Aufzeichungen von Marc Knuchel - 1
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Das herrschaftliche Gebäude umfasste an die 50 Zimmer und Salons und verfügte über ein sehr gut<br />
funktionierendes Zentralheizungssystem, was damals ganz aussergewöhnlich war. Der<br />
Heisswasserdampfkessel soll beim Einmarsch der Russen im Jahr 1944 immer noch funktionstüchtig<br />
gewesen sein.<br />
Die Familie Liebe gehörte zur Christlichen Versammlung der Brüder an der Schäferstrasse in Dresden.<br />
Der aufgeweckte Jüngling besuchte das städtische Gymnasium und studierte anschliessend seiner<br />
Neigung entsprechend Theologie in Dresden und Greifswald. Kurz nach seiner Ordinierung trat er aus<br />
der Staatskirche aus und wollte als einfacher Reisebruder ohne sicheres Einkommen seinem Herrn<br />
dienen. Das tat er denn auch sein ganzes Leben lang in grosser Hingabe und Treue. Ihm stand stets<br />
die Geschichte des Reichen Jünglings in Matth. 19,20-22 vor Augen. Bewusst verzichtete er auf eine<br />
gut dotierte Pfarrstelle und ein angenehmes Leben, um sich statt dessen einen Schatz im Himmel zu<br />
erwerben.<br />
Im Jahr 1906 begab sich Carl Liebe zu Studienzwecken nach England. Er wollte das englische<br />
Brüdertum besser kennen lernen und knüpfte viele gute Verbindungen zu leitenden Brüdern der<br />
Versammlungen. In England lernte er auch seine zukünftige Frau, eine deutschstämmige Russin<br />
mennonitischer Herkunft, kennen. Ihre Vorfahren gehörten zu den Täuferfamilien, die 1530 aus der<br />
Schweiz und dem süddeutschen Raum nach Holland flüchteten und <strong>von</strong> dort nach Westpreussen und<br />
Polen weiterwanderten. Im Jahre 1788 folgten diese Mennoniten der Einladung Katharina der<br />
Grossen, nach Russland überzusiedeln. Die Zarin sicherte ihnen Gastrecht auf ewige Zeiten zu. Sie<br />
überliess den Siedlern an der Wolga, in der Ukraine und später auch auf der Halbinsel Krim grössere<br />
Landstriche zur Kultivierung. Die Mennoniten brachten aus ihrer Heimat wertvolle Kulturgüter mit,<br />
wie den Eisenpflug, die vierräderigen Wagen und die Kartoffel. Sie lehrten die Ukrainer das Brachen,<br />
den Fruchtwechsel und den Umgang mit landwirtschaftlichen Maschinen. Innerhalb eines<br />
Jahrhunderts gelangten sie zu Wohlstand und Ansehen. Sie verwandelten riesige Steppengebiete der<br />
Ukraine zu einer der grössten Kornkammern Russlands. Doch als es ihnen gut ging, bemächtigte sich<br />
der Kommunismus ihrer Güter. Wer nicht bereit war, in den Kolchosen mitzuarbeiten, wurde nach<br />
Sibirien abgeschoben.<br />
Helene Konrad ist in einer grossen Mennonitensiedlung auf der Halbinsel Krim aufgewachsen. Sie<br />
kam schon in jungen Jahren zum Glauben und erhielt <strong>von</strong> Gott einen klaren Ruf, in die Mission nach<br />
Indien zu gehen. In dieser Absicht liess sie sich in Berlin im renommierten Spital Charite zur<br />
Krankenschwester ausbilden und vervollständigte ihre Studien in England. Die Bekanntschaft mit Carl<br />
Liebe gab eine Wende in ihrem Leben. Die beiden heirateten im Jahr 1907 und gründeten in<br />
Kosebaude, einem Vorort <strong>von</strong> Dresden, ihren Hausstand. Dort kam ihr ältester Sohn Johannes zur<br />
Welt.<br />
Als Reiseprediger war Bruder Liebe viel unterwegs. Bereits im Jahr 1909 folgte er einem Ruf, nach<br />
Stargard, der Kreishauptstadt Pommerns, zu kommen. In dieser Stadt galt es eine neu entstandene<br />
Versammlung im Glauben zu festigen und zu betreuen. Nachdem die Gemeinde nicht mehr auf<br />
fremde Hilfe angewiesen war, suchte sich Carl Liebe ein neues Wirkungsfeld und verlegte im Jahr<br />
1911 seinen Wohnsitz nach Lörrach. Dort erwartete ihn eine neue wichtige Aufgabe. Mit viel<br />
Einfühlungsvermögen beteiligte sich Bruder Liebe am Aufbau der kleinen Brüdergemeinde, die im<br />
Jahr 1893 <strong>von</strong> Bruder Wagner, Riehen, und Zimmermeister Höfle, Tümringen, gegründet worden<br />
war. Der Herr schenkte in diesen Jahren Gnade zum Wachstum der Gemeinde, so dass bald einmal in<br />
der Hebelschule ein grösseres Klassenzimmer für die Zusammenkünfte gemietet werden konnte.