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Die Relevanz des Kindeswillens in familienrechtlichen - Userpage ...

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<strong>Die</strong> <strong>Relevanz</strong> <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>willens <strong>in</strong> <strong>familienrechtlichen</strong> Angelegenheiten 8<br />

reits sehr früh Vorstellungen, Me<strong>in</strong>ungen, Wünsche, E<strong>in</strong>stellungen, Haltungen, Sichtweisen,<br />

Prioritäten, Favorisierungen etc. selbst erwerben und def<strong>in</strong>ieren. <strong>Die</strong>se stellen e<strong>in</strong>en<br />

wesentlichen Aspekt der Identitätsentwicklung <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> dar und be<strong>in</strong>halten eigene,<br />

subjektive Interessen <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> (Balloff, 2002).<br />

Dettenborn (2001) hält daher den K<strong>in</strong><strong>des</strong>willen ab drei Jahren für familienrechtlich bedeutsam<br />

und fordert e<strong>in</strong>e Feststellung <strong>des</strong>selben ab diesem Alter. Er betont jedoch, dass<br />

diese entwicklungspsychologischen Erkenntnisse nicht unabhängig vom Verfahrensanlass<br />

übertragen werden können.<br />

Dettenborn (2001) kritisiert die Unterscheidung zwischen emotionalem und rationalem<br />

Willen. Des weiteren sei nicht gesichert, ob die tendenzielle Abnahme irrationaler Verzerrungen<br />

und Momente der Selbstschädigung mit dem Alter nicht nur e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche Veränderung<br />

darstellt. Auch die Gefahr der Induzierung fremden Willens sche<strong>in</strong>t im Fall von<br />

B<strong>in</strong>dungsgefährdungen bei älteren K<strong>in</strong>dern wieder aufzutreten. Ebenso s<strong>in</strong>d ältere K<strong>in</strong>der<br />

aufgrund ihrer sozialen Kompetenzen <strong>in</strong> Gefahr, stärker <strong>in</strong> die Bedürfnisse, Wünsche und<br />

Ängste ihrer Bezugspersonen verstrickt zu werden. In jeder Altersstufe gibt es also sogenannte<br />

Störquellen. Was die Diagnostik am meisten gefährdet, ist das Vorurteil über e<strong>in</strong>en<br />

wenig differenzierten, wenig vernünftigen und wenig beachtlichen Willen kle<strong>in</strong>erer<br />

K<strong>in</strong>der. (Dettenborn, 2001) Klußmann und Stötzel (1995, zitiert nach Dettenborn, 2001)<br />

halten fest, dass die Wertung e<strong>in</strong>er Willensäußerung als eigenständig und durchdacht<br />

weniger vom Alter als vom geistig-seelischen Entwicklungsstand abhängen sollte. <strong>Die</strong><br />

Altersnormen fungieren dabei als grobe Orientierungsmaßstäbe.<br />

2.2 Der Wille <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> im Recht<br />

Erst im 20. Jahrhundert geriet die Fixierung auf e<strong>in</strong>en "vernünftigen" Willen <strong>in</strong>nerhalb der<br />

Rechtssprechung und die damit verbundene mangelnde Beachtung der subjektiven Haltung<br />

M<strong>in</strong>derjähriger <strong>in</strong> Kritik. Doch auch heute noch gelten pauschalisierende Altersgrenzen.<br />

Im Recht wird zwischen Vernunft und Wille unterschieden. Es f<strong>in</strong>det sich der Begriff "Erwägungsfähigkeit",<br />

die Fähigkeit, die fraglichen Gesichtspunkte kognitiv und sachlich abzuwägen<br />

und zu prüfen. Der Willensbegriff, der der Rechtssprechung häufig zugrunde<br />

gelegt wird, ist also e<strong>in</strong>er, der durch Rationalität bestimmt wird. <strong>Die</strong>s stößt im Bereich<br />

<strong>des</strong> Familienrechts besonders von Seiten der Sozialwissenschaftler auf Kritik. Hier<br />

bestimme das Gefühl den Willen wesentlich, weshalb auch der nicht rational erwogene<br />

Wille Gehör f<strong>in</strong>den müsse. Auch die emotional bestimmte Tendenz <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> müssen<br />

beachtet werden. (Lempp, 1987, zitiert nach Zitelmann, 2001)<br />

Coester (1983, zitiert nach Zitelmann, 2001) formulierte aus diesem Verständnis heraus<br />

zwei Grundfunktionen <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>willens:<br />

" Der K<strong>in</strong><strong>des</strong>wille ist als Akt der Selbstbestimmung und der k<strong>in</strong>dlichen Autonomie<br />

zu berücksichtigen. Er entspricht den von der >...Rechtsprechung nahezu e<strong>in</strong>hellig geforderten<br />

Kriterien der Reife, Urteilskraft, Kritikfähigkeit oder Entscheidungsfähigkeit...<<br />

"(S.165). "An die Stelle e<strong>in</strong>es starren Dualismus der Mündigkeit oder Unmündigkeit tritt<br />

hier die Vorstellung e<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlich wachsenden Selbstverantwortlichkeit – und Vernunftfähigkeit<br />

– <strong>des</strong> m<strong>in</strong>derjährigen K<strong>in</strong><strong>des</strong>" (Staud<strong>in</strong>ger-Coester § 1666, Rz.73, zitiert<br />

nach Zitelmann, 2001, S.165).<br />

"Der K<strong>in</strong><strong>des</strong>wille kann zugleich auch e<strong>in</strong> Indiz besonderer Verbundenheit <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong><br />

und damit e<strong>in</strong> – wichtiger – Teilaspekt <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>wohls se<strong>in</strong>. Ihm gilt im H<strong>in</strong>blick auf<br />

den K<strong>in</strong><strong>des</strong>schutz die Achtung vor der psychisch-emotionalen Beziehungswelt <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>.<br />

Insbesondere bei jüngeren K<strong>in</strong>dern gew<strong>in</strong>nt der Aspekt der psychologischen B<strong>in</strong>dung an<br />

Gewicht, <strong>des</strong>halb ist e<strong>in</strong>e untere Altersgrenze für die Beachtlichkeit <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong>willens<br />

ausgeschlossen" (Coester, 1983, zitiert nach Zitelmann, 2001, S.165).<br />

Soweit es mit dem Wohl <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> vere<strong>in</strong>bar ist, ist es bei Sorgerechtsentscheidungen<br />

verfassungsrechtlich geboten, den Willen <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> zu berücksichtigen (BVerfGE 55,<br />

171/172, zitiert nach Zitelmann, 2001, S.166).<br />

Er wird allerd<strong>in</strong>gs nur berücksichtigt, so lange er mit dem persönlichen K<strong>in</strong><strong>des</strong>wohl vere<strong>in</strong>bar<br />

ist, und muss gegen die Rechtsansprüche anderer Beteiligter abgewogen werden<br />

(Zitelmann, 2001).

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