Potsdam 2010 - Gartenstadt Drewitz
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Exkurs Wiederaufbau der Garnisonkirche<br />
Mit dem „Ruf aus <strong>Potsdam</strong>“ wurde im Januar 2004 eine neue<br />
Initiative zum Wiederaufbau der <strong>Potsdam</strong>er Garnisonkirche<br />
gestartet. An diesem politisch umstrittenen, städtebaulich und<br />
architektonisch hoch bedeutenden Bauwerk kulminiert preußische<br />
und deutsche Geschichte in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit.<br />
Der geplante Wiederaufbau soll deshalb kein vorrangig<br />
restauratives Projekt werden, sondern er soll die Auseinandersetzung<br />
mit den Traditionen und gesellschaftlichen Brüchen<br />
in der Geschichte <strong>Potsdam</strong>s und des preußischen Staates<br />
ermöglichen. Das kirchliche Nutzungskonzept sieht für die wieder<br />
zu errichtende Garnisonkirche eine Nutzung als offene Stadt-<br />
und Symbolkirche, sowie die Einrichtung eines internationalen<br />
Versöhnungszentrums vor.<br />
Als Bauwerk bestimmte die Garnisonkirche das Stadtbild<br />
<strong>Potsdam</strong>s entscheidend mit. Ihr Äußeres war Teil des berühmten<br />
„Dreikirchenblicks“. In der Kunstgeschichte gilt sie als Hauptwerk<br />
des preußischen Barock, der aus einer Symbiose von niederländischer<br />
Schlichtheit und französischem Einfluss hervorging.<br />
Im Gegensatz zu seinen Vor- und Nachfahren hat ihr Erbauer,<br />
König Friedrich Wilhelm I., nicht großartige Schlösser, sondern<br />
eine bedeutende Anzahl von Kirchen zur Ehre Gottes erbauen<br />
lassen. Als Simultankirche für Calvinisten und Lutheraner,<br />
als Gotteshaus für eine Militär- und Zivilgemeinde, für Hofbedienstete<br />
und Bürger war sie ein Symbol der religiösen und<br />
staatsbürgerlichen Toleranz, die durch das <strong>Potsdam</strong>er Edikt von<br />
1685 begründet worden war. 1817 war sie sogar Ausgangspunkt<br />
für den Zusammenschluss der beiden evangelischen<br />
Konfessionen zur Evangelischen Kirche der Union, wie sie noch<br />
heute besteht.<br />
Als Ruhestätte des Soldatenkönigs und Friedrichs des Großen<br />
entwickelte sich die Garnisonkirche zu einem viel besuchten Ort.<br />
Im Zuge der Stein-Hardenbergschen Reformen wurde 1809<br />
dort der erste frei gewählte Magistrat von <strong>Potsdam</strong> in sein Amt<br />
eingeführt. Nach der Rückkehr der Regimenter der <strong>Potsdam</strong>er<br />
Garnison aus den Befreiungskriegen gestaltete man die<br />
Garnisonkirche zu einer Erinnerungsstätte. Kein Geringerer,<br />
100<br />
als der bekannte Baumeister Karl Friedrich Schinkel lieferte<br />
den Entwurf für die Anbringung der erbeuteten Fahnen an den<br />
Pfeilern des Kirchenschiffes.<br />
Gegen den Widerstand führender Kirchenvertreter und der<br />
damaligen Kirchenleitung fand in der Kirche am „Tag von<br />
<strong>Potsdam</strong>“, dem 21. März 1933, der Staatsakt zur Eröffnung des<br />
Reichstages statt. Goebbels hatte die Symbolkraft dieser<br />
Ruhestätte Friedrichs des Großen und des Soldatenkönigs<br />
erkannt und den Gegnern des nationalsozialistischen Regimes<br />
suggeriert, an die preußischen Traditionen anknüpfen zu wollen.<br />
Diesem Missbrauch steht gleichermaßen als schwacher Trost<br />
gegenüber, dass viele Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944<br />
Gemeindeglieder der <strong>Potsdam</strong>er Garnisonkirche waren.<br />
Es ist überliefert, dass der letzte Organist und Glöckner die<br />
Lieblingschoräle inhaftierter Regimegegner erschallen ließ,<br />
um ihnen damit Mut zu machen.<br />
Nach dem englischen Luftangriff auf <strong>Potsdam</strong> am späten Abend<br />
des 14. April 1945 brannte die Kirche aus. 1950 wurde im<br />
Erdgeschoss des Turmes die „Heilig-Kreuz-Kapelle“ eingeweiht.<br />
Gemeindeglieder beräumten nach und nach den Schutt und<br />
gingen 1966 an den Wiederaufbau. Als bereits zwei Stahlbetondecken<br />
zur Sicherung des Turmes eingezogen waren, verhängten<br />
die SED-Behörden einen Baustopp. Zwei Jahre darauf,<br />
übrigens zeitgleich mit der Leipziger Universitätskirche, folgte<br />
auf Ulbrichts unmittelbare Anordnung die Sprengung. Dieser Akt<br />
der Zerstörung konnte jedoch die Erinnerung an dieses Hauptwerk<br />
des Preußischen Barock nicht auslöschen.<br />
Ein Originaldetail der Garnisonkirche