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Die Programme und Künstler des Orgelfrühlings vorgestellt: - Greetsiel

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<strong>Die</strong> <strong>Programme</strong> <strong>und</strong> <strong>Künstler</strong> <strong>des</strong> <strong>Orgelfrühlings</strong> <strong>vorgestellt</strong>:<br />

Ev.-reformierte Kirche Jennelt – Mittwoch, 2. Mai 2012 – 10.00 Uhr<br />

Kinderkonzert mit dem „Theater der Dämmerung“ (Düsseldorf)<br />

<strong>und</strong> Prof. Torsten Laux (Orgelvorstellung <strong>und</strong> -Improvisation)<br />

Das Theater der Dämmerung hat das Kunstmärchen Däumelinchen <strong>des</strong> dänischen Dichters Hans-Christian<br />

Andersen (1805-1875) als Schattenspiel für Kinder ab 3½ Jahren <strong>und</strong> auch für Erwachsene inszeniert.<br />

Däumelinchen ist kaum größer als ein Daumen <strong>und</strong> so liebreizend, dass viele Typen auf sie fliegen: Der<br />

schleimige Sohn der Kröte, der spießige Maikäfer <strong>und</strong> der reiche Maulwurf. Doch ihr Herz kann sie nur<br />

dem König der Blumen schenken.<br />

Weitere Informationen <strong>und</strong> Fotos finden Sie im Internet unter www.theaterderdaemmerung.de<br />

Theater der Dämmerung - Friedrich Raad - Flößerstraße 32 - 40593 Düsseldorf<br />

Tel. + Fax 0211 / 369 49 45 E-mail: friedrich.raad@t-online.de<br />

Informationen zu den <strong>Künstler</strong>n dieser Veranstaltung<br />

Wir erzählen Däumelinchen weitgehend nach der klassischen Übersetzung von Else Wenz-Vietor <strong>und</strong><br />

spielen die Handlung mit unseren großen beweglichen Scherenschnittfiguren. <strong>Die</strong> alte Kunst der Scherenschnitte<br />

eröffnet der Phantasie gewaltige Räume, sie verzaubert das Publikum <strong>und</strong> ist Balsam für die<br />

Augen <strong>und</strong> für die Seele.<br />

Däumelinchen ist kaum größer als ein Daumen. Aber sie ist so schön <strong>und</strong> liebreizend, dass viele<br />

„Typen, die sich selbst für unwiderstehlich halten,“ auf sie fliegen <strong>und</strong> sie heiraten <strong>und</strong> besitzen wollen:<br />

Der schleimige Sohn der Kröte will sie in sein Reich tief im Morast <strong>und</strong> Schlamm mitnehmen. Der spießige<br />

Maikäfer entführt sie in die Baumwipfel. Und nur weil die anderen Maikäfer sie so hässlich finden,<br />

lässt er von ihr ab. Und der reiche Maulwurf, der das Sonnenlicht <strong>und</strong> den Gesang der Vögel verabscheut,<br />

hält bei der Feldmaus um ihre Hand an. Aber keiner fragt, ob Däumelinchen seine Gefühle auch erwidert;<br />

denn das tut sie überhaupt nicht.<br />

Doch zum Glück ist Däumelinchen mit der Schwalbe befre<strong>und</strong>et. Im tiefen Winter findet das Mädchen<br />

bei der Feldmaus Unterschlupf. Dort rettet sie in den Gängen, welche die Wohnhöhle der Feldmaus mit<br />

den Gemächern <strong>des</strong> Maulwurfs verbinden, der fast erfrorenen Schwalbe das Leben. Im darauffolgenden<br />

Herbst, alles ist für die Hochzeit Däumelinchens mit dem Maulwurf vorbereitet, nimmt die Schwalbe das<br />

Naturkind auf ihrem Flug in die warmen Länder mit. Dort begegnet sie dem jungen König der Blumen.<br />

Und ihm fliegt ihr Herz im Nu zu.


<strong>Die</strong> Vorstellung dauert 50-55 Minuten. Sie ist ein großer Spaß für die Kinder <strong>und</strong> ein zauberhaftes<br />

Vergnügen für die Erwachsenen. Im harmonischen Zusammenwirken von beweglichen <strong>und</strong><br />

oft farbigen Scherenschnittfiguren <strong>und</strong> Bühnenbildern, von gefühlvollen Lichteffekten <strong>und</strong><br />

stimmungsvoller Musik, vom lebendigen Erzählen, das nicht vom Band kommt, sowie von<br />

der gehaltvollen Tiefe <strong>des</strong> weitgehendst im Original belassenen Textes entsteht ein Gesamtkunstwerk,<br />

das Jung & Alt in Bann zu ziehen vermag!<br />

<strong>Künstler</strong>biographie von Friedrich Raad<br />

Ich wurde am 15.06.1962 in Augsburg geboren. Mit 3½ Jahren zog<br />

meiner Mutter mit meinen beiden Schwestern <strong>und</strong> mir nach Stuttgart.<br />

Mein Vater blieb leider in Augsburg zurück. Stuttgart wurde<br />

meine Heimatstadt <strong>und</strong> auch heute, wenn ich auf Besuch komme,<br />

kenne ich mich dort aus <strong>und</strong> fühle mich zu Hause.<br />

In Stuttgart hatte ich dann auch meine erste Begegnung mit dem<br />

Schattentheater. Ich war höchstens 5 Jahre alt, als mich meine Mutter<br />

zu einer Weihnachtsfeier ins CVJM-Heim in Stuttgart-Möhringen<br />

mitnahm. Und da spielte die Grande Dame <strong>des</strong> Schattentheaters<br />

Lotte Reiniger mit Scherenschnittfiguren Das tapfere Schneiderlein <strong>und</strong> andere Märchen. Ich war gebannt<br />

vom Anfang bis zum Ende, ohne die Konsequenzen dieses schicksalhaften Erlebnisses zu erahnen...<br />

Dann kam die Schule, freudvoll <strong>und</strong> leidvoll bis zum bestandenen Abitur, das ich aber nie brauchen<br />

sollte. Am Ende der Schulzeit reifte der Wunsch, Schauspieler zu werden. Und als ich nach meiner Weltreise<br />

von München nach Frankfurt, die ein Jahr <strong>und</strong> einen Tag dauerte <strong>und</strong> mich nach Indien, Thailand,<br />

Australien, Neu-Kaledonien, Neuseeland, den Panama-Kanal (ich arbeitete für die Überfahrt auf einem<br />

Container-Schiff), USA <strong>und</strong> Kanada führte, wieder daheim war, war die Frucht reif.<br />

Ich fand eine Schauspielschule, auf der ich nichts als Mist lernte, die aber zum Glück nach einem Jahr<br />

sang- <strong>und</strong> klanglos einging. Dann folgte 1983 meine Lehrzeit beim Dein Theater in Stuttgart. <strong>Die</strong>ses<br />

freie Theater gründete ich mit <strong>und</strong> blieb dort für neun Jahre. Unter anderem wurde ich an diesem Theater<br />

Märchenerzähler. Ich selbst fühlte mich in meiner Haut, in meiner Rolle, verkleidet mit Pluderhose,<br />

Schnabelschuhen <strong>und</strong> Glitzerjacke, nicht besonders wohl.<br />

Und da fiel mir das Schattentheater wieder ein, welches ich als Kind erlebt hatte. Eine tolle Sache, dachte<br />

ich, hinter einer Leinwand sieht dich niemand <strong>und</strong> du bist bestimmt nicht so verkrampft <strong>und</strong> kannst<br />

unverklemmter sprechen.<br />

Gesagt, getan. 1986 stiefelte ich in die Stuttgarter Stadtbücherei <strong>und</strong> kramte zusammen, was ich an<br />

Scherenschnittliteratur fand <strong>und</strong> bastelte mein erstes Schattentheater. Ein einfacher Rahmen, mit einem<br />

Leintuch bespannt <strong>und</strong> mit einer Bürolampe beleuchtet. Und ich schnitt ‚Vor dem Gesetz‘ von Franz Kafka<br />

aus <strong>und</strong> etwas später das Rotkäppchen (wenn ich mir heute diese winzige Rotkäppchenfigur anschaue,<br />

merke ich, daß mein erstes Rotkäppchen fast keine Lippen hatte, aber den meisten Leuten gefiels irgendwie<br />

trotzdem, schon damals, wirklich), <strong>und</strong> zeigte es Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Kollegen. <strong>Die</strong> waren begeistert. Und<br />

so begann ich mich intensiver mit Schattentheater <strong>und</strong> Scherenschnitten zu beschäftigen. Beim Dein<br />

Theater freilich immer nebenbei. Bis ich dann merkte, daß meine Zeit dort zu Ende ging.<br />

Das war 1993. Der Hut flog mir vom Kopfe, ich wendete mich nicht. Ich ging in die Selbstständigkeit <strong>und</strong><br />

gründete das Theater der Dämmerung. Freilich, aller Anfang ist schwer, aber der zinslose Kredit meiner<br />

Mutter zum Kauf eines Ford Mondeo half mir sehr. Und natürlich meine hochgeschätzten Mitarbeiter.<br />

<strong>Die</strong>jenigen hinter der Leinwand blanc <strong>und</strong> diejenigen hinter den Kulissen, die bald schon Figuren <strong>und</strong>


Bühnenbilder entwerfen durften, mussten, wollten. Meist auch in dieser Reihenfolge. Von Anfang an<br />

konzipierte ich die Aufführungen für 2 Spieler. Nur in der größten Not spiele ich allein.<br />

1998 ging‘s dann nach Düsseldorf. Ein schönes Städtle. Fantastisch die Rheinauen. Im Sommer abends<br />

ein Feuer machen, mit Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Trommeln <strong>und</strong> ein paar Flaschen Wein... Tja, wo hat mich Cupido<br />

da hinverschlagen... Und meine Scherenschnitte <strong>und</strong> mein Erzählen <strong>und</strong> Singen gedeihen <strong>und</strong> blühen.<br />

Menschen sagen mir, sie sind während der Vorstellung vom Verstand in ihr Herz geplumpst.<br />

Katharsis nanntens die alten Griechen. Theater soll den Menschen auf spielerische Art in seinen Gr<strong>und</strong>festen<br />

berühren, auch erschüttern <strong>und</strong> läutern, ihn wieder stimmen auf seinen Kammerton, seinen Herzenston,<br />

ihn erfrischen <strong>und</strong> erinnern an seinen inneren Reichtum, seine königliche Abstammung, an sein<br />

spirituelles Wesen. Und gleichzeitig seine chaotisch-dunkle Seite nicht zu verleugnen, sondern zu integrieren.<br />

Denn dies entscheidet über die Qualität unseres Daseins. Und gerade das Schattentheater kann<br />

den ganzen Menschen erreichen, unseren rationalen Verstand <strong>und</strong> unsere irrationalen Schattenseiten.<br />

Inzwischen haben sich meine künstlerischen Schwerpunkte verlagert. In erster Linie fühle ich mich als<br />

Rezitator, Schauspieler <strong>und</strong> Geschichtenerzähler <strong>und</strong> dann erst als Puppenspieler <strong>und</strong> Scherenschnittkünstler.<br />

War ich in den ersten Jahren penibel darauf bedacht, keine Unschärfen, keine Hände, die aus Versehen<br />

ins Bild langen, zuzulassen, so begrüße <strong>und</strong> genieße ich immer mehr die Unschärfe (ahne ich doch, wie<br />

unscharf ich im realen Leben sehe), das Zufallsprinzip, die Einmaligkeit einer Vorstellung. Freilich auf<br />

einer festen Struktur gegründet. <strong>Die</strong> Inszenierung, der auswendig gelernte Text, die Technik. Und ich erfasse<br />

mehr <strong>und</strong> mehr in meinem Geiste, was ich seit vielen Jahren tue, was eigentlich ein schöpferischer<br />

<strong>und</strong> künstlerischer Akt ist. Und wo der wohltuende Unterschied zwischen einem Film - <strong>und</strong> sei er noch<br />

so gut - <strong>und</strong> gutem Theater liegt: nämlich im Moment, den Zuschauer am eigenen schöpferischen Akt<br />

teilnehmen zu lassen, am eigenen Staunen über das Neue, die Geburt, die im Moment geschieht. Und zu<br />

erleben, wie die Gefühle der Zuschauer mein Spiel verändern- <strong>und</strong> so einen einmaligen manchmal seligmachenden<br />

Theatervormittag, -nachmittag oder -abend schaffen.<br />

Gefragt, ob ich denn nach vielleicht 500 Aschenputtel-Vorstellungen (innerhalb von 25 Jahren) dies Märchen<br />

nicht langsam satt hätte, ging ich in mich. Nein, antwortete ich, überhaupt nicht. Denn dieses Drama,<br />

dieser Kampf von Gut <strong>und</strong> Böse findet täglich in mir statt. Ich kenne die Eitelkeit, die Verfressenheit<br />

<strong>und</strong> Eifersucht der Stiefschwestern, die Grausamkeit <strong>und</strong> die Kaltherzigkeit der Stiefmutter, die Trägheit<br />

<strong>und</strong> Lüsternheit von Aschenputtels Vater. Und ich fühle im Gr<strong>und</strong>e meines Herzens Aschenputtels Fre<strong>und</strong>lichkeit,<br />

Liebe, Unschuld <strong>und</strong> Reinheit.<br />

Ich liebe die Märchen, die Gedichte, die Texte <strong>und</strong> Lieder meiner Aufführungen. Und das spüren die Menschen,<br />

dem können sich immer weniger entziehen. Längst benutze ich das Schattentheater nicht mehr,<br />

um mich vor den Menschen zu verstecken, sondern um mich zu offenbaren <strong>und</strong> um die Menschen zu<br />

berühren <strong>und</strong> aufzuweichen, ganz zart <strong>und</strong> unaufdringlich.<br />

Düsseldorf, im Januar 2012


Prof. Torsten Laux, künstlerischer Leiter <strong>des</strong> Krummhörner <strong>Orgelfrühlings</strong> 2012<br />

Geboren 1965 in Worms/Rhein; studierte an der Musikhochschule in Frankfurt/<br />

Main Kirchenmusik bis zur A-Prüfung 1989 <strong>und</strong> Orgel (<strong>Künstler</strong>ische Ausbildung<br />

bei Prof. Edgar Krapp) bis zum Konzertexamen 1992. 1994 bis 1996 folgten weitere<br />

Studien bei Prof. Daniel Roth (Paris) <strong>und</strong> Prof. Bernhard Haas (Stuttgart) an<br />

der Musikhochschule Saarbrücken.<br />

Torsten Laux ist Preisträger renommierter internationaler Orgelwettbewerbe, in<br />

Biarritz (Frankreich) gewann er alle drei Preise im Fach Improvisation<br />

(„Prix André Marchal“, Sonderpreis <strong>und</strong> Publikumspreis).<br />

Von 1995 bis 1999 war Torsten Laux Kantor <strong>und</strong> Organist der Ev. Dankeskirche Bad Nauheim, seit 1999<br />

ist er Professor für Orgel (<strong>Künstler</strong>isches Orgelspiel <strong>und</strong> Improvisation) an der Robert-Schumann-Hochschule<br />

Düsseldorf, seit 1993 ist er außerdem Dozent für Orgelimprovisation an der Hochschule für Kirchenmusik<br />

Bayreuth.<br />

Torsten Laux hat zahlreiche Aufnahmen für Compact Discs, für R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> Fernsehen eingespielt.<br />

Konzertreisen führten ihn nach Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Belgien, Dänemark, Schweden,<br />

Finnland, Italien, Polen, Ungarn, Rumänien, USA <strong>und</strong> China. Im In- <strong>und</strong> Ausland gibt er Orgelkurse für<br />

Improvisation <strong>und</strong> Interpretation <strong>und</strong> ist als Juror bei internationalen Orgelwettbewerben gefragt.<br />

Außerdem war er Juror in den Kompositionswettbewerben <strong>des</strong> Internationalen Düsseldorfer Orgelfestivals<br />

(2008 <strong>und</strong> 2009) <strong>und</strong> im Kompositionswettbewerb „Aristide Cavaillé-Coll“ (2011, zum 200. Geburtsjahr).<br />

2011 hat Torsten Laux im Siegburger Kompositionswettbewerb der Engelbert-Humperdinck-Gesellschaft<br />

einen 1. Preis gewonnen.<br />

Gemeinsam mit Herbert H. Ludwig <strong>und</strong> Andreas Petersen gründete Torsten Laux 2006 das Internationale<br />

Düsseldorfer Orgelfestival <strong>und</strong> ist seitdem künstlerischer Leiter <strong>des</strong> Festivals (seit 2011 außerdem Manager).<br />

2012 findet der Krummhörner Orgelfrühling (das Festival historischer Orgeln in Norddeutschland, mit<br />

Jubiläum der ältesten spielbaren Orgel in Nordeuropa) erstmals unter seiner künstlerischen Leitung statt.


Ev.-reformierte Kirche Uttum – Mittwoch, 2. Mai 2012 – 18.00 Uhr<br />

Eröffnungskonzert mit Prof. Dr. h. c. Harald Vogel<br />

Programm: „Sweelinck <strong>und</strong> die altniederländische Orgelkunst“<br />

01 Toccata ex d (d1) Jan Pieterszoon Sweelinck<br />

SwWV 285 (1562-1621)<br />

02 Psalm 116 Claude Goudimel<br />

Tenorsatz (1520-1572)<br />

03 Psalm 116 Jan Pieterszoon Sweelinck<br />

4 Verse SwWV 313<br />

Aus dem Clavierbuch der Susanne van Soldt (Antwerpen): anonym (nach 1570)<br />

04 Brabanschen ronden dans<br />

05 Almande <strong>und</strong> La reprysse<br />

06 Susanna Vung Jour (Intabulierung nach Orlando di Lasso)<br />

07 Psalm 42 Claude Goudimel<br />

Tenorsatz<br />

08 Psalm 42 Hendrick Speuy<br />

Bicinium (De Psalmen Davids, 1610) (1575-1625)<br />

09 Fantasia auf die manier eines Echo ex a (a3) Jan Pieterszoon Sweelinck<br />

SwWV 275<br />

10 Toccata à 4 Voc. ex a (a3) Jan Pieterszoon Sweelinck<br />

SwWV 298<br />

11 Fantasia à 4 (a1) - phrygisch / b-a-c-h Jan Pieterszoon Sweelinck<br />

SwWV 273<br />

12 Von der Fortuna werd ich getrieben Jan Pieterszoon Sweelinck<br />

(Engelse Fortuijn)<br />

3 Variationen SwWV 320<br />

13 Toccata ex g (g4) Jan Pieterszoon Sweelinck<br />

SwWV 295


<strong>Programme</strong>inführung<br />

Jan Pieterszoon Sweelinck wurde 1562, vor genau 450 Jahren, in eine Organistenfamilie hineingeboren.<br />

Im selben Jahr übersiedelte sein Vater von Deventer nach Amsterdam, um dort den Organistenposten in<br />

der Oude Kerk zu übernehmen, den Jan Pieterszoon später über 40 Jahre bis zu seinem Tode 1621 innehatte.<br />

Dort standen ihm <strong>und</strong> später seinem Sohn zwei repräsentative Orgelinstrumente zur Verfügung, die von<br />

Hendrik Niehoff, dem bedeutendsten Meister der altniederländischen Orgelkunst, zusammen mit Hans van<br />

Cavelen (große Orgel 1540-42) <strong>und</strong> Jasper Johansen (kleine Orgel 1544-45) gebaut wurden. Niehoff war<br />

eine dominierende Figur <strong>des</strong> niederländischen Orgelbaus in der vorreformatorischen Zeit <strong>und</strong> hinterließ<br />

Instrumente von höchster klanglicher <strong>und</strong> visueller Eleganz mit einem konstruktiven Konzept, das eine<br />

differenzierte Anschlagskultur in einem monumentalen Rahmen zuließ.<br />

Sweelinck verbrachte fast sein ganzes Leben in der „machtighe en over all de werelt bekende Coop-stadt<br />

Amsterdam“ <strong>und</strong> wurde der Begründer einer Schule <strong>des</strong> Orgelspiels, die bis in die Zeit <strong>des</strong> jungen Bach in<br />

Norddeutschland wirksam blieb. Johann Mattheson zeichnete noch in seiner 1740 erschienenen Gr<strong>und</strong>lage<br />

einer Ehrenpforte ein sehr lebendiges Bild Sweelincks als Organist, Orgellehrer <strong>und</strong> Komponist.<br />

Sweelinck lebte in einer Zeit <strong>des</strong> kirchlichen Umbruchs, als die Reformation sich in den Niederlanden<br />

durchsetzte. <strong>Die</strong> reiche niederländische Orgelkunst war im späten 16. Jahrh<strong>und</strong>ert allerdings durch die<br />

ablehnende Haltung der jungen calvinistischen Kirche gefährdet. Auf der Dordrechter Synode von 1574<br />

wurde der Gebrauch der Orgeln im Gottesdienst untersagt, so dass Sweelinck vor <strong>und</strong> nach den Gottesdiensten<br />

<strong>und</strong> zu bestimmten Nachmittagsst<strong>und</strong>en in der Woche spielte - entsprechend einer Tradition,<br />

die sich bereits in der ersten Hälfte <strong>des</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>erts herausgebildet hatte <strong>und</strong> den Rahmen für die<br />

hochentwickelte niederländische Improvisationskunst bildete. <strong>Die</strong> Organisten der Oude Kerk waren bereits<br />

vor der Reformation städtische Angestellte <strong>und</strong> die Orgeln befanden sich in städtischem Besitz. So blieb<br />

die Existenzgr<strong>und</strong>lage Sweelincks bis zu seinem Lebensende bestehen.<br />

Sweelincks Orgelstil konnte sich unabhängig von liturgischen Rahmenbedingungen entwickeln <strong>und</strong> so ein<br />

Maß von musikalischer Autonomie gewinnen, die im Bereich der Orgelmusik vorher nicht möglich war.<br />

Durch den Umfang seiner Kompositionen, die Proportionierung von Kontrapunkt <strong>und</strong> Figuration sowie die<br />

formale Durchgestaltung setzte Sweelinck neue Maßstäbe in der instrumentalen Polyphonie.<br />

<strong>Die</strong> größte Bekanntheit erlangte Sweelinck als Orgellehrer. Viele Schüler kamen aus den norddeutschen<br />

Hansestädten, wo er als „Organistenmacher“ bezeichnet wurde <strong>und</strong> wo ein Abschlusszeugnis Sweelincks<br />

die beste Empfehlung für die Übernahme einer bedeutenden Organistenstelle war. <strong>Die</strong> Liste seiner Schüler<br />

enthält so bedeutende Namen wie Samuel Scheidt (Halle), Jacob Praetorius, Heinrich Scheidemann<br />

(beide Hamburg), Paul Siefert (Danzig), Melchior Schildt (Kopenhagen <strong>und</strong> Hannover) oder Andreas<br />

Düben (Stockholm). <strong>Die</strong> deutschen Schüler veranlassten ihren Lehrer, sich auch mit den Melodien Luthers<br />

<strong>und</strong> seines Umkreises auseinanderzusetzen.<br />

<strong>Die</strong> Verbindung der virtuosen Spielmanieren der englischen Virginalisten mit der Balance <strong>und</strong> Eleganz<br />

<strong>des</strong> niederländischen Kontrapunkts, die Sweelinck in so genialer Weise vollzog, wurde durch die Berührung<br />

mit der streng liturgischen Organistenpraxis Norddeutschlands um ein weiteres Element bereichert:<br />

die Disziplin der liturgisch geb<strong>und</strong>enen Orgelverse. Sweelinck erscheint uns als ein universaler Musiker,<br />

der die wichtigsten Tendenzen der Orgelmusik seiner Zeit am Ende der Epoche <strong>des</strong> musikalischen Renaissancestils<br />

vereint, vergleichbar mit Johann Sebastian Bach, der 100 Jahre später eine ähnliche Rolle<br />

spielte. Beide hinterließen eine Schule, die über mehrere Generationen weiterwirkte.<br />

Durch die Verbannung <strong>des</strong> Orgelspiels aus dem Gottesdienst (1574) entwickelte sich in den Niederlanden<br />

verstärkt eine häusliche Pflege <strong>des</strong> Musizierens, wobei die Psalmen- <strong>und</strong> Volkslied-Melodien eine domi-


nierende Rolle spielten. Ein besonders schönes Beispiel der häuslichen Tastenkunst ist das Clavierbuch<br />

der Susanne van Soldt, das im British Museum in London aufbewahrt wird (veröffentlicht als Band III der<br />

„Monumenta Musica Neerlandica“). Es wurde in den 70er Jahren <strong>des</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>erts in Antwerpen für<br />

eine begüterte Patrizierstochter begonnen <strong>und</strong> 1599, nach der Übersiedlung der Familie nach England,<br />

durch einige Eintragungen ergänzt.<br />

Von großer entwicklungsgeschichtlicher Bedeutung sind die Psalmsätze zu den Genfer Melodien von Claude<br />

Goudimel, die 1565 vollständig im Druck erschienen. Auch Sweelinck hat die Psalmsätze Goudimels<br />

sehr hoch eingeschätzt: „...dass er keinen geeigneteren Autoren <strong>und</strong> besseren Stil nach dem Erfordernis<br />

der Sache wüsste, noch ihm bekannt ist...“ („...dat hy gheen bequameren Autheur noch beter stijl naer<br />

vereysch der saeke en soude weten, nochte hem oock bekent en is...“), wie Petrus Dathenus in seiner<br />

Ausgabe der Psalmen von 1620 schrieb.<br />

<strong>Die</strong> Spanne der Entwicklung von der Übertragungs- <strong>und</strong> Kolorierungstechnik der Organisten <strong>des</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

zur Fülle der kompositorischen Einfälle <strong>und</strong> dem Ebenmaß <strong>des</strong> Stimmengefüges bei Sweelinck<br />

kann man im Vergleich der Intabulierung <strong>des</strong> berühmten Madrigals „Susanna un jour“ von Orlando di Lasso<br />

mit der großen Fantasia ex a (phrygisch) <strong>des</strong> Amsterdamer Meisters nachvollziehen. In dieser Fantasia<br />

erscheint übrigens zum ersten Mal in der Musikgeschichte an exponierter Stelle im Thema die Tonfolge<br />

b-a-c-h.<br />

Harald Vogel


Vita <strong>des</strong> <strong>Künstler</strong>s<br />

Prof. Dr. h. c. Harald Vogel gilt als eine führende Autorität auf dem Gebiet der<br />

norddeutschen Orgelmusik. Er gründete 1972 die Norddeutsche Orgelakademie<br />

mit dem Ziel, die alte Spielweise auf originalen Orgeln zu vermitteln.<br />

Seit 1978 arbeitete die Norddeutsche Orgelakademie im Steinhaus B<strong>und</strong>erhee<br />

<strong>und</strong> seit 1985 im Steinhaus Uttum, das für diesen Zweck von der Ostfriesischen<br />

Landschaft restauriert <strong>und</strong> vor dem Verfall gerettet wurde.<br />

Er hat in aller Welt konzertiert <strong>und</strong> an zahlreichen Instituten gelehrt, wodurch<br />

viele Organisten <strong>und</strong> Orgellehrer in ihrer Spielweise beeinflußt wurden. Seit 1994<br />

lehrte er als Professor an der Hochschule für Künste Bremen.<br />

Harald Vogel trug in seiner Tätigkeit als Lan<strong>des</strong>kirchenmusikdirektor der Ev.-reformierten Kirche bis 2006<br />

die Verantwortung für einen großen Teil der historischen Orgeln in Nordwestdeutschland. Als Orgelsachverständiger<br />

hat er viele Restaurierungs- <strong>und</strong> Neubauprojekte in aller Welt betreut. Dazu gehört u. a. die<br />

Orgel mit einer Doppelstimmung (17 Töne pro Oktave) in der Memorial Church der Stanford University<br />

(California/USA).<br />

1981 gründete er das Dollart-Festival, das erste grenzüberschreitende Orgel-Festival in Europa, <strong>und</strong> 1997<br />

das Organeum in Weener als Zentrum der Orgelkultur in Ostfriesland.<br />

Unter seinen vielen Einspielungen besitzen die Aufnahmen historischer Instrumente für Radio Bremen<br />

aus den Jahren 1961 bis 1975 <strong>und</strong> die Gesamtaufnahme der Orgelwerke Buxtehu<strong>des</strong> ab 1987 bereits<br />

einen wichtigen dokumentarischen Wert. 1984 erschien eine Einspielung der Orgel in Uttum (als LP) mit<br />

Werken Sweelinck <strong>und</strong> seinen Zeitgenossen. 2011 wurde die erste Folge einer Gesamteinspielung der<br />

Orgelwerke von Sweelinck, gespielt auf der Schwalbennest-Orgel in St. Marien zu Lemgo, von der Musikproduktion<br />

Dabringhaus <strong>und</strong> Grimm herausgebracht (MDG 914 1690-6).<br />

Als Autor hat er die gr<strong>und</strong>legenden Publikationen zu den „Orgeln in Niedersachsen“ <strong>und</strong> zur „Orgellandschaft<br />

Ostfriesland“ vorgelegt. Als Herausgeber hat er die Neuausgaben der „Tabulatura nova“ von<br />

Samuel Scheidt, der Clavierwerke von Jan Pieterszoon Sweelinck <strong>und</strong> der Orgelwerke von Nicolaus Bruhns<br />

sowie Vincent Lübeck (Edition Breitkopf) als „praktische Quelleneditionen“ herausgegeben. Als Faksimile-Ausgabe<br />

hat Harald Vogel die umfangreichste Klavierschule in deutscher Sprache vorgelegt, die 1765<br />

<strong>und</strong> 1775 unter dem Titel „Der sich selbst informirende Clavierspieler“ von Michael J. Friedrich Wiedeburg<br />

aus Norden (Ostfriesland) publiziert wurde. Weiterhin ist er zusammen mit Cornelius H. Edskes (Groningen)<br />

Autor von „Arp Schnitger <strong>und</strong> sein Werk“ (Bremen 2009).<br />

<strong>Die</strong> Technische Universität in Luleå (Schweden) verlieh Harald Vogel 2008 den Ehrendoktortitel als Anerkennung<br />

für seine Tätigkeit als Sachverständiger beim Projekt der Restaurierung <strong>und</strong> Rekonstruktion der<br />

Orgel aus dem 17. Jahrh<strong>und</strong>ert in der Deutschen Kirche in der Altstadt von Stockholm.


Ev.-reformierte Kirche Groothusen – Donnerstag, 3. Mai 2012 – 20 Uhr<br />

Orgelkonzert Andreas Liebig: „Sollt ich meinem Gott nicht singen“<br />

Juan Cabanilles Tiento XXIII por A la mi re<br />

(1644 – 1712)<br />

Jan Pieterszoon Sweelinck Fantasia in a (B-A-C-H)<br />

(1562 – 1621)<br />

Juan Cabanilles Tiento partido de dos tiples de 2° tono<br />

Wilhelm Friedemann Bach Fantasia d-moll (Falck 19)<br />

(1710 – 1784)<br />

Carl Philipp Emmanuel Bach Orgelsonate No. 6 g-moll W. 70, 6<br />

(1714 – 1788) Allegro moderato – Adagio – Allegro<br />

Ernst Pepping Sollt ich meinem Gott nicht singen<br />

(1901 – 1981) (aus: Kleines Orgelbuch 1940)<br />

Gemeindechoral EG 325 Sollt ich meinem Gott nicht singen<br />

Versus 1, 4, <strong>und</strong> 10<br />

Johann Sebastian Bach Wenn wir in höchsten Nöthen seyn à 2 Clav. & Ped.<br />

(1685 – 1750) BWV 641 aus dem Orgelbüchlein<br />

Toccata, Adagio et Fuga C-dur BWV 564<br />

An der Wenthin-Orgel von 1801: Andreas Liebig (Winterthur)<br />

Programmkommentar<br />

Das Programm an der „Weißen Königin der Krummhörn“, wie die Groothuser ihre Wenthin-Orgel liebevoll<br />

nennen, huldigt in seinem ersten Teil den Jubilaren Sweelinck <strong>und</strong> Cabanilles <strong>und</strong> beginnt zugleich mit<br />

den „königlichen“ Trompetenfanfaren in <strong>des</strong>sen Tiento por A la mi re, während sein Tiento de 2° tono<br />

zwei Solostimmen auf dem Cornett <strong>des</strong> Bovenwerks über einem kontrapunktisch gearbeiteten Begleitsatz<br />

der Gr<strong>und</strong>stimmen <strong>des</strong> Hauptwerks führt. Den Geist erhabener Vokalpolyphonie mit den Errungenschaften<br />

<strong>des</strong> virtuosen englischen Virginalstils in seinen großangelegten dreiteiligen Fantasien auf meisterhafte<br />

Weise miteinander verschmolzen zu haben, ist das Verdienst <strong>des</strong> „Orpheus von Amsterdam“, Jan Pieterszoon<br />

Sweelinck. Als „Organistenmacher“ hatte er weitreichenden Einfluß gerade auch auf seine deutschen<br />

Schüler.<br />

Zu den bedeutendsten Schülern Johann Sebastian Bachs zählen seine beiden ältesten Söhne Wilhelm<br />

Friedemann <strong>und</strong> Carl Philipp Emmanuel, die den Clavierstil ihrer Zeit in ihren Fantasien <strong>und</strong> Sonaten entscheidend<br />

weiterentwickelt haben. Beide wirkten ebenso wie Ernst Pepping, der als einer der wichtigsten<br />

Erneuerer der evangelischen Kirchenmusik gilt, in Berlin. Dessen Choralbearbeitungen – hier aus dem<br />

Kleinen Orgelbuch – zeichnen sich auf der Basis einer behutsam erweiterten Tonalität durch rhythmische<br />

Lebendigkeit <strong>und</strong> farbigen Klangsinn aus.


„Durch die Welt zur Himmelspfort“ heißt es in Paul Gerhardts Loblied „Sollt ich meinem Gott nicht<br />

singen“. In dieser Perspektive sind Johann Sebastian Bachs Orgelwerke vielen Organisten das Zentrum<br />

ihrer künstlerischen Arbeit, sei es in den meisterhaften Miniaturen <strong>des</strong> Orgelbüchleins, sei es in seinen<br />

großangelegten Präludien, Toccaten <strong>und</strong> Fugen. Nicht umsonst signierte der Thomaskantor viele seiner<br />

bedeutenden Werke mit SDG – Soli Deo Gloria. Toccata, Adagio <strong>und</strong> Fuge C-dur BWV 564 ist von italienischen<br />

Einflüssen geprägt: in der für das seinerzeit moderne Concerto typischen Dreisätzigkeit. Der<br />

Kopfsatz verknüpft das dialogische Prinzip eines Concertosatzes mit virtuosem Manual- <strong>und</strong> Pedallaufwerk,<br />

wie wir es in norddeutschen Toccaten <strong>des</strong> Stylus phantasticus finden. <strong>Die</strong> w<strong>und</strong>erbar ausschwingende<br />

Solocantilene <strong>des</strong> Binnensatzes mündet in einen dissonanzreichen, an italienische Elevationstoccaten<br />

gemahnenden durezze-e-ligature-Schluß. Das fanfarenartige Thema der abschließenden Fuga bestimmt<br />

den Charakter <strong>des</strong> fröhlichen Kehraus – gleich einer übermütigen Giga, die – „ex abruptio“ – plötzlich<br />

abbricht.<br />

Wie sang doch Paul Gerhardt: „Alles Ding hat seine Zeit …“<br />

© Andreas Liebig 2012<br />

Vita <strong>des</strong> <strong>Künstler</strong>s<br />

Andreas Liebig (1962) Studium der Kirchenmusik in Herford <strong>und</strong> von 1983–1989 in Stuttgart Orgel,<br />

Klavier <strong>und</strong> Musiktheorie u.a. bei L. Lohmann, A. F. Faiss u. H. Lachenmann, in Paris, Wien (Stipendium<br />

<strong>des</strong> DAAD), Lübeck, Freiburg u. Mainz bei D. Roth, H. u. M. Haselböck, Zs. Szathmáry u. S. Celibidache.<br />

1988 1. Preis bei den intern. Orgelwettbewerben in Dublin u. Odense. Lehraufträge an den Musikhochschulen<br />

in Lübeck u. Oslo. Kantor <strong>und</strong> Organist in Dänemark <strong>und</strong> Norwegen. Leitung erfolgreicher Festivals,<br />

u.a. Ostwestfälische Orgeltage, Brahms-Festival Lübeck, Krummhörner Orgelfrühling <strong>und</strong> „Nachtorgel<br />

Dornum“.<br />

Kompositionen für Klavier, Orgel, Kammerensemble <strong>und</strong> Stimmen. Rege Konzerttätigkeit, CD, Radio- <strong>und</strong><br />

TV-Aufnahmen sowie Meisterkurse in Europa, in Asien <strong>und</strong> den USA mit umfangreichem Repertoire vom<br />

Robertsbridge Codex bis zur Avantgarde. Vielbeachtete Bach-Aufnahmen an den hist. Orgeln in Groningen,<br />

Trondheim, Oelinghausen <strong>und</strong> Dornum. Jury-Mitglied intern. Wettbewerbe. www.andreasliebig.org


Ev.-ref. Kirche Rysum - Freitag, 4. Mai - 17.00 Uhr<br />

Programm Orgelkonzert mit Wolfgang Zerer<br />

Jan Pieterszoon Sweelinck: „Allein Gott in der Höh sey Ehr“ (SwWV 299)<br />

(1562 – 1621)<br />

Henderick Speuy: „Vader ons in Hemelrijck“<br />

(ca.1575 – 1625)<br />

Samuel Scheidt: Cantio sacra „Vater unser im Himmelreich“<br />

(1587 - 1654) (SSWV 104)<br />

Susanne van Soldt Manuscript: „Brabanschen ronden dans ofte Brand“<br />

(1599)<br />

Hans Kotter: Praeambulum<br />

(ca. 1485 - 1541)<br />

Camphuysen Manuscript: „Moet m´in alles sich verzaken“<br />

(17. Jh.)<br />

Jan Pieterszoon Sweelinck: „Esce mars“ (SwWV 321)<br />

(1562 – 1621)<br />

Girolamo Frescobaldi: Capriccio sopra ut, re, mi, fa, sol, la<br />

(1583 - 1643)<br />

Peter Philips: Pauana doloroso<br />

(1560/61 – 1628) (aus dem „Fitzwilliam Virginal Book“)<br />

Jan Pieterszoon Sweelinck: Fantasia Ut re mi fa sol la (SwWV 263)<br />

(1562 - 1621)<br />

-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-<br />

Kommentar zum Konzert<br />

Jan Pieterszoon Sweelinck, <strong>des</strong>sen 450. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, zählt zu den<br />

bedeutendsten Musikern um 1600, einer Zeit im Übergang von der Spätrenaissance zum<br />

Frühbarock. Er hinterließ der Nachwelt ein umfangreiches Oeuvre an Vokal- <strong>und</strong> Clavier-<br />

Kompositionen, das insbesondere durch seinen großen Schülerkreis weite Verbreitung<br />

fand. Sein Einfluss auf den norddeutschen Orgelstil war enorm.<br />

Ev.-ref. Kirche in Pilsum am Fr., 4. Mai, um 20.00 Uhr


Das Programm <strong>des</strong> heutigen Abends erlaubt einen kleinen Einblick in Sweelincks Claviermusik<br />

mit einigen repräsentativen Werken: geistliche <strong>und</strong> weltliche Variationswerke.<br />

(„Allein Gott in der Höh sey Ehr“, bzw. „Esce mars“) sowie seine umfangreiche Fantasia<br />

über „Ut re mi fa sol la“. Stilprägende Einflüsse auf Sweelincks Werk kommen durch die<br />

englische Virginalmusik, möglicherweise auch durch die ital. Claviermusik. Peter Philips<br />

(im „nahen“ Brüssel tätig) <strong>und</strong> Girolamo Frescobaldi (im „fernen“ Rom wirkend) spiegeln<br />

diese beiden Stilbereiche wieder.<br />

Mit Samuel Scheidt ist einer der prominentesten Schüler Sweelincks vertreten, <strong>des</strong>sen<br />

„Tabulatura nova“ kurz nach Sweelincks Tod erschien. <strong>Die</strong> Vielfalt in den einzelnen Versen<br />

seiner Cantio sacra über „Vater unser im Himmelreich“ zeigt zahlreiche stilistische Parallelen<br />

zu Sweelincks Choral- <strong>und</strong> Psalm-Variationen.<br />

Einen kleinen Einblick in Sweelincks Umfeld bieten die Werke niederländischer Komponisten<br />

wie H. Speuy, bzw. aus dem Susanne van Soldt Manuscript <strong>und</strong> dem Camphuysen<br />

Manuscript. Das kurze Praeambulum von Hans Kotter ist etwa zeitgleich zur herrlichen<br />

Orgel in Rysum entstanden, die hervorragend zur Darstellung dieser Werke von ca. 1500 –<br />

1650 geeignet ist.<br />

Der <strong>Künstler</strong>:<br />

Wolfgang Zerer, geboren 1961 in Passau, erhielt seinen ersten Orgelunterricht<br />

vom Passauer Domorganisten Walther Schuster.<br />

Ab 1980 studierte er in Wien (Orgel bei Michael Radulescu, Cembalo bei<br />

Gordon Murray, Dirigieren bei Karl Österreicher <strong>und</strong> Kirchenmusik).<br />

Weitere Studien führten ihn nach Amsterdam (Cembalo bei Ton Koopman)<br />

<strong>und</strong> nach Stuttgart (Kirchenmusik / Orgel bei Ludger Lohmann).<br />

Er war Preisträger verschiedener Orgelwettbewerbe<br />

(u.a. in Brügge <strong>und</strong> Innsbruck).<br />

Nach Lehraufträgen in Stuttgart <strong>und</strong> Wien erhielt er 1989 eine Professur<br />

für Orgel an der Hochschule für Musik <strong>und</strong> Theater Hamburg.<br />

Seit 1995 ist er als Gastdozent am Conservatorium Groningen / Niederlande<br />

tätig, seit Oktober 2006 ist er Dozent für Orgel an der Schola Cantorum in Basel / Schweiz.<br />

Konzerte, Kurse, Jurytätigkeit <strong>und</strong> Aufnahmen führten ihn in die meisten Länder Europas, nach Israel,<br />

Nord- <strong>und</strong> Südamerika, Japan <strong>und</strong> Südkorea.


Ev.-ref. Kirche Pilsum - Freitag, 4. Mai 2012 - 20.00 Uhr<br />

saxophone & percussion meet organ<br />

Uwe Steinmetz & Boris Becker feat Torsten Laux<br />

PLAY MARTIN LUTHER<br />

Kompositionen von Torsten Laux (Psalmen nach Bibeltexten in der Übersetzung von Martin Luther) <strong>und</strong><br />

Improvisationen über Lieder von Martin Luther mit Uwe Steinmetz (Saxophon), Boris Becker (Percussion)<br />

<strong>und</strong> Torsten Laux (Orgel) zum Musikjahr in der Reformationsdekade 2017<br />

Programm:<br />

„Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist“ (Improvisation über Text <strong>und</strong> Melodie von Martin Luther, nach dem<br />

Hymnus „Veni creator spiritus“, EG 126)<br />

Torsten Laux:<br />

Psalm 1 „Der Weg <strong>des</strong> Frommen, der Weg <strong>des</strong> Gottlosen“<br />

(Übersetzung von Martin Luther)<br />

Torsten Laux:<br />

Psalm 2 „Warum toben die Heiden“<br />

(Übersetzung von Martin Luther)<br />

Torsten Laux:<br />

Psalm 4 „Ein Abendgebet“<br />

(Übersetzung von Martin Luther)<br />

Torsten Laux:<br />

Psalm 5 „Gebet um Leitung <strong>und</strong> Bewahrung“<br />

(Übersetzung von Martin Luther)<br />

„Ach Gott, vom Himmel sieh darein“<br />

(Improvisation über Text <strong>und</strong> Melodie von Martin Luther, nach Psalm 12, EG 273)<br />

Torsten Laux:<br />

Psalm 23 „Der gute Hirte“<br />

(Übersetzung von Martin Luther)<br />

Torsten Laux:<br />

Psalm 30 „Dank für Rettung aus To<strong>des</strong>not“<br />

(Übersetzung von Martin Luther)<br />

„Ein feste Burg ist unser Gott“<br />

(Improvisation über Text <strong>und</strong> Melodie von Martin Luther, nach Psalm 46, EG 362)<br />

„Ach Gott, vom Himmel sieh darein“<br />

(Improvisation über Text <strong>und</strong> Melodie von Martin Luther, nach Psalm 67, EG 280)


Torsten Laux:<br />

Psalm 103 „Das Hohelied der Barmherzigkeit Gottes“<br />

(Übersetzung von Martin Luther)<br />

Torsten Laux:<br />

Psalm 130 „Aus tiefer Not“<br />

(Übersetzung von Martin Luther, mit Verwendung der Melodie von Martin Luther, EG 299)<br />

Torsten Laux:<br />

Psalm 137 „Klage der Gefangenen zu Babel“<br />

(Übersetzung von Martin Luther)<br />

„Verleih uns Frieden gnädiglich“<br />

(Improvisation über Text <strong>und</strong> Melodie von Martin Luther, nach der Antiphon „Da nobis pacem“, EG 421)<br />

Torsten Laux:<br />

Psalm 100 „Ein Aufruf zum Lobe Gottes“<br />

(Übersetzung von Martin Luther)<br />

„Nun freut euch, lieben Christen g’mein“<br />

(Improvisation über Text <strong>und</strong> Melodie von Martin Luther, EG 341)<br />

<strong>Die</strong> beteiligten <strong>Künstler</strong><br />

Der Percussionist <strong>und</strong> Schlagzeuger Boris Becker wurde 1963 in<br />

Rheinhausen geboren. Vielseitigkeit, Kreativität <strong>und</strong> motivierende<br />

Spielfreude zeichnen ihn ebenso aus wie sein ausgeprägtes Gespür<br />

für klanglich-musikalische Zusammenhänge. Als Live- <strong>und</strong> Studiomusiker<br />

spielte er unter anderem mit Peter Horton, Pat Garcia,<br />

Brother Act <strong>und</strong> Werner Hoffmann. In dem Booklet zur CD von<br />

Peter Horton schreibt dieser: „... seine Namensgleichheit mit dem<br />

Weltstar <strong>des</strong> Tennis ist zufällig, nicht aber seine manuelle Virtuosität,<br />

die ihn in gewissem Sinne mit diesem verbindet.“<br />

Tourneen im In- <strong>und</strong> Ausland (Finnland, Schweiz, Österreich, Niederlande) <strong>und</strong> Konzerte bei internationalen<br />

Festivals (u.a. beim New Jazz Festival in Moers <strong>und</strong> dem Christian Artist Festival in De Bron)<br />

zählen zu seinen musikalischen Stationen.<br />

Viele Jahre unterrichtet er erfolgreich als Dozent an der Volkshochschule Düsseldorf den Bereich „Rhythmik<br />

<strong>und</strong> Percussion“. Schwerpunkt seiner musikalischen Aktivität ist sein Engagement für künstlerische<br />

Projekte im Bereich <strong>des</strong> interkulturellen <strong>und</strong> interreligiösen Dialogs.<br />

Neben seiner musikalischen Profession arbeitet er als Musiktherapeut <strong>und</strong> hat sich durch Forschung, Vorträge<br />

<strong>und</strong> Workshops im musiktherapeutischen Bereich einen Namen gemacht. Zu seinen Publikationen<br />

zählt unter anderem ein Buch zum Thema „Wirkung <strong>und</strong> Wahrnehmung von Trommeln“.


Uwe Steinmetz (rechts im Bild mit Torsten Laux)<br />

wurde 1975 in Bremervörde/NDS geboren <strong>und</strong> studierte<br />

Saxophon <strong>und</strong> Musiktheorie in Berlin, Bern,<br />

Indien <strong>und</strong> Boston. Zu seinen Lehrern zählten unter<br />

anderen Gebhard Ullmann (Berlin), Andy Scherrer<br />

(Basel), Jerry Bergonzi (Boston) <strong>und</strong> George Russell<br />

(Boston). Er arbeitet freischaffend als Komponist,<br />

Saxophonist <strong>und</strong> Dozent über das Europäische Umland<br />

hinaus u. a. in Indien, Äthiopien, Korea <strong>und</strong><br />

den USA <strong>und</strong> erhielt nationale <strong>und</strong> internationale<br />

Auszeichnungen für seine künstlerische Arbeit sowie<br />

Vollstipendien für sein komplettes Studium.<br />

<strong>Die</strong> improvisatorische Auseinandersetzung mit den Wurzeln europäischer Musik führte ihn zu einer<br />

engen Zusammenarbeit mit einigen der führenden Orgelimprovisatoren Europas, u.a. mit Prof. Torsten<br />

Laux (Düsseldorf, Bayreuth) <strong>und</strong> Wolfgang Sieber (Hofkirche Luzern). Begegnungen im Weltmusikbereich<br />

umfassen einen stilistisch weiten Rahmen über die Zusammenarbeit mit der brasilianischen Band BABOU<br />

(Rio de Janeiro), dem New Yorker Gitarristen Peter Griggs (Duo MODERN CHORO), mit dem südafrikanischen<br />

Saxophonisten Sam Pono (Johannesburg) oder mit dem südindischen Sänger Hariharan <strong>und</strong> dem<br />

nordindischen Shillong Choir “AROHA”.<br />

Er veröffentlichte bisher 14 CDs unter eigenem Namen in Deutschland <strong>und</strong> den USA <strong>und</strong> spielt auf zahlreichen<br />

anderen CD-Einspielungen als Sideman. Seit Beginn seines Studiums 1996 ist Berlin zu seiner<br />

Wahlheimat <strong>und</strong> künstlerischen Arbeitsbasis geworden.<br />

Zur Vita Torsten Laux siehe oben auf Seite 4!<br />

Uwe Steinmetz<br />

Erdmannstraße 1 // 10827 Berlin // GERMANY<br />

www.steinmetzmusik.com<br />

PHONE: Tel. +49-173-8985519<br />

INITIATIVES:<br />

WAVES // Jazz wird Kirchenmusik<br />

www.wavesmusic.de<br />

NETWORK FOR JAZZ & CHRISTIAN SPIRITUALITY<br />

www.crescendo-jazz.org<br />

CONCERTS AND CHRISTIAN SPIRITUALITY<br />

www.musik-aus-kirchen.de


Ev.-ref. Kirche Westerhusen - Konzert am Samstag, 5. Mai - 19.00 Uhr <strong>und</strong> am So., 6.<br />

<strong>Die</strong> drei „S“ - Sweelinck <strong>und</strong> seine Schüler<br />

Klaus Eichhorn (Berlin/Bremen)<br />

Das Programm<br />

Jan Pieterszoon Sweelinck Toccata in C<br />

1562-1621<br />

Allein Gott in der Höh sei Ehr<br />

4 Variationes<br />

Echo Fantasia in C<br />

Onder een linde groen<br />

4 Variationes<br />

Hexachord Fantasia<br />

„Ut, re, mi, fa, sol, la“<br />

Heinrich Scheidemann Paduana Lachrymae<br />

1596-1663 nach John Dowland<br />

Fantasia in G<br />

Samuel Scheidt Toccata / Courant in g<br />

1587-1654<br />

Toccata super:<br />

In te Domine speravi<br />

Zu<br />

Zum <strong>Künstler</strong>:<br />

Hymnus Veni Creator Spiritus<br />

3 Versus<br />

* * * * *


Zum <strong>Künstler</strong><br />

Klaus Eichhorn, geboren 1949, studierte Kirchenmusik <strong>und</strong> Cembalo an der Musikhochschule Berlin.<br />

Er nahm an der Gründung der Musicalischen Compagney teil, deren Pioniertaten er wesentlich mittrug,<br />

die wiederum seinen Werdegang prägend beeinflussten. Von 1972 bis 1981 war er Lehrbeauftragter beim<br />

Staats- <strong>und</strong> Domchor Berlin <strong>und</strong> rief 1981 die Capella Cantorum, ein Vocalensemble mit Knaben- <strong>und</strong><br />

Männerstimmen, ins Leben.<br />

Als Leiter dieser Gruppe wie auch als Gast bei vielen weiteren Ensembles wie Concerto Palatino (Bologna),<br />

Musica Fiata (Köln), Fiori Musicali (Bremen) u.a., realisierte er zahlreiche Konzerte <strong>und</strong> Aufnahmen.<br />

<strong>Die</strong> Teilnahme an Festivals wie Utrecht, Innsbruck, Flandern, Schleswig-Holstein u. v. m., die Zusammenarbeit<br />

mit Kammerchören (RIAS, Stuttgarter, Dresdner) <strong>und</strong> Auftritte unter Dirigenten wie J.E.Gardiner,<br />

F.Bernius, A.Parrott u.a. beweisen seine hohe Wertschätzung als kompetenter <strong>und</strong> diskret-zuverlässiger<br />

Generalbass/Continuo-Spieler. Orgel-Solokonzerte ergänzen diese vielfältige Tätigkeit.<br />

Klaus Eichhorn wurde 1994 nach langjähriger Unterrichtstätigkeit an der Bremer Akademie für Alte Musik<br />

zum Professor an die Hochschule für Künste Bremen berufen. 1991-2010 war er Dozent für Orgel <strong>und</strong><br />

Generalbassspiel an der Evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Halle/Saale.<br />

Seit 2005 ist er als Orgelsachverständiger für die Lan<strong>des</strong>kirche Berlin-Brandenburg tätig. Sein Hauptarbeitsbereich<br />

liegt in der geistlichen Musik <strong>des</strong> 16. bis 18. Jahrh<strong>und</strong>erts. Über den als nur technische<br />

Vorbedingung verstandenen Einsatz historischen Fingersatzes hinaus, vornehmlich an klanglichen,<br />

dynamischen <strong>und</strong> textlich-sprachlichen Patametern orientiert sich auf der Orgel seine über lange Jahre<br />

an Originalinstrumenten experimentierte wie an Quellen studierte <strong>und</strong> durch intensive Praxis etablierte<br />

Spielweise, die in den Wechselwirkungen von Ensemble- <strong>und</strong> Solo-Elementen gereift einen sowohl instrumentalen<br />

wie vocalen Charakter erhält.<br />

Als Leiter dieser Gruppe wie auch als Gast bei v


Ev.-ref. Kirche Jennelt - Nachtkonzert am Sa., 5. Mai - 22.00 Uhr<br />

Das Programm:<br />

Jan Pieterszoon Sweelinck Toccata in G<br />

(1562-1621)<br />

Onder een linde groen“ (5 Variationen)<br />

John Dowland „Shall I sue, shall I seek for grace“<br />

(1563-1626) „Behold a wonder here“<br />

Domenico Gabrielli Sonata in G a Violoncello solo col basso<br />

(1651-1690) Grave - Allegro - Largo - Prestissimo<br />

Henry Purcell „Music for a while“<br />

(1659-1695) „If music be he food of love“<br />

Johann Sebastian Bach aus der Suite in C-Dur<br />

für Violoncello solo BWV 1009:<br />

Prélude - Sarabande - Gigue<br />

„Dir, dir Jehova will ich singen“<br />

aus Schemellis Gesangbuch<br />

„Mein gläubiges Herze“<br />

Arie aus der Pfingstkantate „Also hat Gott<br />

die Welt geliebt“ BWV 68 für Gesang,<br />

Violoncello piccolo <strong>und</strong> basso continuo<br />

Samuel Scheidt „Cantilena anglica de fortuna“<br />

(1587-1654) (5 Verse nach dem Lied „Fortune, my foe“<br />

von John Dowland)<br />

Girolamo Frescobaldi Canzona IV per basso solo con il basso (1583-1643)<br />

continuo<br />

Cappricio sopra la bassa fiamenga<br />

Henry Purcell Evening-Hymn<br />

„Now that the sun hath veil‘d his light“<br />

<strong>Die</strong> beteiligten <strong>Künstler</strong>:<br />

Agnes Luchterhandt, Alt;<br />

Christoph Otto Beyer, Violoncello <strong>und</strong><br />

Thiemo Janssen, Orgel


<strong>Die</strong> <strong>Künstler</strong> <strong>vorgestellt</strong>:<br />

Agnes Luchterhandt<br />

wuchs in einer Musiker-Familie in Detmold auf. Schon früh erlernte sie Instrumente<br />

<strong>und</strong> erhielt ersten Orgelunterricht bei Johannes Pöld. Im Kirchenmusik-Studium an der<br />

Hochschule für Musik <strong>und</strong> Theater Hannover entwickelte sich ein großes Interesse an<br />

der Alten Musik <strong>und</strong> am Gesang. Bereits im Alter von 19 Jahren erhielt sie Orgelunterricht<br />

bei Harald Vogel <strong>und</strong> lernte die historischen Orgeln Ostfrieslands kennen. Weitere<br />

musikalische Prägung durch Heinz Hennig, Ulrich Bremsteller <strong>und</strong> entscheidend durch<br />

Wolfgang Zerer, bei dem sie nach dem A-Examen im Aufbaustudiengang das holländische<br />

Konzertexamen an der Hansehochschule Groningen absolvierte. Seit 1999 ist sie Organistin an der weltberühmten<br />

Arp-Schnitger-Orgel der Ludgerikirche Norden <strong>und</strong> künstlerische Leiterin der dortigen Sommerkonzertreihe.<br />

Seit 2001 teilt sie sich die Stelle mit ihrem Ehemann Thiemo Janssen. Für ihre erste CD<br />

erhielt sie 2006 den „Preis der deutschen Schallplattenkritik“.<br />

Thiemo Janssen<br />

stammt aus Freiburg im Breisgau <strong>und</strong> studierte in Hannover, Lyon <strong>und</strong> Hamburg u. a.<br />

bei Ulrich Bremsteller, Louis Robilliard <strong>und</strong> Wolfgang Zerer, bei dem er seine Studien<br />

mit dem Konzertexamen für Orgel abschloss. Durch Kurse bei Harald Vogel lernte er die<br />

norddeutsche Orgellandschaft kennen. Von 1995 bis 2000 war Thiemo Janssen Kantor<br />

<strong>und</strong> Organist an der Woehl-Orgel in St. Nikolaus in Friedrichshafen am Bodensee, wo er<br />

die „Internationale Orgelakademie Bodensee“ leitete <strong>und</strong> eine breite Chorarbeit betreute.<br />

Seit 2000 ist er gemeinsam mit seiner Frau Agnes Luchterhandt Organist an der<br />

weltberühmten Arp-Schnitger-Orgel der Norder Ludgerikirche <strong>und</strong> unterrichtete bis 2006<br />

Orgel an der Hamburger Musikhochschule. Mit großem Erfolg konzertierte Thiemo Janssen<br />

an bedeutenden Orgeln in Europa, Australien <strong>und</strong> den USA, wobei ihm neben der Alten Musik auch<br />

die deutsche <strong>und</strong> französische Orgelsymphonik am Herzen liegt. Mehrere R<strong>und</strong>funk- <strong>und</strong> CD-Aufnahmen<br />

dokumentieren sein vielseitiges Repertoire. Für seine erste in Norden zusammen mit Agnes Luchterhandt<br />

aufgenommene CD wurde er mit dem „Preis der deutschen Schallplattenkritik“ ausgezeichnet.<br />

Christoph Otto Beyer<br />

wurde 1965 in Aurich geboren. Seinen ersten Cellounterricht erhielt er im Alter von 5<br />

Jahren bei Zsigmond Feher. Während der Schulzeit erhielt er Unterricht bei Rolf Kroke,<br />

dem damaligen Solocellisten <strong>des</strong> Oldenburger Staatsorchesters <strong>und</strong> nahm regelmäßig<br />

erfolgreich am Wettbewerb „Jugend musiziert“ teil. Nach Abitur <strong>und</strong> Zivildienst schloss<br />

sich das Studium von Schulmusik <strong>und</strong> Geschichte in Hannover an. Das Cellostudium<br />

erfolgte bei den Professoren Ulf Tischbirek <strong>und</strong> Klaus Storck. Von 1992-1997 unterrichtete<br />

Beyer als Lehrbeauftragter für Violoncello an der Hochschule für Musik <strong>und</strong> Theater<br />

in Hannover. Meisterkurse belegte Beyer bei Klaus Storck <strong>und</strong> Julius Berger. Seit 1997<br />

lebt Beyer wieder in Aurich <strong>und</strong> ist als Lehrkraft an den Auricher Gesamtschulen tätig. Beyer übernahm<br />

1998 die Leitung <strong>des</strong> Ostfriesischen Kammerorchesters <strong>und</strong> leitet seit 2010 zusammen mit Arnd-<strong>Die</strong>ter<br />

Ubben das Ostfriesische JugendSinfonieOrchester. Eine rege Konzerttätigkeit auf historischen (Barockcello,<br />

Violoncello piccolo) <strong>und</strong> modernen Instrumenten zeichnet Beyer aus. So führte er als Solist Konzerte<br />

von Vivaldi, Monn, C.P.E.Bach, Haydn, Graf, Fils, Brahms <strong>und</strong> Gubaidulina auf. Auch auf Festivals wie den<br />

Göttinger Händelfestspielen, den Hannoverschen Tagen für neue Musik sowie den Dornumer Kammermusiktagen<br />

ist Christoph Otto Beyer aufgetreten. Als Komponist, Dirigent, Workshopleiter, Moderator <strong>und</strong><br />

Kammermusiker ist Beyer zudem seit 1999 ständiger Gast <strong>des</strong> Festivals „Musikalischer Sommer in Ostfriesland“.<br />

Beyer spielt als historisches Instrument eine Stradivarius-Kopie von R.A. Slotboom (1993) <strong>und</strong><br />

als modernes Instrument eine Kopie <strong>des</strong> „Shapiro“-Gofriller von Martin Michalke (Oldenburg, 2010).


Ev.-ref. Kirche Hinte - Konzert am Sonntag, 6. Mai - 17.00 Uhr<br />

Abschlusskonzert <strong>des</strong> Krummhörner <strong>Orgelfrühlings</strong> 2012: Capella de la Torre<br />

Leitung: Katharina Bäuml<br />

Orgel: Klaus Eichhorn<br />

„Ick voer al over Rhijn“<br />

Stadtmusik <strong>und</strong> Stadtpfeifer im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

Anonym/Petrucci (1503) Dit le Bourgignon<br />

Andrea Falconieri Ciaconna<br />

Tilman Susato (1500- 1562) Battaglia<br />

Pierre Attaignant (ca. 1520) Tourdion<br />

Juan Ambrosio Dalza Calata a la Spagnola<br />

Jan Pieterszoon Sweelinck Ballo del Granduca<br />

Heinrich Isaac Battaglia à 4<br />

Traditionell Ballo del Granduca<br />

Fabritio Caroso (1525- 1581) Canarios<br />

Arnold von Bruck So trincken wir alle<br />

Luis de Milan (1500- 1561) Pavana <strong>und</strong> Galliarda<br />

Bartolomeo Tromboncino (1470- 1535) Ostinato vos seguire<br />

********<br />

Cancionero de Palacio Propignan de Melyor<br />

Juan del Enzina (1469- 1529) Si habra en este baldres<br />

Cancionero de Palacio Rodrigo Martinez<br />

Juan del Enzina La bella malmaridada<br />

Jan Pieterszoon Sweelinck Ick voer al over Rhijn<br />

Heinrich Isaac Palle palle<br />

Josquin Desprez (1450- 1521) In te Domine speravi<br />

Anonym (niederl. 1545) Canto<br />

Antoine Busnois Fortune esperée<br />

Gebrüder Hess (1518-1585) Pavana<br />

Galgliarda<br />

Stadtpfeifertanz<br />

Saltarello<br />

Adrian Willaert (1490- 1562) Vecchie letrose


<strong>Die</strong> beteiligten <strong>Künstler</strong>:<br />

„Ick voer al over Rhijn“ - Musik der Stadtpfeifer im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

Im Europa der Renaissance bestanden die bekanntesten Musikensembles aus Musikern der deutschsprachigen<br />

Länder <strong>und</strong> der Niederlande, die ihr Handwerk mit nach Italien, Spanien <strong>und</strong> Frankreich brachten.<br />

Professionelle Musiker mussten in der Lage sein, vorhandenes Notenmaterial mit eigenen Improvisationen<br />

zu verbinden <strong>und</strong> den Werken immer neue Formen zu verleihen. Gleichzeitig zu dieser Praxis entwickelten<br />

Komponisten wie Antoine Busnois, Heinrich Isaac u. a. eine Mischung zwischen höfischer <strong>und</strong> bürgerlicher<br />

Musiktradition, die sich schnell verbreitete.<br />

Im Konzert „Ick voer al over Rhijn“ begeben sich die Musiker der Capella de la Torre auf eine Reise durch<br />

das Europa der frühen Neuzeit, in dem sie verschiedene Musikstile <strong>und</strong> Traditionen dieser Zeit wieder neu<br />

erfahrbar machen. <strong>Die</strong> Technik der Improvisation über vorgegebene Stimmen oder Liedsätze spielt dabei<br />

eine besondere Rolle.<br />

c/o Katharina Bäuml - Mobil 0171-6828003 - info@capella-de-la-torre.de - www.capella-de-la-torre.de<br />

Capella de la Torre mit fünf Musikerinnen <strong>und</strong> Musikern:<br />

Birgit Bahr, Pommer <strong>und</strong> Flöte Detlef Reimers, Posaune<br />

Annette Hils, Bassdulzian <strong>und</strong> Flöte Klaus Eichhorn, Orgel<br />

Katharina Bäuml, Schalmei, Pommer <strong>und</strong> Leitung


Ev.-ref. Kirche Rysum - Freitag, 11. Mai 2012 - 19.00 Uhr<br />

Zusatzkonzert zum Krummhörner Orgelfrühling an der Jubiläumsorgel in Rysum<br />

Konzert mit Edward H. Tarr & Irmtraud Tarr <strong>und</strong> Marc Ullrich (Trompeten & Orgel)<br />

PROGRAMM<br />

Giuseppe Gherar<strong>des</strong>chi Sonata a guisa di banda militare che suona una marcia<br />

1759-1815 Tutti<br />

Joseph de Torres y Vergara Partido de 6° tono de Torres<br />

1661-1727 Orgel<br />

Anon. Canciónes de Clarines in D (über Themen von<br />

Spanien, spätes 17. Jh. J.-B. Lully, 1632-87) *<br />

Entrada de clarines – Canción de clarín, con eco – Otra canción – Canción de clarín<br />

muy aprisa el compás, respondiendo el eco<br />

Tutti<br />

Johann Sebastian Bach attrib. Fantasia <strong>und</strong> Fuge a-moll (BWV 561)<br />

1685-1750 Orgel<br />

Georg Friedrich Händel Suite D-Dur (1733) *<br />

1685-1759 Overture – Allegro (Gigue) – Ayre (Minuett) – March (Bourrée) –<br />

March<br />

Trompete & Orgel<br />

Johann Sebastian Bach Choralbearbeitung “Erbarm dich mein, o Herre Gott” (BWV 740)<br />

Orgel<br />

Girolamo Fantini Sonata di Risposte detta la Salviati in C (1638) *<br />

1600 – nach 1675 2 Trompeten unbegleitet<br />

Giovanni Paolo Cima Canzon quarta, “La pace” (1606)<br />

um 1570 – nach 1622 Canzon 13 (1606)<br />

Orgel<br />

George Shearing Lullaby of Birdland (1952)<br />

1919-2011 Trompete & Orgel<br />

Philip Glass Mad Rush (1979)<br />

1937 geb. Orgel<br />

John Stanley Aus: Suite No. 1 of Trumpet Voluntaries in D<br />

1712-86 Andante Largo<br />

Tutti


<strong>Die</strong> beteiligten <strong>Künstler</strong>:<br />

Irmtraud Tarr ist als Konzertorganistin international tätig (ganz Europa, Japan, USA) <strong>und</strong> hat zahlreiche<br />

Aufnahmen für Tonträger, Funk <strong>und</strong> Fernsehen gemacht. CDs, meist auf historischen Orgeln, hat<br />

sie in Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Deutschland <strong>und</strong> Lettland gemacht. Wegen ihrer Verdienste<br />

um die spanische Musik hat sie am Nationalfeiertag im November 2009 – erstmalig als Deutsche – ein<br />

Konzert in der Kathedrale von Barcelona gespielt, wo gleichzeitig die Vernissage ihres ersten spanischen<br />

Buches gefeiert wurde.<br />

Unter ihren mehrfachen Auszeichnungen <strong>und</strong> Preisen sind die Verdienstmedaille in Silber der Stadt<br />

Rheinfelden für kulturelle Verdienste (2003) sowie weitere aus Bayern <strong>und</strong> Czechien zu nennen. Ihre wissenschaftliche<br />

Tätigkeit umfasst die Promotion zum Dr. phil. (Universität Hamburg 1987) sowie Habilitation.<br />

Sie gilt als Bestseller-Autorin von inzwischen 31 Büchern, die in vielen Sprachen übersetzt wurden.<br />

Ihr neuestes Buch – Leben macht Sinn (Kreuz-Verlag) – erschien im Januar vorigen Jahres.<br />

Edward H. Tarr ist ein Pionier historischer Blechblasinstrumente <strong>und</strong> hat bei mehr als h<strong>und</strong>ert LP- <strong>und</strong><br />

CD-Aufnahmen mitgewirkt. Seine Konzertreisen führen ihn seit 1968 in die ganze Welt (USA, Japan <strong>und</strong><br />

Südamerika, ganz Europa einschl. Skandinavien <strong>und</strong> Russland). Neben dem Musikpreis der Volksbank<br />

Hochrhein-Stiftung (1997) <strong>und</strong> der Verdienstmedaille in Silber der Stadt Rheinfelden für kulturelle Verdienste<br />

(2003) erhielt er weitere Auszeichnungen <strong>und</strong> Preise in New York, London <strong>und</strong> Verona.<br />

Edward H. Tarr unterrichtet zur Zeit an der Musikhochschule Karlsruhe. Den Professorentitel erhielt er<br />

dort im Februar 2004 (Dr. phil., Universität Hamburg 1986; Dr. mus. h. c., Oberlin College, Oberlin Ohio<br />

USA 2003). Außerdem war er zwischen 1985 <strong>und</strong> 2004 Direktor <strong>des</strong> Trompetenmuseums Bad Säckingen.<br />

Sein Buch „<strong>Die</strong> Trompete“ (Schott-Verlag) gilt als Klassiker <strong>und</strong> wird immer wieder aufgelegt.<br />

Der Elsässer Marc Ullrich studierte Trompete in Paris bei Maurice André <strong>und</strong> wurde bereits mit 17<br />

Jahren Solotrompeter im Städtischen Orchester von Mulhouse, eine Stelle, die er kurz darauf mit der im<br />

Sinfonieorchester Basel tauschte, wo er heute noch tätig ist. Später studierte er Barocktrompete an der<br />

Schola Cantorum Basiliensis bei E. H. Tarr. Als Solist machte Ullrich zahlreiche Aufnahmen mit Barockmusik<br />

<strong>und</strong> Jazz.


Zwei wichtige Fachartikel zur Orgelkunst im Norden <strong>und</strong> Nordwesten<br />

Prof. Dr. h. c. Harald Vogel<br />

<strong>Die</strong> Krummhörn - Mikrokosmos der niederländisch-norddeutschen Orgelkunst<br />

<strong>Die</strong> Lage an der Nordseeküste, die in früheren Zeiten gleichermaßen den Seehandel <strong>und</strong> die Landwirtschaft<br />

begünstigte, führte im Mittelalter zu einer ungewöhnlichen Dichte von Kirchen <strong>und</strong> Klöstern in<br />

der Krummhörn. Es gibt kaum ein Gebiet, wo heute so viele mittelalterliche (im Ursprung zumeist romanische)<br />

Dorkirchen jeweils im Abstand von wenigen Kilometern vorhanden sind. <strong>Die</strong> günstigen wirtschaftlichen<br />

Voraussetzungen blieben auch vom 16. bis zum frühen 19. Jahrh<strong>und</strong>ert bestehen <strong>und</strong> bildeten<br />

die Basis für die Entwicklung einer reichen Orgelkultur, die hier bereits im 15. Jahrh<strong>und</strong>ert zu einer<br />

fast flächendeckenden Orgelbautätigkeit führte.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist die Krummhörn neben der Insel Gotland das geografisch eng begrenzte Landgebiet<br />

mit den meisten gotischen Orgeln <strong>und</strong> Orgelresten in Europa. Der enge Zusammenhang mit der benachbarten<br />

Provinz Groningen ist gerade für diese frühe Periode gut belegt: So baute der Groninger Meister<br />

Harmannus im Jahre 1457 die erhaltene Orgel in Rysum <strong>und</strong> von Meister Johannes von Emden (Emedensis)<br />

blieb das prächtige spätgotische Gehäuse aus Scheemda in der Provinz Groningen erhalten.<br />

<strong>Die</strong> bemalten Flügeltüren der von Johannes Emdensis 1531 in Emden-Uphusen erbauten Orgel befinden<br />

sich heute in der Johannes-a-Lasco Bibliothek. Hier sind im Rahmen einer biblischen Szene die Porträts<br />

<strong>und</strong> auf der Rückseite die Wappen von acht ostfriesischen Häuptlingen zu sehen. Es handelt sich um ein<br />

einzigartiges Zeugnis <strong>des</strong> Übergangs der Orgelkunst von der mittelalterlichen Kirchen- zur neuzeitlichen<br />

Patronatsträgerschaft. Ein weiteres Beispiel für diesen Übergang ist die Inschrift an der Organistenkanzel<br />

vor der Orgel in Rysum: „Hec structura incepta est tempore Victoris Vriese equitis aurati et domini edonis<br />

de westerwolda curati Anno m° ccccc° XIII°“ (<strong>Die</strong>ser Bau ist begonnen zur Zeit <strong>des</strong> goldgeschmückten<br />

Ritters Victor Vriese <strong>und</strong> <strong>des</strong> Geistlichen, Herrn Edo von Westerwolde, im Jahre 1513).<br />

Hier zeigt die Inschrift schon den Patronatsherren vor dem Geistlichen. Eine Orgelinschrift von 1520 in<br />

Groothusen benannte auch den Orgelbauer: <strong>Die</strong>ses Werk, welches Meister Petrus von Emden verfertigte,<br />

wurde errichtet zur Zeit <strong>des</strong> Pfarrers Magister Johannes de Bra, <strong>des</strong> Häuptlings Wiard Mecken, der Vorsteher<br />

Conrad <strong>und</strong> Aggo im Jahre 1520. Das Gebiet um den Dollart gehörte um 1500 zu den wichtigsten<br />

Orgelbauzentren in Nordeuropa. Im niederländischen Hafenort gegenüber der Krummhörn, in Appingedam,<br />

wirkt Johan ten Damme, <strong>des</strong>sen ambitionierte Orgelprojekte in Groningen, Zwolle <strong>und</strong> Kampen den<br />

Übergang von der gotischen Blockwerkorgel zur niederländischen Registerorgel wesentlich beeinflussten.<br />

In der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>erts entwickelte sich Emden infolge der Invasion spanischer Truppen<br />

zu einem bevorzugten Fluchtort niederländischer Kaufleute. So wurde Emden für eine kurze Periode<br />

zu einem der größten Handelshäfen Nordeuropas. <strong>Die</strong> Große Kirche in Emden wurde zur Mutterkirche<br />

(moederkerk) <strong>des</strong> niederländischen Protestantismus calvinistischer Prägung. Im Zuge der politischen <strong>und</strong><br />

konfessionellen Auseinandersetzungen wandten sich viele Orgelbauer nach Norddeutschland <strong>und</strong> fanden<br />

hier ein Betätigungsfeld. Zu ihnen gehörte die Orgelbauerfamilie Slegel aus Zwolle. Aus einer Werkliste<br />

geht hervor, dass Cornelius <strong>und</strong> Michael Slegel 1549 zwei Dorforgeln bei Emden gemacht hatten (in<br />

Ostfryeslant by emden gemaket op dorp twe werck). Der aus Gent stammende <strong>und</strong> seit 1558 in Groningen<br />

wirkende Orgelbauer Andreas de Mare ist seit 1566 in Ostfriesland nachweisbar <strong>und</strong> hat in der Krummhörn<br />

in Pewsum gearbeitet. Er arbeitete mit seinem Sohn Marten de Mare zusammen, der später von<br />

Bremen aus eindrucksvolle Instrumente im Renaissancestil baute.


Der einflussreichste niederländische Organist in den Jahrzehnten vor <strong>und</strong> nach 1600 war Jan Pieterszoon<br />

Sweelinck, der bis zu seinem Tode 1621 an der Oude Kerk in Amsterdam wirkte. Er hatte so viele an den<br />

bedeutenden hanseatischen Stadtkirchen in den Nord- <strong>und</strong> Ostseegebieten wirkende Schüler, dass er als<br />

der norddeutsche „Organistenmacher“ bezeichnet wurde. Der früheste uns bekannte Schüler Sweelincks<br />

war Cornelius Conradi. Conradi wurde in Amersfoort geboren <strong>und</strong> übersiedelte mit seiner Familie 1571<br />

nach Emden, wo er seit 1584 an der Großen Kirche als Organist wirkte. Zuvor hatte er in Amsterdam bei<br />

Sweelinck eine Orgellehre absolviert. Sein Schüler Johann von Loquard wurde 1597 sein Nachfolger,<br />

bildete seinerseits viele Organisten aus <strong>und</strong> veranlasste Albert Janssen aus Marienhafe sowie Jürgen<br />

Habben von Logen bei Sweelinck in Amsterdam zu studieren (....ock eine geruime tydt van jahren by<br />

wylandt Mr. Jan Pietersz Schwelingk tho Amsterdamb / welcker der allertreffelyckster <strong>und</strong> berümester<br />

meister in dieser kunst gewesen / nicht alleine gelehret, besonderen na der tydt my dermaten darin<br />

geexerceret...). Es gab also in Emden, der Krummhörn <strong>und</strong> Leer, dem Wirkungsort von Albert Janssen, in<br />

der ersten Hälfte <strong>des</strong> 17. Jahrh<strong>und</strong>erts eine Sweelincknachfolge im Orgelspiel.<br />

Der Orgelbau wurde in dieser Periode auch von niederländischen Meistern weitergeführt. Ulrich Dirckszoon<br />

van Sneek baute u. a. in Hinte, Groß Midlum <strong>und</strong> Engerhafe. Von Johannes Millensis ist ein großer<br />

Registerbestand in Emden-Larrelt aus den Jahren 1618-19 erhalten. Das wichtigste Beispiel der niederländischen<br />

Orgelkunst aus der Spätrenaissance ist aber in Uttum erhalten. Hier zeigt das um 1660 entstandene<br />

Gehäuse den Groninger Stil <strong>des</strong> 17. Jahrh<strong>und</strong>erts, aber das Pfeifenwerk ist älter. Wir erhalten<br />

hier noch einen authentischen Eindruck <strong>des</strong> altniederländischen Orgelstils: vom Prospektprincipal über<br />

die Quintadenen, den Principalchor mit der polyphonen Mixtur bis hin zur Trompete, die zu den ältesten<br />

Zungenregistern mit voller Becherlänge gehört. In Uttum ist noch ein geschlossenes Ensemble von Registern<br />

fast aller Typen in niederländischer Bauweise zu hören. <strong>Die</strong>se Orgel gehört zu den idealen Instrumenten<br />

zur Darstellung der Musik von Jan Pieterszoon Sweelinck.<br />

Nach der niederländisch geprägten Periode von 1457 bis zur ersten Hälfte <strong>des</strong> 17. Jahrh<strong>und</strong>erts, die<br />

klanglich durch die Werke in Rysum <strong>und</strong> Uttum repräsentiert wird, folgte eine Umkehr <strong>des</strong> Einflusses im<br />

Orgelbau. <strong>Die</strong> Orgelbauerfamilie van Hagerbeer, deren Name auf die ostfriesische Herkunft deutet (Hage -<br />

Berum), erreichte mit großen Orgelprojekten in Hertogenbosch, Alkmaar <strong>und</strong> Leiden in den Jahren 1620<br />

bis 1650 eine sehr große Bedeutung in den Niederlanden. Aber erst Arp Schnitger erreichte in den Jahrzehnten<br />

um 1700 in den nördlichen Provinzen eine dominierende Position. Im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert wurde<br />

dann zunehmend auch der mitteldeutsche Einfluss in allen niederländischen Provinzen deutlich spürbar.<br />

In der Krummhörn führte Arp Schnitger keine Orgelbauten aus, da er in Ostfriesland kein Orgelbauprivilegium,<br />

wie in fast allem anderen Gebieten an der Nordseeküste, besaß. So blieben in Ostfriesland<br />

bedeutende Orgeln von Zeitgenossen Schnitgers erhalten, unter denen in der Krummhörn das 1694 von<br />

Valentin Ulrich Grotian erbaute zweimanualige Werk in Pilsum herausragt. Zu einer Ausstattung fast aller<br />

Kirchen mit Orgeln kam es in der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>erts, als 1744 nach dem Aussterben <strong>des</strong><br />

ostfriesischen Fürstenhauses durch die preussische Regierung ein wirtschaftlicher Aufschwung einsetzte<br />

<strong>und</strong> auch die kirchlichen Verwaltungsstrukturen neu geordnet wurden. In dieser Periode arbeiteten die<br />

Orgelbauer Albert Antonius Hinsch <strong>und</strong> Johann Friedrich Wenthin sowohl in Ostfriesland als auch in den<br />

Niederlanden. Albert Antonius Hinsch führte in Groningen die Schnitgersche Werkstatt fort. Von Wenthin<br />

gehört die Orgel in Groothusen zu den profiliertesten Orgelinstrumenten im neuen, klassizistisch geprägten<br />

Orgelstil um 1800. In der Provinz Groningen zeigt die ebenfalls sehr gut erhaltene Orgel in Nieuwolda<br />

diese Bauweise.<br />

Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert wurde Ostfriesland zu einem wirtschaftlichen <strong>und</strong> kulturellen Randgebiet, wobei die<br />

Mittel aber ausreichend waren, um das großartige kulturelle Erbe zu erhalten. Erst seit der Mitte <strong>des</strong> 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts setzte mit den Restaurierungen in der Krummhörn <strong>und</strong> den Neubauten durch die Orgelwerkstatt<br />

von Jürgen Ahrend <strong>und</strong> Gerhard Brunzema in Leer-Loga wieder eine Entwicklung ein, die über die<br />

Lan<strong>des</strong>grenzen hinausging <strong>und</strong> zunehmend weltweit wahrgenommen wurde.


Bei der 1955 erfolgten Restaurierung in Westerhusen wurde erstmalig seit der Barockzeit wieder eine<br />

mitteltönige Stimmung mit reinen großen Terzen in einer für den gottesdienstlichen Gebrauch bestimmten<br />

Orgel gelegt. <strong>Die</strong> Wirkung der Arbeit in Westerhusen <strong>und</strong> der bald darauf folgenden Restaurierungen<br />

in Uttum (1956/57) <strong>und</strong> Rysum (1959/60) wurden von der Fachwelt als Meilensteine zur Entdeckung der<br />

Orgelästhetik <strong>des</strong> 15. bis 17. Jahrh<strong>und</strong>erts eingestuft. <strong>Die</strong> Krummhörn wurde zum Besuchermagneten für<br />

Organisten, Organologen, Orgelsachverständige, Orgelbauer <strong>und</strong> Orgelfre<strong>und</strong>e. Das Klangmodell dieser<br />

Orgeln erhielt einen weltweiten Vorbildcharakter.<br />

Seit 1973 fanden in der Krummhörn Teile der Internationalen Sommerkurse der Norddeutschen Orgelakademie<br />

statt. Das führte 1985 zur Restaurierung <strong>des</strong> aus dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert stammenden Steinhauses<br />

in Uttum, wo Studierende aus aller Welt <strong>und</strong> Dozenten in ihren Freisemestern in unmittelbarer Nachbarschaft<br />

zum Ensemble der in zunehmender Anzahl restaurierten Orgeln wohnten <strong>und</strong> arbeiteten. Hier<br />

entstanden zwei Dissertationen mit Themen zur Orgelgeschichte <strong>und</strong> zu einer lan<strong>des</strong>typischen Quelle zur<br />

Spielweise:<br />

Ralph Nickles: Orgelinventar der Krummhörn <strong>und</strong> der Stadt Emden, Diss. Universität Bremen, Hauschild-<br />

Verlag Bremen 1995.<br />

Elizabeth Harrison: Michael Wiedeburg‘s „Der sich selbst informirende Clavierspieler“ and his Pedagogy of<br />

Improvisation, Diss. Stanford University, UMI Dissertation Services 1995.<br />

Der Krummhörner Orgelfrühling ist eine Plattform zur Präsentation <strong>des</strong> einmaligen Orgelkulturerbes<br />

in dieser Region, in der Klänge von Originalinstrumenten aus sieben Jahrh<strong>und</strong>erten präsent<br />

sind <strong>und</strong> gleichzeitig ein Mikrokosmos der gemeinsamen niederländisch-norddeutschen Orgelkultur<br />

erlebt werden kann.


Abdruck aus der Veröffentlichung „<strong>Die</strong> gotische Orgel in der Rysumer Kirche, Festschrift zum 555. Jubiläum<br />

der gotischen Orgel Rysum 2012“, herausgegeben von Holger Balder im Auftrag <strong>des</strong> Kirchenrats der<br />

Ev.-ref. Kirchengemeinde Rysum, Rysum 2012 (Eigenverlag)<br />

Konrad Küster<br />

Rysum <strong>und</strong> die Orgelkultur der Marschen<br />

Der Bau der Orgel in Rysum 1457: Das ist ein Schlüsseldatum der Musikgeschichte. In Rysum steht, wie<br />

Harald Vogel das so treffend umschrieben hat, „die älteste spielbare <strong>und</strong> im Gr<strong>und</strong>bestand erhaltene<br />

Orgel“ der Welt: Das heißt, es gibt zwar Orgeln mit älteren Bauteilen, aber kein anderes so altes, in sich<br />

abger<strong>und</strong>etes Bau-Ensemble. Kein Zweifel: Das Instrument ist dank glücklicher Umstände (Zufälle) erhalten<br />

geblieben; doch es ist nicht zufällig gerade in Rysum entstanden. Was also bedeutet „Schlüsseldatum<br />

der Musikgeschichte“ konkret?<br />

<strong>Die</strong> Rysumer Orgel ist zugleich der einzig übrig gebliebene Zeuge für uralte Orgeltraditionen auch der<br />

Nachbarorte. In ihnen reicht die Orgelgeschichte fast ähnlich weit zurück (noch weiter in Marienhafe,<br />

wo einst die älteste nachweisbare Orgel Ostfrieslands stand). In den Kirchen der nächsten Nachbarschaft<br />

gibt es heute dagegen jüngere Instrumente – Orgeln, die zu Recht ebenso als kulturhistorische Werte<br />

erster Güte gelten.<br />

<strong>Die</strong> Rysumer Orgel verdient internationale Anerkennung nicht nur <strong>des</strong>halb, weil sich auf ihr so ideal<br />

europäische Orgelmusik <strong>des</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>erts spielen lässt. Ihre Einzigartigkeit wird erst dann völlig<br />

verständlich, wenn man auch den Ort in den Blick nimmt, wenn man sich also klar macht, wo diese Orgel<br />

steht. Und diese Klarstellung ist nicht nur für Einheimische wichtig, sondern vor allem auch für Auswärtige;<br />

es handelt sich nicht um eine Orgel, die sich gleichsam nach Ostfriesland verirrt hat, sondern man<br />

muss die Geschichte erzählen, die diese Orgel repräsentiert. Was also ist es, das es hier zu bew<strong>und</strong>ern<br />

gibt – zu sehen <strong>und</strong> zu hören?<br />

Zuerst muss man sich auf die Menschen einstellen, die 1457 hier eine Orgel haben wollten. Orgeln: Das<br />

gab es damals vielleicht schon in den Klöstern der Gegend, in Blauhaus, Sielmönken <strong>und</strong> Aland. Warum<br />

aber wollte man dort Orgelklänge haben: Es gab damals im Gottesdienst kein Vor- oder Nachspiel, keinen<br />

Gemeindegesang, erst recht keine Ensemblemusik, nicht einmal Orgelmusik während der Wandlung<br />

in einer Kommunionfeier. Vielmehr diente die Orgelmusik dazu, Feste im Kirchenjahr hervorzuheben: Nur<br />

zu r<strong>und</strong> 30 Anlässen pro Jahr wurde die Orgel gespielt; sie erklang in der Vorabend-Vesper dieser Feste<br />

sowie an diesen selbst im Hochamt <strong>und</strong> diente somit der Heiligenverehrung. Zu normalen Sonntagsgottesdiensten<br />

steuerte sie allenfalls zwei Solostücke bei, sofern der örtliche Mess-Zelebrant dies erlaubte.<br />

Orgelklang war also noch nirgends normal; auch in kirchlichen Zentren <strong>und</strong> in den Kirchen großer Städte<br />

war erst ein Anfang gemacht. Doch in Rysum traten keine Mönche in Aktion; es waren auch keine städtischen<br />

Kaufleute, in deren erwachender Prachtliebe die Orgel eine Rolle spielte. Es waren vielmehr die<br />

Spitzen einer agrarischen Bevölkerung, die sich Orgelklang wünschten. Typischerweise standen dabei die<br />

Häuptlingsfamilien auch nicht allein; deren Interessen teilten die damaligen Kirchenvorstände, die schon<br />

im späten Mittelalter selbstständig agierten.<br />

<strong>Die</strong> Erfahrung aller dieser Menschen war es, dass man Zukunft gestalten kann <strong>und</strong> muss, <strong>und</strong> sie taten<br />

dies als Gruppe. Sie trugen gemeinsam die Verantwortung für den Küstenschutz; denn wenn Deiche <strong>und</strong>


Siele funktionieren, liegen auf der Landseite fruchtbarste Böden. Das setzte Wirtschaftskraft frei – wieder<br />

nicht bei einem Einzelnen, sondern bei dieser Gemeinschaft, nicht nur bei ihrer Spitze. Daraufhin konnte<br />

diese Gemeinschaft kulturelle Interessen entfalten. Das tat sie in den einzigen Räumen, die sie gemeinsam<br />

nutzte: in den Kirchen. In ihnen zogen diese Menschen mit den Kulturvorstellungen der kirchlichen<br />

<strong>und</strong> städtischen Zentren gleich. Deshalb wohl entstand hier 1457 eine Orgel.<br />

Eigentlich war das eine absurde Idee:<br />

1. Es genügte nicht, die Orgel in die (damals noch katholische) Kirche einfach nur hineinzustellen wie<br />

einen kostbaren Altar; man brauchte auch einen Spieler, konkret: jemanden, der mit dem Instrument genau<br />

so umgehen konnte, wie man das in den Kirchen der Metropolen oder in Klosterkirchen hören konnte<br />

– also einen Profi. Warum also verlagerte man diese Extremkunst ins Dorf?<br />

2. An den Küsten liegt Orgelbau buchstäblich gar nicht nahe. Alles Material, das man benötigt, musste<br />

über weite Strecken herangeschafft werden. Das gilt nicht nur für Zinn, das es nur in Cornwall gab, nicht<br />

nur für Blei aus dem Harz; auch das Holz, das für den Orgelbau geeignet war, hatte weite Wege zurückgelegt.<br />

3. Noch dazu: Orgeln sind Präzisionsinstrumente. Alles Holz <strong>und</strong> alles Metall, das man dann verarbeitete,<br />

musste dem Dauerangriff <strong>des</strong> Seeklimas gewachsen sein.<br />

Und doch ließ sich die Agrargesellschaft auf diese Herausforderungen ein, nicht nur in Rysum, sondern<br />

auch an anderen Orten. In Krewerd, westlich von Delfzijl, steht bis heute eine Orgel von 1531, in einem<br />

noch kleineren Dorf. Und selbstverständlich kann man auch in die nächste Umgebung blicken. Groothusen<br />

erhielt 1520 eine Orgel. <strong>Die</strong>, die 1550 in Manslagt zerstört wurde, muss natürlich auch älter gewesen<br />

sein. Das gleiche gilt für Westerhusen: In der Orgel von 1643 gingen viele alte Register auf – ähnlich<br />

alte wie in Rysum.<br />

<strong>Die</strong> Verantwortlichen für den Orgelbau entstammten an all diesen Orten den gleichen Bevölkerungskreisen,<br />

<strong>und</strong> sie handelten aus denselben Motiven. Wenn dann später in den Nachbarorten Orgeln ersetzt<br />

wurden, hing auch dies mit der Orgelbegeisterung zusammen. Sie wurde auch geteilt von denen, die sich<br />

1513 an der Rysumer Emporenkanzel verewigten: der Häuptling <strong>und</strong> Jerusalem-Pilger Victor Frese, Ritter<br />

vom Goldenen Vlies, sowie der Pfarrer Edo von Westerwolde, die beiden also, die Ort <strong>und</strong> Kirche auch in<br />

die nachreformatorische Zeit führten.<br />

Damit wird schon deutlich: Man spricht nicht nur über ganz alte Orgeln, sondern über eine lange, lebendige<br />

Entwicklung – über Verluste von ganz Altem, über veränderte Perspektiven, über ein Erbe, das auch<br />

Neueres einschließt. <strong>Die</strong> Entwicklung dieses Erbes ist verwirrend, sie hat scheinbar keine gemeinsame<br />

Logik.<br />

• In Westerhusen entstand 1643 eine neue Orgel – eigentlich überarbeitete man die Pfeifen der Vorgängerorgel,<br />

stellte sie in ein neues Gehäuse <strong>und</strong> kombinierte sie mit neuer Mechanik. Geschah dies wirklich<br />

nur, weil damals in Emden (deutlich später als etwa in Groningen) damit begonnen wurde, in der Kirche<br />

den Psalmengesang auf der Orgel zu begleiten? Oder hielten die Kirchenverantwortlichen zugleich auch<br />

an einer Musikkultur fest, die zuvor hier kontinuierlich gepflegt worden war, an die sie bruchlos anknüpften<br />

<strong>und</strong> die auch in den Nachbargemeinden weiter bestand – in Rysum wie in Groothusen?<br />

• 1694 baute in Pilsum Valentin Ulrich Grotian eine Orgel, die diejenigen aller anderer ostfriesischer<br />

Dörfer bei weitem an Größe übertraf. War das für den Psalmengesang nötig? Auch in Rysum arbeitete<br />

Grotian, aber ein Neubau schien nicht erforderlich.


• Noch einmal andere Verhältnisse trifft man in Manslagt an. 1778 baute dort Heinrich Just Müller aus<br />

Wittm<strong>und</strong> eine neue Orgel – nachdem die Gemeinde 228 Jahre ohne eine solche ausgekommen war.<br />

Es entstand aber nicht eine seiner kleinen Orgeln, wie er sie auch weiter im Lan<strong>des</strong>inneren baute: Gerade<br />

in Manslagt erhielt Müller wohl erstmals die Chance, eine zweimanualige Orgel zu bauen.<br />

• Schließlich Groothusen: Jodokus Sieburg, der die Orgel in Westerhusen gebaut hatte, hatte dort die<br />

uralte Orgel fortentwickelt, ebenso Grotian, der Orgelbauer in Pilsum. Der Auftrag, dieses alte Instrument<br />

dann durch ein größeres zu ersetzen, fiel 1801 Johann Friedrich Wenthin aus Emden zu.<br />

• Blickt man noch weiter über die Krummhörn hinaus, sieht man noch mehr: <strong>Die</strong> uralte Orgel in Uphusen,<br />

von der einige wertvolle Außenteile erhalten geblieben sind, wich 1831 gleichfalls einem größeren,<br />

kostbaren Neubau, einem Instrument von Wilhelm Caspar Höffgen aus Emden.<br />

<strong>Die</strong> Geschichte wirkt also verwirrend. Bald ging es sicherlich darum, Orgeln für die Begleitung <strong>des</strong> Psalmengesangs<br />

zu bauen oder einzurichten; ebenso sind andere Interessen erkennbar – mit der so großen<br />

Orgel in Pilsum, ohnehin dann, wenn man ins Mittelalter zurückblickt <strong>und</strong> sich vorstellt, dass die Rysumer<br />

Orgel nach der Reformation anscheinend problemlos ganz andere Funktionen erfüllen konnte als die,<br />

für die sie entstanden war. In Norden übrigens tickten die Uhren nochmals anders: Schnitgers Orgel dort<br />

entstand auch im Hinblick auf die groß angelegte Ensemblemusik, die damals in der lutherischen Stadt<br />

aufblühte; die Interpreten konnten auf der Orgelempore um den Spieltisch herum gruppiert werden.<br />

Aus den örtlichen Geschichtsquellen lassen sich kaum Erklärungen für die Ursprungszeit dieser Orgelkultur<br />

gewinnen. Dass in Rysum die Orgel-Initiatoren den Bau bezahlten, indem sie „ere vette beeste“ nach<br />

Groningen schickten, ist eine äußerst wertvolle Information – so weiß man, dass es hier tatsächlich um<br />

das Interesse einer agrarischen Bevölkerung ging.<br />

<strong>Die</strong> Information stammt aus zweiter Hand – aus einer Chronik. Andernorts hat man weniger Glück, denn<br />

auf Ortsebene befindet man sich um 1500 ganz einfach noch in „vorschriftlicher Zeit“. Mit viel Glück<br />

stolpert man in jüngeren Rechnungsbüchern über Hinweise, dass etwa einmal neue Schuhe für den Bälgetreter<br />

angeschafft wurden; dann weiß man immerhin Bescheid: Wo sich die Schuhe abnutzen, wo diese<br />

<strong>Die</strong>nstkleidung bereit gestellt wurde, da war auch eine Orgel. Denn nur an ihr braucht man einen Bälgetreter.<br />

Orgelmusik in der Kirche um 1500<br />

Was aber hatte die Agrarbevölkerung in Rysum <strong>und</strong> Umgebung im Sinn, als sie sich für den Orgelbau<br />

engagierte? Zweifellos wollte auch die Agrargesellschaft, die hier den Orgelbau realisierte, luxuriöse<br />

Kunsteinlagen in ihrem Gottesdienst erleben, ebenso wie in den Städten, jedenfalls aber im Rahmen der<br />

herrschenden, vorreformatorischen Bedingungen. Wie klang diese Musik?<br />

Im Orgelrepertoire <strong>des</strong> 15. <strong>und</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>erts dominiert Musik aus Spanien, aus Norditalien, aus dem<br />

süddeutsch-österreichischen Raum. Wie weit man zu ihr in Ostfriesland Zugang hatte (ebenso in Groningen<br />

oder Hamburg), ist ungeklärt. Tatsächlich aber hat sich Musik aus dieser Gegend erhalten, auch aus<br />

jener Zeit. Um 1450 zeichnete der Mönch Ludolf Bödeker in Oldenburg Orgelmusik auf; er stammte aus<br />

Lingen. Schon um 1430 war die Musik entstanden, die aus dem Dominikanerkloster Winsum nördlich von<br />

Groningen auf uns gekommen ist. Mit dieser Musik kommt man dem Musikideal der Rysumer Orgel-Initiatoren<br />

wohl am nächsten. Unter diesen Musikstücken ist nun bei Ludolf Bödeker ein Credo – als einziger<br />

Satz der Messe. Warum? Hier können Informationen aus anderen Regionen weiterhelfen. Doch um solche<br />

Brücken zu schlagen, muss man wissen, ob diese anderen Regionen überhaupt mit dem Emsmündungsgebiet<br />

vergleichbar sind. Wie groß also ist der Raum eigentlich, in dem sich diese Orgelkultur entfaltete –<br />

die, für die Rysum ein so ideal alter Zeuge ist? Wo gab es ähnliche Verhältnisse wie hier: dafür, dass eine


Agrarbevölkerung vor r<strong>und</strong> 550 Jahren sich für Orgeln begeisterte, <strong>und</strong> dafür, dass man Früchte dieses<br />

Engagements bis heute erkennt?<br />

Rysums Partner von 1457<br />

Das Ergebnis ist erstaunlich. Im Jahr 1457 gab es noch eine andere Dorfkirche, die eine erste Orgel<br />

erhielt. <strong>Die</strong> Kirche, ebenfalls umgeben von Marschland, steht anderthalb Kilometer von der Nordsee<br />

entfernt; dass sie auf einer alten Düneninsel liegt <strong>und</strong> nicht auf einer Warf, macht keinen Unterschied.<br />

Auch für diesen Orgelbau lag die Initiative bei einer agrarischen Führungsschicht; für sie war die Kirche<br />

ein zentraler Treffpunkt – bis heute ist dort der Friedhof erhalten, auf dem die regional bestimmenden<br />

Familien um 1500 ihre Toten beerdigten.<br />

<strong>Die</strong>ser Ort ist L<strong>und</strong>en in Dithmarschen. Dithmarscher sind keine Friesen; aber hatten sie an der Küste die<br />

gleichen Freiheiten <strong>und</strong> organisierten eine Bauernrepublik der gleichen Sozialstrukturen wie in den friesischen<br />

Gebieten der niedersächsischen Nordseeküste. Das alte Instrument in L<strong>und</strong>en wurde schon 1582<br />

ersetzt, dieses dann noch einmal 1846. <strong>Die</strong>se Orgel, ein sehr große, ist zeitlich also ein Schwesterinstrument<br />

etwa zur Orgel in Uphusen. L<strong>und</strong>en: ein Einzelfall? <strong>Die</strong> Antwort ist ein klares Nein.<br />

• Etwas nordwestlich von L<strong>und</strong>en, in Garding auf Eiderstedt, wurde 1898 das alte Orgelgehäuse entkernt<br />

– etwa in der gleichen Zeit, als aus Scheemda die vorderste Scheibe der Orgel von 1526 nach Amsterdam<br />

ins Rijksmuseum kam. Das Gehäuse der Gardinger Orgel stammt von 1512 <strong>und</strong> ist auch in Ostfriesland<br />

bekannt; Zusammenhänge zwischen Rysum <strong>und</strong> Garding haben schon vor Jahrzehnten Jürgen Ahrend <strong>und</strong><br />

Gerhard Brunzema dargestellt.<br />

• In Tellingstedt, ein paar Kilometer südöstlich von L<strong>und</strong>en, bauten die Bauern, die vom Geestrand aus<br />

die Marsch bewirtschafteten, im Jahr 1642 eine Orgel – exakt gleichzeitig mit Westerhusen. <strong>Die</strong> Orgel<br />

steht dort bis heute.<br />

• Ähnlich wie in Westerhusen prägen auch in Kirchen der schleswig-holsteinischen Marschen Register<br />

der Zeit um 1500 den Orgelklang. Das übrigens verbindet einen anderen Zentralort <strong>des</strong> Dithmarscher<br />

Lan<strong>des</strong>bewusstseins mit einem Ort im nördlichsten Niedersachsen: Wöhrden bei Heide mit Altenbruch bei<br />

Cuxhaven.<br />

• Auf der nordfriesischen Insel Pellworm stand, 150 Meter vom Außendeich entfernt, seit 1525 eine Orgel<br />

(1711 wurde sie von Arp Schnitger durch einen Totalneubau ersetzt). Auf Föhr war unter den frühesten<br />

Befürwortern der Reformation auch ein örtlicher Organist; auch dort hatte es also zuvor schon eine Orgel<br />

gegeben.<br />

Vielleicht nimmt so die Geschichte, die sich von Rysum aus erzählen lässt, zunehmend Konturen an. Das<br />

Kultursystem erstreckt sich über den gesamten Marschenraum zwischen Amsterdam, Hamburg <strong>und</strong> Süddänemark.<br />

Es setzt in der nordholländischen Region Westfriesland an, reicht über die niederländischen<br />

Provinzen Fryslân <strong>und</strong> Groningen sowie den niedersächsischen Küstenraum elbaufwärts bis Hamburg, entsprechend<br />

am nördlichen Elbufer <strong>und</strong> an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste weiter nach Norden,<br />

noch über die alte Marschenmetropole Tønder <strong>und</strong> das Marschenbistum Ribe hinaus bis in die Umgebung<br />

der dänischen Kleinstadt Varde. Der Raum ist in seinem Inneren schon immer ideal vernetzt gewesen: Für<br />

Tønder in Süddänemark <strong>und</strong> für Ribe war um 1500 Emden der nächste wichtige Handelsplatz.


Orgelmusik in der frühen Reformierten Kirche<br />

Auch für die Reformierte Kirche, die zwischen den Dordrechter Synoden von 1567 <strong>und</strong> 1618/19 Orgelmusik<br />

aus dem Gottesdienst offiziell ausgeschlossen hatte, wurden die Orgeln attraktiv. Man spricht davon,<br />

dass die Orgelmusik von Jan Pieterszoon Sweelinck sich im strengen Amsterdamer Calvinismus nur <strong>des</strong>halb<br />

entfalten konnte, weil sie außerhalb <strong>des</strong> Gottesdienstes erklang <strong>und</strong> weil das kostbare Instrument<br />

in städtischem Besitz war. Das gleiche muss auch für die Orgelmusik der benachbarten Marschengemeinden<br />

gelten, denn in ihnen gehörten die Orgeln ebenfalls keinem Kirchenregiment <strong>und</strong> konnten ebenfalls<br />

außerhalb <strong>des</strong> Gottesdienstes gespielt werden – nämlich vor ihm <strong>und</strong> nach ihm.<br />

Doch noch mehr: In den Dörfern wurde zwischen reformierter Gemeinde <strong>und</strong> weltlicher Agrargemeinschaft<br />

weit weniger scharf getrennt als in den Städten zwischen geistlichem <strong>und</strong> politischem Regiment; so kam<br />

es, dass auch in den Jahrzehnten um 1600, als die Reformierte Kirche der Orgelmusik mit großem Misstrauen<br />

begegnete, Kirchengemeinden Ostfrieslands kontinuierlich ganz offiziell Geld für Orgelreparaturen<br />

<strong>und</strong> Organistendienste ausgeben konnte. Für Hinte ist belegt, dass die Verantwortung für die Abwicklung<br />

dieser Geldzahlungen sogar beim Pastor lag.<br />

Gerade solch entspannte Orgel-Auffassungen müssen dazu geführt haben, dass der Orgel im frühen 17.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert eine Funktion im Psalmengesang reformierter Gemeinden zuwuchs, <strong>und</strong> zwar in der Liedbegleitung.<br />

In Emden wurden erste, vorsichtige Versuche 1640 unternommen; die Stadt erwies sich damit<br />

als ähnlich konservativ wie Alkmaar, denn in Groningen <strong>und</strong> Leeuwarden wurde schon um 1628 diese<br />

neue Praxis eingeführt.<br />

<strong>Die</strong> Marschen als Vorbildregion der Orgelkunst<br />

An der Liedbegleitung fanden in der Folgezeit auch die Lutheraner Gefallen, wenn auch in einem sehr<br />

langen Prozess: Vielerorts wurde erst nach 1750 eine Liedbegleitung durch die Orgel üblich. Statt <strong>des</strong>sen<br />

boten Organisten den Besuchern lutherischer Gottesdienste damals noch immer solistische Klänge<br />

dar, ähnlich wie im Orgelkonzert, aber mit klar geistlichen Zielsetzungen. Und nicht nur in Städten wie<br />

Norden gab es groß angelegte Ensemblemusik, sondern auch in manchen Agrargemeinden <strong>des</strong> weiteren<br />

Elbe-Weser-Mündungsraumes: Ensemblemusik der Organisten, die hierfür mit Vokal- <strong>und</strong> Instrumentalvirtuosen<br />

aus der Gemeinde zusammenarbeiten konnten. <strong>Die</strong>se musikalischen Spezialkenntnisse gehörten zu<br />

den Bildungsansprüchen, die die gesellschaftliche Führungsschicht an sich selbst stellte.<br />

In den Marschen an der Nordsee also wurde (erstmals in der Menschheitsgeschichte) das Luxusprodukt<br />

Orgel zur überregionalen Normalität. Sie kam in die Fläche, aufs Dorf. <strong>Die</strong> Agrargesellschaft hatte diese<br />

Orgeln finanziert – das war noch in guter Erinnerung, als die Reformation hierhin kam. Niemand konnte<br />

dieser Orgelleidenschaft langfristig etwas entgegensetzen, im Gegenteil: Sie regte zur Nachahmung<br />

an – hier in Ostfriesland, wo sie auch bei der Moorkolonisation Früchte trug, in Sachsen im Werk eines<br />

Gottfried Silbermann, der für viele Dörfer seiner Heimat erst im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert eine erste Orgel baute,<br />

oder sogar in Süddeutschland. Und als Ostfriesland 1744 preußisch geworden war, erschloss dies einem<br />

ostfriesischen Orgelbauer neue Aktionsfelder sogar in Preußen selbst. Dass heute die Orgel zum normalen<br />

Inventarstück einer Kirche gehört: Das verdanken wir den Marschenbauern der Zeit vor <strong>und</strong> um 1500, in<br />

den heutigen Niederlanden, in Deutschland <strong>und</strong> Dänemark.<br />

Sie standen in beständigem Austausch mit den Städten: bald mit Emden, Groningen <strong>und</strong> Amsterdam,<br />

bald mit Oldenburg oder den Hansestädten Bremen, Hamburg <strong>und</strong> Lübeck. Doch die Städte allein hätten<br />

nie die Wirkungsmacht aufbauen können, die die Orgel zum allgemeinen kulturellen Leitbild machte.<br />

Dafür brauchte man eine Vorbildregion: die Marschen. Ein extremes Beispiel: 1596 wurde die Orgel der<br />

Thomaskirche zu Leipzig erweitert. <strong>Die</strong> Arbeiten, richtungweisend für Sachsen, führte ein Orgelbauer aus,<br />

der aus Dithmarschen dorthin gekommen war.


Doch die Orgeln, die gleichzeitig in seiner Heimat entstanden, waren größer – 1½ Mal so groß wie die in<br />

der Thomaskirche zu Leipzig. Das sind also alles Kapitel einer gemeinsamen Orgel-Geschichte im südöstlichen<br />

Nordsee-Raum. Von einer gemeinsamen Wurzel aus entwickelten sich Stärken, die sich heute zu<br />

einem großen Ganzen zusammenfügen: uralte Orgeln vor allem in den reformierten Gebieten, größere,<br />

aber jüngere in den östlich/nordöstlich gelegenen Nachbarregionen, in denen sie vielfach durchsetzt sind<br />

von uralten Klangfarben wie nicht zuletzt im Alten Land (der Marschenregion, die ansonsten bis heute<br />

am stärksten von Arp Schnitger geprägt ist).<br />

Ebenso gibt es Partnerdokumente für die agrarischen Wurzeln dieser Orgeln. <strong>Die</strong> Rysumer gaben „ere vette<br />

beeste“; von jüngeren Orgelstiftern weiß man oft nicht nur die Namen, sondern auch, welche Höfe sie<br />

bewirtschafteten. Für Cuxhaven-Altenbruch ist genau bekannt, welche Landwirte im mittleren 17. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

die Soloparts in Kirchenmusikaufführungen übernahmen, <strong>und</strong> auf Pellworm haben sich neben der<br />

Schnitger-Orgel einige der 11 Notenpulte erhalten, an denen die Landwirte im Gottesdienst musizierten.<br />

So erschließt sich in diesem großen Raum auch eine Information über die frühe Orgelmusik. Noch um<br />

1600 war es in den Dörfern der Halbinsel Eiderstedt üblich, nur an drei Stellen <strong>des</strong> lutherischen Gottesdienstes<br />

die Orgel zu schlagen, noch so wie im Mittelalter: Eine davon war die Vorbereitung <strong>des</strong> Credo.<br />

<strong>Die</strong>se Praxis verweist zurück auf Musik wie das einzelne Credo <strong>des</strong> Oldenburger Mönchs Ludolf Bödeker<br />

aus Lingen.<br />

Herausforderungen eines Alleinstellungsmerkmals<br />

Man hat nun mit Erfolg die Einzigartigkeit <strong>des</strong> Wattenmeers international bekannt gemacht. Sie ist eine<br />

dreistaatliche Gemeinsamkeit. Auf der Landseite <strong>des</strong> Lebensraumes, der von den Naturgewalten geprägt<br />

wird, liegt – ebenfalls dreistaatlich gemeinsam – die Marsch, die vom Menschen geformt ist: Kulturland<br />

hinter Deich <strong>und</strong> Siel. Bemerkenswert ist aber, dass es auch Kunst gibt, die diese Marschen charakterisiert:<br />

Das sind die Orgeln. Keine andere Region der Welt kann hier auf 550 Jahre Geschichte zurückblicken<br />

– wie zwischen Rysum <strong>und</strong> L<strong>und</strong>en. „<strong>Die</strong> Marsch“ ist hierbei selbstverständlich nicht wörtlich zu<br />

nehmen: Denn gerade von angrenzenden, flutsicheren Erhebungen aus (Geestrand, Inlandsdünen, historische<br />

Strandwälle) ließen sich die Marschen bewirtschaften.<br />

Über dieser Region schwebte allzu lange das K.-o.-Argument „Frisia non cantat“ („Friesland singt<br />

nicht“), das auf Tacitus zurückgeführt wurde, aber offensichtlich eine Fälschung ist: Das Zitat ist nämlich<br />

vor dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert gar nicht nachweisbar. Gerade im Hinblick auf die Orgelmusik gehört der<br />

Satz auf den Müllhaufen der Geschichte. Als Alternative lässt sich eines der ältesten Stücke Orgelmusik<br />

in den Blick nehmen, die es überhaupt gibt. Es gehört zu den Fragmenten aus Winsum <strong>und</strong> ist, um 1430<br />

entstanden, eines der besten musikalischen Argumente, das einem „Frisia non cantat“ entgegen gehalten<br />

werden kann. Denn das Stück heißt selbst „Frysicum“. Es müsste eigentlich ein international verstandenes<br />

Signal der Orgelkunst sein, für die hier in Rysum der älteste übrig gebliebene Bau-Zeuge steht. Auch<br />

diese Musik gibt den Klang wieder, von dem die Erbauer dieser Orgel träumten.<br />

Man spricht vom Musikland Italien, ebenso von den Musikländern Thüringen <strong>und</strong> Sachsen, <strong>und</strong> meint<br />

damit nicht allein die aktuelle Musikpraxis (wie bei „Musikland Niedersachsen“), sondern Musikgeschichte<br />

von Weltrang. <strong>Die</strong> Nordseemarschen müssen eigentlich auf Augenhöhe mit Thüringen <strong>und</strong> Sachsen<br />

gesehen werden: das Land, in dem (nach städtischem Vorbild) zum ersten Mal die Orgel aufs Dorf <strong>und</strong><br />

zugleich in die Fläche kam – eine Idee, die von hier so intensiv ausstrahlte. Eine sensationelle Erfindung,<br />

die wir im kulturellen Erbe (national wie international) neu verankern sollten. Und das färbt dann auf<br />

alle anderen kulturellen Potentiale <strong>des</strong> Küstenraumes ab. <strong>Die</strong> Voraussetzungen dafür, die Kulturleistungen<br />

der Marschen insgesamt an eine breitere Öffentlichkeit zu tragen, waren nie so günstig wie heute, <strong>und</strong> in<br />

Sachen Orgel sind in den letzten Jahrzehnten so gute Voraussetzungen geschaffen worden, dass auch der<br />

letzte Schritt gelingen wird: dazu, dass in den Nordseemarschen die gemeinsame musikalische Vorbildfunktion<br />

umfassend dargestellt wird, die von hier aus in alle Welt drang.


Ausgewählte Literatur zum Thema<br />

Apel, Willi (Hrsg.): Keyboard music of the fourteenth and fifteenth centuries. Rom 1963 (Corpus of Early<br />

Keyboard Music, 1).<br />

Brouwer, Jaap, u. a.: Het Groninger Orgelbezit: fra Adorp tot Zeerijp. 5 Bde. <strong>und</strong> Ergänzungsband, Groningen<br />

1994–2009.<br />

Brunzema, Daniel: <strong>Die</strong> Gestaltung <strong>des</strong> Orgelprospektes im friesischen <strong>und</strong> angrenzenden Nordseeküstengebiet<br />

bis 1670 <strong>und</strong> ihre Bedeutung für die Gegenwart. Aurich 1958 (Abhandlungen <strong>und</strong> Vorträge zur<br />

Geschichte Ostfrieslands, 35).<br />

Jongepier, Jan, u. a.: Orgels in Noord-Holland: historie, bouw en gebruik van de Noordhollandse kerkorgels.<br />

Schoorl 1996.<br />

Kaufmann, Walter: <strong>Die</strong> Orgeln Ostfrieslands: Orgeltopographie. Aurich 1968 (Abhandlungen <strong>und</strong> Vorträge<br />

zur Geschichte Ostfrieslands, 48).<br />

Küster, Konrad: „‚Wolbestimmete Musica … nach Davids Manier <strong>und</strong> Gebrauch’: Eine Altenbrucher Trauerpredigt<br />

von 1653 als Schlüssel zu norddeutscher Musikkultur“, in: Stader Jahrbuch 97 (2007), S. 55–92<br />

(online: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/4668/).<br />

Küster, Konrad: „Musik am Deich: 500 Jahre Orgelkultur in den Marschen“, in: Jahrbuch <strong>des</strong> Altländer<br />

Archivs 2011, S. 7–31 (online: http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/8448/).<br />

Staehelin, Martin: <strong>Die</strong> Orgeltabulatur <strong>des</strong> Ludolf Bödeker: Eine unbekannte Quelle zur Orgelmusik <strong>des</strong><br />

mittleren 15. Jahrh<strong>und</strong>erts. Göttingen 1996.<br />

Vogel, Harald u. a.: Orgellandschaft Ostfriesland. Norden 2/1997.<br />

Wir danken allen Förderern <strong>des</strong> diesjährigen Krummhörner <strong>Orgelfrühlings</strong> herzlich!<br />

- Sparkassenstiftung Aurich-Norden<br />

- EWE-Stiftung<br />

- Ostfriesische Landschaft<br />

- Ostfriesen-Zeitung<br />

- cewe - einfach schöne Fotos<br />

- Touristik-GmbH Krummhörn-<strong>Greetsiel</strong><br />

- Rotary Clubs in Ostfriesland<br />

- Fre<strong>und</strong>eskreis <strong>des</strong> Krummhörner <strong>Orgelfrühlings</strong> e.V.

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