Aufzeichungen von Marc Knuchel - 1
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Novi Pazar lag ungefähr 250 km landeinwärts vom Schwarzen Meer an der grossen Überlandstrasse,<br />
die <strong>von</strong> Wana nach Razgrad führte. Der Hof stand einsam, weit abgelegen ausserhalb der Stadt.<br />
Manch ein Durchreisender hat hier haltgemacht und ist nach Leib und Seele erquickt worden. Novi<br />
Pazar war ein offenes Haus, jedermann wurde herzlich willkommen geheissen. Viele Nussbäume<br />
umgaben den Hof, und ausserhalb der Hofeinzäunung befand sich ein grosser Weingarten nebst<br />
vielen Aprikosenbäumen. Das Land erwies sich als ausserordentlich fruchtbar. Bruder Grossen<br />
pflanzte viel Getreide, Sonnenblumen, Zuckerrohr und Mais. Mit Hilfe türkischer Saisonarbeiter<br />
verstand er es, in kurzer Zeit ein blühendes Bauerngewerbe aufzubauen. Das erregte die<br />
Aufmerksamkeit und das Interesse der ansässigen Bulgaren. Diese kamen nun öfters, um bei ihm Rat<br />
zu holen. Der Umstand, dass Bruder Grossen selbst Bauer geworden war, erleichterte den Zugang zu<br />
diesen Menschen. Vor und nach der Erntezeit sowie während den langen Wintermonaten leitete<br />
Frau Grossen mit Hilfe des Gesindes den Hof allein. Sie war eine mutige und tüchtige Frau, die neben<br />
der vielen Arbeit noch ihre sechs Kinder, drei Söhne und drei Töchter, die alle in Bulgarien geboren<br />
sind, zu betreuen hatte. Auf dem Anwesen gab es kein Wasser. Mit einem Eselswagen musste man in<br />
den Talgrund fahren, um das Wasser herbeizuschaffen. Die Winter waren streng und kalt. Es lag oft<br />
viel Schnee, und die Wölfe kamen des Nachts rudelweise und umheulten den Hof.<br />
Vater Grossen war viel unterwegs. Er ging hinaus zu den Schafhirten, den Zigeunern, die das Land<br />
durchstreiften, und zu den vielen Türken, die als Gastarbeiter in der Landwirtschaft tätig waren. Er<br />
knüpfte Kontakte zu den Kleinhandwerkern und Händlern in der Stadt. Während Wochen reiste er<br />
<strong>von</strong> Ort zu Ort, verteilte Bibeln und Traktate und verkündete die frohe Botschaft des Evangeliums,<br />
wo immer dies möglich war. Gott segnete den unermüdlichen Dienst seines treuen Knechtes. Im<br />
Laufe der Jahre gab es eine ganze Anzahl Familien in der Stadt Schumen und Umgebung, die Jesus<br />
Christus als ihren Herrn und Heiland angenommen haben. Das erregte den Unmut und den Neid der<br />
Popen. In den Augen der orthodoxen Kirche waren die evangelischen Missionare Sektierer und böse<br />
Unruhestifter, die man mit allen Mitteln bekämpfen musste. In ihrer Hilflosigkeit gelangten die Popen<br />
an die Regierung und forderten deren Ausweisung. Das Hitler Regime zeigte hierfür Verständnis und<br />
befahl Familie Herm bereits im Jahr 1937, das Land zu verlassen. Unter dem Druck der politischen<br />
Verhältnisse musste aber auch Missionar Grossen mit seiner Familie ein Jahr später in die Schweiz<br />
zurückkehren.<br />
Die Liegenschaft Novi Pazar blieb noch weitere 17 Jahre Eigentum der Ökonomia. Man versuchte, das<br />
Anwesen der dortigen Christlichen Versammlung zu erhalten und zu Missions- und<br />
Versammlungszwecken weiter zu nutzen. Der erste Pachtvertrag wurde mit dem bewährten,<br />
gläubigen Bruder Alexander Tichtscheff abgeschlossen Leider ist dieser tüchtige Landwirt 1941 in den<br />
Krieg eingezogen worden. Ein Schwiegersohn <strong>von</strong> Bruder Nechuta hat grössere Renovationen an den<br />
Gebäulichkeiten vorgenommen, da dieselben aus Lehm erstellt worden sind. Er versah die Gebäude<br />
mit einem neuen Verputz und wechselte die Dachsparren aus. Während den letzten Jahren fungierte<br />
Bruder Pantscheff als Verwalter der Liegenschaft. Bis zum Tod <strong>von</strong> Bruder Grossen bestand ein reger<br />
Briefwechsel zwischen ihm und den Brüdern in Bulgarien. Langjähriger Leiter der Versammlung ist<br />
Bruder ???Steffanoll gewesen. Dieser begabte Bruder hat die Missionsschule Wiedenest besucht und<br />
redigierte nach seiner Rückkehr die Periodika "Geistliches Wort". Die Druckkosten des Blattes sind