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Vorsicht: Werte! - GEW

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Grundsätzlich regelt die Laufbahnverordnung<br />

für Beamtinnen und Beamte<br />

(Paragraf 6 Abs. 1 Satz 1 und 52 Abs. 1<br />

LVO NRW), dass nur Bewerber vor Vollendung<br />

des 35. Lebensjahres als Anwärter<br />

für die Beamtenlaufbahn in Betracht<br />

kommen. Allerdings gilt der anerkannte<br />

Verzögerungstatbestand Geburt und<br />

Kinderbetreuung (Paragraf 6 Abs. 1 Satz<br />

3 NRW): Bei einem Kind kann die<br />

Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung<br />

um drei, bei mehreren Kindern um<br />

bis zu sechs Jahre überschritten werden.<br />

Zum Zeitpunkt ihres Antrags auf Übernahme<br />

in das Beamtenverhältnis auf<br />

Probe war die Klägerin noch keine 38<br />

Jahre alt.<br />

Das Oberverwaltungsgericht (OVG)<br />

NRW entschied, dass die Klägerin entgegen<br />

der Auslegung des Landes Anspruch<br />

auf Prüfung ihres Antrags habe:<br />

Auch das Überschreiten der Regelstudiendauer<br />

sei auf die alleinige Verantwortung<br />

für das Kind zurückzuführen; die<br />

30 Erziehung und Wissenschaft 2/2009<br />

Darlegungen der geschiedenen Klägerin<br />

über ihre Lebenssituation seien glaubwürdig.<br />

Die förmliche Unterbrechung<br />

des Studiums sei als Voraussetzung<br />

nicht erforderlich. Die Klägerin habe<br />

den Nachweis erbracht, dass<br />

sie sich überwiegend um ihr<br />

Kind und nicht um die Berufsausbildung<br />

gekümmert habe;<br />

ein Kindergartenplatz<br />

habe erst mehr als dreieinhalb<br />

Jahre nach der Geburt<br />

zur Verfügung gestanden.<br />

Das OVG betonte<br />

auch, dass das Land<br />

nicht mehr nachweisen<br />

könne, ob<br />

die Klägerin bei<br />

nicht verzögerter<br />

Ausbildung<br />

im fristgerechtenBewerbungsverfahren<br />

ohnehin abgelehnt<br />

worden wäre, da die<br />

Unterlagen früherer Auswahlentscheidungenvernichtet<br />

worden seien.<br />

Eine eindeutige Ablehnung<br />

komme nachträglich<br />

nicht in Frage. Dass dieser<br />

Sachverhalt nicht mehr aufzuklären<br />

sei, wirke sich zugunsten<br />

der Klägerin aus, auch<br />

wenn diese inzwischen 42<br />

Jahre alt sei: Die Höchstaltersgrenze<br />

müsse eingehalten<br />

werden. Eine Ausnahme<br />

sei nicht möglich (nach Paragraf<br />

84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />

LVO NRW), da die Frau 2002 in<br />

das Beamtenverhältnis hätte übernommen<br />

werden können und die Ablehnung<br />

auf rechtlich nicht tragfähigen<br />

Erwägungen des Landes beruhe: Deshalb<br />

habe die Klägerin Anspruch auf Bescheidung<br />

ihres Antrags.<br />

OVG NRW vom 13. Dezember 2007 – 6 A<br />

2173/05 (rechtskräftig)<br />

Reisekosten bei Klassenfahrten<br />

Hessische Verzichtserklärung<br />

war unwirksam<br />

Das Verwaltungsgericht (VG) Gießen hat<br />

gegen die fragwürdige hessische Praxis entschieden,<br />

Lehrkräften bei Klassenfahrten anfallende<br />

Reisekosten – je nach Haushaltslage<br />

– nur teilweise zu erstatten.<br />

Seit Jahren ein gängiges und umstrittenes<br />

Verfahren, das an vielen Schulen<br />

Hessens praktiziert wird: Vor Klassenfahrten<br />

legen Schulleitungen den teil-<br />

nehmenden Lehrkräften Verzichtserklärungen<br />

vor, die sie unterschreiben<br />

sollen. Darin erklären sich diese mit einem<br />

Teilverzicht auf ihre Reisekostenrückerstattung<br />

einverstanden, sollten<br />

die Haushaltsmittel nicht ausreichen.<br />

Doch was jahrelang Praxis ist, muss<br />

noch lange nicht rechtlich unanfechtbar<br />

sein. Das VG Gießen entschied zugunsten<br />

eines Klägers, der als stellvertretender<br />

Klassenlehrer eine Fahrt begleitet<br />

hatte. Ihm stünden 100 Prozent der Reisekostenerstattung<br />

zu, so das VG, nicht<br />

die nach Haushaltslage ermittelten<br />

27,63 Prozent. Die Schulleitung habe<br />

bei der Verzichtserklärung unzulässig<br />

Druck auf den Lehrer ausgeübt, indem<br />

sie auf die mögliche Absage der Klassenreise<br />

hingewiesen habe, falls er nicht unterschreibe.<br />

Sechs Tage vor Fahrtbeginn<br />

sei noch keine Ersatzbegleitperson benannt<br />

worden. Der Lehrer habe die Erklärung<br />

zwar wenige Tage vor der Fahrt<br />

doch noch unterzeichnet, jedoch handschriftlich<br />

ergänzt, dass er den Verzicht<br />

nur aus Rücksicht auf die Schülerinnen<br />

und Schüler sowie seine Kollegin erkläre,<br />

zumal eine männliche Begleitperson<br />

benötigt wurde.<br />

Das VG stellte klar, dass der freiwillige<br />

Verzicht auf Reisekosten durch Beamtinnen<br />

und Beamte grundsätzlich möglich<br />

sei, da diese nicht Bestandteil der<br />

Besoldung sind. Ein Anspruch auf die<br />

volle Erstattung sei aber im Falle des<br />

Klägers trotz seines Verzichts nicht verwirkt:<br />

Der handschriftliche Zusatz auf<br />

der Erklärung und deren Form – ein vorformuliertes<br />

Dokument – weckten<br />

Zweifel an der Freiwilligkeit seines Verzichts.<br />

Lehrkräfte befänden sich während Klassenfahrten<br />

auf Dienstreisen, deshalb<br />

hätten sie wie andere Beamtinnen und<br />

Beamte Anspruch auf Erstattung der<br />

dienstlich verursachten Mehraufwendungen.<br />

Das VG bewertete das Verfahren<br />

und die Umstände als qualifizierte<br />

Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn.<br />

Auf den Beamten sei Druck ausgeübt<br />

worden, die Schulleitung habe<br />

sich nicht um eine andere Begleitperson<br />

bemüht. Grundsätzlich gelte, dass die<br />

Fürsorgepflicht als Hauptpflicht des<br />

Dienstherrn anzusehen sei, die laut<br />

Grundgesetz (Artikel 33 Abs. 4 GG) auf<br />

einem gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnis<br />

beruht. Dieses werde verletzt,<br />

wenn der Dienstherr den Beschäftigten<br />

Gewissenskonflikten und dem Risiko<br />

aussetzt, bei Nichtunterzeichnung einer<br />

Verzichtserklärung mit dienstlichen<br />

Nachteilen rechnen zu müssen.<br />

VG Gießen vom 18. März 2008 – 9 E<br />

2055/07

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