„Ehret den Herbst, er ist doch so kurz“ - Blickpunkt Heidelberg
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02 I Freitag, 9. Novemb<strong>er</strong> 2012<br />
Von Michaela Schmittb<strong>er</strong>g<br />
Wenn jemand am 24. Oktob<strong>er</strong><br />
um kurz nach drei am<br />
Nachmittag zufällig die Tür<br />
des großen Spielzimm<strong>er</strong>s im<br />
Montpelli<strong>er</strong>haus geöffnet hätte,<br />
wäre <strong>er</strong> <strong>er</strong>staunt gewesen.<br />
Er hätte ein Dutzend Kind<strong>er</strong><br />
gesehen, die bege<strong>ist</strong><strong>er</strong>t ihre<br />
kleinen Nasen auf das Parkett<br />
drücken und laut vom Kohlpflanzen<br />
singen. Aude Dettling<strong>er</strong>,<br />
eine Französisch- und<br />
Musiklehr<strong>er</strong>in aus Mannheim,<br />
hatte zu ihrem Mitsingkonz<strong>er</strong>t<br />
ein ganzes Heft mit<br />
französischen Kind<strong>er</strong>lied<strong>er</strong>n<br />
mitgebracht.<br />
In <strong>den</strong> me<strong>ist</strong>en geht es ziemlich<br />
wild zu. Zum Beispiel w<strong>er</strong><strong>den</strong><br />
mit allen möglichen Körp<strong>er</strong>teilen<br />
Kohlsetzlinge tief<br />
in die Erde gedrückt. „Savezvous<br />
plant<strong>er</strong> les choux?“ heißt<br />
das Lied. Während des Singens<br />
wird eifrig geschauspiel<strong>er</strong>t:<br />
mit <strong>den</strong> Füßen, <strong>den</strong> Ohren,<br />
mit dem Näschen – jedes<br />
Kind hat eine and<strong>er</strong>e v<strong>er</strong>rückte<br />
Idee, seinen Kohl anzupflanzen.<br />
„Chan<strong>so</strong>n à mim<strong>er</strong>“ heißt<br />
diese Art Mitmach-Lied.<br />
Aude Dettling<strong>er</strong> freut sich,<br />
dass die Kind<strong>er</strong> viele d<strong>er</strong> Lied<strong>er</strong><br />
kennen und fröhlich mit-<br />
Korneliga Roth brachte <strong>den</strong> Kind<strong>er</strong>n<br />
Kaligraphie bei.<br />
singen. Auch die drei, die kein<br />
Französisch können, machen<br />
mit: Die and<strong>er</strong>en Kind<strong>er</strong> üb<strong>er</strong>setzen<br />
die Lied<strong>er</strong> einfach für<br />
sie. Nach ein<strong>er</strong> Stunde voll<strong>er</strong><br />
klein<strong>er</strong> Singspiele, Reigen und<br />
gesungenen Wund<strong>er</strong>geschichten<br />
sind die Kleinen glücklich,<br />
aufgedreht und <strong>er</strong>schöpft und<br />
fallen im Weinkell<strong>er</strong> des Hauses<br />
üb<strong>er</strong> Brioche und Kind<strong>er</strong>-<br />
Champagn<strong>er</strong> h<strong>er</strong>.<br />
„Ich habe selbst drei Kind<strong>er</strong><br />
und wir singen zu Hause sehr<br />
viel“, <strong>er</strong>zählt Dettling<strong>er</strong>. „Dies<strong>er</strong><br />
Nachmittag war eine sup<strong>er</strong><br />
Gelegenheit mit and<strong>er</strong>en französischsprachigen<br />
Kind<strong>er</strong>n<br />
Musik zu machen.“<br />
Die Französische Woche besteht<br />
aus <strong>den</strong> v<strong>er</strong>schie<strong>den</strong>sten<br />
eigenständigen V<strong>er</strong>anstaltungen.<br />
Aude Dettling<strong>er</strong> wendete<br />
sich mit ihr<strong>er</strong> Idee an die Koordinatoren<br />
und die stellten<br />
<strong>den</strong> Kontakt zum Montpelli<strong>er</strong>haus<br />
in Heidelb<strong>er</strong>g h<strong>er</strong>. Das<br />
Ergebnis <strong>ist</strong> ein voll<strong>er</strong> Erfolg.<br />
Nach dem letzten Lied kommt<br />
ein kleines Mädchen zu Aude<br />
Dettling<strong>er</strong> und sagt: „An Weihnachten<br />
komme ich wied<strong>er</strong><br />
und singe nochmal mit dir!“ –<br />
vielleicht lässt sich die Organisatorin<br />
von dies<strong>er</strong> Idee bege<strong>ist</strong><strong>er</strong>n<br />
und v<strong>er</strong>anstaltet in<br />
d<strong>er</strong> Adventszeit eine Neuauflage<br />
d<strong>er</strong> Sing-Aktion. Nach d<strong>er</strong><br />
KULTUR<br />
Mit Musik und Bild<strong>er</strong>n die Freundschaft zelebri<strong>er</strong>t<br />
Großes Programm für Kind<strong>er</strong> im Rahmen d<strong>er</strong> Französischen Woche<br />
Aude Dettling<strong>er</strong> hatte für das gemeinsame Singen ein ganzes Heft voll<strong>er</strong> Kind<strong>er</strong>lied<strong>er</strong> mitgebracht. Fotos: Klüb<strong>er</strong>t<br />
Pause geht es direkt weit<strong>er</strong>:<br />
Nach Stimme und Ohren sind<br />
nun Hände und Augen dran.<br />
Die Künstl<strong>er</strong>in Kornelia Roth<br />
bringt <strong>den</strong> Kind<strong>er</strong>n Kalligraphie<br />
bei. Mit Nadeln und Tinte<br />
ausg<strong>er</strong>üstet fangen die Kleinen<br />
und Größ<strong>er</strong>en schnell Feu<strong>er</strong>.<br />
Zusammen haben Aude Dettling<strong>er</strong><br />
und Kornelia Roth ein<br />
Kind<strong>er</strong>programm gestaltet, das<br />
allen großen Spaß macht.<br />
Auch Marine Ludin, eine<br />
Heidelb<strong>er</strong>g<strong>er</strong> Illustratorin,<br />
nutzte <strong>den</strong> Rahmen d<strong>er</strong> Französischen<br />
Woche, um ein zaub<strong>er</strong>haftes<br />
Nachmittagsprogramm<br />
anzubieten. Sie stammt gebürtig<br />
aus Frankreich und hat ihr<br />
<strong>er</strong>stes Kind<strong>er</strong>buch v<strong>er</strong>öffentlicht:<br />
Es <strong>ist</strong> die Geschichte d<strong>er</strong><br />
hungrigen Boa.<br />
Eine Schar Kind<strong>er</strong> umringt<br />
Marine Ludin und schaut gebannt<br />
auf die großen Bild<strong>er</strong>,<br />
die an die Wand des Kleinen<br />
Saals d<strong>er</strong> Stadtbüch<strong>er</strong>ei projizi<strong>er</strong>t<br />
w<strong>er</strong><strong>den</strong>. Staunend sehen<br />
sie dabei zu, wie eine Boa auf<br />
ihrem Weg durch ein rosa Märchenland<br />
viele v<strong>er</strong>traute Gestalten<br />
trifft.<br />
„Kennt ihr die?“, fragt die<br />
Autorin, als sich die Boa mit<br />
sieben kleinen Männ<strong>er</strong>n unt<strong>er</strong>hält.<br />
„Die sieben Zw<strong>er</strong>ge!“, rufen<br />
die Kind<strong>er</strong>. „Ab<strong>er</strong> wo <strong>ist</strong><br />
das Schneewittchen?“, will ein<br />
Mädchen wissen. Marine Ludin<br />
lächelt: „Das Schneewittchen<br />
backt g<strong>er</strong>ade einen Apfelkuchen,<br />
deshalb <strong>ist</strong> es nicht auf<br />
dem Bild.“<br />
Die Schlange trifft die drei<br />
kleinen Schweinchen, Hänsel<br />
und Gretel und noch viele and<strong>er</strong>e<br />
Wesen. Dabei wird sie imm<strong>er</strong><br />
dick<strong>er</strong> und dick<strong>er</strong>. Dieses<br />
Rätsel haben die Kind<strong>er</strong> schnell<br />
gelöst: „Die Schlange hat alle<br />
gefressen!“ Und tatsächlich:<br />
Auf dem letzten Bild kann man<br />
d<strong>er</strong> Boa in <strong>den</strong> Bauch gucken.<br />
Dort sitzen die Märchengestalten<br />
und unt<strong>er</strong>halten sich.<br />
Antoine de Saint-Exupérys<br />
b<strong>er</strong>ühmtes Buch „D<strong>er</strong> kleine<br />
Prinz“ hat Marine Ludins Fantasie<br />
ang<strong>er</strong>egt: „Ich finde <strong>den</strong><br />
kleinen Prinzen sehr poetisch.<br />
Als ich eine mit einem Elefanten<br />
gefüllte Boa sah, dachte<br />
ich: Was könnte die Boa noch<br />
in ihrem Bauch haben? Warum<br />
nicht auch Märchenfiguren?“<br />
So wie die Autorin <strong>den</strong><br />
Bauch d<strong>er</strong> Boa neu gefüllt hat,<br />
<strong>so</strong>llen die Kind<strong>er</strong> im anschließen<strong>den</strong><br />
Workshop selbst weit<strong>er</strong><br />
fantasi<strong>er</strong>en. Dazu zeichnet<br />
Marine Ludin die Umrisse d<strong>er</strong><br />
Kind<strong>er</strong> auf große Leinwände.<br />
Nach ein<strong>er</strong> Stunde sind die<br />
Bäuche d<strong>er</strong> Kind<strong>er</strong> prall mit<br />
aufgemalten Träumen gefüllt.