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Tennenbacher Urkundenbuch, Bd. I - Cistopedia.org

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gemäß jenem Wort, das man im Buch Hiob liest: „Es gibt niemanden, der aus meiner Hand entrissen werden<br />

könnte, denn wen ich zum ewigen Leben vorbestimmt habe“, also zu größerem Schutz, den Rang verschwieg er,<br />

da er ihn keinem offenbarte, wenn er auch gewissen Leuten eine Vision zeigte, damit er für den Schwachen nicht<br />

Stoff der Überhebung werde. Dies ließ er den heiligen Mann sehen zur Förderung seiner Ehrfurcht.<br />

13. Was soll ich weiter erzählen ? Ein wie strenger Bestrafer der Sünden, er war bei der Abtötung des Fleisches,<br />

dafür zeugen die Anfänge seiner Bekehrung. Denn ganz so wie die Söhne Israels die Jebusiter, d. h. das Fleisch,<br />

das man nicht zerstören konnte, unter Tributzahlungen zu dienen zwang, so umgürtete er – neben häufigem und<br />

hartem Fasten, langdauerenden Nachtwachen und anderen Strafen des Fleisches – mit einer eisernen Kette seine<br />

Lenden, dass das Fleisch, das den Tod verschuldet, unter Schmerzen nichtsdestoweniger die Strafe auf sich<br />

nimmt, um nicht übermütig zu werden. Diese Kette trug er lange Zeit, bis sie von Rost verzehrt von seinem Leib<br />

gelöst wurde, während er zum Gebet dastand und unter Tränen für seine Sünden flehentlich bat. Und siehe, die<br />

alte Schlange besetzte heimlich durch die Spalten seiner Gedanken seinen Geist, während er eitel annahm, seine<br />

Buße habe Gott gefallen und er könne jenen prophetischen Vers singen: Fortgenommen hast du meine Fesseln,<br />

dir will ich darbringen das Opfer des Lobes.“ Denn der gnädige Herr wollte seinen Knecht zurechtweisen und<br />

wollte lieber, dass er am Fleische als am Geist matt werde, bevor er von seinem Platze genommen werde.<br />

Plötzlich kam die Hand des Herrn über ihn, dass er fast bis zum Tode geschwächt wurde und er von den<br />

Händen der Brüder zum Bett getragen wurde und er lernte, dass niemand vor der Gnade sicher sei, bis er den<br />

Ort des bewundernswerten Tempels, ja das Haus Gottes betritt, im Himmel nicht von Händen gemacht, wo<br />

sicher gesagt wird: „Jerusalem, lobpreise den Herrn, lobsinge, o Zion, deinem Gott.“<br />

14. Von jenem Tage nun an bis zu seinem Lebensende, fast 40 Jahre, litt er, abgesehen von der üblichen<br />

Beschwehrlichkeit des Fleisches, fortgesetzt an einer Aufgeblähtheit der Milz so sehr, dass er, stehend oder<br />

sitzend sich zur linken Seite neigte und den Zuschauenden die Heftigkeit des Schmerzes deutlich machte. Aber<br />

mit dem Streiter Gottes ist es, wie es über den seligen Gregor gesungen wird: Er nahm an, dass er geliebt werde,<br />

weil er verdiente, getadelt zu werden; denn der Herr liebt seinen Sohn, den er zurecht weist. Daher wird in der<br />

Apokalypse gesagt: „Die ich liebe, weise ich zurecht und züchtige sie.“ Bei all dem kann ich nicht hinreichend<br />

beschreiben, wie beständig er im demütigen Gebet war, wie beständig im Dienst, wie gütig im brüderlichen<br />

Mitgefühl, wie angenehm im Gespräch, wie geduldig und mild gegen Leute, die ihm Unrecht taten, und wie<br />

freundlich gegen alle; aber allein über seine Enthaltsamkeit kann ich etwas Wunderbares und in unseren Tagen<br />

Unerhörtes für die Leser aufzeigen.<br />

15. Er überlegte nun, wie er einen Weg finden könnte, dass er auf eine gewisse Zeit erlaubter Weise seinen Leib<br />

von Wein freihalte, um seine Seele zu wahren Weisheit, das ist zu Christus, hinzuwenden. Die Zustimmung seines<br />

Abtes könnte er durch kein Bitten erhalten, dass er keinen Wein tränke, und so nicht Kraft seiner Natur<br />

zuzufügen schien, die in Menschen so sehr abnimmt, dass auch reifen Menschen maßvoller Weingenuss<br />

zugestanden wird wegen des Magens und wegen anderer häufiger Schwächen. Der Abt wurde schließlich durch<br />

die Bitten des Greises besiegt, die er nicht kränkend zurückweisen konnte; vor allem weil die schon ermatteten<br />

Glieder den nahen Tod ankündigten, stimmte er seinem Wunsche unter größtem herzlichen Mitgefühl zu. Der<br />

Mann Gottes empfing Kräfte aus der Heiterkeit des Geistes, und da sein Wunsch erfüllt war, unterwarf er seinen<br />

Leib der Strafe, wie die Töchter Babylons, d. h. er zahlte seinem Leib den Lohn, den ihm die Schuld auferlegte,<br />

indem er sich ermutigte und seinen Verstand zur Zustimmung brachte. Er lebte noch fünf Jahre und trank<br />

keinen Wein, es sei denn wenn er das Altarsakrament empfing, wenn auch seine Schwäche viel zu verlangen<br />

schien. Was soll ich über seinen Fleischverzehr sagen ? Von etwa vierzig Jahren an war er so schwach, dass er<br />

gemäß der Regel zur Wiederherstellung der Kräfte Fleisch aß und dies hatte ihm göttliche Gnade gewährt, dass<br />

er durch keinen Befehl der V<strong>org</strong>esetzten gezwungen wurde, dass er sich zum Fleischgenuss bereitfand im<br />

erlaubten Rahmen, wie es allen möglich ist. Er selbst litt keineswegs an dem Fehler der Absonderlichkeit,<br />

sondern besaß die Gnade der Demut in Fülle. Und so wurde er von allen aufs herzlichste, wie er es verdient<br />

hatte, immer verehrt.<br />

16. Den Beginn also seiner Bekehrung gründete der Bruder Hugo in der Furcht Gottes, so dass er ein geistiges<br />

Haus, das Gott würdig war, obendrein erbaute. Denn für die, die sich Gott nähern, ist das erste Geschenk das<br />

des heiligen Geistes, wie der Weise sagt: „Mein Sohn, wenn du dich Gott näherst, um ihm zu dienen, steh in der<br />

Furcht Gottes und bereite deine Seele auf die Versuchung vor.“ Und der Prophet, der den heilsamen Erfolg<br />

dieses Geschenkes sieht, spricht mit glückwünschender Stimme: „Herr, aus der Furcht vor dir haben wir<br />

empfangen und herv<strong>org</strong>ebracht die Hoffnung auf Rettung.“ Und so schreibt über den gerechten Simeon der<br />

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