mehrere<br />
Schultern verteilt.<br />
Zudem muss<br />
die Bemessungsgrundlageverbreitert<br />
werden, auch<br />
damit die Einnahmesituation<br />
der<br />
Gemeinden konjunkturunabhängiger<br />
wird. Für kleine<br />
Unternehmen und<br />
Existenzgründer fordern<br />
wir angemessene<br />
Freibeträge<br />
pvl 2/2010<br />
Die <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> fordert<br />
von der Landesregierung,<br />
� bei den Verhandlungen zum<br />
Finanzausgleichsgesetz der<br />
Jahre 2011/2012 für eine aufgabenadäquate<br />
Finanzausstattung<br />
zu sorgen,<br />
� das angesammelte Vorsorgevermögen<br />
zu Gunsten der Kommunen<br />
aufzulösen, ohne die Mittel einer<br />
Zweckbindung zu unterwerfen,<br />
� in den Jahren 2011/2012 eine<br />
angemessene Investitionspauschale<br />
für alle Städte und Gemeinden<br />
zu gewähren und<br />
� die Folgekosten des Landesbank-Notverkaufs<br />
nicht aus dem<br />
laufenden Etat zu begleichen,<br />
sondern über Kredite abzufedern.<br />
und parallel dazu gehört die Gewerbesteuerumlage<br />
von den Gemeinden an den Bund<br />
abgeschafft. Allein das könnte die Kommunen<br />
schon <strong>im</strong> laufenden Jahr um rund 1 Mrd.<br />
Euro entlasten.<br />
Die Finanznot der Kommunen ist nicht nur<br />
konjunkturbedingt, sie ist auch die Folge einer<br />
Umverteilungspolitik von unten nach<br />
oben. Die Steuergesetzgebung der schwarzroten<br />
Bundesregierung, milliardenschwere<br />
Bürgschaften für die Rettung von Banken sowie<br />
die Steuergeschenke der schwarz–gelben<br />
Regierungen belasten die Kommunen<br />
und führen zu <strong>im</strong>mensen Einnahmeverlusten.<br />
Schluss damit! Die Kommunen brauchen<br />
jetzt Hilfe und Unterstützung! Sie brauchen<br />
ein Sofortprogramm, das gemeinsam<br />
mit den Kommunen und kommunalen Spitzenverbänden<br />
erarbeitet werden muss. Die<br />
strukturelle Unter-<br />
fi nanzierung vieler<br />
Städte, Gemeinden<br />
und Landkreise<br />
kann nur durch mittel-<br />
und langfristig<br />
wirksame Maßnahmen<br />
beseitigt<br />
werden.<br />
Wir haben schon<br />
<strong>im</strong> Dezember 2009<br />
einen Antrag für<br />
ein Kommunalfinanzkonzept<br />
in den<br />
<strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong><br />
eingebracht.<br />
Die Koalition sah<br />
jedoch keinen<br />
Handlungsbedarf<br />
und lehnte ihn ab.<br />
Wir lassen aber<br />
nicht locker und<br />
werden weitere<br />
Vorschläge zum Schutz unserer Kommunen<br />
unterbreiten. Wir werden den Protest gegen<br />
die, die Kommunen belastenden, bundes-<br />
und landespolitische Entscheidungen organisieren,<br />
Alternativen entwickeln und mit<br />
den Bürgerinnen und Bürgern über die Ursachen<br />
der kommunalen Finanznot ins Gespräch<br />
kommen.<br />
Die <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> will die kommunalpolitische<br />
Arbeit vor Ort unterstützen und<br />
stärken.<br />
Deshalb haben wir auf unserer Hompage<br />
(www.linksfraktion-sachsen.de) unter<br />
dem Stichwort „Kommunalservice“ all<br />
unsere kommunalpolitischen Initiativen<br />
eingestellt. Zum Thema „Schutzschirm<br />
für Kommunen“ können Musteranträge<br />
heruntergeladen werden.<br />
In den nächsten Wochen sind wir bei weiteren<br />
Aktionen dabei, so unter anderem am<br />
5. Juni 2010 bei der Aktionskonferenz „Kommunen<br />
in Not“ <strong>im</strong> Dresdner Volkshaus. Dort<br />
werden wir über <strong>LINKE</strong> Aktivitäten wie z.B<br />
zum „Schutzschirm für Kommunen“ informieren.<br />
Ziel ist, die Handlungsfähigkeit der<br />
Kommunen wiederherzustellen und für die<br />
Zukunft zu sichern. Die Mobilisierung der<br />
Bürgerinnen und Bürger ist dafür unverzichtbar.<br />
Die Zeit drängt!<br />
MdL<br />
Marion Junge<br />
Sprecherin für<br />
Kommunalpolitik<br />
11<br />
© Siegfried Fries / PIXELIO
Im Namen des Volkes – Was nicht pas<br />
Interview mit MdL Dr. Dietmar Pellmann zur Gerichtsfestigkeit vo<br />
Hartz IV beschäftigt die Gerichte. Ende<br />
2007 erklärte das Bundesverfassungsgericht<br />
(BVG) die Zusammenarbeit zwischen<br />
Arbeitsagentur und Kommunen für verfassungswidrig.<br />
Anfang dieses Jahres ergingen<br />
Urteile zur Regelleistung, zur Bezahlung von<br />
Klassenfahrten für Schulkinder aus Hartz-IV-<br />
Familien, zum Kleidergeld und zu anderem<br />
mehr. Pvl spach dazu mit dem Sozialexperten<br />
der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong><br />
<strong>Landtag</strong>, Dr. Dietmar Pellmann.<br />
pvl: Herr Dr. Pellmann, mutieren die Hartz-<br />
Gesetze und hier vor allem die Regelungen<br />
zu Hartz IV jetzt zur ABM für die deutsche<br />
Gerichtsbarkeit?<br />
Dr. Dietmar Pellmann: Ich bin mir ziemlich<br />
sicher, dass viele Richterinnen und<br />
Richter, vor allem die an den Sozialgerichten,<br />
den Begriff „Hartz IV“ schon lange nicht<br />
mehr hören können, weil sie völlig überlastet<br />
sind. Wer angenommen hatte, dass die<br />
Klagefl ut langsam abebben müsste, wurde<br />
von der Gerichtspraxis korrigiert. So betrug<br />
die Zeitspanne vom Einreichen bis zur Entscheidung<br />
von Klagen bei den sächsischen<br />
Sozialgerichten <strong>im</strong> vergangenen Jahr durchschnittlich<br />
13,5 Monate – <strong>im</strong>merhin 1,4 Monate<br />
mehr als 2008. Allein 56 Prozent und<br />
damit weit mehr als die Hälfte der insgesamt<br />
mehr als 33.000 Klagen bei den sächsischen<br />
Sozialgerichten betrafen „Hartz-<br />
IV-Fälle“; bei Eilverfahren waren es sogar<br />
fast vier Fünftel. Und: Sozialrichter rechnen<br />
auch für die absehbare Zukunft nicht damit,<br />
das sich die Lage entspannt. Dies bestätigt<br />
unsere Einschätzung: Hartz IV ist gescheitert<br />
und nicht reformierbar. Es liegt beileibe<br />
nicht nur an Webfehlern in den Gesetzestexten,<br />
wie „gutgläubige“ Hartz-IV-Befürworter<br />
bis heute behaupten.<br />
pvl: Die Boulevardpresse jubelte kürzlich „So<br />
macht Tillich Hartz IV neu!“ und meinte damit<br />
die Ideen des sächsischen Ministerpräsidenten<br />
zur höchstrichterlich angewiesenen<br />
und bis zum Jahresende zu realisierenden<br />
Neuordnung der ARGEN. Wie beurteilen Sie<br />
Stanislaw Tillichs Vorschläge zur „Reform der<br />
Reform“?<br />
Dr. Dietmar Pellmann: Nach vorn orientierte<br />
Vorschläge oder gar neue Ideen des<br />
sächsischen Ministerpräsidenten kann ich<br />
wahrlich nicht ausmachen. Selbst eine von<br />
den Koalitionsfraktionen beantragte Aktuelle<br />
Debatte zum Thema, die auf der <strong>Landtag</strong>ssitzung<br />
am 31. März dieses Jahres zur<br />
Feierstunde für die heroischen Leistungen<br />
von Herrn Tillich gedacht war, ändert daran<br />
überhaupt nichts. Die einzige Botschaft des<br />
Ministerpräsidenten war nämlich, einen Beitrag<br />
zur Abwendung des Chaos geleistet zu<br />
haben, denn für die von Hartz-IV-Betroffenen<br />
ändere sich letztlich gar nichts. Wir haben<br />
während dieser Aktuellen Debatte deshalb<br />
erneut deutlich gemacht: Es ist schon<br />
schl<strong>im</strong>m genug, wenn Gerichte ständig das<br />
Regierungshandeln korrigieren müssen. Anstatt<br />
aber nun wenigstens dem Geist des<br />
Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember<br />
2007 zu folgen und wirkliche Veränderungen<br />
zu vollziehen, soll nunmehr das Grundgesetz<br />
an den von den Karlsruher Richtern<br />
gerügten Zustand angepasst werden. Leider<br />
hat sich die SPD auf diesen als Kompromiss<br />
gepriesenen Kuhhandel eingelassen und gar<br />
noch eine Erweiterung der Zahl der optierenden<br />
Kommunen auf einen Anteil bis zu 25<br />
Prozent eingelassen. So entsteht ein bundesweiter<br />
Flickenteppich der unterschiedlichen<br />
Hartz-IV-Träger. Bislang weitgehend<br />
unbeachtet wird damit ein bisheriges Verfassungstabu<br />
gebrochen, das Durchgriffsverbot<br />
des Bundes auf die Kommunen unter<br />
Ausschaltung der Länderebene.<br />
Wir von der <strong>LINKE</strong>N bleiben dabei, dass die<br />
Betreuung und mögliche Vermittlung von Arbeitslosen<br />
aus einer Hand zu erfolgen hat,<br />
auch damit die Trennung von Arbeitslosen<br />
erster und zweiter Klasse überwunden wird.<br />
Die nun beschlossene Änderung des Grundgesetzes<br />
ist nicht zielführend, <strong>im</strong> Gegenteil,<br />
sie zementiert den gegenwärtig unbefriedigenden<br />
und diskr<strong>im</strong>inierenden Zustand.<br />
Wenn das Licht ausgeht – Stromabschaltungen in Sachsen<br />
Im Jahr 2009 wurde Privathaushalten der drei kreisfreien<br />
Städte in Sachsen 9.900 Mal der Strom abgedreht, weil diese<br />
ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten. 2008 waren es<br />
9.700 Fälle. Das geht aus der Antwort auf die Kleine Anfrage<br />
(Drucksache 5/989) von Dr. Dietmar Pellmann zu „Stromabschaltungen<br />
bei Privathaushalten in Sachsen“ ebenso hervor,<br />
wie die Tatsache, dass die Staatsregierung über keinerlei Daten<br />
zu Stromabschaltungen bei den Haushalten in den Landkreisen<br />
verfügt. Es scheint, als interessiere sich die Landesregierung<br />
nur für das Schicksal von Großstädtern, nicht aber<br />
pvl: Das BVG hat in seiner Entscheidung zu<br />
Jahresbeginn die Hartz-IV-Regelleistungen<br />
in ihrer aktuellen Form für nicht rechtens erklärt,<br />
eine genaue und interpretationsfreie<br />
Anleitung zum Handeln aber fehlt. Das bewog<br />
so manchen Unions- und FDP-Politiker,<br />
gar über eine Absenkung selbiger nachzudenken.<br />
Wie bewertet <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> das Urteil selbst<br />
und die Möglichkeiten seiner Auslegung?<br />
Dr. Dietmar Pellmann: Als Nichtjurist ist<br />
es sicher schwierig, jedes Detail des Urteils<br />
vom 9. Februar dieses Jahres in seiner ganzen<br />
Verästelung zu bewerten. Vielleicht ergeben<br />
sich gerade deshalb so unterschiedliche<br />
für das der Menschen, die auf dem Dorf in einer dunklen und<br />
kalten Wohnung hausen müssen. Hinter dem also nur höchst<br />
bruchstückhaften Zahlenmaterial verbergen sich die Schicksale<br />
Zehntausender Menschen. Die Versorgung mit Strom<br />
gehört in unserer Zeit jedoch zur Existenzgrundlage, die niemandem<br />
verwehrt werden darf. Insofern sind die „Abschalt-<br />
Zahlen“ Ausdruck größter sozialer Not. Auch die Landespolitik<br />
trägt Verantwortung dafür, dass alle Menschen in Sachsen<br />
ohne existenzielle Einschränkungen auf einem zivilisierten<br />
Mindeststandard leben können.<br />
12 pvl 2/2010
st, wird passend gemacht<br />
n Hartz IV und zu spätrömischer Dekadenz<br />
Interpretationsvarianten – sowohl Hoffnungen<br />
der Betroffenen auf Besserung ihrer Lebenslage<br />
als auch Versuche, die bisherigen<br />
Regelleistungen möglichst nach unten zu<br />
drücken. Aus meiner Sicht haben die Karlsruher<br />
Richter jedoch zumindest zwei Grundsätze<br />
formuliert: Die Regelleistungen müssen<br />
ein menschenwürdiges Leben und eine<br />
gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen<br />
Leben ermöglichen. Und ihre Zusammensetzung<br />
muss nachvollziehbar sein. Ob<br />
diese Prämissen angesichts der gegenwärtigen<br />
Mehrheitsverhältnisse <strong>im</strong> Bundestag<br />
zu einer von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden,<br />
Gewerkschaften und der <strong>LINKE</strong>N<br />
pvl 2/2010<br />
geforderten spürbaren Anhebung der Hartz-<br />
IV-Sätze führen werden, bleibt abzuwarten.<br />
Skepsis ist mehr als angesagt. Daher dürfte<br />
schon jetzt feststehen: Das BVG in Karlsruhe<br />
wird sich wohl nicht letztmalig mit Hartz<br />
IV befasst haben.<br />
Fakt ist, dass das unsägliche Konstrukt der<br />
Bedarfsgemeinschaften abgeschafft gehört,<br />
damit mehr soziale Gerechtigkeit einziehen<br />
kann und insbesondere die Diskr<strong>im</strong>inierung<br />
von Frauen beseitigt wird, die mit<br />
der Bedarfsgemeinschaft in nicht hinnehmbarer<br />
Weise entmündigt und fi nanziell abhängig<br />
gemacht werden. Und Fakt ist auch,<br />
Bettelarm bis zum Tod – 2.000 Bestattungen zahlte Sozialamt<br />
Im Jahr 2009 haben die Sozialämter der sächsischen Landkreise<br />
und kreisfreien Städte für mehr als 2.000 Verstorbene<br />
die Bestattungskosten übernommen, weil deren Angehörige<br />
– sofern überhaupt vorhanden – diese nicht<br />
bezahlen konnten. Obwohl nicht von allen Kommunen Daten<br />
gemeldet wurden und sich selbst Dresden als Landeshauptstadt<br />
nicht in der Lage sah, entsprechende Daten zu<br />
übermitteln, sind diese Zahlen ernüchternd, belegen sie<br />
doch, in welch erschreckendem Maße die Zahl der Ärmsten<br />
der Armen hierzulande anwächst. Es ist eine Schande für<br />
dass das gegenwärtig weitgehend willkürlich<br />
festgelegte soziokulturelle Existenzmin<strong>im</strong>um<br />
eine gleichberechtigte Teilnahme am<br />
öffentlichen Leben für die Bezieher von Arbeitslosengeld<br />
II oder von Sozialgeld unmöglich<br />
macht und überdies in keiner Weise armutsfest<br />
ist. Für <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> steht daher fest,<br />
dass der Eckregelsatz für Langzeitarbeitslose<br />
deutlich angehoben werden muss. Um<br />
das Lohnabstandsgebot zu gewährleisten,<br />
ist die mittelfristige Einführung eines gesetzlichen<br />
Mindestlohnes in Höhe von zehn<br />
Euro dringend geboten. Und natürlich muss<br />
es einen eigenen Regelsatz für Kinder geben,<br />
wobei eine Kindergrundsicherung wohl der<br />
beste Weg wäre.<br />
pvl: Der Winter hat sich nunmehr endlich verzogen<br />
und wird somit Guido Westerwelle keine<br />
Möglichkeit mehr geben, ALG-II-Empfänger<br />
zum Schneeschippen heranzuziehen. Dafür<br />
steht die Badesaison bevor. Droht nun die Arbeitspfl<br />
icht zur Sittenwacht am Baggersee?<br />
Oder anders gefragt: Wie groß ist die Gefahr<br />
für Hartz-IV-Familien, in spätrömische Dekadenz<br />
zu verfallen?<br />
Dr. Dietmar Pellmann: An den von wenig<br />
Allgemeinbildung zeugenden historischen<br />
Vergleichen mit spätrömischer Dekadenz,<br />
wie sie Herrn Westerwelle missraten sind,<br />
möchte ich mich überhaupt nicht beteiligen.<br />
Hinter dem Ganzen steckt allerdings<br />
Methode. Menschen, die gern arbeiten würden,<br />
aber wegen objektiver Gegebenheiten<br />
oft für lange Zeit von Existenz sichernder Erwerbstätigkeit<br />
ausgeschlossen sind, werden<br />
durch derartige Sprüche noch weiter an<br />
den Rand der Gesellschaft gedrängt, sollen<br />
erniedrigt und ihrer Würde beraubt werden.<br />
Nichts anderes stellen die bereits seit der<br />
Einführung von Hartz IV geltenden gesetzlichen<br />
Best<strong>im</strong>mungen dar, nach denen Kriterien<br />
für Zumutbarkeit von Arbeit nicht mehr<br />
gelten und jede Tätigkeit angenommen werden<br />
muss, weil anderenfalls drakonische<br />
Sanktionen drohen. Auch Schneeschippen<br />
<strong>im</strong> öffentlichen Raum ist notwendig, sollte<br />
aber dann von Beschäftigten mit Arbeitsverträgen<br />
und Löhnen, von denen man ohne<br />
Sozialhilfezuschuss leben kann, ausgeführt<br />
werden. Eines geht aber nicht, dass für „niedere“<br />
Arbeiten automatisch und ausschließlich<br />
Hartz-IV-Abhängige verpfl ichtet werden.<br />
ein reiches Land, dass es Menschen gibt, die selbst nicht<br />
in der Lage sind, fi nanziell für ihr Begräbnis vorzusorgen.<br />
Angesichts der <strong>im</strong>mer mehr werdenden Menschen, die auf<br />
Hartz IV angewiesen und fi nanziell nicht fürs Alter vorsorgen<br />
können, dürfte die Zahl derer, die auch be<strong>im</strong> Tod auf<br />
Sozialhilfe angewiesen sind, weiter ansteigen. Im Vergleich<br />
der sächsischen Landkreise und kreisfreien Städte hatte<br />
Leipzig <strong>im</strong> Jahr 2009 die meisten Sozialbegräbnisse zu<br />
schultern, hier wurden 335 Verstorbene mit fi nanzieller Hilfe<br />
der Sozialämter beerdigt.<br />
13
Vor sieben Jahren verkündete der damalige<br />
SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder den<br />
rot-grünen „Fahrplan“ zur Reformierung des<br />
bundesrepublikanischen Arbeitsmarktes.<br />
Er nannte ihn „Agenda 2010“. Jetzt haben<br />
wir „2010“ – und den Salat.<br />
Mit der Agenda 2010 begann der Paradigmenwechsel:<br />
weg vom Sozialstaatsprinzip,<br />
hin zum neoliberalen Prinzip der beschleunigten<br />
Verteilung von unten nach oben. Wie<br />
sich das konkret auf die Bürgerinnen und<br />
Bürger Sachsens auswirkte, hat Dr. Dietmar<br />
Pellmann in der Studie „Sieben verlorene<br />
Jahre – Eine Bilanz der Umsetzung der Agenda<br />
2010 für Sachsen“ zusammengefasst.<br />
Die Agenda 2010 und vor allem Hartz IV haben<br />
dazu geführt, dass es <strong>im</strong>mer mehr arme<br />
Familien gibt. Über 800.000 Menschen gelten<br />
<strong>im</strong> Freistaat als arm. Es ist nicht übertrieben,<br />
für Sachsen von einer aktuellen Armutsquote<br />
von 20 Prozent zu sprechen;<br />
bei Kindern nähert sie sich der 30-Prozent-<br />
Schwelle und bei Alleinerziehenden liegt sie<br />
gar über 40 Prozent.<br />
Die Zahl derer, die Arbeit haben, ging in Sachsen<br />
seit 1989 um mehr als eine halbe Million<br />
zurück. Daran änderten die kurzen Erholungsphasen<br />
zwischen 2006 und 2008 nichts. Zwischen<br />
2003 und 2008 sank die Zahl der sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten in<br />
Sachsen um 30.000. Der Rückgang der offi -<br />
ziell registrierten Arbeitslosen ist vor allem<br />
seit 2003 auf zahlreiche Veränderungen bei<br />
ihrer statistischen Erfassung zurückzuführen.<br />
Die aktuelle Zahl der Arbeitslosen liegt nicht<br />
– wie offi ziell angegeben – bei 292.000, sondern<br />
bei etwa 450.000, sofern auf Vollzeitbeschäftigte<br />
umgerechnet wird.<br />
Dr. Dietmar Pellmann, Sozialexperteexperte<br />
der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong> hat die Zeit<br />
zwischen Schröders Verkündung und und<br />
heute für für Sachsen analysiert und<br />
resümiert:<br />
Sieben Jahre Agenda 2010:<br />
sieben verlorene Jahre<br />
In Sachsen arbeiten <strong>im</strong> Vergleich zu allen<br />
anderen Bundesländern die zahlenmäßig<br />
meisten Menschen in Mini-Jobs, Midi-Jobs<br />
und in Teilzeit. Gegenwärtig gibt es in Sachsen<br />
etwa eine Viertelmillion Minijobber,<br />
auch die Zahl der Teilzeitbeschäftigten verharrt<br />
mit 211.000 auf hohem Niveau. Sachsen<br />
ist zudem Spitzenreiter be<strong>im</strong> Anteil der<br />
Beschäftigten <strong>im</strong> Niedriglohnsektor. 2008<br />
lag die bundesweite Grenze zum Niedriglohn<br />
bei 9,17 Euro Stundenlohn. Unter dieser<br />
Schwelle lagen damit mehr als 40 Prozent<br />
der Beschäftigten in Ostdeutschland,<br />
während es in den alten Bundesländern<br />
etwa 20 Prozent waren.<br />
Durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen,<br />
wie ABM, Ein-Euro-Jobs oder Kurzarbeiterregelung,<br />
wurde die Arbeitslosenstatistik<br />
erheblich verfälscht. Aktuell dürfte dies<br />
einem Arbeitsvermögen von etwa 70.000<br />
Menschen entsprechen, wenn ABM<br />
nicht mit berücksichtigt werden.Nicht<br />
einbezogen werden auch die 2008<br />
tätigen 43.000 Leiharbeiter.<br />
Die Absicht, mit Hartz IV die Zahl der Langzeitarbeitslosen<br />
spürbar zu senken, ist in<br />
Sachsen gescheitert. Aktuell sind mehr<br />
als 500.000 Menschen auf Arbeitslosengeld<br />
II oder Sozialgeld angewiesen und damit<br />
ebenso viele wie be<strong>im</strong> Start von Hartz<br />
IV. Hinzu kommen allerdings noch etwa<br />
100.000, die aufgrund des Einkommens<br />
Die Broschüre erhalten Sie über:<br />
� <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong><br />
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1<br />
01067 Dresden<br />
oder telefonisch unter<br />
� (0351) 4935833<br />
oder als Download unter<br />
� www.linksfraktion-sachsen.de<br />
ihrer Partner oder bei unter<br />
25-Jährigen der Eltern erst gar keinen Leistungsanspruch<br />
haben.<br />
Fazit: Wenn schwarz-gelbe Koalitionen in<br />
Dresden und Berlin davon reden, dass sich<br />
Arbeit lohnen muss, sollten sie endlich die<br />
Initiativen der <strong>LINKE</strong>N auf Landes- und<br />
Bundesebene für einen fl ächendeckenden<br />
gesetzlichen Mindestlohn unterstützen,<br />
denn nichts trägt so sehr zur zunehmenden<br />
Armut in Sachsen bei wie das zu niedrige<br />
Lohnniveau!<br />
Die Sächsische Staatsregierung, die unter<br />
den Ministerpräsidenten Milbradt und<br />
Tillich die Agenda 2010 in der Umsetzung<br />
eher noch verschärft hat, darf den realen<br />
sozialen Niedergang nicht länger ignorieren.<br />
Statt wie Wirtschaftsminister Morlok<br />
von einer Zukunft als Geberland zu träumen,<br />
sollte das Kabinett Tillich lieber ein<br />
Armutsbekämpfungskonzept vorlegen.<br />
Darauf werden wir drängen, bestärkt von<br />
den Ergebnissen der Studie, deren Lektüre<br />
wir auch den Regierungsmitgliedern<br />
ans Herz legen.<br />
MdL Dr.<br />
Dietmar Pellmann<br />
Sprecher für<br />
Sozialpolitik<br />
14 pvl 2/2010<br />
© Andre Dollan, Matthias Balzer / PIXELIO
Staatsregierung erpresst „Halbtagslehrer“<br />
Sachsens Pädagogen sind stocksauer.<br />
Gut 3.000 von ihnen machten ihrem Ärger<br />
Ende März vorm Finanzministerium Luft,<br />
tags drauf kamen noch mal fast 1.000 zum<br />
<strong>Landtag</strong>, um klar zu machen, dass sie nicht<br />
gewillt sind, sich von der Staatsregierung<br />
erpressen zu lassen.<br />
Hintergrund des Konflikts ist der zwischen<br />
den Lehrergewerkschaften und dem Freistaat<br />
ausgehandelte Bezirkstarifvertrag<br />
zur Teilzeit von 2005. Die Schülerzahlen<br />
waren drastisch gesunken, Lehrerentlassungen<br />
drohten. Dies zu vermeiden, wurde<br />
ein Teilzeitkompromiss geschlossen<br />
und die wöchentliche Unterrichtsstundenzahl<br />
von 26 auf 22 gesenkt. Was für die betroffenen<br />
ca. 13.600 Pädagogen freilich<br />
mit deutlichen Gehaltseinbußen verbunden<br />
war. Im Sommer dieses Jahres läuft<br />
die Vereinbarung aus. Gibt es keinen neuen<br />
Vertrag, kehren die Lehrerinnen und<br />
Lehrer automatisch zur Vollbeschäftigung<br />
zurück. Doch genau das will Kultusminister<br />
Wöller nicht und drängt darauf, die Teilzeitregelung<br />
zu verlängern. Verweigerern<br />
droht er mit Kündigung. Dabei ginge es<br />
ihm nicht darum, überflüssige Stellen abzubauen,<br />
sondern einen Stellenzuwachs zu<br />
verhindern, so Wöller, der schon <strong>im</strong> Herbst<br />
dieses Jahres eine „Lehrerschwemme“ mit<br />
ca. 2.000 überflüssigen Pädagogen heraufziehen<br />
sieht.<br />
Ich kann Herrn Wöllers Angst vor zu viel<br />
Lehrerinnen und Lehrern aus mehreren<br />
Gründen nicht nachvollziehen. So hat eine<br />
Befragung ergeben, dass fast die Hälfte<br />
der Betroffenen freiwillig be<strong>im</strong> Teilzeitmodell<br />
bleiben würde. Warum n<strong>im</strong>mt die<br />
Staatsregierung dieses Angebot nicht an?<br />
Auch zweifele ich den als Drohkulisse aufgebauten<br />
Lehrerüberschuss an. Im Gegenteil.<br />
An machen Grundschulen herrscht<br />
schon heute ein eklatanter Lehrermangel.<br />
Beispiel gefällig? Die Paul-Robeson-Grundschule<br />
in Leipzig. Hier mussten zwei erste<br />
Klassen über Monate hinweg zu einer zusammengelegt<br />
werden. In manchen Fächern<br />
werden keine Zensuren mehr erteilt,<br />
weil der Unterrichtsausfall zu groß ist. Förder-<br />
und Integrationsstunden entfallen, der<br />
Ergänzungsbereich ist gestrichen. Und die<br />
Schülerzahlen steigen wieder! Leipzig wird<br />
<strong>im</strong> Bezirk Mitte sogar eine neue Grundschule<br />
bauen müssen, weil hier so viele<br />
Kinder geboren werden, dass die vorhandenen<br />
Grundschulen die Kinder gar nicht<br />
nicht mehr alle aufnehmen können.<br />
Mit Kündigung zu drohen wird bei den Lehrerinnen<br />
und Lehrern noch aus einem anderen<br />
Grund nicht fruchten. Die wissen<br />
schließlich am besten, dass sie seit Jahren<br />
zwar weniger Geld bekommen, dafür aber<br />
längst mehr arbeiten. Im Schulbereich sind<br />
zunehmend mehr zusätzliche Aufgaben<br />
zu erfüllen. Auch hier eine Beispiel: Die<br />
pvl 2/2010<br />
Sachsens Lehrerinnen und Lehrer protestieren in Dresden gegen Zwangsteilzeit<br />
Kultusministerkonferenz hat Kompetenztests<br />
beschlossen, gegen die ja <strong>im</strong> Grunde<br />
nichts einzuwenden ist. Im Freistaat aber<br />
werden diese Tests an die Schulen und somit<br />
an die Lehrer delegiert, was wiederum<br />
nicht verwundert, da man Lehrer hier wohl<br />
nur als Stundenhalter begreift. Die Korrektur<br />
eines solchen Kompetenztests dauert<br />
45 Minuten und länger. Mancher Lehrer<br />
hat zwei Klassen, die den Test zu schreiben<br />
haben. Es lässt sich leicht ausrechnen, wie<br />
viel zusätzliche Arbeit das bedeutet. Ohne<br />
Ausgleich, versteht sich. Andere Bundesländer<br />
gewähren dafür Anrechnungsstunden<br />
...<br />
Bei der St<strong>im</strong>mungsmache gegen die um ihr<br />
Recht kämpfende Lehrerschaft zückt der<br />
Kultusminister nun sogar die Missgunstkeule<br />
und verweist darauf, dass die Lehrer<br />
in diesem Jahr ja bereits zusätzliche Lohnerhöhungen<br />
bekommen hätten (und somit<br />
wohl einfach nur den Hals nicht voll bekämen…)<br />
Da bleibt mir ja die Spucke weg!<br />
Denn wirklich wahr ist, dass die Lehrer<br />
nach 20 Jahren (!) endlich eine Ost-West-<br />
Angleichung erhalten haben.<br />
Alles in allem droht die Staatsregeierung<br />
mit ihrem Wortbruch gegenüber der Lehrerschaft<br />
be<strong>im</strong> Thema Teilzeit das Vertrauen<br />
in die Bildungspolitik endgültig zu<br />
verspielen. Auch deshalb haben die <strong>Fraktion</strong>en<br />
von <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>, SPD und BÜND-<br />
NIS90/<strong>DIE</strong> GRÜNEN Ende März unter dem<br />
Titel „Nachhaltige Sicherung des Bildungsstandortes<br />
Sachsen – Konsequenzen aus<br />
den Sondierungsgesprächen der Tarifpartner“<br />
einen gemeinsamen Antrag in den<br />
<strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong> eingebracht, der freilich<br />
mit den St<strong>im</strong>men der schwarz-gelben<br />
Regierungskoalition nicht beschlossen<br />
wurde.<br />
Von der CDU war das nicht anderes zu erwarten<br />
gewesen, was jedoch die FDP betrifft,<br />
so wurde deren Janusköpfigkeit<br />
genau bei dieser Frage mehr als offensichtlich.<br />
Während der Lehrer-Kundgebung<br />
vorm <strong>Landtag</strong> zitierte GEW-Vizelandeschefin<br />
Uschi Kruse u. a. aus einem Brief, den<br />
die Sachsen-FDP <strong>im</strong> Wahlkampf an Gewerkschaften<br />
und Verbänden geschrieben<br />
hatte. Wer hier aufmerksam zuhörte, kam<br />
nicht umhin, einen klassischen blau-gelben<br />
Wahlbetrug zu konstatieren.<br />
übrigens…<br />
… prüft die Staatsregierung <strong>im</strong> Konflikt um<br />
die Teilzeitregelung für Sachsens Lehrer Medienberichten<br />
zufolge derzeit eine Kompromissvariante,<br />
nach der der Freistaat die<br />
fehlenden Rentenanteile, die durch die geringere<br />
Arbeitszeit entstanden sind, übernehmen<br />
könnte.<br />
MdL<br />
Cornelia Falken<br />
Sprecherin für<br />
Bildungspolitik<br />
15<br />
Foto: efa
Schwarzbraun ist die<br />
Haselnuss, …<br />
Einstmals hatte die Stahlhelmfraktion Namen<br />
und Gesicht. Wie kein anderer stand<br />
Alfred Dregger für den rechten Flügel der<br />
CDU. 1976 mobilisierte er die Wähler mit<br />
dem Slogan „Freiheit statt Sozialismus“.<br />
Die CDU/CSU schrammte damals knapp<br />
an der absoluten Mehrheit vorbei. Ob vehemente<br />
Befürwortung der Berufsverbote, ob<br />
Einsatz für inhaftierte NS-Kriegsverbrecher<br />
oder seine Polemik gegen die Ausstellung<br />
über Verbrechen der Wehrmacht <strong>im</strong> Osten:<br />
Stets machte Dregger deutlich, dass rechts<br />
von ihm nur die Wand war. Zum Lohn für<br />
die klare Orientierung und den Erfolg wurde<br />
er langjähriger Vorsitzender der CDU/<br />
CSU-Bundestagsfraktion. Sein Nachfolger<br />
<strong>im</strong> Geiste und <strong>im</strong> Wahlkreis Fulda wurde<br />
Martin Hohmann – dessen Schicksal ist<br />
bekannt: Wegen skandalöser Äußerungen<br />
wurde er aus der CDU ausgeschlossen.<br />
In Sachsen hatte die CDU Volker Sch<strong>im</strong>pff,<br />
der es <strong>im</strong>merhin zum Vize-Landesvorsitzenden<br />
brachte, seinen eigenen Parteifreunden<br />
zum Schluss aber nur noch peinlich<br />
war. Und die CDU hatte Henry Nitzsche.<br />
Nachdem dieser jedoch zu hart nach<br />
Rechts gefahren war, trennte er sich und<br />
gründete sein eigenes Grüppchen. Der Namen<br />
könnten noch einige genannt werden,<br />
doch wo jeder Chef sein will, arbeitet letztlich<br />
niemand mehr am Ziel. All dies scheint<br />
sich zu ändern, seit Steffen Flath die Führung<br />
der CDU-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> <strong>Landtag</strong> übernahm<br />
und eine Reihe „junger Wölfe“ etliche<br />
der alten CDU-Abgeordneten verdrängt<br />
hat. Das einstmals fraktionsübergreifende<br />
Abkommen zum Umgang mit der NPD wurde<br />
aufgekündigt, der Ton wird rauer. Man<br />
versucht, die NPD zu verdrängen, indem<br />
man selbst weiter nach rechts rückt. Warum<br />
soll das, was vor mehr als 30 Jahren bei<br />
Alfred Dregger geklappt hat, heute nicht<br />
mehr funktionieren?<br />
Und so wird in Sachsen an der Neuauflage<br />
der Stahlhelm-<strong>Fraktion</strong> gebastelt. Dirk<br />
Reelfs war in der Ministerzeit von Steffen<br />
Flath dessen Pressesprecher. Heute<br />
spricht er für die CDU-<strong>Fraktion</strong>. Und er<br />
spricht mit allen. Auch mit jenen, zu deren<br />
wesentlichen Merkmalen - so der Verfassungsschutz<br />
- die „Verungl<strong>im</strong>pfung demokratischer<br />
Institutionen“ sowie die „Relativierung<br />
nationalsozialistischer Verbrechen,<br />
verbunden mit antisemitischen Äußerungen“,<br />
gehören. Konkret gab Reelfs der „National-Zeitung“<br />
des ehemaligen DVU-Vorsitzenden<br />
Gerhard Frey ein Interview und<br />
begründete dies mit dem Hinweis, für ihn<br />
sei die Pressefreiheit ein besonders hohes<br />
Gut. Ärger wird er deswegen wohl nicht bekommen.<br />
Jemand wie Reelfs hat langjährige<br />
Berufserfahrung und wird ein Interview<br />
mit solch politischer Tragweite wohl kaum<br />
ohne den Segen seines Chefs geben…<br />
Die Aufregung hatte sich kaum gelegt,<br />
schon folgte die nächste Provokation. Als<br />
Sachverständige bei der <strong>Landtag</strong>s-Anhörung<br />
zur Schaffung eines Gender-Kompetenz-Zentrums<br />
hatte die CDU die Publizistin<br />
und Soziologin Gabriele Kuby benannt. Diese<br />
hat zwar nur ein Jahr in ihrem Beruf als<br />
Soziologin gearbeitet und kann auch keine<br />
fachwissenschaftlichen Publikationen<br />
vorweisen, dafür aber sieht sie überall, wo<br />
es um die Gleichberechtigung von Mann<br />
und Frau geht, die Zerstörer der Familie<br />
am Werke. Im Gender Mainstreaming sieht<br />
sie gar den Versuch, „die Geschlechts-<br />
identität von Mann und Frau aufzulösen“.<br />
Ziel ist laut Kuby ein „sexueller Totalitarismus“,<br />
der bereits <strong>im</strong> Kindergarten ansetzt.<br />
Letztlich, so klagt sie <strong>im</strong> Interview<br />
mit der rechtsaußen angesiedelten „Jungen<br />
Freiheit“, sei Gender Mainstreaming<br />
der letzte Schritt vor der Straflosigkeit der<br />
Pädophilie.<br />
Nach all dem überrascht es nicht, dass<br />
Frau Kuby extrem homophob eingestellt<br />
ist. Sie weitet ihren Angriff auf alle aus, die<br />
Homosexualität nicht als widernatürlich<br />
ansehen. Selbst US-Präsident Barak Obama<br />
wird bei ihr zum „Homo-Aktivisten“.<br />
Warum? Er hatte sich <strong>im</strong> Juni letzten Jahres<br />
für gleiche Rechte für alle ausgesprochen<br />
und versprochen, Homosexuelle „vor<br />
Drangsalierung zu schützen“, damit sie „ihr<br />
Leben mit Würde und Respekt“ leben können.<br />
Die NPD verwies in der <strong>Landtag</strong>sdebatte<br />
zum Thema Gender Mainstreaming<br />
mehrfach zust<strong>im</strong>mend auf die Positionen<br />
von Frau Kuby.<br />
Bleibt der CDU-Abgeordnete Jan Hippold<br />
als Beteiligter bei der Schaffung einer neuen<br />
Stahlhelm-<strong>Fraktion</strong> zu nennen. In L<strong>im</strong>bach-Oberfrohna,<br />
wo er auch CDU-Vorsitzender<br />
ist, mehren sich die Übergriffe von<br />
Neonazis, wie die Antwort der Staatsregierung<br />
auf meine diesbezügliche Kleine Anfrage<br />
offenbart. Grund genug, ein lokales<br />
Bürgerbündnis zu gründen! Aber was ist<br />
das für ein Bündnis, das hinter verschlossenen<br />
Türen tagt? Eines, in dem zudem<br />
anfangs auch der NPD-Stadtrat mitarbeiten<br />
durfte? Mit einigem Wohlwollen könnte<br />
man das noch der möglicherweise politischen<br />
Unbedarftheit der einladenden<br />
CDU zuschreiben. Nachdem jedoch auf Antrag<br />
der CDU neben der NPD auch <strong>DIE</strong> LIN-<br />
KE ausgeschlossen und als „nichtdemokratische<br />
Partei“ charakterisiert worden war,<br />
wurde die neue Stufe des Rechtsrucks der<br />
sächsischen CDU offenbar.<br />
Übrigens: Wäre Jan Hippold konsequent,<br />
müsste er nun seine eigene Partei aus dem<br />
Bündnis ausschließen, schließlich hatte<br />
diese in den vergangenen Jahren in Regierungsverantwortung<br />
etliche Verfassungsbrüche<br />
zu verantworten. Wer aber ein Brett<br />
vorm Stahlhelm hat, dem muss die Wahrnahme<br />
der Realität wohl verwehrt bleiben.<br />
MdL<br />
Kerstin Köditz<br />
Sprecherin für<br />
antifaschistische<br />
Politik<br />
16 pvl 2/2010<br />
© Angelina Ströbel / PIXELIO
Feuerwehrrente in Sachsen:<br />
Versprochen – gebrochen<br />
Ministerpräsident Tillich und die Sachsen-<br />
CDU haben <strong>im</strong> Wahlkampf auch um die<br />
St<strong>im</strong>men der 48.000 Kameradinnen und Kameraden<br />
der Freiwilligen Feuerwehren gebuhlt<br />
und sich dabei weit aus dem Fenster<br />
gelehnt. Zu weit, wie wir – und vor allem die<br />
Feuerwehrleute <strong>im</strong> Lande – heute wissen.<br />
Die vollmundig versprochene Feuerwehrrente<br />
kommt nicht. Seit Monaten verrenken<br />
sich die Christdemokraten, um diesen<br />
Wahlbetrug zu überplappern. Als Begründung,<br />
dass der CDU-Wahlkampfschlager<br />
nun leider doch nicht zum Ohrwurm werden<br />
kann, muss die Tatsache herhalten, dass<br />
die Freiwilligen Feuerwehren <strong>im</strong> Verantwortungsbereich<br />
der Kommunen liegen. Das ist<br />
in der Sache zwar richtig, dürfte aber auch<br />
2009 schon bekannt gewesen sein. Jetzt soll<br />
also die versprochene Rente den Kommunen<br />
übergeholfen werden. Das ist dreist und<br />
markiert zudem den Grad der Missachtung<br />
der Menschen, die sich <strong>im</strong> Ehrenamt in den<br />
sächsischen Feuerwehren engagieren. Besonders<br />
schäbig ist dies auch vor dem bekannten<br />
Hintergrund, dass Sachsens Kommunen<br />
fast durchgehend in erheblichen<br />
finanziellen Schwierigkeiten stecken und<br />
alle Mühe haben, ihre Haushalte genehmigungsreif<br />
zu bekommen.<br />
Und so hat sich die Staatsregierung die Umsetzung<br />
ihrer Idee von der – übrigens in der<br />
Sache sehr wünschenswerten – Rente für Angehörige<br />
der Freiwilligen Feuerwehren vorgestellt:<br />
Im Rahmen einer „organisierten Rabatt-<br />
aktion“ können die Kommunen eine Riester<br />
geförderte Rentenversicherung für ihre Feuerwehrleute<br />
abschließen. Wenn sie können.<br />
Dieses Prozedere ist ganz weit weg von dem,<br />
was Ministerpräsident Tillich <strong>im</strong> Wahlkampf<br />
angekündigt und in seinem 19-Punkte-Plan<br />
für Sachsen festgehalten hatte: die konkrete<br />
Unterstützung bei der Altersversorgung für<br />
die Feuerwehrleute Sachsens.<br />
Um nun von ihrer Mogelpackung abzulenken,<br />
verweist die Staatsregierung gern auf<br />
die vielen anderen Verbesserungen, die sie<br />
den Feuerwehren angedeihen lassen möchte.<br />
So soll das Eintrittsalter zur Jugendfeuerwehr<br />
auf acht und später auf sechs Jahre<br />
gesenkt werden. Über die Kosten für die<br />
Ausrüstung für den Nachwuchs und für deren<br />
Betreuung, günstigstenfalls durch Fachpersonal,<br />
war bislang allerdings nicht die<br />
Rede, und ich frage mich, ob die Kameradinnen<br />
und Kameraden zwischen ihren Einsätzen<br />
die Ausbildung der Jüngsten noch mit<br />
abdecken sollen.<br />
In Aus- und Weiterbildung soll auch investiert<br />
werden, Berufsfeuerwehrleute könnten<br />
künftig als Dozenten zur Verfügung stehen.<br />
Die Ausbildung würde dann vor Ort<br />
pvl 2/2010<br />
erfolgen, die Räume und alles, was es sonst<br />
noch so braucht, sollen natürlich die Kommunen<br />
stellen. Mit den Betroffenen hat darüber<br />
offenbar noch keiner geredet und ich<br />
befürchte, dass die Kommunen gar nicht in<br />
der Lage sein werden, zusätzliche Kosten zu<br />
schultern. Schon heute reicht deren Geld<br />
nicht, um alle Wehren mit der notwendigen<br />
Einsatzausrüstung auszustatten. Und da<br />
sind die Krisen-Einsparzahlen für dieses und<br />
die kommenden Jahre in dem Bereich noch<br />
nicht mal bekannt!<br />
Aber <strong>im</strong>merhin bleibt auch etwas, wie es<br />
war: Die Jubiläumsprämien für lange Zugehörigkeit<br />
bleiben ein symbolischer Akt und<br />
taugen kaum zur wirklichen Anerkennung<br />
für langjähriges Engagement in den Freiwilligen<br />
Feuerwehren. 100 bis 300 Euro soll es<br />
geben, wobei es die letztgenannte Summe<br />
nach 40 Jahren bei der Feuerwehr gibt. Das,<br />
so finde ich, ist ein ganz schlechter Witz.<br />
Vielleicht sollte man die Feuerwehr privatisieren<br />
oder sie von Unternehmen sponsern<br />
lassen. Im Gegenzug dürften die Gönner<br />
dann be<strong>im</strong> Feuerwehrfest zusammen<br />
mit dem Wehrleiter aufs Foto. Bei größeren<br />
Summen würden sie sogar <strong>im</strong> Grußwort des<br />
Bürgermeisters erwähnt … Spaß beiseite:<br />
Sachsen hat alles Mögliche, nur kein wirkliches<br />
Konzept für seine Freiwilligen Feuerwehren.<br />
Warum z.B. macht sich die Staatsregierung<br />
in der Länderkammer nicht dafür<br />
stark, dass die Mitglieder der Jugendfeuerwehr<br />
ihren Zivildienst bei der Freiwilligen<br />
Feuerwehr oder zumindest bei einer Berufsfeuerwehr<br />
ableisten können? Warum dürfen<br />
Feuerwehrmitglieder denn kein freiwilliges<br />
Jahr bei der Feuerwehr leisten? Und wenn<br />
schon die Feuerwehrrente floppt, warum<br />
schaut Sachsen nicht mal zum Nachbarland<br />
Thüringen, wo es per Gesetz eine kapitalfinanzierte<br />
Lösung gibt, bei der Kommunen<br />
und Land die Finanzierung je zur Hälfte<br />
schultern? Das wäre zumindest ehrlicher gewesen,<br />
als all das, was Schwarz-Gelb derzeit<br />
mit den Feuerwehrleuten veranstaltet.<br />
Der Staatsregierung und der Koalition fehlt<br />
der Wille, die Situation zu verändern. Das<br />
einzige was ihnen einfällt – und das nicht<br />
nur bei der Feuerwehr – ist die Verlagerung<br />
ihrer finanziellen Probleme auf die Kommunen.<br />
Und das ist nicht nur zu wenig, es<br />
ist unseriös. Wir von der <strong>LINKE</strong>N erwarten,<br />
dass die Landesregierung ihre Verantwortung<br />
nicht bei den Kommunen ablädt.<br />
Wir fordern die schwarz-gelbe Landesregierung<br />
auf, ihr Wahlversprechen so einzulösen,<br />
dass es die Finanzmisere der kommunalen<br />
Haushalte berücksichtigt. Es nützt niemandem<br />
mehr, wenn per Imagekampagne „Helden<br />
gesucht“ werden, die man dann <strong>im</strong> Regen<br />
stehen lässt.<br />
MdL<br />
Rico Gebhardt<br />
Sprecher für<br />
Innenpolitik<br />
17
Dresden, 13.2.2010: Sie kamen nicht durch!<br />
„No pasaran!“ lautete am 13. Februar der<br />
Slogan der Blockierenden. Und sie kamen<br />
nicht durch. Jene Neonazis, die es bis zum<br />
Sammelplatz vorm Bahnhof Neustadt geschafft<br />
hatten, kamen nicht einen Meter<br />
weiter. Entnervt gaben sie kurz vor 17 Uhr<br />
auf und beendeten ihre Kundgebung. Das,<br />
was zum größten Aufmarsch der Naziszene<br />
in Europa werden sollte, war zum riesigen<br />
Misserfolg geworden. Es war gleichzeitig<br />
der Erfolg jener rund 12.000 Antifaschistinnen<br />
und Antifaschisten, die stundenlang<br />
bei eisiger Kälte friedlich alle möglichen<br />
Marschrouten blockiert hatten.<br />
Es handelt sich um einen Erfolg, der gar<br />
nicht hoch genug eingeschätzt werden<br />
kann. Und es ist zugleich ein Erfolg, auf<br />
dem wir uns nicht ausruhen dürfen. Bereits<br />
am Abend des 13. Februar kam es zu<br />
ersten Übergriffen von Neonazis in Pirna<br />
und in Gera. In Leipzig und in Bautzen führten<br />
sie „Spontan“-Demonstrationen durch.<br />
Die Wut über ihr Dresdner Desaster ist riesig<br />
in der Szene. Man konnte das auch am<br />
5. März in Chemnitz spüren, wo deutlich mehr<br />
Neonazis als in den Vorjahren zum Jahrestag<br />
der Bombardierung der Stadt angereist waren<br />
und NPD-Landesorgansiationsleiter Maik<br />
Scheffler unverhohlen drohte, wenn man<br />
aufgehalten würde, werde man sich sein Demonstrationsrecht<br />
erkämpfen.<br />
Der Geschichtsrevisionismus ist – gerade<br />
in diesem Jahr – zentrales Thema aller Strömungen<br />
der Neonazis. Anlässe zu Demonstrationen<br />
gibt es noch viele. Und ein Dresden<br />
macht noch keinen Sommer.<br />
Nach 2010 kommt 2011 und damit der<br />
nächste Versuch einer Großdemonstration<br />
in Dresden. Die Diskussionen dazu laufen<br />
bei den Neonazis bereits auf Hochtouren.<br />
Noch einen solchen Misserfolg kann und<br />
will man sich nicht leisten. Eine Strategiedebatte<br />
ist angekündigt. So schlägt Christian<br />
Worch, Nazi-Führer aus Hamburg, vor, <strong>im</strong><br />
kommenden Jahr einen Sternmarsch durchzuführen,<br />
da mehrere Marschkolonnen<br />
schlechter blockiert werden könnten. Andere,<br />
und hier vor allem aus dem Spektrum<br />
der „Autonomen Nationalisten“, setzen darauf,<br />
sich die Demonstration zu erkämpfen.<br />
Entsprechende „Ausbruchsversuche“ aus<br />
den am Platz gehaltenen Neonazis hatte es<br />
bereits in diesem Jahr in Dresden gegeben.<br />
Noch ist offen, wie die Pläne der Nazis<br />
für den nächsten 13. Februar aussehen<br />
MdL<br />
Kerstin Köditz<br />
Sprecherin für<br />
antifaschistische<br />
Politik<br />
Ermittlungsverfahren gegen die Anständigen?<br />
Die <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong><br />
<strong>Landtag</strong> hielt am 13. Februar 2010 gemeinsam<br />
mit den <strong>LINKE</strong>N <strong>Landtag</strong>sfraktionen<br />
aus Thüringen und Hessen sowie <strong>LINKE</strong>N<br />
Bundestagsabgeordneten nahe des Neustädter<br />
Bahnhofs in Dresden und damit in<br />
Sicht- und Hörweite der geplanten Sammelstelle<br />
der Nazis eine öffentliche <strong>Fraktion</strong>ssitzung<br />
unter freiem H<strong>im</strong>mel ab.<br />
Der 13. Februar 2010 ist Geschichte – und<br />
wird in selbige eingehen als der Tag, an<br />
dem die Nazis in Dresden erstmals nicht<br />
marschieren konnten, weil sich ihnen zehntausende<br />
couragierte Bürgerinnen und Bürger<br />
friedlich entgegenstellen. Was dem<br />
nun jedoch folgt, ist ein bizarr anmutendes<br />
Nachspiel zum Aufstand der Anständigen.<br />
Die Dresdener Staatsanwaltschaft hat<br />
mehrere Ermittlungsverfahren gegen Politiker<br />
der <strong>LINKE</strong>N eingeleitet. Einzig der Vorsitzende<br />
der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong><br />
<strong>Landtag</strong>, Dr. André Hahn, aber<br />
erhielt ein Schreiben, in dem ihm zum einen<br />
die „federführende Beteiligung an den<br />
Protestaktionen gegen den geplanten Nazi-<br />
werden. Für uns aber wird wichtig sein, unter<br />
Beibehaltung des bisherigen friedlichen<br />
Aktionskonsenses das erfolgreiche Bündnis<br />
von 2009 weiterzuentwickeln. Die Aktionskonferenz<br />
in Jena Ende Mai wird eine<br />
erste Gelegenheit dazu bieten.<br />
Noch wichtiger aber wird es sein, die inhaltliche<br />
Arbeit zu verstärken. Das Ziel der Neonazis<br />
ist eine Revision der Geschichte. Unser<br />
Ziel kann deshalb nur sein, alle Versuche<br />
eines Geschichtsrevisionismus abzuwehren.<br />
Wenn das Bündnis auch dazu tragfähig<br />
ist, erst dann haben wir wirklich nachhaltige<br />
Arbeit geleistet. Dann können wir überzeugt<br />
sagen: No pasaran! Sie werden nicht<br />
durchkommen!<br />
Aufmarsch am 13. Februar in Dresden“ bescheinigt<br />
und zum anderen angeboten wird,<br />
von der Erhebung einer öffentlichen Klage<br />
abzusehen und das Verfahren einzustellen,<br />
sofern er bis zum 1. April 500 Euro<br />
an den Verein „Aktion Zivilcourage Pirna“<br />
entrichtet.<br />
Der 1. April ist vorbei, Dr. Hahn hat nicht<br />
gezahlt, nun drohen die Aufhebung der<br />
Immunität und ein Strafverfahren. Dazu<br />
gab Dr. Hahn folgende Erklärung ab<br />
(auszugsweise):<br />
18 pvl 2/2010
„Ich bin der festen Überzeugung, dass<br />
weder die vielen tausend friedlichen Demonstranten,<br />
die sich am 13. Februar den<br />
Nazis entgegenstellten, noch ich persönlich<br />
etwas Unrechtes getan haben. Es war<br />
richtig und es war notwendig, sich gegen<br />
den geplanten Nazi-Aufmarsch in Dresden<br />
mit friedlichen Mitteln zur Wehr zu setzen.<br />
Dieses zivilgesellschaftliche Engagement<br />
darf nicht kr<strong>im</strong>inalisiert werden. Aus<br />
diesem Grund kann und werde ich auf die<br />
Offerte der Staatsanwaltschaft nicht eingehen.<br />
(…) Gerade weil ich als Abgeordneter<br />
noch unter besonderem Schutz der<br />
Immunität stehe, erkläre ich mich mit der<br />
großen Mehrheit jener friedlichen Gegendemonstranten<br />
solidarisch, die über einen<br />
solchen Schutz nicht verfügen. (…)<br />
Seitens der Staatsanwaltschaft wird mir<br />
nach § 21 Versammlungsgesetz die Sprengung<br />
einer Versammlung vorgeworfen. Ich<br />
bin begeistert darüber, wozu ich anscheinend<br />
<strong>im</strong> Stande bin. Für mich allerdings<br />
ist klar: Dass die Nazis am 13. Februar in<br />
Dresden nicht marschieren konnten, war<br />
das Verdienst vieler tausend Menschen,<br />
die sich dem entgegengestellt haben. Wir<br />
als <strong>LINKE</strong> haben uns daran beteiligt, und<br />
Überm Tellerrand:<br />
Nazis auch in Duisburg und Lübeck gestoppt<br />
Mehr als 10.000 Bürgerinnen und Bürger haben sich<br />
am 27. März in Duisburg gegen Nazis gestellt und klar<br />
gemacht, dass sie deren Aufmärsche und Rassismus<br />
nicht dulden. Die Demo und die Nazi-Blockade verliefen<br />
gewaltfrei und friedlich, auch vom zivilen Ungehorsam<br />
einzelner Menschenblockaden ging keine Eskalation<br />
aus. Dennoch kesselte die Polizei hier mehrfach<br />
Anti-Nazi Demonstranten ein und verletzt einige von ihnen.<br />
Auch in Lübeck verhinderten ca. 3.000 Menschen<br />
erstmals seit Jahren wieder einen Naziaufmarsch in ihrer<br />
Stadt. Hier wie auch in Duisburg beteiligte sich <strong>DIE</strong><br />
<strong>LINKE</strong> am Bündnis gegen den braunen Aufmarsch.<br />
pvl 2/2010<br />
Fotos: efa<br />
ich bin stolz darauf! Ich bin bekanntermaßen<br />
kein Jurist, aber ich weiß, dass das<br />
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland<br />
neben der Versammlungsfreiheit<br />
nicht nur ein Grundrecht auf Meinungs-<br />
und Gewissensfreiheit kennt, sondern <strong>im</strong><br />
Artikel 20 auch ein Grundrecht auf Widerstand<br />
gegen Bestrebungen, die auf die Beseitigung<br />
der rechtsstaatlich-demokratischen<br />
Ordnung gerichtet sind. Genau<br />
dieses Recht nehme ich für mich und für<br />
die vielen tausenden friedlichen Protestierer<br />
in Anspruch. (…)<br />
Ganz bewusst haben wir uns – quasi als<br />
Puffer – zwischen der Polizeikette und<br />
den zu diesem frühen Zeitpunkt bereits<br />
anwesenden schätzungsweise dreitausend<br />
Menschen postiert, um durch unseren<br />
speziellen Status als Parlamentarier<br />
gegebenenfalls als Vermittler zu den Einsatzkräften<br />
agieren zu können. Dies wurde<br />
von der Polizei auch dankbar angenommen,<br />
und selbst der Polizeipräsident des<br />
Freistaates Sachsen hat ja später erklärt,<br />
dass von den Blockaden keinerlei Gewalt<br />
ausgegangen sei. Insofern ist es für mich<br />
auch nicht akzeptabel, dass mir und meinen<br />
Kollegen gegenüber ausweislich des<br />
mir zugesandten Schreibens<br />
der Vorwurf der<br />
„Sprengung einer Ver-<br />
sammlung“ erhoben<br />
wird. (…)<br />
In dem an mich gerichteten<br />
Schreiben ist<br />
die Rede davon, dass<br />
der geplante JLO-Aufzug<br />
(Junge Landsmanschaft<br />
Ostdeutschland,<br />
d. Red.) vereitelt wurde,<br />
weil wir der mehrfachen<br />
Aufforderung der Polizei<br />
zum Auseinandergehen<br />
nicht Folge geleistet hätten.<br />
Ja, natürlich wollten<br />
wir, dass die Nazis nicht<br />
einfach durch die Stadt marschieren können,<br />
aber Fakt ist: Es gab zu keinem Zeitpunkt<br />
eine Aufforderung der Polizei, den<br />
Ort der Spontandemonstration zu räumen.<br />
(…)<br />
Manch anderer mag sich vielleicht geschmeichelt<br />
fühlen, wenn er von der<br />
Staatsanwaltschaft als „Organisator und<br />
Kopf der Blockaden“ eingestuft wird. Wir<br />
als <strong>Fraktion</strong> der <strong>LINKE</strong>N und auch ich<br />
persönlich haben uns <strong>im</strong>mer als Teil eines<br />
parteiübergreifenden Bündnisse begriffen.<br />
Wir hatten und wollten keine Führungsrolle,<br />
aber natürlich sind wir bereit,<br />
die politische Mitverantwortung dafür zu<br />
übernehmen, dass die Nazis am 13. Februar<br />
2010 in Dresden nicht marschieren<br />
konnten. (…)<br />
Weder in Berlin noch in Köln, weder in<br />
Leipzig noch in Jena sind friedliche Demonstranten<br />
verfolgt und letztlich vor Gericht<br />
gestellt worden. Sachsen hätte hier<br />
ein unrühmliches Alleinstellungsmerkmal.<br />
Der Jenaer Oberbürgermeister hat sich <strong>im</strong><br />
Übrigen höchstpersönlich an den Protestaktionen<br />
in Dresden beteiligt, wofür ich<br />
sehr dankbar bin. Wenn nun dieses zivilgesellschaftliche<br />
Engagement, das nicht<br />
zuletzt auch der sächsische Ministerpräsident<br />
in seiner Regierungserklärung eingefordert<br />
hat, kr<strong>im</strong>inalisiert werden soll,<br />
dann ist dies nicht hinnehmbar! (...) Proteste<br />
gegen Nazi-Veranstaltungen müssen<br />
gerade in Deutschland legit<strong>im</strong> sein,<br />
und sie sind leider nach wie vor dringend<br />
notwendig.“<br />
(vollständige Erklärung unter:<br />
www.andre-hahn.eu)<br />
Heraus zum 1. Mai:<br />
In Zwickau gegen Nazis!<br />
Die NPD will am 1. Mai 2010 in Zwickau<br />
aufmarschieren. Aufmarsch<br />
und Kundgebung gelten als zentrale<br />
Mai-Veranstaltung der NPD Sachsen.<br />
Der Verband der Verfolgten des<br />
Nazireg<strong>im</strong>es – Bund der Antifaschisten<br />
Zwickau, der DGB, das parteiübergreifende<br />
Zwickauer Bündnis<br />
für Demokratie und Toleranz und<br />
<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> rufen auf, sich am 1. Mai<br />
der geplanten NPD-Demonstration<br />
entgegenzustellen und den Nazis zu<br />
zeigen, dass hier weder Platz für ihre<br />
Aufmärsche noch für ihre Ideologie<br />
ist. „Die Ereignisse von Dresden<br />
und Chemnitz sollten alle Bürgerinnen<br />
und Bürger dazu ermutigen,<br />
sich den Rechtsextremen entgegenzustellen,<br />
um ein klares Zeichen für<br />
Demokratie und Toleranz zu setzen“,<br />
so der Aufruf. Treffpunkt am 1. Mai<br />
ist um 9:30 Uhr der Hauptmarkt in<br />
Zwickau.<br />
19
Parlamentarische <strong>LINKE</strong> Initiativen<br />
Februar / März 2010<br />
Gesetzentwürfe<br />
Drs 5/1865 Gesetz zur Anpassung des<br />
sächsischen Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsrecht<br />
des Bundes<br />
Drs 5/1878 Gesetz zum Schutz der parlamentarischen<br />
Demokratie <strong>im</strong> Freistaat<br />
Sachsen vor Amtsmissbrauch durch Mitglieder<br />
der Staatsregierung<br />
Große Anfrage<br />
Drs 5/1306 5 Jahre Hartz IV und die Situation<br />
in Sachsen<br />
Dringlicher Antrag<br />
Drs 5/1644 Sofortiger Verarbeitungs- und<br />
Verwertungsstopp und unverzügliche Vernichtung<br />
der auf Grundlage der durch das<br />
Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur<br />
sogenannten Vorratsdatenspeicherung vom<br />
2. März 2010 für nichtig erklärten Vorschriften<br />
der Strafprozessordnung und des Telekommunikationsgesetzes<br />
erhobenen Daten<br />
Anträge<br />
Drs 5/1194 Unverzügliche Initiative der<br />
Staatsregierung zur Schaffung einer verfassungskonformen<br />
Rechtsgrundlage zur Un-<br />
terbindung rechtsextremer Versammlungen<br />
und Aufzüge in Sachsen!<br />
Drs 5/1239 Keine Behinderung und Kr<strong>im</strong>inalisierung<br />
friedlichen zivilgesellschaftlichen<br />
Engagements gegen den Naziaufmarsch<br />
am 13. Februar in Dresden<br />
Drs 5/1305 Lehramtsausbildung an der<br />
TU Dresden fortführen!<br />
Drs 5/1348 Sicherung der jährlichen Kontrolle<br />
sämtlicher Altenpflege- und Behindertenhe<strong>im</strong>e<br />
durch die He<strong>im</strong>aufsicht der Landesdirektionen<br />
Drs 5/1349 Umsetzung des <strong>Sächsischen</strong><br />
Bildungsplanes in Kindertagesstätten<br />
Drs 5/1350 Auflage eines Basisinfrastrukturfonds<br />
des Bundes zur Förderung der Sanierung<br />
kommunaler Brücken<br />
Drs 5/1351 Auftrag für die Erarbeitung<br />
einer Studie zu den gesundheitlichen Auswirkungen<br />
des Fluglärms auf die <strong>im</strong> Umfeld<br />
des Flughafens Leipzig-Halle lebenden Anwohnerinnen<br />
und Anwohner<br />
Drs 5/1434 Schutzschirm für sächsische<br />
Kommunen in finanzieller Not<br />
Drs 5/1435 Aufrechterhaltung flächendeckender<br />
Strukturen des Katastrophen-<br />
schutzes in Sachsen (Katastrophenschutz-<br />
Konzept Sachsen)<br />
Drs 5/1517 Gemeinsamer Antrag von<br />
<strong>LINKE</strong> & SPD: Keine Haushaltskonsolidierung<br />
auf Kosten von Kindern und Jugendlichen<br />
oder in anderen sozialen Bereichen<br />
Drs 5/1518 Initiativen der Staatsregierung<br />
auf Bundesebene zur Umsetzung der<br />
Hartz-IV-Urteile des Bundesverfassungsgerichts<br />
vom 20. Dezember 2007 und vom 9.<br />
Februar 2010<br />
Drs 5/1611 Einführung einer Positivliste<br />
für Medikamente bis Ende 2010<br />
Drs 5/1612 Geschlechtersensible Berufsorientierung<br />
Drs 5/1866 Gemeinsamer Antrag von<br />
<strong>LINKE</strong> & GRÜNE & SPD<br />
Nachhaltige Sicherung des Bildungsstandortes<br />
Sachsen – Konsequenzen aus den<br />
Sondierungsgesprächen der Tarifpartner<br />
Drs 5/1948 Auf nationales Stipendienprogramm<br />
verzichten – BAföG-Förderung für<br />
Studierende ausbauen<br />
Drs 5/1954 Langfristige Perspektive für die<br />
Theater und Orchester <strong>im</strong> Freistaat Sachsen<br />
Drs = Drucksache<br />
<strong>LINKE</strong> besuchen diakonische Einrichtungen in Herrnhut<br />
Am 24.März 2010 besuchte die <strong>Landtag</strong>sabgeordnete<br />
der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> Heiderose<br />
Gläß gemeinsam mit Janet Jähne<br />
und Jens Thöricht von der Linksfraktion <strong>im</strong><br />
Kreistag Görlitz die Förderschule für geistig<br />
behinderte Kinder und Jugendliche sowie<br />
Der Geschäftsführer der Diakonie Herrnhut Stephan Wilinski (2.v.re.) zeigt<br />
den Besuchern von der <strong>LINKE</strong>N das Außengelände der Förderschule.<br />
3.v.li: MdL Heiderose Gläss<br />
das stationäre Hospiz in Herrnhut. Begleitet<br />
wurden die <strong>LINKE</strong>N Politiker und Politikerinnen<br />
von Marlies Trodler vom Gesundheits-<br />
und Sozialausschuss des Kreistages<br />
und von Gregor Janik, dem Sprecher der<br />
Landesarbeitsgemeinschaft Religion und<br />
Weltanschauung in<br />
der Partei <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>.<br />
Foto: J. Thöricht<br />
Der Geschäftsführer<br />
der Diakonie Herrnhut<br />
Stephan Wilinski und<br />
Diakon Volker Krolzik<br />
begrüßt die kleine Delegation<br />
und führten<br />
sie durch die Einrichtungen.<br />
In der Förderschule,<br />
die 80 Kindern<br />
und Jugendlichen Platz<br />
bietet, werden zunehmend<br />
auch verhaltensauffälligeSchüler<br />
und Schülerinnen<br />
betreut. Nach den Erläuterungen<br />
zur Förderschule<br />
gibt es dort<br />
keinen Unterrichtsausfall<br />
und 15 verschiedene<br />
Möglichkeiten,<br />
die Lernfächer zu kombinieren. Zudem beschäftigt<br />
die Bildungseinrichtung einen eigenen<br />
Physiotherapeuten. Im angegliederten<br />
Wohnbereich werden die Jugendlichen<br />
auf ein selbstständiges Leben vorbereitet.<br />
Ein durch die Diakonie aufgebautes Netzwerk<br />
soll die Bewohner bei ihrer Integration<br />
in die Gesellschaft und die Arbeitswelt<br />
begleiten.<br />
Im Hospiz „Siloah“ informierte uns die Leiterin<br />
Gundula Seyfried über das Haus, das<br />
zwölf Plätze für schwerstkranke Menschen<br />
vorhält. „Sterben gehört zum Leben. Und<br />
wir sind Geburtshelfer in eine andere Welt“,<br />
so Seyfried. Dass das Hospiz auch ein Ort<br />
des Lebens ist, merkten wir an der Fröhlichkeit,<br />
die das Haus durchzog, und in dem uns<br />
in der stationären wie ambulanten Betreuung<br />
viele ehrenamtliche Helfer begegneten.<br />
Das Hospiz baut wie die Förderschule auf<br />
christliche Werte, steht aber ausdrücklich<br />
auch Menschen anderen Glaubens offen.<br />
Für MdL Heiderose Gläß und ihre Mitstreiter<br />
war der Besuch in Herrnhut aufschlussreich<br />
und interessant. „Ich denke auch, dass unser<br />
Besuch in den christlichen Einrichtungen<br />
dem Abbau von Vorbehalten dienlich<br />
sein kann“, so Gläss. J.T./efa<br />
20 pvl 2/2010
Ende März zog sich die <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />
zur Klausur nach Pirna zurück. Zwei Tage berieten<br />
die 29 Abgeordneten der seit sechs<br />
pvl 2/2010<br />
Monaten bestehenden <strong>Fraktion</strong> über Arbeitstrukturen,<br />
politisch-inhaltliche Schwerpunkte<br />
und Strategien zu deren Durchsetzung.<br />
Am Ende der arbeitsreichen Tagung wurde die<br />
„Pirnaer Erklärung“ verabschiedet, die der<br />
<strong>Fraktion</strong> den Weg der kommenden Jahre weist.<br />
Kosten der Krise nicht auf Sachsens<br />
Bürgerinnen und Bürger abwälzen –<br />
Alternativen sind möglich!<br />
Die Menschen in Sachsen haben nicht<br />
durch unmäßige Spekulation eine Finanz-<br />
und Wirtschaftskrise ausgelöst. Sie haben<br />
auch nicht durch gesetzgeberische Privilegien<br />
für Besserverdienende und einzelne<br />
Lobby-Gruppen für Mindereinnahmen <strong>im</strong><br />
sächsischen Landeshaushalt von jährlich<br />
mehr als hundert Millionen Euro gesorgt.<br />
Sie haben ebenfalls nicht die Sächsische<br />
Landesbank in den Sand gesetzt und damit<br />
einen Gesamtschaden von über drei Milliarden<br />
Euro (verlorenes Eigenkapital, Bürgschaftsabsicherung)<br />
verschuldet.<br />
Das waren Banker, die sich die von SPD<br />
und GRÜNEN ermöglichte Deregulierung<br />
der Finanzmärkte zunutze gemacht haben.<br />
Das waren die schwarz-gelben Koalitionen<br />
auf Bundesebene und in Sachsen. Und das<br />
war die von der CDU geführte sächsische<br />
Staatsregierung, der damals schon der heutige<br />
Ministerpräsident Tillich angehörte.<br />
Deshalb lehnt es <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> ab, dass die<br />
sozialen und kulturellen Belange der sächsischen<br />
Bevölkerung sowie das hohe Gut<br />
der Bildung für die Bezahlung dieser Krisenkosten<br />
geopfert werden. Wir werden<br />
uns zugleich der drohenden finanziellen<br />
Handlungsunfähigkeit der Kommunen entgegenstellen,<br />
denn in den Kreisen, Städten<br />
und Gemeinden entscheidet sich die Sicherung<br />
der alltäglichen Daseinsvorsorge.<br />
Die sozialen Standards sind für uns ein zentraler<br />
Schonbereich – wer wie Schwarz-<br />
Gelb sagt, es gebe keinen Schonbereich,<br />
legt damit nur Zeugnis von der eigenen Konzeptionslosigkeit<br />
ab. Wir fordern, dass insbesondere<br />
die Kosten des Landesbank-<br />
Notverkaufs nicht aus dem laufenden Etat<br />
beglichen werden, sondern über Kredite<br />
langfristig abgefedert werden. Einen Kahlschlag<br />
bei den in Sachsen für die Lebensqualität<br />
maßgeblichen Faktoren darf es<br />
nicht geben!<br />
Aus Sicht von Partei und <strong>Fraktion</strong> der LIN-<br />
KEN in Sachsen stehen in dieser Wahlperiode<br />
bis 2014 folgende Projekte <strong>im</strong> Mittelpunkt<br />
<strong>LINKE</strong>R Landespolitik: Entwicklung<br />
eines „Programms 100.000 Existenz sichernde<br />
Arbeitsplätze“, ein „Konzept<br />
„Sachsen ohne Armut“, ein umwelt- und<br />
energiepolitischer „Aufbruch in ein sozialökologisches<br />
Sachsen“, ein „Plan<br />
demokratisches Sachsen“ zum Ausbau<br />
der direkten Demokratie und ein kultur-<br />
und bildungspolitischer Ansatz „Bildung,<br />
Kunst, Kultur für alle“.<br />
Schwarz-Gelb hat sich bisher auch auf Landesebene<br />
als unfähig erwiesen, Werte zu<br />
setzen, an denen sich eine solidarische Gesellschaft<br />
auf Dauer orientieren kann. Wir<br />
werden, parallel zur Kritik an schwarz-gelber<br />
Regierungspolitik, ein integriertes Landesentwicklungs-<br />
und Wirtschaftskonzept<br />
erarbeiten, das eine klare <strong>LINKE</strong> Alternative<br />
für Sachsens Zukunft darstellt.<br />
1 2 3 4 5<br />
21<br />
Fotos: efa
serbska strona<br />
Zachować,<br />
štož je<br />
zachowanja<br />
hódne<br />
Za Serbow bě to wulke wudobyće, zo so w<br />
lěće 1952 Serbski ludowy ansambl załoži, a<br />
wopokaza so tež bórze jako prawe, zo so w<br />
lěće 1948 załožene Serbske ludowe dźiwadło<br />
w samsnym lěće ze statnym jewišćom sta.<br />
(Pozdźišo bu serbske dźiwadło z Budysk<strong>im</strong><br />
měšćansk<strong>im</strong> dźiwadłom do Němskoserbskeho<br />
ludoweho dźiwadła zjednoćene.)<br />
Lěto 1952 běše přełamk w serbskich<br />
dźiwadłowych stawiznach, ale tež po wšej<br />
Europje jasny signal: Serbske dźiwadło<br />
je so po lětstotku lajskeho dźiwadźelenja<br />
zběhnyło na nowu, powołansku – a statnje<br />
spěchowanu – runinu.<br />
Wšo běžeše přez lětdźesatki, jónu mjenje,<br />
jónu bole wuspěšnje, hač do lěta 1990.<br />
Zamołwići akterojo němskeje jednoty<br />
njewědźachu sej praweje rady ze serbsk<strong>im</strong><br />
ludom a jeho zarjadnišćemi a z tym, kak je<br />
zaručeć a kak serbsku kulturu a rěč hajić<br />
a spěchwać. Z tym je přišło wotwiwanje<br />
někotrych – kaž Domu za serbske ludowe<br />
wuměłstwo abo Centralneje rěčneje šule<br />
– a přetworjenje tamnych, kaž Ludoweho<br />
nakładnistwa Domowina, Serbskeho ludoweho<br />
ansambla a Němsko-serbskeho ludoweho<br />
dźiwadła z rukow stata do nowych<br />
rukow rozdźělneje formy kaž drustwa abo<br />
swójskeho zawoda wokrjesa. Nade wšěm<br />
steji Załožba za serbski lud, kotraž ma so<br />
skoro lětnje z pjenjezami za institucije a<br />
projekty bědźić.<br />
Lutowanja substancu pomjeńšuja, nic jeno,<br />
zo so z personalom lutuje a zo so pjenjezy<br />
za nadawki wobmjezuja, ně, a to wosebje, zo<br />
so poprawny zmysł załoženja potrjechenych<br />
zarjadnišćow podrywa a zo so škody profilej<br />
a koncepcijam načinja. Tute wuwiće so<br />
pokročuje, najbóle widźomnje pola serbskeju<br />
jewišćow: pola Serbskeho ludoweho ansambla<br />
a pola Němsko-serbskeho ludoweho<br />
dźiwadła.Dobra rada zda so być droha a<br />
rozumne namjety bywaju dźeń a mjeńše.<br />
Wulka studija za spěchowanje serbskeje<br />
rěče a kultury wozjewi jako jednu móžnosć:<br />
redukowanje zarjadnišćow a dospołne<br />
změny profila domow. Druha warianta by<br />
była fuzija wobeju jewišców. Někotři wupraja<br />
so za „sensibelnu integraciju Serbskeho<br />
ludoweho ansambla do Němsko-serbskeho<br />
ludoweho dziwadla“, ličo z tym, zo takle<br />
wobeńdu nastaće małuškeho orchestra<br />
a małuškeho chóra, spóznajo pak, zo<br />
„njehodźi so bohaty repertoire Serbskeho<br />
ludoweho ansambla hižo pokročować a<br />
scyła hižo dale njewuwiwać“<br />
Serbski ludowy ansambl ma lětnje něhdźe<br />
sto předstajenjow we Łužicy a sto zwonka<br />
njeje w tukraju a wukraju. Je hotowy turnejowy<br />
ansambl. A ma tuž wšě ćeže tajkeho<br />
domu nabrěmjenjene.<br />
Nichtó prawje njewě, hač so předwidźana<br />
fuzija z nadawkami wobeju domow znjese,<br />
mnozy sej jeno přeja, zo „móhłoj z toho wobaj<br />
partneraj wumělsce wužitk měć“. Kak so<br />
to scyła hodźi, wostanje wulke hódančko,<br />
č<strong>im</strong> bóle, hdyž někak 40 z dotalnych 107<br />
městnow šmórnu a hdyž by z tym najwjetši<br />
dźěl dotalneho repertoira wotpadnył. Mocy,<br />
kotrež so raznje přećiwo wotstronjenju<br />
samostatnosće wobeju ansamblow wupraja<br />
a před stratami wuměłstwoweje substancy<br />
warnuja, su drje snadne. Symjo po<br />
wšěm kraju rozsypaneje mysle, zo maja<br />
wšitcy lutować, saha tež do kulturneho pola.<br />
Zwjazk serbskich wuměłcow je so pak jasnje<br />
za dalše wobstaće serbskich zarjadnišcow<br />
wuprajił, a runje tak jasnje su so zastupjerjo<br />
etniskich mjeńšinow w Lěwicy přećiwo<br />
kóždemužkuli zlikwidowanju institucije abo<br />
dźělneho zarjadnišća wuprajili. Zo su reformy<br />
trěbne a móžne, to runje přiwisnicy<br />
dalewobstaća ansambla najjasnišo zwuraznjeja,<br />
ale reformy nic na kóšty serbskeho<br />
wuměłstwa, kultury a rěče, nic cyłkownje a<br />
nic w jednotliwym.<br />
Solidarita ze Serbsk<strong>im</strong> ludowym ansamblom<br />
je dźeń a šěrša, a bywaju to fachowcy,<br />
kotřiž ćežko wažace argumenty do debaty<br />
dadźa. „Chór je nošer rěče a njeparujomny<br />
wobstatk kulturneho zarjadnišća“, měni<br />
Zwjazk serbskich spěwarskich towarstwow.<br />
Spěwny cyłk je po jeho měnjenju najwažniši<br />
wobstatk ansambla a bjez njeho njemóhła<br />
so serbšćina na jewišću prezentować. Druha<br />
stronka z tym zwisuje. SLA je so po tradiciji<br />
sobu wo to postarał, zo dostawaja ludowi<br />
wuměłcy na wsach fundowany nawod.<br />
W najhubjeńš<strong>im</strong> padźe po předwidźanym<br />
přetwarje wuměłcy ansambl wopušća a<br />
serbske lajske chóry zhubja nawodow.<br />
„Tuž njeje jenož ansambl wot skrótšenjow<br />
potrjecheny, ale tež naše čłonske cyłki“,<br />
podšmórny Zwjazk serbskich spěwarskich<br />
towarstwow. Tež tomu so wobaraja.<br />
Lěwica je wote wšeho spočatka wobstaća<br />
Swobodneho stata Sakska na tym wobstała,<br />
zo so Serbja na tym wobdźěluja, swójske<br />
naležnosće sobu zrjadować. Kulturna a<br />
kubłanska awtonomija je była a wostanje<br />
jeje zaměr. Strukturnu debatu měli Serbja a<br />
Němcy hromadźe, nic preciwo sebi wjesć, a<br />
nic za zawrjenymi durčkami.<br />
Lěwica žada sej nowy model financowanja<br />
spěchowanja serbskeje rěče a kultury, zo<br />
móhli unikatne serbske kulturne zarjadnišća<br />
dale wobstać a so bjez lubeje pjenježneje<br />
nuzy w trěbnej měrje reformować.<br />
Štož so tuchwilu w Serbach stawa, hrozy pak<br />
wšej Sakskej. Dźiwadłowu krajinu spytaja<br />
pod płašćiku přetwara wottwarjeć. Lěwica<br />
w Saksk<strong>im</strong> krajnym sejmje je tuž namjet<br />
předpołožiła k zachowanju dźiwadłow,<br />
něhdy pycha kraja a regionow, dźensa dźen<br />
a bóle syrotka w kulturnej krajinje.<br />
Hajko Kozel<br />
Zapósłanc Sakskeho krajneho sejma<br />
Rěčnik za europsku, měrowu a mjeńšinowu<br />
politiku<br />
22 pvl 2/2010<br />
Foto: Heinz Brauer
Ist weniger mehr –<br />
oder bald fast nichts?<br />
Im Zusammenhang mit der Diskussion um<br />
eine große Studie zur Förderung der sorbischen<br />
Sprache und Kultur, die den Sorben<br />
unlängst in die Hand gedrückt worden<br />
ist, steht die Struktur der sorbischen Institutionen<br />
auf dem Prüfstand. Das aber hat,<br />
wie so vieles zurzeit <strong>im</strong> Lande, auch etwas<br />
mit Sparzwängen zu tun. Und so n<strong>im</strong>mt es<br />
nicht wunder, dass diejenigen, die derzeit<br />
Vorschläge möglicher struktureller Veränderungen<br />
machen, versuchen, gewissermaßen<br />
zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen:<br />
der Finanznot abzuhelfen und zugleich positive<br />
Effekte für das künstlerische Schaffen<br />
zu befördern. So könne beispielsweise „eine<br />
sensible Integration des Sorbischen National-Ensembles<br />
in das Deutsch-sorbische<br />
Volkstheater“, so die Hoffnung, „für beide<br />
Partner künstlerisch Nutzen“ bringen.<br />
Ob dem tatsächlich so sein würde, ist offen.<br />
Wer über die Zukunft sorbischer Institutionen<br />
nachdenkt, sollte ihre Geschichte kennen:<br />
Das Sorbische National-Ensemble beispielsweise<br />
existiert seit 1952, ein professionelles<br />
sorbisches Theater seit 1948, später fusionierte<br />
es mit dem Bautzener Stadttheater<br />
zu einer gemeinsamen deutsch-sorbischen<br />
pvl 2/2010<br />
Bühne. Die deutsche Einheit <strong>im</strong> Jahr 1990<br />
bescherte den sorbischen Institutionen bereits<br />
spürbare Einschnitte: Das Haus für sorbische<br />
Volkskunst wurde ebenso wie die zentrale<br />
Sprachschule abgewickelt, die anderen<br />
Einrichtungen erhielten einen neuen – unterschiedlichen<br />
– Trägerstatus. Über allen aber<br />
steht die Stiftung für das sorbische Volk, die<br />
sich jährlich mit der Verteilung der Gelder<br />
zwischen den einzelnen Institutionen und<br />
Projekten zu plagen hat.<br />
Nicht erst vor dem Hintergrund des geplanten<br />
Personalabbaus be<strong>im</strong> Sorbischen National-Ensemble<br />
um 40 der 107 Stellen fordern<br />
<strong>LINKE</strong>, ein neues Modell der Finanzierung<br />
der Förderung sorbischer Sprache und Kultur<br />
zu fi nden, das der Tatsache gerecht wird,<br />
dass jede sorbische Institution ein Unikat<br />
darstellt. Es ist zudem sinnvoll zu bedenken,<br />
was der eigentlich Zweck ihrer Gründung war,<br />
der nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden<br />
darf. Nicht zuletzt steht die Forderung<br />
nach sorbischer Kultur- und Bildungsautonomie<br />
weiter auf der Tagesordnung.<br />
Da der Theater-Landschaft in ganz Sachsen<br />
Einschnitte drohen, weshalb die <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong><br />
Demonstration in Bautzen für den Erhalt des Sorbischen National-Ensembles.<br />
Sorbische Seite<br />
<strong>LINKE</strong> einen ihrem Erhalt dienenden Antrag<br />
in den <strong>Landtag</strong> eingebracht hat, hat die aktuelle<br />
Diskussion <strong>im</strong> Sorbenland eine gewisse<br />
Vorbildfunktion für ganz Sachsen.<br />
Konkret geht es be<strong>im</strong> Sorbischen National-<br />
Ensemble u. a. darum, ob die Laien-Ensembles<br />
in den Dörfern auch künftig professionelle<br />
Unterstützung erhalten – der Bund<br />
sorbischer Gesangsvereine befürchtet durch<br />
die Kürzungen Ausfälle auf diesem Feld. Ganz<br />
zu schweigen davon, ob sich das reiche Repertoire<br />
des Sorbischen National-Ensembles<br />
bewahren und weiterentwickeln lässt, was<br />
nicht nur Kritiker der geplanten Umstrukturierung<br />
bezweifeln.<br />
MdL<br />
Heiko Kosel<br />
Sprecher für<br />
Minderheitenpolitik<br />
Foto: Heinz Brauer<br />
23
Waagerecht: 1. Möglichkeit der Geldbeschaffung,<br />
der sich die CDU als Partei in NRW und<br />
Sachsen bediente und ihren Ministerpräsidenten<br />
Rüttgers und Tillich damit den Vorwurf der<br />
Käufl ichkeit einhandelte, 9. Großmutter, 10.<br />
Vorname des Sprechers für Haushalts- und<br />
Finanzpolitik der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> Sächs.<br />
<strong>Landtag</strong> (Scheel), 12. Schwur vor Gericht, 13.<br />
Abk.: Tabelle, 15. Vorname des dän. Filmhelden<br />
Olsen (Ove Sprogøe; †2004), 18. latein.:<br />
dasselbe, gleichfalls, 19. Kurz- bzw. Spitzname<br />
des Sprechers für Sozialpolitik der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong><br />
<strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> Sächs. <strong>Landtag</strong> (Dr. Dietmar), 20. dt.<br />
Autor (Hermann) „Die Aula“, 22. starkes Verlangen,<br />
Sucht, 25. japan. Regisseur (1903–1963),<br />
26. Abk.: Airports Council International, 28. eh.<br />
Sächs. Geldinstitut, das vom Ex-Landeschef<br />
Milbradt (CDU) mitgegründet wurde, auf dem<br />
int. Markt Milliarden verzockte und Ende 2007<br />
notverkauft wurde und dem Freistaat Sachsen<br />
eine 2,75 Mrd. schwere Bürgschaft einbrachte,<br />
29. dt. Opernkomponist; †1983 „Die Zaubergeige“,<br />
31. in der Schifffahrt weithin sichtbarer<br />
Orientierungspunkt, in Sachsen auch Synonym<br />
für die jahrelange punktuell ausgerichtete Wirtschaftsförderung,<br />
die nach Ansicht der <strong>LINKE</strong>N<br />
die regionale Entwicklung in der Fläche sträflich<br />
vernachlässigte<br />
Senkrecht: 2. Vorname Picassos (†1973),<br />
3. Geruchsorgan, 4. Sauerstoffverbindung e.<br />
Metalls, 5. Stadt in Südäthiopien, 6. Initialen<br />
Mandelas, 7. schwed. Film-Schauspielerin<br />
(Greta; 1905–1990) „Ninotschka“, 8. e. Baltikumbewohner,<br />
11. Sachsens Ministerpräsident<br />
(CDU), der der <strong>Landtag</strong>sdebatte um Kürzungen<br />
<strong>im</strong> Jugend- und Sozialbereich fernbleiben wollte,<br />
jedoch per Antrag der <strong>LINKE</strong>N zur Teilnahme<br />
gezwungen wurde, 14. beliebte DDR-Kinderzeitschrift,<br />
16. Hauptstadt der Steiermark/<br />
Österr., 17. Abk.: Nationalpreisträger, 18.<br />
e. Comic-Hauptfi gur in Hegens Mosaik, 20.<br />
Sprecher für Europa-, Friedens- und Minderheitenpolitik<br />
der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong><br />
Sächs. <strong>Landtag</strong> (Heiko), 21. sumerischer u.<br />
akkadischer Licht- und Feuergott, 23. griech.<br />
Volksstamm in der Antike, 24. einh. schwarzer<br />
Krähenvogel, 26. Abk.: Adreocorticotropes<br />
Hormon (Hirnanhangdrüsenhormon), 27. Ob-<br />
Zufl uss, 30. chem. Zeichen: Germanium.<br />
Foto: S. Kunze<br />
Da man bei der Politik von Schwarz-Gelb zunehmend<br />
besser beraten ist, ein Orakel zu befragen<br />
als das jeweils zuständige Fachressort, erhöht sich<br />
die Arbeitsbelastung für die als lebende Omen umherlaufenden<br />
schwarzen Katzen zurzeit erheblich.<br />
Um sich von der Bearbeitung zunehmend eingehenden<br />
Zukunftsfragen zu erholen, hat sich Katze<br />
Lucy (Foto: S. K.) zur verdienten wie farblich angemessenen<br />
Siesta zurückgezogen. Es sei ihr gegönnt.<br />
Lange wird sie nicht pausieren können…<br />
pvl 2/2010