Jenaer Beiträge Nr. 15 - Sport Geschichte Jena
Jenaer Beiträge Nr. 15 - Sport Geschichte Jena
Jenaer Beiträge Nr. 15 - Sport Geschichte Jena
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Impressum Inhaltsverzeichnis<br />
<strong><strong>Jena</strong>er</strong> <strong>Beiträge</strong> zum <strong>Sport</strong><br />
Heft <strong>15</strong>, 2010<br />
Herausgeber: Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft<br />
der Friedrich-Schiller-Universität <strong>Jena</strong><br />
Bereich Hochschulsport<br />
Institutsdirektor: Prof. Dr. Reinhard Blickhan<br />
Gesamtredaktion: Dr. Hans-Georg Kremer<br />
Organisation und Förderkreis Universitätssport<br />
Finanzierung: beim USV <strong>Jena</strong><br />
Gestaltung und Satz: KMD | Weimar<br />
Fotos: Fotoarchiv des USV <strong>Jena</strong> e. V. und<br />
Universitätsarchiv<br />
Der Inhalt der <strong>Beiträge</strong> wird von den Autoren verantwortet.<br />
ISBN: 3-981 1310-6-1<br />
978-3-98 11 310-6-2<br />
1. Zum Geleit<br />
Hans-Georg Kremer<br />
2. Vorwort<br />
Thomas Ertelt<br />
3. Markus Breuer<br />
Strukturen und Wettkampsysteme im e<strong>Sport</strong><br />
4. Lars Donath<br />
Die Beziehung zwischen körperlicher<br />
Fitness und ventilatorischer Effizienz bei<br />
Major Depression:<br />
5. Michael Ernst<br />
Stabilität und Kontrolle für das<br />
schnelle Laufen auf unebenem Untergrund<br />
6. Christian Herrmann<br />
Evaluationsstudie PRimus<br />
7. Stefan Hochstein<br />
Strömungsuntersuchungen der<br />
Unterwasser-Delphinbewegung<br />
8. Carolin Küpper<br />
3D Rekonstruktion der Muskelarchitektur bei<br />
Oryctolagus cuniculus<br />
9. Kay Leichsenring<br />
Biomechanische Untersuchungen von Muskeleigenschaften<br />
beim Neuseelandkaninchen<br />
10. Dirk Nötzel<br />
Bein- und Beckenmuskelaktivierung bei<br />
Patienten mit chronisch nichtspezifischem<br />
Rückenschmerz und bei Gesunden<br />
11. Benedikt Römmelt<br />
Kundenanalysen als Basis einer<br />
Marketingstrategie<br />
Zusammenfassung der <strong>Beiträge</strong><br />
des Institutspreises 2008 und 2009<br />
Lars Donath<br />
Über die Bedeutung der Lebensverlängerungsund<br />
Lebensverkürzungsmittel für die gegenwärtige<br />
Gesundheitsförderung<br />
Markus Koch<br />
Kinematik der unteren Extremitäten in Reaktion<br />
auf in den Arm eingeleitete Störungen<br />
Katrin Körner<br />
Bewältigung von Herzkrankheiten<br />
Doris Potzel<br />
Empirische Studie zur Motivation von Fitness-<br />
<strong>Sport</strong>lerinnen<br />
Ulrike Schwalbe<br />
Zur Optimierung ausgewählter Aspekte der<br />
methodischen Gestaltung des Trainings im<br />
Triathlon/ Duathlon<br />
Antrag auf Mitgliedschaft im Förderkreis<br />
1<br />
2<br />
4<br />
5<br />
8<br />
11<br />
14<br />
17<br />
20<br />
23<br />
27<br />
29<br />
36<br />
36<br />
39<br />
40<br />
41<br />
42<br />
44
Zum Geleit<br />
Hans-Georg Kremer<br />
Der Förderkreis Universitätssport beim USV <strong>Jena</strong><br />
e. V. hat sofort nach Anfrage seine Unterstützung<br />
zugesagt, als Dr. Thomas Ertelt das Projekt „<strong><strong>Jena</strong>er</strong><br />
Doktoranden-Kolloquium am <strong>Sport</strong>institut“<br />
vorstellte. Die Förderung und Unterstützung von<br />
Nachwuchswissenschaftlern ist eine Kernaufgabe<br />
des Förderkreises. Noch zu wenig beachtet, sieht<br />
sich der Förderkreis Universitätssport auch als<br />
Alumniverein des Instituts für <strong>Sport</strong>wissenschaft.<br />
Dazu gehört, dass die Absolventen und Lehrkräfte des<br />
Instituts über den Förderkreis versuchen Verbindung<br />
zu halten und die Entwicklung des Instituts auf<br />
allen Gebieten im Rahmen ihrer Möglichkeiten<br />
zu unterstützen. Die Stiftung des Instituts- bzw.<br />
Absolventenpreises war schon seit längerem eine<br />
konkrete Form der Förderung. Jetzt kommt das<br />
Doktoranden-Kolloquium hinzu, von dem wir<br />
hoffen, dass es zur Tradition am Institut wird. Die<br />
Unterstützung von sportlichen Aktivitäten passierte<br />
bis jetzt vor allem bei der Gewinnung von Förderern<br />
für die <strong>Sport</strong>stättenentwicklung an der Universität.<br />
Immerhin konnten für den Bau der USV-<strong>Sport</strong>halle<br />
über 200.000,- € an Spendengeldern aquiriert<br />
werden. Insgesamt 36 Förderer haben sich mit<br />
größeren Beträgen (ab 500,-€) in die Liste der Stifter<br />
eingetragen, dazu kamen noch Baumpatenschaften,<br />
Dauersitzplatzkäufe und vor allem eine Vielzahl<br />
von kleineren Einzelspenden. Mit der Organisation<br />
der jährlichen „Jubiläums-Absolvententreffen“ und<br />
der Unterstützung der Absolventenverabschiedung<br />
wurde ein weiterer Baustein gelegt, der dazu<br />
beitragen soll, dass sich ein Netzwerk der „<strong><strong>Jena</strong>er</strong>-<br />
Spowis“ entwickelt. Ganz wichtig ist dabei das<br />
Netzwerk zwischen Nachwuchswissenschaftlern der<br />
verschiedenen Bereiche des Instituts. Die Stärke<br />
der <strong>Sport</strong>wissenschaft als Wissenschaft besteht<br />
vor allem darin, dass die Synergien zwischen den<br />
verschiedenen Lehrstühlen und Bereichen genutzt<br />
werden. In den Mutterwissenschaften werden die<br />
Teildisziplinen der <strong>Sport</strong>wissenschaft oft noch als<br />
Exoten betrachtet. Die noch stärkere Einbindung<br />
der großen Praxisbereiche, die nicht unbedingt<br />
Ausbildungscharakter tragen, im Hochschulsport<br />
oder in den <strong>Sport</strong>abteilungen im USV <strong>Jena</strong> e. V., birgt<br />
ein noch vielfach unerschlossenes Potential für die<br />
<strong>Sport</strong>wissenschaft. Im Gegensatz zu vielen anderen<br />
Hochschulen in Deutschland ist es in <strong>Jena</strong> noch nicht<br />
Standard, dass <strong>Sport</strong>studenten z. B. im größeren<br />
Umfange Leistungspunkte für ihren Beachelor oder<br />
später Masterabschluss im Hochschulsport oder USV<br />
erwerben können. Damit liegt ein großes Potential,<br />
pro Semester bis zu 10.000 <strong>Sport</strong>reibende,<br />
weitestgehend noch brach. Weit über 100 <strong>Sport</strong>studentinnen<br />
und <strong>Sport</strong>studenten nutzen von sich<br />
aus heute schon jedes Semester den USV, um als<br />
Übungsleiter ihre pädagogischen, didaktischen und<br />
sportartspezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
zu vervollkommnen und praxisrelevant einzusetzen.<br />
Hier gäbe es noch deutlich mehr Möglichkeiten,<br />
was durch Vergabe von Leistungspunkten durch die<br />
Lehrstühle deutlich aufgewertet werden könnte.<br />
2<br />
Für die Zukunft wird bei der Unterstützung des <strong>Sport</strong>s<br />
an der Universität die 2009 gegründete Stiftung<br />
<strong><strong>Jena</strong>er</strong> Universitätssport eine zunehmend größere<br />
Rolle spielen können. Nach der Satzung der Stiftung<br />
ist vorgesehen, dass sie sich einsetzt:<br />
1. Für die Erhaltung und Verbesserung der<br />
<strong>Sport</strong>anlagen für den Universitätssport<br />
und alle der Friedrich-Schiller-Universität<br />
nahe stehenden Institutionen und Vereine,<br />
die dem Stiftungszweck entsprechen,<br />
2.<br />
insbesondere für den Universitätssportverein<br />
<strong>Jena</strong> e. V.,<br />
für die Förderung des Kinder-, Jugend-,<br />
Hochschul- und Breitensports für alle<br />
3.<br />
Universitätsangehörigen und der Universität<br />
nahe stehenden Institutionen und Vereine,<br />
insbesondere des Universitätssportvereins<br />
<strong>Jena</strong> e. V.,<br />
für die Förderung von Wissenschaft und<br />
Forschung auf dem Gebiet des <strong>Sport</strong>s, der<br />
Gesundheit und sportlichen Ausbildung<br />
sowie Ausübung (Training, <strong>Sport</strong>lehrer,<br />
4.<br />
Übungsleiter),<br />
für die Verbesserung und Fortentwicklung<br />
der medizinischen Begleitung und gesundheitlichen<br />
Überprüfung der <strong>Sport</strong>ler,<br />
5. für die Vergabe von Stipendien an <strong>Sport</strong>ler<br />
zwecks Ausübung des <strong>Sport</strong>s und an<br />
6.<br />
Studierende zwecks Ausbildung am Institut<br />
für <strong>Sport</strong>wissenschaft der Universität <strong>Jena</strong>,<br />
für die Unterstützung von Veranstaltungen<br />
des Universitätssportvereins,<br />
7. für die Durchführung von Tagungen und<br />
Forschungsprojekten im Bereich des <strong>Sport</strong>s<br />
und der <strong>Sport</strong>wissenschaft,<br />
8. für die Verstärkung und Unterstützung der<br />
Lehrkapazitäten des Instituts für <strong>Sport</strong>-<br />
9.<br />
wissenschaft und des Hochschulsports,<br />
für die Unterstützung der Ausbildung der<br />
<strong>Sport</strong>studentinnen und –studenten,<br />
10. für die Aus- und Weiterbildung von ehrenamtlichen<br />
Übungsleitern und Funktionären<br />
im <strong>Sport</strong>,<br />
11. für die Pflege der <strong>Sport</strong>geschichte und der<br />
Traditionspflege des <strong>Sport</strong>s an der <strong><strong>Jena</strong>er</strong><br />
Universität und der Stadt <strong>Jena</strong>.<br />
Dafür werden wir zukünftig verstärkt werben,<br />
um durch möglichst viele Zustiftung auch von<br />
Absolventen und ehemaligen <strong>Sport</strong>lern, um die<br />
<strong>Sport</strong>wissenschaft und den <strong>Sport</strong> an der Friedrichschiller-Universität<br />
kontinuierlich unterstützen zu<br />
können.Die Unterstützung des „<strong><strong>Jena</strong>er</strong> Doktoranden-<br />
Kolloquium am <strong>Sport</strong>institut“ ist ein Element, dass<br />
auch bei zukünftigen Auflagen gefördert werden soll.<br />
Hoffen wir, dass es nicht, wie bei einem ähnlichen<br />
Projekt 1981, bald wieder in Vergessenheit gerät,<br />
sondern dass es eine feste Tradition am Institut für<br />
<strong>Sport</strong>wissenschaft wird.
1981 gab es an der damaligen Sektion <strong>Sport</strong>wissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität <strong>Jena</strong> ein Treffen von Nachwuchswissenschaftlern<br />
aller „<strong>Sport</strong>institute“ der DDR. Leider wurde diese Veranstaltungsreihe nicht weiter ausgebaut. Zu den <strong><strong>Jena</strong>er</strong> Teilnehmern gehörten<br />
u. a. Günther Wittemann, Marlies Goldammer, Karl-Heinz Wohlgefahrt, Sylvia Stanek, Eberhard Loosch, Rilo Pöhlmann, Manfred Thieß,<br />
Betina Justus und Ilse Bleyer.<br />
3
Vorwort<br />
Thomas Ertelt<br />
Der Einstieg in die Forschung oder vielmehr der Beginn<br />
des wissenschaftlichen Arbeitens ist von „Impulsen“<br />
abhängig und geprägt. Diese können dabei unterschiedlichste<br />
Charaktere aufweisen und aus verschiedensten<br />
Ursachen erwachsen. So können wir aus eigenem Antrieb<br />
heraus, aufgrund einer Idee oder Ahnung einer Sache<br />
nachgehen und diese erforschen oder aber der Antrieb<br />
wird in Form eines fördernden Gedankens von außen an<br />
uns heran getragen. Gerade letzterer ist zumeist am Beginn<br />
der wissenschaftlichen Tätigkeit von unschätzbarem<br />
Wert und maßgeblich für die erste Weichenstellung. Für<br />
den Fall der universitären Laufbahn ist dies zumeist ein<br />
Lehrstuhlinhaber, der aufgrund großer Erfahrung, Menschenkenntnis,<br />
Beobachtungsgabe und natürlich auch auf<br />
der Grundlage erbrachter Leistungen und des gezeigten<br />
Engagements einen solchen Impuls erzeugt und das in uns<br />
liegende Potential erkennt und fördern möchte. Dabei sind<br />
Entwicklung und Ziel einer wissenschaftlichen Tätigkeit,<br />
insbesondere die Laufbahn derselben mitunter nicht immer<br />
von vornherein klar strukturiert und bis zum Ende völlig<br />
überschaubar. Manchmal mag man sich im Detail verirren<br />
und den großen Zusammenhang aus den Augen verlieren.<br />
Manchmal verliert man die Fähigkeit bestimmte Dinge<br />
aus einem anderen Blickwinkel heraus zu betrachten, aus<br />
einer Perspektive heraus, von deren Position eine Lösung<br />
manchmal ganz trivial erscheint. Ein solches Phänomen beschränkt<br />
sich nicht nur auf die wissenschaftliche Arbeit als<br />
solches. Es kann auch innerhalb von Arbeitsgruppen, Fachbereichen<br />
und Instituten beobachtet werden. Häufig gehen<br />
gemeinsame Arbeitsfelder über die Jahre hinweg verloren,<br />
wobei der wachsende Konkurrenzdruck insbesondere bei<br />
Drittmitteleinwerbung und brisanter Forschungsvorhaben<br />
sein übriges dazu beiträgt. Junge Wissenschaftler, aber<br />
auch „neu“ hinzugekommene Kollegen stehen solch „abgeschotteter“<br />
Arbeitsweisen, zumeist ratlos und machtlos<br />
gegenüber. Aber gerade diesen Personengruppen obliegt<br />
die Möglichkeit die mitunter festen Trennungen zwischen<br />
den Bereichen und Gruppen aufzubrechen und gemeinsam<br />
die sich hieraus bietenden überaus großen Möglichkeiten<br />
zur „Wissenserweiterung“ zu nutzen. Manchmal gelingt<br />
dies von allein und manchmal benötigt man wie bei der<br />
eigenen Förderung einen neuen Impuls.<br />
Einen solchen Impuls, angeregt durch die wohl größte<br />
Nachwuchsgruppe des Institutes, wollte in diesem Jahr<br />
der Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft geben. Die guten<br />
Erfahrungen der innerdisziplinären Diskussions- und<br />
Gruppenrunden sollten als Grundlage und Denkanstoß für<br />
eine fachübergreifende Diskussion und Zusammenarbeit<br />
herangezogen werden und gleichzeitig die Möglichkeit<br />
bieten, den wissenschaftlichen Nachwuchs anderer Bereiche<br />
nicht nur bezüglich des gerade bearbeitenden<br />
Forschungsgegenstandes, sondern auch persönlich näher<br />
kennen zu lernen.<br />
Von daher sollte zum ersten Mal in der <strong>Geschichte</strong> des Institutes<br />
ein sportwissenschaftliches Doktorandenkolloquium<br />
durchgeführt werden. Nach einigen Gesprächsrunden trat<br />
Prof. Dr. Reinhard Blickhan an mich heran und fragte ob ich<br />
die Organisation und Leitung des Vorhabens übernehmen<br />
wolle. Etwas überrumpelt und auch aufgrund einer meiner<br />
Schwächen, stimmte ich „spontan“ zu.<br />
Aus heutiger Sicht bin ich Ihm hierfür sehr dankbar, denn<br />
4<br />
durch Ihn habe ich diesen „notwendigen“ Impuls erhalten,<br />
mich einer völlig neuen Aufgabe und Herausforderung<br />
zuzuwenden, die meiner Meinung nach mit zu den<br />
Tätigkeitsfeldern einer universitären Laufbahn gehören.<br />
Sicherlich, so denke ich, wurde dieser „Impuls“ nicht ohne<br />
Hintergedanken und Risikoabwägung an mich herangetragen<br />
und sicherlich war es kein spontaner Geistesblitz.<br />
Nach erstem Vortasten bezüglich einer solchen Idee,<br />
stellte sich rasch heraus, dass eine solche übergreifende<br />
Veranstaltung gerade unserem Institut fehlte und von allen<br />
befürwortet wurde. Und so war es auch nicht verwunderlich,<br />
dass das endgültige Vorhaben auf eine überaus große<br />
Resonanz stieß, die auch Doktoranden anderer Institute<br />
herbei lockte.<br />
Nach unzähligen Überlegungen und kreativen Ergüssen<br />
konnte für eine solche Veranstaltung ein eindeutiger Name<br />
mit einem ebenso prägnanten Logo gefunden werden.<br />
Beide, Name wie auch Logo bieten die Möglichkeit zur Fortführung<br />
zukünftiger Veranstaltungen und unter Umständen<br />
auch die Öffnung zu anderen Instituten. J-DOKS, das <strong><strong>Jena</strong>er</strong><br />
Doktoranden Kolloquium am <strong>Sport</strong>institut war geboren.<br />
Und welcher Ort, als die Rosensäle der Friedrich-Schiller<br />
Universität, wäre geeigneter gewesen, dem feierlichen<br />
Anlass gerecht zu werden.<br />
Am 26.10.2009 war es dann soweit und wir luden zum<br />
Kolloquium. Aufgeteilt auf vier Vortragsserien von je 3-5<br />
<strong>Beiträge</strong>n trugen 16 Nachwuchswissenschaftler aus den<br />
Fachbereichen Biomechanik (Bewegungswissenschaft),<br />
Medizin, Ökonomie, Pädagogik und Trainingswissenschaft<br />
Teile ihrer aktuellen Forschungsprojekte vor, wobei eine<br />
überraschend große Zuhörerschaft den Vorträgen beiwohnte<br />
und sich aktiv an den jeweiligen Diskussionsrunden<br />
beteiligte.<br />
Alle <strong>Beiträge</strong> wurden auf hohem Niveau frei und mit ausgefeilten<br />
Präsentationen vorgetragen. Dieser Umstand ist<br />
nicht selbstverständlich, da sich die Referenten in weit<br />
auseinanderliegenden Abschnitten ihrer Promotion befanden.<br />
Sicherlich mag man von Rednern, welche am Ende<br />
ihrer Promotion stehen bzw. diese schon abgeschlossen<br />
haben, ein gewisses Maß an Vortragserfahrung erwarten,<br />
dennoch zeigten insbesondere auch die Redner, welche<br />
am Anfang ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit standen und<br />
stehen, ein überaus hohes Vortragsniveau.<br />
Die vorgestellten Themen selbst verdeutlichten, wie groß<br />
das Spektrum sportwissenschaftlicher Forschung ist und<br />
demonstrierten in eindrucksvoller Weise welches Potential<br />
sich in ihr verbirgt.<br />
Besonderer Dank gilt natürlich unseren Sponsoren, insbesondere<br />
dem USV, namentlich Dr. Kremer und Andrea<br />
Altmann, ohne die die Veranstaltung in diesem Rahmen<br />
nicht hätte stattfinden können, was im besonderen Maße<br />
auch die Publikation der <strong>Beiträge</strong> als Sonderausgabe der<br />
„<strong><strong>Jena</strong>er</strong> <strong>Beiträge</strong> zum <strong>Sport</strong>“ betrifft.<br />
Der Erfolg einer solchen Veranstaltung ist nicht von vornherein<br />
abschätzbar. Dennoch zeigte die rege Beteiligung,<br />
das Engagement der beteiligten Doktoranden, wie auch<br />
die guten Präsentationen, welchen Stellenwert eine solche<br />
Veranstaltung einnehmen kann. Es wäre allen zu wünschen,<br />
wenn die während des Kolloquiums angeregten Diskussionen<br />
und Impulse fortgeführt werden könnten und sich<br />
gemeinsame Projekte und Arbeiten erschließen würden.<br />
Der Erfolg der Veranstaltung wird in naher Zukunft messbar<br />
werden. Das Kolloquium selbst sollte einen Anstoß geben.
Strukturen und Wettkampsysteme im e<strong>Sport</strong><br />
Markus Breuer<br />
Lehrstuhl für <strong>Sport</strong>ökonomie, Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft,<br />
Friedrich-Schiller-Universität <strong>Jena</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Mit dem elektronischen <strong>Sport</strong> (e<strong>Sport</strong>) hat sich in den vergangenen<br />
Jahren eine neue Form des sportlichen Wettbewerbs<br />
herausgebildet, die ohne die Entwicklungen<br />
im Bereich der digitalen Spiele nicht oder nur in anderer<br />
Form möglich gewesen wäre. Bezüglich der Strukturen und<br />
Wettkampfsysteme ähnelt der e<strong>Sport</strong> bereits heute, wenige<br />
Jahre nach seinem Entstehen, stark dem konventionellen<br />
Spitzen- und Mediensport und unterscheidet sich<br />
damit gleichzeitig von vielen Trendsportarten. Die Ähnlichkeit<br />
betrifft neben der Herausbildung von professionellen<br />
Wettbewerben insbesondere die Organisation der Aktiven<br />
in Vereinen, die teils als „eingetragene Vereine“, teils als<br />
Kapitalgesellschaften aufgebaut sind. Lediglich hinsichtlich<br />
des Verbandswesens wird bislang eine Sonderrolle<br />
eingenommen.<br />
Einleitung<br />
Der elektronische <strong>Sport</strong> (e<strong>Sport</strong>) stellt für die <strong>Sport</strong>wissenschaft<br />
im Allgemeinen und für die <strong>Sport</strong>ökonomie im Speziellen<br />
ein weitestgehend unbeachtetes Forschungsfeld dar.<br />
Der vorliegende Beitrag soll e<strong>Sport</strong> als „das wettbewerbsmäßige<br />
Spielen von Computer- oder Video-spielen im<br />
Einzel- oder Mehrspielermodus“ (Müller-Lietzkow, 2006:<br />
102) verstehen. Der Wettbewerbsgedanke verdient es besonders<br />
hervorgehoben zu werden, da er sich einerseits in<br />
den hier zitierten Definitionen wieder findet, andererseits<br />
eines der zentralen Zuwendungsmotive der Computerspielnutzung<br />
darstellt (Hartmann, 2008: 211 sowie die dort angegebenen<br />
Quellen). Nach diesem Verständnis gehört vor<br />
allem das gelegentliche Nutzen von elektronischen Spielen<br />
ohne kompetitiven Hintergrund nicht zum Untersuchungsgegenstand.<br />
Die Frage, ob e<strong>Sport</strong> dem <strong>Sport</strong> zuzurechnen<br />
ist, ist von Müller-Lietzkow (2007) bereits mit Hilfe einer<br />
Mehrebenen-Analyse behandelt worden. Besondere Übereinstimmungen<br />
konnten dabei im Bereich der Strukturen<br />
und der Wettkampfsysteme festgestellt werden, die auch<br />
im Fokus des vorliegenden Beitrages stehen sollen. In diesem<br />
Rahmen werden in concreto Mannschaf-ten, Ligenbetreiber<br />
und Turniere sowie Interessenvertretungen betrachtet.<br />
Die Darstellung beschränkt sich auf Deutschland.<br />
Eine internationale Betrachtung kann im Rahmen des vorliegenden<br />
Beitrags nicht geleistet werden.<br />
Mannschaften im e<strong>Sport</strong><br />
Schrammel (2006: 5) sieht in der Tatsache, dass sich im<br />
e<strong>Sport</strong> fest organisierte Einheiten bilden, einen Beleg<br />
dafür, dass sich die Beteiligten vermehrt als <strong>Sport</strong>ler im<br />
klassischen Sinne verstehen. Gleichwohl bezeichnen sich<br />
diese Einheiten in aller Regel nicht mit dem deutschen Terminus<br />
der Mannschaft oder des Vereins, vielmehr findet<br />
der Ausdruck des Clans Verwendung, ein Begriff, dessen<br />
Ursprung in der Ethnologie liegt und ursprünglich stammesähnliche<br />
Gemeinschaftsformen beschreibt. Im e<strong>Sport</strong><br />
bezeichnet der „Clan“ einen Zusammenschluss mehrerer<br />
Spieler (Top Ideas, 2007: 7) oder auch eine virtuelle<br />
Spielergemeinschaft (Fritz, 2003). Die Bedeutung für die<br />
Individuen ist dabei vielfältig. So dienen Clans einerseits<br />
der Organisation des Spiels bzw. <strong>Sport</strong>s, andererseits dienen<br />
sie als soziales Netzwerk. So ist belegt, dass sich 70<br />
% der jeweiligen Mitglieder auch außerhalb des e<strong>Sport</strong>s<br />
zu anderen Aktivitäten treffen (Sauer, 2004: 17). Teilweise<br />
werden die Termini Clan und Team synonym eingesetzt,<br />
was nach strenger Auslegung als falsch bezeichnet werden<br />
muss. So besteht ein Clan in der Regel aus mehreren<br />
Teams, abhängig davon, wie viele unterschiedliche Spiele<br />
betrieben werden; jedes Team widmet sich einem einzelnen<br />
Spiel (Wimmer, Quandt &Vogel, 2008: <strong>15</strong>2). Der<br />
Vergleich zum Mehrsparten-<strong>Sport</strong>verein liegt nahe. Die<br />
Größe eines Clans kann erheblich variieren, von einigen<br />
wenigen Spielern bis hin zu Vereinigungen von mehreren<br />
hundert Aktiven. Bis heute bestehen die meisten Clans<br />
ausschließlich aus Jugendlichen (Adamus, 2006: 146), ein<br />
ansteigendes Durchschnittsalter in den kommenden Jahren<br />
ist je-doch zu erwarten. Mit der Größe variiert auch die<br />
Motivation der Zusammenschlüsse. Nach Wenzler (2003:<br />
21) lassen sich drei Gruppen unterscheiden: Dies sind zum<br />
einen reine Fun-Clans, bei denen Spielspaß und soziale<br />
Interaktion im Vordergrund stehen, zum zweiten semiprofessionelle<br />
Clans, deren Ziele sowohl im Wettbewerb<br />
als auch im Spielspaß in der Gruppe liegen und schließlich<br />
sog. Pro-Gamer-Clans. Bei letzteren steht der Erfolg des<br />
Spiels im wettbewerblichen Vergleich zu anderen Personen<br />
oder Gruppierungen im Vordergrund. In der Regel findet<br />
eine Unterstützung technischer und finanzieller Art durch<br />
Sponsoren statt. Auch hier zeigt sich die Nähe zum konventionellen<br />
<strong>Sport</strong>. Die zitierte Einteilung ist jedoch nicht<br />
unumstritten. So versteht der Deutsche e<strong>Sport</strong>-Bund (esb)<br />
nur solche Gemeinschaften als Clan, die gemeinsam an<br />
Turnieren und Wettkämpfen teilnehmen. Die Gruppe der<br />
o. g. Fun-Clans wäre mittels dieser Definition ausgeschlossen.<br />
Eine Quantifizierung der in Deutschland aktiven Zusammenschlüsse<br />
fällt schwer. Die wohl am häufigsten zitierte<br />
Zahl beläuft sich auf 40.000 Mannschaften und wird vom<br />
e<strong>Sport</strong>-Bund vertreten. Während die Zusammenschlüsse<br />
der Breitensportler häufig nicht institutionalisiert sind, organisieren<br />
sich professionelle Clans vielfältig. Dies reicht<br />
von der Form eines eingetragenen Vereins über eine Limited<br />
(Ltd.) nach britischem Verständnis bis hin zu „Werksteams“<br />
wie sie bspw. aus dem Bayer-Konzern bekannt<br />
sind.<br />
e<strong>Sport</strong> Wettkämpfe: Turniere und Ligen<br />
Die mediale Verwertung sportlicher Wettkämpfe wird<br />
durch das Bestehen fester Strukturen bspw. in Form einer<br />
Liga, eines Cup-Wettbewerbes oder der Austragung von<br />
Titelkämpfen deutlich vereinfacht. Beim Vorliegen fester<br />
Strukturen verringern sich die individuellen In-formationskosten,<br />
die ein jeder Konsument bezüglich der beteiligten<br />
Parteien, des Austragungsortes, des Termins etc. zu tragen<br />
hat. Gleichzeitig vereinfacht sich Planung der Aktiven.<br />
Für die verschiedenen Ausprägungen des e<strong>Sport</strong>s sollen<br />
im Folgenden verschiedene Wettbewerbstypen vorgestellt<br />
werden.<br />
Im professionellen elektronischen <strong>Sport</strong> mit seiner ausgeprägten<br />
Markt- und Medienorientierung finden sich im Gegensatz<br />
zum europäischen Modell des klassischen <strong>Sport</strong>s<br />
durchgängig Veranstalter, die als Kapitalgesellschaften<br />
5
agieren und somit gewinnorientiert arbeiten. Diese Unternehmen<br />
lassen sich nun an Hand verschiedener Ausprägungen<br />
kategorisieren wie z. B.:<br />
• Die Fokussierung auf bestimmte Genres bzw. einzelne<br />
Spiele/Disziplinen: Prinzipiell kann zwischen Anbietern<br />
unterschieden werden, die sich auf die Organisation von<br />
Wettkämpfen in einzelnen Spielen konzentrieren, wohingegen<br />
andere Anbieter eine breitere Palette an-bieten. Als<br />
Beispiel für eine Liga, die sich auf ein einzelnes Spiel konzentriert,<br />
findet sich in der Warcraft 3 ClanLeague, eine<br />
möglichst weite Marktabdeckung streben hingegen die<br />
großen Anbieter in Gestalt der Electronic <strong>Sport</strong>s League<br />
und der World Cyber Games an. Während bei letztgenannten<br />
im Gründungsjahr 2000 noch Titel in vier Bereichen<br />
vergeben wurden, konnte die Zahl binnen sieben Jahren<br />
verdreifacht werden.<br />
• Die mögliche Fokussierung auf einzelne Systeme: Als<br />
System wird in diesem Zusammenhang der technische<br />
Ausgangspunkt verstanden, auf dem ein Spiel basiert. Im<br />
Bereich des e<strong>Sport</strong>s können hier mit Personal Computern<br />
sowie den Konsolen zwei Hauptgruppen identifiziert werden,<br />
bei der die Konsolen quantitativ den deutlich geringeren<br />
Teil der Spieler stellen. Folglich existiert im deutschsprachigen<br />
Raum mit der Playstationliga auch nur ein<br />
Anbieter, der sich ausschließlich auf diese Systeme konzentriert.<br />
Der e<strong>Sport</strong> findet sowohl online, als auch offline statt. Onlinewettbewerbe<br />
richten sich an Amateurspieler, die sich<br />
mit menschlichen Kontrahenten messen wollen. Neben<br />
spontanen Wettkämpfen ist eine Vielzahl der Aktiven in<br />
einer Liga organisiert. Die Teilnahme ist in der Regel kostenlos.<br />
An den Auswahlwettkämpfen zu den World Cyber<br />
Games nahmen alleine 2008 1,3 Millionen Menschen aus<br />
85 Nationen teil. Bei Live-Events treten professionelle<br />
Spieler vor Publikum gegeneinander an. Neben den eigentlichen<br />
Matches wird den Zuschauern ein Rahmenprogramm<br />
geboten, das bspw. die Möglichkeit, neue Spiele<br />
und Zubehör zu testen, umfasst. Austragungsorte sind in<br />
aller Regel Messe- oder Mehrzweckhallen. Auf der Ebene<br />
national ausgetragener Turnierserien können derartige<br />
Events in Deutschland inzwischen vierstellige Zuschauerzahlen<br />
verzeichnen; Sponsoren und Eintrittsgelder ermöglichen<br />
Preisgelder, die vier- und fünfstellige Höhen erreichen<br />
und erste Profis im deutschen e<strong>Sport</strong> hervorgebracht<br />
haben.<br />
Interessenvertretungen im e<strong>Sport</strong><br />
Neben institutionalisierten Ligen und Turnieren, wie sie<br />
bereits beschrieben worden sind, gehören zu einer komplexen<br />
Struktur ebenfalls Interessenvertretungen. Aus<br />
dieser Gruppe sollen im Folgenden für den e<strong>Sport</strong> zwei<br />
Akteure näher betrachtet werden, an deren Aufbau und<br />
Funktion sich ein großer Teil der besonderen Umstände im<br />
elektronischen <strong>Sport</strong> ablesen lässt: Der esb und die G7.<br />
Der deutsche e<strong>Sport</strong>-Bund wurde 2004 als eingetragener<br />
Verein auf Grund der Einsicht gegründet, dass es für die<br />
öffentliche Wahrnehmung, die Repräsentation gegenüber<br />
Politik und Öffentlichkeit, das weitere Wachstum des e<strong>Sport</strong>s<br />
sowie sportlich faire Chancengleichheit wichtig sei,<br />
eine offizielle Kommunikationsplattform zu bilden (esb,<br />
2004: 1). Nach eigener Aussage steht der Bund allen professionellen,<br />
semiprofessionellen und freizeitorientierten<br />
6<br />
Gamern offen, unabhängig davon, ob sie in Clans organisiert<br />
oder als Einzelspieler aktiv sind. Die Ziele sind die<br />
Schaffung klarer Strukturen, die den elektronischen <strong>Sport</strong><br />
für Außenstehende interessant und für Investoren (sic!) attraktiv<br />
machen, der Aufbau eines allgemeinen Regelwerks<br />
bspw. bezüglich Spielertransfers sowie die Festlegung von<br />
Qualitätsstandards (ebenda: 2 f.). Organisatorisch wie<br />
auch in Bezug auf die Tätigkeiten unterscheidet sich der<br />
esb damit augenfällig von klassischen Spitzenverbänden.<br />
Während diese an der Spitze eines pyramidalen, hierarchischen<br />
Systems stehen und bspw. für die Austragung von<br />
Meisterschaf-ten sowie die Ausbildung der Trainer verantwortlich<br />
sind, definiert sich der esb als Schnitt-stelle der<br />
beteiligten Akteure, nicht jedoch als oberste Instanz. Ein<br />
zweiter, elementarer Unterschied liegt in der Tatsache,<br />
dass der esb in keiner Weise unmittelbar an der Austragung<br />
von Wettbewerben beteiligt ist. Dies liegt in der alleinigen<br />
Verantwortung der jeweiligen Veranstalter.<br />
Eine zweite Interessenvereinigung stellen die „G7 Teams“<br />
dar, ein internationaler Zusammenschluss professioneller<br />
Clans. Der Fokus der 2006 gegründeten Organisation<br />
liegt dabei einerseits auf eben jenem professionellen Segment,<br />
andererseits will man die Belange der Basis nicht<br />
unberücksichtigt lassen, wie aus dem mission statement<br />
(abrufbar unter www.g7teams.com) ersichtlich wird: „To<br />
promote and improve all aspects of professional e-sports<br />
and safeguard the general interests of the entire e-sports<br />
community.“ Gründungsmit-glieder waren sieben international<br />
erfolgreiche Clans; auf eine Auflistung der aktuellen<br />
Mitglieder soll auf Grund von Fluktuationen verzichtet<br />
werden. Zu den konkreten Aktivitäten des Zusammenschlusses<br />
gehört insbesondere das Aufstellen einer unabhängigen<br />
Weltrangliste für das Spiel Counter Strike 1.6.<br />
Weiterhin bemühen sich die G7 um Einfluss auf Regeln<br />
und die Austragung verschiedener Turniere mit dem Ziel<br />
einer möglichst hohen Professionalität. Sie agieren damit<br />
in einem ähnlichen Umfeld wie der esb. Interessant sind<br />
die G7 auch aus einer institutionenökonomischen Perspektive,<br />
da Spieler bzw. Mannschaften hier einen ersten<br />
Ver-such der Interessenbündelung unternehmen, um ihre<br />
Verhandlungsposition gegenüber den Turnierveranstaltern<br />
zu stärken.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Unabhängig von der Frage, ob e<strong>Sport</strong> gesellschaftlich<br />
(und in der <strong>Sport</strong>wissenschaft) als <strong>Sport</strong> anerkannt wird,<br />
ließ sich zeigen, dass Strukturen und Wettbewerbe bereits<br />
heute eine hohe Professionalität aufweisen. Durch<br />
das Fehlen eines Spitzenverbandes im europäischen Sinne<br />
(verantwortlich für Wettbewerbe etc.) gewinnt der elektronische<br />
<strong>Sport</strong> und seine Organisation eine gewisse Nähe zu<br />
den nordamerikanischen Major Leagues, deren Teambesitzer<br />
als primäres Ziel die Gewinnmaximierung verfolgen.<br />
Die starke Ökonomisierung des e<strong>Sport</strong>s, die sich bspw. in<br />
der Organisation von Clans als Kapitalgesellschaften zeigt,<br />
scheint eine Entwicklung zu sein, die im konventionellen<br />
Spitzensport für die nahe Zukunft ebenfalls zu erwarten ist<br />
und sich im Profifußball schon seit einigen Jahren offenbart.
Literatur<br />
•Adamus, T. (2006): Computerspiele – mods, clans und e-sportler,<br />
Saarbrücken.<br />
•esb (2004): Deutscher e<strong>Sport</strong>-Bund – Grundkonzept, Fassung vom<br />
Dezember 2004, Berlin.<br />
•Fritz, J. (2003): Ich chatte, also bin ich. Virtuelle Spielergemeinschaften<br />
zwischen Identitäts-arbeit und Internetsucht, abrufbar<br />
unter: http://www1.bpb.de/themen/YBL3QW,0,Ich_chatte_<br />
also_bin_ich.html<br />
•Hartmann, T. (2008): Let’s compete! Wer nutzt den sozialen Wett<br />
bewerb in Computerspie-len?, in: Quandt, T.; Wimmer, J. & Wolling,<br />
J.(Hrsg.): Die Computerspieler. Studien zur Nutzung von Com<br />
putergames, Wiesbaden, S. 211–224.<br />
•Müller-Lietzkow, J. (2006): <strong>Sport</strong> im Jahr 2050: E-<strong>Sport</strong>! Oder: Ist<br />
E-<strong>Sport</strong> <strong>Sport</strong>?, in: medien + erziehung, 2006/6, S. 102–112.<br />
•Müller-Lietzkow, J. (2007): Die Veränderung des traditionellen<br />
<strong>Sport</strong>bildes in Gesellschaft und Politik durch e<strong>Sport</strong>, in: Bevc, T.<br />
(Hrsg.): Computerspiele und Politik, Münster, S. 221–248.<br />
•Schrammel, S. (2006): E-<strong>Sport</strong>: ein Beitrag zum Entwurf des Menschen?!<br />
Eine Auseinander-setzung mit E-<strong>Sport</strong> aus spieltheore<br />
tischer Perspektive, Wien.<br />
•Sauer, C. (2004): Untersuchungen zum Vermarktungspotential von<br />
e<strong>Sport</strong> in Deutschland, unveröffentlichte Diplomarbeit, Bielefeld.<br />
Top Ideas (2007): e<strong>Sport</strong>s Book, Edition 2007: Das Jahr des Auf<br />
bruchs, Wien.<br />
•Wenzler, N. (2003): Dynamik und Strukturen von Internet-Clans,<br />
unveröffentlichte Diplomarbeit, Köln.<br />
•Wimmer, J.; Quandt, T. & Vogel, K. (2008): Teamplay, Clanhopping<br />
und Wallhacker – Eine explorative Analyse des Computerspielens in<br />
•Clans, in: Quandt, T.; Wimmer, J. & Wol-ling, J. (Hrsg.): Die Com<br />
puterspieler. Studien zur Nutzung von Computergames,Wiesbaden,<br />
S. 149–167.<br />
7
Die Beziehung zwischen körperlicher<br />
Fitness und ventilatorischer Effizienz bei<br />
Major Depression:<br />
Ein möglicher Beitrag zur Risikostratifizierung?<br />
Lars Donath<br />
Lehrstuhl für <strong>Sport</strong>medizin, Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft,<br />
Friedrich-Schiller-Universität <strong>Jena</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Patientinnen mit Major Depression (MDD) zeigen eine<br />
deutlich reduzierte submaximale Leistungsfähigkeit an der<br />
ersten ventilatorischen Schwelle (VT). Die metabolische<br />
Regulation, das Anstrengungsempfinden und die Herzfrequenz<br />
weisen an diesem ventilatorischen Umschlagpunkt<br />
hingegen keine Unterschiede auf. Weiterhin konnten<br />
wir gegenüber den gesunden Kontrollen eine veränderte<br />
Atemeffizienz anhand des signifikant erhöhten VE/VCO2slope<br />
bei MDD nachweisen. Wir vermuten, dass die veränderte<br />
Funktion des Autonomen Nervensystems und<br />
die reduzierte Baroreflexsensitivität hierfür maßgeblich<br />
verantwortlich sein könnten. Ventilatorische Ineffizienz<br />
scheint jedoch stärker mit maximalen als mit submaximalen<br />
Leistungsparametern zusammenzuhängen und ist zunächst<br />
von der Depressionsschwere unabhängig. Weitere<br />
Längsschnittuntersuchungen könnten klären, ob sich der<br />
VE/VCO2-slope tatsächlich eignet, um das erhöhte kardiale<br />
Risiko bei MDD zu stratifizieren.<br />
Einleitung<br />
Kardiopulmonale Leistungsdiagnostik (CPET) bietet neben<br />
der Erfassung der maximalen und submaximalen Leistungsfähigkeit<br />
die Möglichkeit, das kardiovaskuläre Risiko<br />
zu stratifizieren (Ingle et al., 2007). Es ist bekannt, dass<br />
eine erniedrigte Sauerstoffaufnahme an der ventilatorischen<br />
Schwelle 1 (VO2AT) und ein deutlich erhöhter Anstieg<br />
des Atemäquivalentes für Kohlendioxid (VE/VCO2slope)<br />
mit einer erhöhten Sterblichkeit bei chronischer<br />
Herzinsuffizienz (CHF) assoziiert sind (Gitt et al., 2002).<br />
Der VE/VCO2-slope scheint dabei (a) als Prädiktor für die<br />
Sterblichkeit besonders geeignet zu sein und kann (b) als<br />
Maß für die ventilatorische Effizienz genutzt werden (Bard,<br />
Gillespie, Clarke, Egan, & Nicklas, 2006). Da bei Majordepression<br />
(MDD) ein erhöhtes kardiales Risiko (Bayles,<br />
Dawood, Lambert, Schlaich, & Lambert, 2008) aufgrund<br />
einer veränderten Funktion des autonomen Nervensystems<br />
vorliegt (Bar et al., 2004) und zwischen kardialer<br />
und ventilatorischer Kontrolle via vagaler Motoneuronen<br />
8<br />
Alter [Jahre] Krankheitsmanifestation<br />
[Jahre]<br />
zum AV-Knoten, Sinusknoten (Chiou, Eble, & Zipes, 1997)<br />
und der tracheobronchialen Muskulatur (Canning, Reynolds,<br />
Anukwu, Kajekar, & Myers, 2002) eine autonome<br />
Verbindung besteht, scheint die Beurteilung der ventilatorischen<br />
Effizienz bei MDD besonders interessant zu sein.<br />
Unklar ist aber bislang, ob sich bei MDD eine veränderte<br />
Atemeffizienz nachweisen lässt, die möglicherwiese für<br />
eine Risikostratifizierung bedeutsam ist. Da bei MDD ein<br />
erhöhtes kardiales Risiko besteht, verfolgte die Studie das<br />
Ziel, den VE/VCO2-slope bei MDD zu untersuchen und zu<br />
klassifizieren. Darüber hinaus sollten Unterschiede und<br />
Zusammenhänge zwischen dem VE/VCO2-slope und der<br />
submaximalen (VO2AT und PAT) und maximalen Leistung<br />
(Ppeak und VO2peak), sowie der Depressionsschwere untersucht<br />
werden.<br />
Material und Methoden<br />
Probanden. <strong>15</strong> sorgfältig gematchte (BMI, Alter, körperliche<br />
Aktivität (IPAQ)) Patientinnen mit MDD nach DSM-IV<br />
Kriterien konnten in die Studie eingeschlossen werden.<br />
Zur Klassifikation der Depressionsschwere wurden die Hamiltonskala<br />
((Hamilton, 1960) HAM-D 21) und das Beck<br />
Depression Inventar ((Beck, Ward, Mendelson, Mock, &<br />
Erbaugh, 1961) BDI) eingesetzt (Tab.1).<br />
Testdurchführung. Alle Probanden absolvierten einen Stufentest<br />
(Startlast: 25W /Inkrement: 25W /Stufendauer:<br />
3 Min) auf einem Fahrradergometer (Ergometrics 900®,<br />
Ergoline, Bitz, Deutschland) in sitzender Position bis zur<br />
subjektiven Ausbelastung. EKG (Schiller AT 10plus, Ottobrunn,<br />
Deutschland), Atemgase (Mischkammer: Metalyzer<br />
II®, Cortex, Leipzig, Deutschland), Laktat (EBIO basic<br />
system analyzer, Eppendorf, Hamburg, Deutschland) und<br />
das Belastungsempfinden (Borgskala) wurden während der<br />
Belastung bzw. über die letzten <strong>15</strong> Sekunden auf jeder Stufe<br />
und in der <strong>15</strong>-minütigen Nachbelastungsphase aufgezeichnet.<br />
Zielparameter: VT wurde nach der V-slope Methode bestimmt<br />
und extern geprüft. Der VE/VCO2-slope ist mittels<br />
linearer Regression bis zur Ausbelastung berechnet worden.<br />
Zusätzlich ist der VE/VCO2-slope für MDD und Kontrollen<br />
in Ventilatorische Klassen eingeteilt worden (Arena<br />
et al., 2007).<br />
Statistik: Eine MANOVA mit der Zwischensubjektvariable<br />
Gruppe (MDD vs. Kontrolle) wurde für die Leistung (P) und<br />
Sauerstoffaufnahme (VO2) und eine weitere MANOVA wurde<br />
für Laktat, Herzfrequenz, das Anstrengungsempfinden<br />
und den respiratorischen Quotienten an AT durchgeführt.<br />
Mittels einfaktorieller ANOVA wurden Gruppenunterschiede<br />
des VE/VCO2-slopes untersucht. Mit Hilfe einer<br />
ersten multiplen Regressionsanalyse wurden Zusammen-<br />
BDI HAMD-21 BMI [kg·m -2] WH-ratio<br />
IPAQ-total [MET<br />
Minuten·Woche -1 ]<br />
IPAQ-sitzen<br />
[h·Woche -1 ]<br />
MDD 38 ± 12 8 ± 8 27 ± 11 24 ± 5 25,4 ± 5 0,8 ± 0,08 1924 ± 1204 35,3 ± 14,2<br />
Kontrollen 38 ± 12 2,5 ± 2,2 1,6 ± 0,8 24,1 ± 5,1 0,8 ± 0,05 2067 ± 1225 38,2 ± 11,3<br />
Tabelle 1: Anthropometrische, depressionsbezogen und aktivitätsbezogene Daten der Probanden (MW± Stabw)
hänge zwischen dem VE/VCO2-slope und VO2peak sowie<br />
Ppeak untersucht. In einer zweiten Regressionsanalyse<br />
wurden Unterschiede zwischen der Leistung an der AT und<br />
HAM-D 21 sowie BDI untersucht.<br />
Ergebnisse<br />
Alle Parameter wiesen Normalverteilung und Varianzhomogenität<br />
auf. Die MANOVA zeigte signifikante Interaktionen<br />
(F=2,8; p
des erhöhten VE/VCO2-slopes scheint ventilatorische Ineffizienz<br />
stärker mit maximalen als mit submaximalen Leistungsparametern<br />
zusammenzuhängen und ist zunächst<br />
von der Depressionsschwere unabhängig. Weitere Längsschnittuntersuchungen<br />
könnten beantworten, ob (a) ein<br />
erhöhter VE/VCO2-slope als kardialer Risikoparameter bei<br />
MDD geeignet ist und (b) körperliches Training den VE/<br />
VCO2-slope senkt und damit das kardiovaskuläre Risikoprofil<br />
verbessert.<br />
Literatur<br />
•Arena, R., Myers, J., Abella, J., Peberdy, M. A., Bensimhon, D.,<br />
Chase, P., et al. (2007). Development of a ventilatory classification<br />
system in patients with heart failure. Circulation, 1<strong>15</strong>(18), 2410-<br />
2417.<br />
•Bar, K. J., Greiner, W., Jochum, T., Friedrich, M., Wagner, G., &<br />
Sauer, H. (2004). The influence of major depression and its treatment<br />
on heart rate variability and pupillary light reflex parameters.<br />
J Affect Disord, 82(2), 245-252.<br />
•Bard, R. L., Gillespie, B. W., Clarke, N. S., Egan, T. G., & Nicklas,<br />
J. M. (2006). Determining the best ventilatory efficiency measure to<br />
predict mortality in patients with heart failure. J Heart Lung Transplant,<br />
25(5), 589-595.<br />
•Bayles, R. G., Dawood, T., Lambert, E. A., Schlaich, M. P., & Lambert,<br />
G. W. (2008). Elevated cardiac risk in patients with major depressive<br />
disorder. Am J Psychiatry, 165(1), 137; author reply 137-<br />
138.<br />
•Beck, A. T., Ward, C. H., Mendelson, M., Mock, J., & Erbaugh, J.<br />
(1961). An inventory for measuring depression. Arch Gen Psychiatry,<br />
4, 561-571.<br />
•Boettger, S., Wetzig, F., Puta, C., Donath, L., Muller, H. J., Gabriel,<br />
H. H., et al. (2009). Physical fitness and heart rate recovery<br />
are decreased in major depressive disorder. Psychosom Med, 71(5),<br />
519-523.<br />
Abbildung 2 Gruppenvergleich des VE/VCO2-slopes. Minimum, Maximum, Interquartilbereich, <strong>15</strong>. bis 85.<br />
Perzentile; *** = p
Stabilität und Kontrolle für das<br />
schnelle Laufen auf unebenem Untergrund<br />
Michael Ernst<br />
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft, Institut für<br />
<strong>Sport</strong>wissenschaft, Friedrich-Schiller Universität <strong>Jena</strong><br />
Zusammenfassung<br />
In dieser Arbeit werden experimentelle und theoretische<br />
Resultate aus Studien zum Laufen auf unebenem Untergrund<br />
vorgestellt. Es wird gezeigt, dass Menschen ihre<br />
globalen Beinparameter beim Laufen auf unebenem Untergrund<br />
an die jeweilige Untergrundhöhe anpassen und<br />
so ihre Bewegung stabilisieren. Mit Hilfe eines einfachen<br />
Modells, das die Dynamik und Kinematik des Laufens gut<br />
beschreibt, lassen sich diese Adaptationen weiter untersuchen.<br />
Darüber hinaus werden mit dem Modell Kontrollen<br />
entwickelt, die es ermöglichen, bestimmte Bewegungsziele<br />
zu erreichen. Solche erweiterten Kontrollmöglichkeiten<br />
können für federartig arbeitende Laufroboter von<br />
großem Interesse sein.<br />
Einleitung<br />
Menschen zeichnet die Fähigkeit aus, sich in unterschiedlichstem<br />
Gelände schnell laufend fortzubewegen. Von Kindesbeinen<br />
an lernen und trainieren wir diese Fähigkeit, so<br />
dass sich ändernde Bodenbeschaffenheiten, kleinere Hindernisse,<br />
Anstiege und abschüssiges Gelände keine Hürden<br />
darstellen. Wie wir dies erfolgreich bewerkstelligen, ist bei<br />
weitem noch nicht vollständig erforscht und Gegenstand<br />
aktueller Untersuchungen. Zum Beispiel wurden die Reaktionen<br />
beim Gehen über eine frei bewegliche schwingende<br />
Plattform (Brady, Peters, & Bloomberg, 2009), über glatten<br />
Untergrund (Marigold & Patla, 2002) oder bei schlagartig<br />
wegbrechenden Boden (af Klint, Nielsen, Sinkjaer, & Grey,<br />
2009), für das Laufen über sich ändernde Bodenbeschaffenheiten<br />
(Ferris, Louie, & Farley, 1998) oder unebenen<br />
Untergrund (Grimmer, Ernst, Gunther, & Blickhan, 2008)<br />
untersucht. Bei unseren Untersuchungen stehen die generellen<br />
grundlegenden Mechaniken und Mechanismen des<br />
schnellen Laufens auf unebenem Untergrund im Vordergrund.<br />
Solche Untersuchungen sind aber nicht nur für die<br />
Biomechanik von Interesse auch in der Medizin, zur Prävention<br />
von Stürzen und Rehabilitation, oder in der Robotik,<br />
bei der Entwicklung von Laufmaschinen, spielen die<br />
Erkenntnisse solcher Untersuchungen eine große Rolle. Wir<br />
führten eine Reihe von Versuchen durch, bei denen <strong>Sport</strong>ler<br />
über einen unebenen Parcours liefen, in dem eine höhenverstellbare<br />
Stufe integriert war. Diese Stufe dient als<br />
Störung des normalen Laufens und entsprechende Anpassungen,<br />
um diese Störung zu meistern, wurden von den<br />
Läufern durchgeführt.<br />
In dieser Arbeit wird im speziellen auf die globalen Beinparameter<br />
(das Bein als Ganzes betrachtet) und die dahinter<br />
liegenden Modellvorstellungen und Kontrollstrategien eingegangen.<br />
Wir können zeigen, dass sich die globalen Beinparameter<br />
beim Laufen über unebenem Untergrund entsprechend<br />
der Stufenhöhe anpassen. Dabei zeigt das Bein<br />
ein federartiges Verhalten, welches durch ein Ersatzmodell<br />
gut beschrieben wird. Mit ihm wurden verschiedene Bewegungsstrategien<br />
und Kontrollen für das Laufen abgeleitet.<br />
Abb. 1: Schematische Darstellung der globalen Beineigenschaften –<br />
die initiale Beinlänge l0, die Beinsteifigkeit K, die sich aus der maximalen<br />
Beinkraft und Beinkompression bestimmen lässt und der<br />
Anstellwinkel a, der Winkel, unter dem das Bein bei Kontaktbeginn<br />
den Boden berührt.<br />
Diese erweiterten Kontrollen und Strategien könnten es<br />
Laufmaschinen und humanoiden Robotern in Zukunft ermöglichen,<br />
sich schneller, effizienter und stabiler in unebenem<br />
Gelände fortzubewegen. Bisherige humanoide<br />
Roboter wie zum Beispiel Asimo von Honda mit einer Laufgeschwindigkeit<br />
von 6km/h (http://world.honda.com/<br />
ASIMO), sind noch weit entfernt, Leistungen eines Läufers<br />
zu erreichen.<br />
Laufen auf unebenem Untergrund<br />
Um die Anpassungen, die Menschen beim Laufen auf unebenem<br />
Untergrund zeigen, zu bestimmen, wurden verschiedene<br />
Versuche durchgeführt (Grimmer, 2008; Grimmer<br />
et al., 2008). Die Läufer überqueren dabei einen<br />
unebenen Parcours (± 2cm), in dem zusätzlich eine höhenverstellbare<br />
Stufe integriert ist. Jeweils eine Kraftmessplatte<br />
ist in dem Parcours vor und in der Stufe integriert. Mit<br />
ihnen werden die Bodenreaktionskräfte im Kontakt vor und<br />
auf der Stufe ermittelt. Zusätzlich befinden sich zahlreiche<br />
Marker an definierten Körperpositionen, die mit Hochgeschwindigkeitskameras<br />
erfasst werden und so die kinematischen<br />
Informationen über den Läufer liefern. In den verschiedenen<br />
Versuchsabschnitten werden Stufenhöhen von<br />
0, 5, 10 und <strong>15</strong>cm eingestellt. Der Versuchsabschnitt ohne<br />
Störung (0cm Stufenhöhe) dient jeweils als Referenzlauf.<br />
In der vorliegenden Arbeit beschränken wir uns auf die<br />
Anpassungen, die die globalen Beinparameter beim Laufen<br />
über Stufen unterschiedlicher Höhe zeigen. Unter den<br />
globalen Beinparametern verstehen wir die initiale Beinlänge<br />
l0, die Beinlänge bei Kontaktbeginn, den Anstellwinkel<br />
a, der Winkel, unter dem das Bein bei Kontaktbeginn<br />
den Boden berührt und die Beinsteifigkeit K, (Abb.<br />
1). Die Beinsteifigkeit K im Kontakt bestimmt sich dabei<br />
aus der maximalen Bodenreaktionskraft, ermittelt über die<br />
Kraftmessplatten, und der maximalen Beinverkürzung im<br />
11
Vergleich zum Kontaktbeginn, die aus den kinematischen<br />
Daten gewonnen wird.<br />
Die Beinsteifigkeit für den gestörten Kontakt nimmt mit<br />
zunehmender Stufenhöhe signifikant ab (Grimmer, 2008;<br />
Grimmer et al., 2008). In dem ungestörten Kontakt vor<br />
der Stufe sind diese Anpassungen nicht zu finden. Ähnlich<br />
Anpassungen zeigen sich beim Anstellwinkel. Im gestörten<br />
Kontakt nehmen die Anstellwinkel mit zunehmender Stufenhöhe<br />
ebenfalls ab, von 68deg auf 62deg für die höchste<br />
Stufe, wohingegen sich keine signifikanten Änderungen in<br />
dem ungestörten Kontakt vor der Stufe zeigen. Geringfügige<br />
Änderungen sind auch für die initiale Beinlänge zu finden.<br />
Sie nimmt mit zunehmender Stufenhöhe ebenso ab.<br />
Abb. 2: Ersatzmodell für das Laufen – das Feder-Masse Modell. Das<br />
Modell besteht aus einer Punktmasse und einer daran angefügten<br />
masselosen Feder der Länge l0 und der Federsteifigkeit K. Die Bewegung<br />
kann in zwei Phasen unterteilt werden. In eine Flugphase,<br />
bei der sich der Schwerpunkt mit der horizontalen Geschwindigkeit<br />
vx vorwärts bewegt und den höchsten Punkt der Trajektorie yApex<br />
durchläuft und die elastische Kontaktphase, die beginnt, wenn die<br />
Feder den Boden unter dem Winkel a berührt.<br />
Modellvorstellung und Kontrollstrategien<br />
Durch die Definition einer Steifigkeit für das Bein während<br />
des Kontaktes wird implizit schon die Modellvorstellung<br />
zugrunde gelegt, dass sich das Bein federartig verhält. Tatsächlich<br />
konnte gezeigt werden, dass sich die Kinematik<br />
und Dynamik mit einem einfachen Feder-Masse Modell<br />
in der Sagittalebene für Menschen (Blickhan, 1989) und<br />
Tiere (McMahon & Cheng, 1990) gut beschreiben lässt.<br />
Seit dem fand dieses Modell in zahlreichen verschiedenen<br />
Studien zum Hüpfen und Laufen (Blickhan & Full, 1993;<br />
Farley, Blickhan, Saito, & Taylor, 1991; Full & Koditschek,<br />
1999; Seyfarth, Geyer, Gunther, & Blickhan, 2002) sowie<br />
zum Gehen (Geyer, Seyfarth, & Blickhan, 2006) Anwendung.<br />
Dass sich die Bewegung und Parameteranpassungen<br />
eines menschlichen Läufers über einen unebenen Parcours<br />
ebenfalls mit Hilfe des Feder-Masse Modells beschreiben<br />
lässt, konnten wir zeigen (Grimmer et al., 2008). Die Anpassungen<br />
sind notwendig um die Bewegung zu stabilisieren;<br />
siehe unten.<br />
Das Feder-Masse Modell (Abb. 2) ist dabei eine starke Abstraktion<br />
des menschlichen Läufers und besteht aus einer<br />
Punktmasse, die an einer masselosen Feder der Federsteifigkeit<br />
K und der Federlänge L0 befestigt ist. Das Laufen<br />
lässt sich hierbei in zwei Phasen einteilen: eine ballistische<br />
Flugphase, bei der sich das Modell mit konstanter Geschwindigkeit<br />
(vx) vorwärts bewegt und dabei die höchste<br />
12<br />
vertikale Auslenkung yApex während eines Schrittes durchläuft;<br />
und eine elastische Kontaktphase, die beginnt, wenn<br />
die Feder den Boden unter dem Kontaktwinkel a berührt.<br />
Die Bewegung des Modells ist dann stabil, wenn sich zwei<br />
aufeinanderfolgende Apizes gleichen und kleine Störungen<br />
kompensiert werden und nicht zum Stolpern führen.<br />
Für größere Störungen kommt es in der Regel zu Abweichungen<br />
der aufeinander folgenden Apizes. Ist die Kontrolle<br />
robust genug, können aber auch solche Störungen<br />
kompensiert werden.<br />
Abb. 3: Anwendung der konstanten Geschwindigkeitskontrolle beim<br />
Laufen über unebenen Untergrund. Mit dieser Kontrolle ist es möglich<br />
über unebenen Boden zu laufen und dabei eine konstante Apexhöhe<br />
zu wahren. Dies geht einher mit einer gleichbleibenden Vorwärtsgeschwindigkeit<br />
für die Flugphasen.<br />
Dass die Stabilität der Bewegung für das Feder-Masse<br />
Modell unter bestimmten Voraussetzungen gegeben ist,<br />
konnte von Seyfarth und Kollegen (Seyfarth et al., 2002)<br />
gezeigt werden, wobei eine wesentliche Verbesserung der<br />
Stabilität mit einer Schwungbeinkontrolle erreicht werden<br />
kann (Seyfarth & Geyer, 2002; Seyfarth, Geyer, & Herr,<br />
2003).<br />
Diese theoretischen Studien beschäftigen sich vornehmlich<br />
mit der Stabilität der federartigen Bewegung. Neben<br />
dem kritischen Faktor der Stabilität einer dynamischen<br />
Bewegung können andere Kriterien für das Laufen von<br />
ähnlicher Bedeutung sein. Speziell sei hier an die Kontrolle<br />
von federartig arbeitenden Laufmaschinen (Robotern)<br />
gedacht. Für diese Art von Laufmaschinen mag eine konstante<br />
Vorwärtsgeschwindigkeit, eine maximierte Laufgeschwindigkeit,<br />
oder ein konstante maximale Flughöhe<br />
(Apizes) beim Laufen über unebenem Untergrund Vorrang<br />
vor maximierter Stabilität haben.<br />
Wir konnten eine Schwungbeinkontrolle für das konservative<br />
Feder-Masse Modell entwickeln, dass die Vorwärtsgeschwindigkeit<br />
beim Laufen über unebenem Untergrund<br />
konstant hält (Abb. 3), indem es die Parameter des Feder-Masse<br />
Modells im Flug an die neue Untergrundhöhe<br />
anpasst (Ernst, Geyer, & Blickhan, 2009). Ähnlich wie wir<br />
es beim menschlichen Laufen auf unebenem Untergrund<br />
sehen. Gleichzeitig wird durch diese Art der Kontrolle erreicht,<br />
dass die globalen maximalen Flughöhen (Apizes)<br />
ebenfalls gleich sind. Diese konstante Geschwindigkeitskontrolle<br />
kann als Feedforward-Strategie gestaltet werden<br />
(Ernst et al., 2009). Eine Feedforward Strategie hat hier<br />
den Vorteil, dass sie unabhängig von der Erfassung der<br />
aktuellen Bodenhöhe (Feedback-Strategie) funktioniert.<br />
Für die konstante Geschwindigkeitskontrolle existiert nicht<br />
nur eine Lösung, sondern ein ganzer Lösungsraum. Durch<br />
Beschränkungen in den Modellparametern wird dieser Bereich<br />
allerdings eingeschränkt.
Diskussion<br />
Laufen auf unebenem Untergrund stellt gesunde Menschen,<br />
im Gegensatz zu modernen humanoiden Robotern,<br />
vor keine großen Herausforderungen. In dieser Arbeit wurden<br />
experimentelle und theoretische Resultate aus Studien<br />
zum Laufen auf unebenem Untergrund vorgestellt, die aufzeigen,<br />
welche Adaptationen Läufer vornehmen, um stabil<br />
auf solchen Untergründen zu laufen. Die Läufer passen ihre<br />
globalen Beinparameter an die jeweilige aktuelle Untergrundhöhe<br />
an. Dabei reduzieren sie die initiale Beinlänge,<br />
die Beinsteifigkeit und den Anstellwinkel mit zunehmender<br />
Stufenhöhe für den gestörten Kontakt. Damit erreichen<br />
sie eine stabile Fortbewegung über diesen Untergrund.<br />
Ob neben der Stabilität noch andere Bewegungsziele, wie<br />
eine gleichbleibende globale Schwerpunkthöhe oder die<br />
Vermeidung zu starker Beschleunigungen des Kopfes eine<br />
Rolle spielen, ist Gegenstand aktueller Untersuchungen.<br />
Auch ist noch nicht geklärt, ob die Adaptationen passiver<br />
oder aktiver Natur sind. Das heißt, ob die Anpassungen<br />
an den Untergrund aktiv über das zentrale Nervensystem<br />
gesteuert werden oder ob sie aus den Eigenschaften des<br />
Muskel-Skelett Systems resultieren.<br />
Mit Hilfe eines Ersatzmodells für das Laufen lässt sich<br />
die Dynamik und Kinematik des Schwerpunktes des Läufers<br />
nicht nur für ungestörtes, sondern auch für gestörtes<br />
Laufen gut beschreiben. Mit diesem Modell ist es auch<br />
möglich, andere Bewegungsziele neben der Stabilität zu<br />
untersuchen. So konnten wir eine Feedforward Kontrolle<br />
ableiten, die die Vorwärtsgeschwindigkeit auf unebenem<br />
Boden konstant hält. Da mit dieser Art der Kontrolle der<br />
Untergrund nicht mehr zu erfasst werden braucht, kann<br />
eine Überführung auf federartig laufende Roboter den<br />
Kontrollaufwand reduzieren und gleichzeitig stabiles Laufen<br />
mit konstanter Geschwindigkeit auf unebenem Untergrund<br />
ermöglichen. Da nicht nur eine spezielle Lösung,<br />
sondern ein ganzer Lösungsraum dieses Kontrollziel erfüllt,<br />
sind Anpassungen an die speziellen Rahmenbedingungen<br />
von Robotern möglich.<br />
Danksagung<br />
Das Projekt wurde im Rahmen des Paketantrages (PAK 146)<br />
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.<br />
Literatur<br />
•af Klint, R., Nielsen, J. B., Sinkjaer, T., & Grey, M. J. (2009). Sudden<br />
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13
Evaluationsstudie PRimus –<br />
Psychosoziale Ressourcen im Jugendsport<br />
Konzept, Implementation und Evaluation der<br />
Programmdurchführung<br />
Christian Herrmann<br />
Lehrstuhl für <strong>Sport</strong>pädagogik/-didaktik, Institut für<br />
<strong>Sport</strong>wissenschaft, Friedrich-Schiller-Universität <strong>Jena</strong><br />
Zusammenfassung:<br />
Mit dem Förderkonzept „Psychosoziale Ressourcen im<br />
<strong>Sport</strong>“ (Sygusch, 2007) liegt ein Ansatz zur Entwicklung<br />
der sportlichen Handlungs- und Leistungsfähigkeit im<br />
<strong>Sport</strong> vor. Das sportartspezifische Förderkonzept orientiert<br />
sich am Trainings- und Wettkampfalltag und begründet u.<br />
a. methodische Maßnahmen zur Förderung ausgewählter<br />
Ressourcen (z. B. Selbstkonzept, Gruppenkohäsion). Im<br />
Rahmen der Begleitstudie PRimus (Psychosoziale Ressourcen<br />
im Jugendsport) wurde in den <strong>Sport</strong>arten Handball<br />
und Gerätturnen die Programmdurchführung (in Anlehnung<br />
an Mittag & Hager, 2000) evaluiert.<br />
Untersucht wurde u. a., ob bei der Implementation der<br />
methodischen Maßnahmen im organisierten Jugendsport<br />
ein Unterschied im Grad der Umsetzung besteht. Die Befunde<br />
zeigen, dass in der ersten Interventionsphase über<br />
70% der Trainer die methodischen Maßnahmen konzepttreu<br />
(bzw. -nah) umsetzen. Im Verlauf der Intervention<br />
nimmt dieser Anteil auf über 90% zu. Der <strong>Sport</strong>artenvergleich<br />
zeigt, dass der Anteil konzepttreuer Trainer im<br />
Handball bereits in der ersten Interventionsphase hoch<br />
ist. Die Trainer im Gerätturnen können dieses hohe Niveau<br />
erst in der zweiten Phase erreichen.<br />
Einleitung:<br />
Mit dem organisierten Kinder- und Jugendsport werden<br />
vielfach Sozialisations-, Erziehungs- oder Bildungspotenziale<br />
verbunden, die über die sportmotorische Entwicklung<br />
hinausreichen (u.a. Schmidt, Hartmann-Tews &<br />
Brettschneider, 2003). Der gegenwärtige Forschungsstand<br />
der sportbezogenen Kindheits- und Jugendforschung zeigt<br />
dagegen, dass entsprechende Effekte lediglich unter bestimmten<br />
Bedingungen (u.a. hoher Trainingsumfang,<br />
zielgerichtete Intervention) eintreten. Vor diesem Hintergrund<br />
forderte bereits der Erste Deutsche Kinder- und Jugendsportbericht<br />
(ebd.) eine Qualitätsentwicklung des organisierten<br />
Kinder- und Jugendsports mit systematischen<br />
Konzepten sowie deren Evaluation.<br />
Mit dem Förderkonzept „Psychosoziale Ressourcen im<br />
<strong>Sport</strong>“ (Sygusch, 2007) liegt ein solcher systematischer<br />
Ansatz vor, der sich als Beitrag zur Entwicklung der sportlichen<br />
Handlungs- und Leistungsfähigkeit (… im <strong>Sport</strong>)<br />
sowie zur allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung von<br />
Kindern und Jugendlichen (… durch <strong>Sport</strong>) versteht. Das<br />
Konzept geht von folgender Grundidee aus: Eine systematische<br />
Förderung psychosozialer Ressourcen durch <strong>Sport</strong><br />
muss an Anforderungen ansetzen, die im <strong>Sport</strong> selbst von<br />
Bedeutung sind; d.h. sie muss solche Ressourcen stärken,<br />
die zur Bewältigung sportartspezifischer Anforderungen<br />
notwendig sind und sie muss Methoden anwenden, die<br />
einen sportartspezifischen Bezug aufweisen.<br />
Nach dieser Grundidee wurden in Bezug auf die ausge-<br />
14<br />
wählten Ressourcen (WAS soll gefördert werden?) Selbstkonzept,<br />
Selbstwirksamkeit, soziale Kompetenzen, sozialer<br />
Rückhalt und Gruppenzusammenhalt insgesamt sechs<br />
Kernziele formuliert (WOHIN soll gefördert werden?) sowie<br />
methodische Maßnahmen (WIE soll gefördert werden?)<br />
begründet ausgewählt.<br />
Die methodischen Maßnahmen zielen auf die Rahmenbedingungen<br />
des Trainings – z.B. Trainer als sportliche<br />
Entwicklungshelfer, angstfreie Lernatmosphäre – und auf<br />
die konkrete Gestaltung von Lernsituationen. Dabei wird<br />
unterschieden zwischen dem Aufgreifen (vorliegende Alltagssituationen<br />
aus dem Training und Wettkampf werden<br />
genutzt, um psychosoziale Lernprozesse gezielt anzuregen),<br />
dem Inszenieren (Gestaltung von Situationen, in denen<br />
psychosoziale Anforderungen mittels Aktionsformen<br />
gezielt hergestellt werden) und dem Thematisieren von<br />
sportartspezifischen Lernsituationen.<br />
Das Förderkonzept versteht sich als Rahmenkonzept,<br />
das an die Anforderungen unterschiedlicher <strong>Sport</strong>arten<br />
und Settings (Kinder- und Jugendsport, Talentförderung,<br />
<strong>Sport</strong>unterricht etc.) angepasst werden muss. Mittlerweile<br />
wurden hieraus Transferkonzepte u.a. im Handball (Deutsche<br />
Handballjugend, 2006) und im Gerätturnen (Deutsche<br />
Turnerjugend, 2005) abgeleitet.<br />
In der begleitenden PRimus-Studie (Psychosoziale Ressourcen<br />
im Jugendsport) wurden diese Transferkonzepte<br />
im Gerätturnen und Handball über sieben Monate in 33<br />
Trainingsgruppen (Alter: 12-16 Jahre) im Trainings- und<br />
Wettkampfalltag umgesetzt. Zur Vorbereitung und Begleitung<br />
erhielten die Trainer die jeweils sportartspezifische<br />
Handreichung, nahmen an Vorbereitungs- und Aufbauworkshops<br />
teil und bekamen monatlich Newsletter mit Informationen<br />
zu den Trainingsschwerpunkten.<br />
Methode:<br />
Angelehnt an das heuristische Rahmenkonzept zur Evaluation<br />
von Interventionsmaßnahmen (Mittag & Hager, 2000)<br />
erfolgt ein zweigeteiltes Vorgehen. Im Rahmen der Evaluation<br />
der Programmdurchführung geht es um die Frage: Ist<br />
das Konzept im Trainings- und Wettkampfalltag umsetzbar?<br />
Die Evaluation der Programmwirksamkeit beschäftigt<br />
sich mit der Frage: Verändern sich die psychosozialen Ressourcen<br />
im Interventionszeitraum?<br />
Bei der Evaluation der Programmdurchführung – auf die<br />
sich der vorliegende Beitrag ausschließlich konzentriert<br />
– wird überprüft, in welcher Häufigkeit die vorgesehenen<br />
Maßnahmen umgesetzt werden und ob die Umsetzung mit<br />
den Vorgaben der Programmkonzeption übereinstimmt<br />
(Richtigkeit der Umsetzung) (vgl. Drössler et al., 2007;<br />
Mittag & Hager, 2000, Sygusch & Herrmann, 2009). In<br />
diesem Sinne differenziert sich die Fragestellung wie folgt<br />
aus:<br />
•Wurden die methodischen Maßnahmen im Interventions<br />
zeitraum (t1–t2) von den Trainern häufig und richtig um<br />
gesetzt (Grad der Umsetzung)?<br />
•Verändert sich der Grad der Umsetzung im Interventions<br />
zeitraum?<br />
•Gibt es Unterschiede im Grad der Umsetzung zwischen<br />
den <strong>Sport</strong>arten?<br />
Dazu wurden problemzentrierte Interviews (Mayring,<br />
2007; Witzel, 2000) durchgeführt, in der die Trainer telefonisch<br />
(20-45 Minuten) zu drei Messzeitpunkten befragt<br />
wurden. Der erste Messzeitpunkt (t1) lag in der Mitte der<br />
ersten Trainingsphase etwa sechs Wochen nach dem Vorbereitungsworkshop,<br />
der zweite Messzeitpunkt (t2) lag
in der zweiten Trainings-phase, sechs Wochen nach dem<br />
Aufbauworkshop. Der dritte Messzeitpunkt (t3), nach Abschluss<br />
der Interventionsphase durchgeführt wurde, enthält<br />
rückblickend Aspekte der Umsetzbarkeit des Konzepts<br />
und findet deswegen in der hier beschriebenen Auswertung<br />
keine Berücksichtigung. Die Telefoninterviews wurden<br />
als mp3-Dateien gespeichert und anschließend mit<br />
Hilfe der Auswertungssoftware AtlasTi bearbeitet.<br />
Zur Auswertung der Umsetzung der methodischen Maßnahmen<br />
wurde das Datenmaterial der deduktiven Kategorien<br />
„Inszenieren“ und „Aufgreifen“ mittels skalierender<br />
Strukturierung quantifiziert (Mayring, 2007). Die Originalaussagen<br />
der Trainer wurden von zwei unabhängigen Codierern<br />
dahingehend bewertet, ob die berichteten Maßnahmen<br />
häufig und richtig (im Sinne der konzeptionellen<br />
Vorgaben) umgesetzt wurden. Diese Bewertungen wurden<br />
auf Ordinalskalen Häufigkeit (häufig, gelegentlich, selten)<br />
bzw. Richtigkeit (richtig, z. T. richtig, falsch) eingeordnet.<br />
Die Quantifizierung erfolgte angelehnt an Prinzipien des<br />
kooperativen Kodierens (Kuckartz, 2007) und orientiert<br />
sich an den Vorgaben des Rahmenkonzepts. In einem weiteren<br />
Schritt wurden diese quantifizierten Daten zur Häufigkeit<br />
und Richtigkeit auf einer vierstufigen Ordinalskala<br />
„Grad der Umsetzung“ zusammengeführt (konzepttreu<br />
[„häufig“ & „richtig“], konzeptnah [„häufig“ & „z. T. richtig“<br />
oder „gelegentlich“ & „richtig“]), konzeptbeeinflusst<br />
[„gelegentlich“ & „z. T. richtig“] oder konzeptfern [jede<br />
Kombination mit „selten“ oder „falsch“]) und mittels<br />
Zeitvergleich der Messzeitpunkte t1-t2 statistisch ausgewertet.<br />
Die Stichprobe zur Analyse der Umsetzung der methodischen<br />
Maßnahmen umfasst 26 Trainer (12 Handball,<br />
14 Gerätturnen). Hier wurden die Trainer berücksichtigt,<br />
für die zu beiden Messzeitpunkten im Interventionszeitraum<br />
(t1, t2) ein kompletter Datensatz vorliegt, so dass ein<br />
Zeitvergleich t1–t2 möglich ist.<br />
Ergebnisse:<br />
In der ersten Interventionsphase (t1) setzen 21 der 26 befragten<br />
Trainer (81%) die methodischen Maßnahmen zum<br />
Aufgreifen häufig oder gelegentlich um. Insgesamt 19 Trainer<br />
(73%) tun dies (zumindest z.T) im Sinne der konzeptionellen<br />
Vorgaben. Zur zweiten Interventionsphase (t2)<br />
nehmen die angewandten Maßnahmen in ihrer Häufigkeit<br />
(p=0,025) signifikant und in ihrer Richtigkeit (p=0,052)<br />
tendenziell zu. Alle Trainer (100%) greifen Situationen<br />
häufig oder gelegentlich auf. 24 Trainer (92%) tun dies (z.<br />
T.) richtig.<br />
Im Laufe der ersten Interventionsphase (t1) inszenieren<br />
24 Trainer (92%) häufig oder gelegentlich Aktionsformen.<br />
Dabei inszenieren 20 Trainer (77%) die Aktionsformen<br />
(zumindest z. T.) richtig, 4 Trainer (<strong>15</strong>%) inszenieren diese<br />
nicht im Sinne des Konzepts. In der zweiten Interventionsphase<br />
(t2) zeigt sich keine Zunahme der Häufigkeit.<br />
Bei der Richtigkeit zeigt sich eine tendenzielle Steigerung<br />
(p=0,088) gegenüber t1. Alle 24 Trainer (92%), die in der<br />
zweiten Interventionsphase Aktionsformen inszenieren,<br />
tun dies (zumindest z.T.) im Sinne der konzeptionellen<br />
Vorgaben.<br />
Die Entwicklungen in den <strong>Sport</strong>arten sind dabei unterschiedlich.<br />
Während im Handball 10 der 12 Trainer (83%)<br />
bereits während der ersten Phase die methodischen Maßnahmen<br />
konzepttreu oder konzeptnah umsetzten und<br />
dieses hohe Niveau in der zweiten Phase halten konnten,<br />
sind es im Gerätturnen zunächst nur 7 von 14 Trainern<br />
Abbildung 1: Grad der Umsetzung der methodischen Maßnahmen<br />
zum Aufgreifen und Inszenieren (n=26)<br />
Abb. 1 zeigt für das Aufgreifen eine signifikante Zunahme beim Grad<br />
der Umsetzung (p=0,028). In der ersten Interventionsphase werden<br />
insgesamt 17 Trainer (64%) als konzepttreu oder konzeptnah eingestuft,<br />
in der zweiten Phase sind es 23 (89%).<br />
(50%) die als konzepttreu oder konzeptnah bezeichnet<br />
werden können. In der zweiten Phase nimmt der Anteil der<br />
konzepttreuen bzw. konzeptnahen Gerätturntrainer auf 13<br />
Trainer (93%) signifikant zu (p=0,014).<br />
Beim Inszenieren nimmt der Grad der Umsetzung von der<br />
ersten (t1) zur zweiten Interventionsphase (t2) leicht zu<br />
(Abb.1). Während in der ersten Phase insgesamt 20 Trainer<br />
(77%) als konzepttreu bzw. konzeptnah eingestuft werden,<br />
sind es in der zweiten Phase 24 Trainer (92%).<br />
Im <strong>Sport</strong>artenvergleich zeigen sich beim Inszenieren ähnliche<br />
Ausprägungen wie beim Aufgreifen. Während der ersten<br />
Phase inszenieren 10 von 12 Handballtrainern (80%)<br />
und 10 von 14 Gerätturntrainer (72%) Aktionsformen konzepttreu<br />
oder -nah. In der zweiten Phase erreichen im<br />
Handball 11 von 12 Trainern (92%) und im Gerätturnen 13<br />
von 14 Trainern (93%) einen hohen Umsetzungsgrad. Diese<br />
erkennbaren Steigerungen beim Grad der Umsetzung<br />
sind allerdings nicht signifikant.<br />
<strong>15</strong>
Diskussion:<br />
Die vorliegenden Befunde belegen insgesamt einen hohen<br />
Grad der Umsetzung der methodischen Maßnahmen zum<br />
Aufgreifen und Inszenieren. Bereits in der ersten Interventionsphase<br />
setzten über 70% der Trainer die Maßnahmen<br />
konzepttreu bzw. -nah um. Im Verlauf der Intervention<br />
nimmt dieser Anteil auf über 90% zu. Dieser Befund deutet<br />
an, dass viele Trainer offenbar schon frühzeitig relativ<br />
sicher im Umgang mit den konzeptionellen Vorgaben sind.<br />
Darüber hinaus scheint eine weitere Gewöhnungsphase<br />
zum zunehmend konzepttreuen Aufgreifen und Inszenieren<br />
von Lernsituationen zu führen.<br />
Im <strong>Sport</strong>artenvergleich zeigt sich, dass im Handball der Anteil<br />
der konzepttreuen bzw. -nahen Trainer bereits in der<br />
ersten Interventionsphase hoch ist. Die Trainer im Gerätturnen<br />
finden dagegen etwas mühsamer in das Konzept, so<br />
dass diese erst in der zweiten Interventionsphase ein ähnlich<br />
hohes Niveau wie die Handballtrainer erreichen. Diese<br />
unterschiedliche Entwicklung in den <strong>Sport</strong>arten deutet<br />
an, dass die Umsetzung der konzeptionellen Vorgaben im<br />
Gerätturnen zunächst schwieriger erscheint und vermutlich<br />
nicht in dem Maße kompatibel mit dem gewohnten<br />
Trainingsalltag ist wie im Handball.<br />
In den weiteren Auswertungsschritten werden nun die<br />
vorgestellten Befunde der Evaluationen der Programmdurchführung<br />
auf die Evaluation der Programmwirksamkeit<br />
bezogen (Mittag & Hager, 2000). Die Implementationsforschung<br />
geht davon aus, dass die Art der Umsetzung<br />
die Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen beeinflusst<br />
(Drössler et al., 2007). Daraus leitet sich die Frage ab, ob<br />
der Grad der Umsetzung (konzepttreu vs. Konzeptfern) einen<br />
Einfluss auf die angestrebten Wirkungen nimmt.<br />
16<br />
Literatur:<br />
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am Main: Deutsche <strong>Sport</strong>jugend.<br />
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Frankfurt am Main: Deutsche <strong>Sport</strong>jugend.<br />
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Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 21, <strong>15</strong>7-<br />
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•Kuckartz, U. (2007). Einführung in die computergestützte Analyse<br />
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VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />
•Mayring, P. (2007). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und<br />
Techniken (9. Aufl.). Weinheim: Beltz.<br />
•Mittag, W. & Hager, W. (2000). Ein Rahmenkonzept zur Evaluation<br />
psychologischer Interventionsmaßnahmen. In W. Hager, J.-L. Patry<br />
& H. Brezing (Hrsg.), Evaluation psychologischer Interventionsmaßnahmen<br />
(S. 102–128). Bern: Huber.<br />
•Schmidt, W., Hartmann-Tews, I. & Brettschneider, W.-D. (Hrsg.).<br />
(2003). Erster deutscher Kinder- und Jugendsportbericht. Schorndorf:<br />
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•Sygusch, R. & Herrmann, C. (2009). Entwicklungsförderung im außerschulischen<br />
Kinder- und Jugendsport: Konzept und Evaluation<br />
der Programmdurchführung. <strong>Sport</strong>wissenschaft, 39 (3), 210-222.<br />
•Sygusch, R. (2007). Psychosoziale Ressourcen im <strong>Sport</strong>. Ein sport<br />
artenorientiertes Förderkonzept für Schule und Verein.. Schorndorf:<br />
Hofmann.<br />
•Witzel, A. (2000). Das problemzentrierte Interview. Zugriff am 11.<br />
November 2008 unter http://www.qualitative-research.net/index.<br />
php/fqs/article/viewFile/1132/2520.
Strömungsuntersuchungen der<br />
Unterwasser-Delphinbewegung<br />
Stefan Hochstein<br />
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft, Institut<br />
für <strong>Sport</strong>wissenschaft, Friedrich-Schiller-<br />
Universität <strong>Jena</strong><br />
Einleitung<br />
Um hohe Schwimmgeschwindigkeiten über einen langen<br />
Zeitraum aufrecht zu erhalten, erfordert dies zum einen<br />
eine hohe maximale Schwimmgeschwindigkeit und zum<br />
anderen eine effiziente Schwimmtechnik. Je nach Länge<br />
der Schwimmstrecke besteht somit immer ein Abwägen<br />
für maximalen Schub (kürzere Strecken) oder effizienten<br />
Schwimmen (längere Strecken).<br />
Durch die Variation der Bewegungsmuster versuchen<br />
Hochleistungsschwimmer die Vor- und Nachteile verschiedener<br />
Bewegungsvarianten zu überprüfen, mit dem Ziel,<br />
durch geschickte Bewegungen einen optimalen Vortrieb<br />
(maximaler Schub oder effizientes Schwimmen) zu erreichen.<br />
Diese aufwendigen Trainingsphasen im Versuch-Irrtum-Prinzip,<br />
zum Teil basierend auf Erkenntnissen aus der<br />
Fischlokomotion, sind vor allem aus Mangel an systematischen<br />
experimentellen und numerischen Strömungsuntersuchungen<br />
notwendig.<br />
Dabei würde eine gezielte Untersuchung der erzeugten<br />
Strömungsmuster helfen, die vor- und nachteiligen Bewegungsmuster<br />
in ihrer strömungsmechanischen Wirkung zu<br />
verstehen und darauf aufbauend ein Bewegungsmuster für<br />
optimalen und effizienten Vortrieb zu erarbeiten.<br />
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem die FINA bei allen<br />
Schwimmarten die maximale Tauchphase auf <strong>15</strong> m nach<br />
Start und Wende reglementierte, traten bei Wettkämpfen<br />
immer wieder einige spezialisierte Schwimmer auf, die<br />
ihre Unterwasserphase auf 25 m oder mehr verlängerten<br />
und sich dadurch einen Zeitvorteil gegenüber ihren Kontrahenten<br />
verschafften. Seit dem hat sich die Delphinbewegung,<br />
auch Delphinkicks genannt, im Wettkampfschwimmen<br />
nach dem Start und jeder Wende etabliert.<br />
In Anlehnung an die undulatorische Fischlokomotion wird<br />
die menschliche Delphinbewegung unter Wasser auch als<br />
undulatorische Welle bezeichnet. Dabei bewegt sich von<br />
den Fingern bis zu den Zehen eine Krümmungswelle durch<br />
den Körper. Für den Fall, dass die Wellgeschwindigkeit<br />
dieser Welle größer ist als die Schwimmgeschwindigkeit,<br />
erzeugt der Schwimmer Vortrieb; ist sie jedoch kleiner,<br />
dann wirkt die Welle als Bremse.<br />
Die menschliche Unterwasser-Delphinbewegung war Fokus<br />
einiger Untersuchungen (z.B. Arellano et al., 2002;<br />
von Loebbecke et al., 2009), jedoch wurde dabei fast ausschließlich<br />
kinematische Parameter betrachtet. Untersuchungen<br />
zur Strömung in der Umgebung des Schwimmers<br />
wurden, wenn, dann nur vereinzelt unter Zuhilfenahme<br />
einfachster Methoden (z.B. mit eingestreuten Luftblasen,<br />
Arellano, 1999) durchgeführt. Bis heute ist die Analyse<br />
und Dokumentation der Strömung in der Umgebung des<br />
Schwimmers in der Literatur kaum vorhanden.<br />
Diese Studie berichtet über die Kinematik und die Strömung<br />
in der Umgebung des Schwimmers. Die Schwimmgeschwindigkeit<br />
resultiert ausschließlich aus der undulatorischen<br />
Bewegung des Schwimmers.<br />
Material & Methoden<br />
Mit zwei erprobten Leistungsschwimmern (beide weiblich;<br />
Proband 1: Alter: 26 Jahre, Körpergröße: 1.78 m, Körpergewicht:<br />
73 kg und Proband 2: 24 Jahre, 1.67 m, 56.5<br />
kg) wurden in einem Versuchsbecken des Institut für <strong>Sport</strong><br />
und <strong>Sport</strong>wissenschaft in Heidelberg (20 m x 8 m x 0.5–2<br />
m) reproduzierbare Bewegungsmuster beim Delphinschlag<br />
aufgezeichnet und Messungen des instationären Strömungsfeldes<br />
mit Hilfe der zeitaufgelösten Particle Imaging<br />
Velocimetry (PIV) durchgeführt. Dabei werden dem Wasser<br />
kleine 100µm dicke Teilchen hinzu gegeben, die im Wasser<br />
schweben. Das Prinzip der PIV besteht darin, die Verschiebung<br />
einer großen Zahl dieser Teilchen aus zwei kurzzeitig<br />
hintereinander aufgenommenen Bildern zu berechnen. Die<br />
Partikel werden typischerweise mit Hilfe von Laserlicht angestrahlt.<br />
Aus der Verschiebung der Teilchen lassen sich<br />
mit Hilfe eines Korrelationsalgorithmus die Geschwindigkeitsvektoren<br />
bzw. ein Geschwindigkeitsfeld bestimmen.<br />
Die Schwimmer schwammen die Unterwasser-Delphinbewegung<br />
in Bauchlage mit ihrer bevorzugten Frequenz. Eine<br />
Schwimmtiefe von mindestens 0.8 m wurde vorgegeben,<br />
um Oberflächenwellenwiderstände infolge von Wellenbildung<br />
vernachlässigen zu können (Vennell et al., 2006; Vorontsov<br />
und Rumyantsev, 2000). Der Start erfolgte 10 m<br />
vom Beobachtungsfenster entfernt im Flachwasserbereich<br />
ohne Abstoßen von der Wand. Damit konnte sicher gestellt<br />
werden, dass die Schwimmgeschwindigkeit einzig durch<br />
die undulatorische Bewegung resultiert und nicht durch<br />
das Abstoßen von der Wand. Um vergleichbare Situationen<br />
zu schaffen erhielten beide Probandinnen die Anweisung,<br />
mit maximalem Schub zu schwimmen.<br />
Strömungsbewegung und Kinematik wurden dabei gleichzeitig<br />
durch zwei Kameras aufgenommen. Selbstgebaute<br />
LED-Marker wurden zur Erfassung der kinematischen Daten<br />
auf den einzelnen Gelenkpunkten fixiert und durch<br />
eine Videokamera (Basler A602fc, Leihgabe des OSP Heidelberg)<br />
mit 30 Bildern/s aufgenommen, anschließend<br />
durch WinAnalyze 2.1 (MikroMak, Berlin) digitalisiert und<br />
mit MATLAB 2006a (The Math Works Inc.) und SPSS <strong>15</strong>.0<br />
(SPSS Inc.) ausgewertet.<br />
Die horizontale Schwimmgeschwindigkeit wird aus der linearen<br />
Regression der horizontalen Position des Hüftmarkers<br />
berechnet, da dieser in guter Nährung als Massenmittelpunkt<br />
angesehen werden kann. Die Geschwindigkeit der<br />
durch den Körper laufenden undulatorischen Welle, abgeleitet<br />
aus den 2-D Koordinaten (xi,yi) der einzelnen Gelenkmarkerpunkte,<br />
wird durch die lineare Regression des<br />
Abstands der einzelnen Marker über der Zeitverzögerung<br />
hinsichtlich ihrer Minima bzw. Maxima berechnet.<br />
Dimensionslose Kenngrößen der Strömungsdynamik, wie<br />
Froude-Effektivität und Strouhal-Zahl (der Kehrwert der<br />
Strouhal-Zahl gibt dabei den Fortschrittsgrad des Schwimmers<br />
pro Schlag als Vielfaches der Amplitude an) wurden<br />
berechnet.<br />
Die Bewegung der schwebenden Partikel wurde durch<br />
eine separate Hochgeschwindigkeitskamera (Photron ultima<br />
APX 120k) mit 250 Hz erfaßt. Lokale Geschwindigkeitsfelder<br />
wurden in DaVis 7.2 (LaVision, Göttingen)<br />
mittel eines Kreuz-Korrelations-Rhythmus berechnet und<br />
in TecPlot 360 2009 (TecPlot Inc., USA) graphisch weiter<br />
aufgearbeitet.<br />
Ergebnisse<br />
Der zeitliche Verlauf der Gelenkwinkel beim Menschen<br />
17
zeigt vor allem im Beinbereich (Knie-, Hüft- und Sprunggelenk)<br />
deutliche Abweichungen von einem sinodialen<br />
Verlauf auf (Abb. 1a). Der Absolutwert der längenspezifischen<br />
Amplitude (Amplitude durch Gesamtkörperlänge L)<br />
zeigt ein von Null verschiedenes Minimum in der Schulterregion<br />
und wächst quadratisch anterior (Hand) und posterior<br />
(Hüfte, Knie, Sprunggelenk, Fuß) bis zu dem Wert<br />
0.23L an. Es gibt somit keinen Punkt, der keine vertikale<br />
Oszillation ausführt. Die Schlagfrequenz wächst signifikant<br />
mit der längenspezifischen Schwimmgeschwindigkeit und<br />
bezüglich der Wellengeschwindigkeit der Körperwelle an.<br />
Beide Probanden zeigen konsistent Strouhal-Zahlen zwischen<br />
0.8 und 1.0.<br />
Wirbelablösungen wurden hauptsächlich in der Region des<br />
Kopfes und vor allem in der Beinregion beobachtet, in der<br />
die größten Wirbelstärken auftreten.<br />
Diese Wirbelablösungen entstehen entweder an Ecken und<br />
Kanten wie dem Kopf oder besonders in Regionen hoher<br />
Winkelbeschleunigung an den Gelenken, z.B. dorsal vom<br />
Knie durch die Kniebeugung oder ventral vom Knie durch<br />
die Kniestreckung (Abb. 1b).<br />
Diskussion<br />
Die Studie zeigt zum einen die kinematischen Parameter<br />
sowie das Strömungsbild der menschlichen Unterwasser-<br />
Delphinbewegung. Obwohl der menschliche Körper weit<br />
entfernt vom flexiblen stromlinienförmigen Körperbau<br />
des Fischs ist und aufgrund der evolutionsbedingten anatomischen<br />
Limitation der Bewegung vor allem im Knie-,<br />
Hüft- und Sprunggelenk, versuchen Schwimmer erfolgreiche<br />
Strategien aus der Fischlokomotion zu kopieren.<br />
Überraschender Weise zeigt die Verteilung der Absolutwerte<br />
der Amplituden entlang des Körpers einen ähnlichen<br />
Verlauf zu dem, der bei Fischen beobachtet wurde (Bainbridge,<br />
1958; Liao, 2002). Dabei ist die Schlagamplitude<br />
für menschliche Schwimmer (in Übereinstimmung zu von<br />
Loebbecke et al., 2009) etwa ein Viertel der Gesamtkörperlänge<br />
analog zur Fischlokomotion (z.B. Bainbridge,<br />
1958).<br />
Die Strouhal-Zahlen der Schwimmer liegen im Bereich von<br />
0.76 bis 1.04 und sind somit deutlich über dem optimalen<br />
Bereich für effektives Schwimmen und Fliegen in der Tierwelt<br />
(Taylor et al., 2003; Triantafyllou and Triantafyllou,<br />
1995) und in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von<br />
18<br />
Loebbecke et al. (2009, Bereich: 0.45 – 1.08). Die Unterschiede<br />
sind durch den unterschiedlichen Versuchsablauf<br />
bedingt. In der Studie von Loebbecke haben die Schwimmer<br />
durch das Abstoßen von der Wand höhere Schwimmgeschwindigkeiten<br />
im Vergleich zum hier gezeigten „freien<br />
Schwimmen“, bei der der Schub einzig durch die undulatorische<br />
Bewegung erzeugt wurde.<br />
Der menschliche Schwimmer zeigt ein höchst komplexes<br />
Strömungsbild. Bei allen Aufnahmen wurden Wirbelbildungen<br />
im Kopfbereich beobachtet. Numerische 2–D Strömungssimulationen<br />
(Zaïdi et al., 2008) zeigten, dass die<br />
Kopfposition einen deutlichen Einfluss auf die hydrodynamische<br />
Leistung besitzt und dadurch wesentlich die Strömung<br />
um den Schwimmer verändert wird.<br />
Da Wirbelbildung und Ablösung sind zu aller erst ein Energieverlust<br />
für das System (d.h. die Schwimmgeschwindig-<br />
Abbildung 1. a) Typischer Verlauf der Gelenkwinkel bzgl. der auf die Schlagperiode T normierten Zeit. b) Wirbelbildung im Beinbereich am<br />
Ende des Abschlags.<br />
keit nimmt ab), sollte diese vermieden werden. Wenn es<br />
jedoch unvermeidbar ist, dass sich Wirbel bilden und ablösen,<br />
dann sollte eine Strategie des Schwimmers sein, die<br />
Energie der Wirbel zur Erhöhung des Vortriebs wieder zu<br />
benutzen („vortex re-capturing”, Hochstein et. al, 2009).<br />
Alles in allem handelt es sich bei der menschlichen Unterwasser-Delphinbewegung<br />
um ein komplexes Zusammenspiel<br />
zwischen Wirbelbildung und Zerstörung. Nachfolgende<br />
Studien müssen klären inwieweit und vor allem<br />
wie der Schwimmer die Energie in der richtigen Art nutzen<br />
kann.<br />
Danksagung<br />
Die Autoren bedanken sich beim Institut für <strong>Sport</strong> und<br />
<strong>Sport</strong>wissenschaft der Universität Heidelberg für die Nutzung<br />
des Beckens sowie bei den Schwimmern für ihre Bereitschaft.<br />
Weiterhin bedanken wir uns bei Markus Buchner<br />
(Universität Heidelberg) und Hans-Wolfgang Döttling (OSP<br />
Rhein-Neckar) für Ihre Hilfe während der Experimente sowie<br />
bei Sebastian Kunze und Christoph Brücker (TU Freiberg)<br />
für die Hilfe bei der Auswertung der Strömungsbilder.<br />
Ohne Horst Bleckmann (Universität Bonn), Cam Tropea<br />
und David Rival (TU Darmstadt), die die Risiken der Bereitstellung<br />
des PIV-Systems auf sich genommen haben,<br />
wäre diese Untersuchung nicht möglich. Gefördert durch<br />
das DFG-Schwerpunkprogramm 1207: „Strömungsbeeinflussung<br />
in Natur und Technik“, BL 236/17-1.
Literatur<br />
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the effect of swimmer’s head position on swimming performance<br />
using computational fluid dynamics., Journal of Biomechanics, 41<br />
(6), 1350–1358.<br />
19
3D Rekonstruktion der Muskelarchitektur bei<br />
Oryctolagus cuniculus<br />
Carolin Küpper<br />
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft, Institut für<br />
<strong>Sport</strong>wissenschaft, Friedrich-Schiller-Universität<br />
<strong>Jena</strong><br />
Zusammenfassung:<br />
Skelettmuskeln besitzen eine komplexe Muskelarchitektur,<br />
die einen entscheidenden Einfluss auf die Formänderung<br />
des Muskels und das mechanische Verhalten während der<br />
Kontraktion hat. Die geometrische Information ist somit<br />
von großer Bedeutung für die Modellierung von Skelettmuskeln<br />
und die Simulation von Muskelkontraktionen. In<br />
dieser Arbeit soll die Anwendbarkeit zwei verschiedener<br />
Methoden (Diffusion Tensor Imaging (DTI) und manuelles<br />
Digitalisieren) zur Darstellung der 3D Architektur der Wadenmuskulatur<br />
beim Kaninchen (Oryctolagus cuniculus)<br />
geprüft werden. Mit einem klinischen MRT konnten unter<br />
Verwendung eines anatomischen 3D Scans und einer<br />
leicht modifizierten 2D EPI-DTI Sequenz Muskelfasern innerhalb<br />
kürzester Zeit rekonstruiert werden. Diese vielversprechenden<br />
Ergebnisse gilt es künftig mit den ex vivo<br />
Untersuchungen durch den manuellen Digitalisierer (MicroScribe<br />
MLX) zu validieren.<br />
Einleitung:<br />
Grundvoraussetzung für die Simulation von Muskelkontraktionen<br />
ist neben der Modellierung der aktiven Muskelkomponente<br />
die Erfassung und Rekonstruktion der Muskelgeometrien<br />
und besonders der Muskelfaserverläufe.<br />
Muskeln können entgegen früherer Modelle nicht als Linien<br />
zwischen zwei Punkten (1D) (Hill, 1922, 1938) bzw.<br />
unter Einführung eines innerhalb des Muskels homogenen<br />
Fiederungswinkels als Fläche (2D) verstanden werden<br />
(Epstein & Herzog, 1998). Vielmehr weisen Muskeln ein<br />
räumliches Volumen auf. Dabei sind sie Zwangskräften,<br />
z.B. durch die Packung der Muskulatur oder die Begrenzung<br />
durch Knochen, ausgesetzt, die sich auf die Muskelkraftentwicklung<br />
auswirken. Diesen Vorstellungen werden<br />
die Finite-Elemente (FE) Muskelmodelle am ehesten<br />
gerecht. Alle bisherigen auf dieser Methode entwickelten<br />
Modellierungsansätze beziehen sich jedoch auf Muskelparameter<br />
aus der Literatur. Sie verwenden unrealistische<br />
Muskelgeometrien mit einheitlichen Muskelfasern und<br />
Fiederungswinkeln und vernachlässigen Sehnen und Aponeurosen<br />
(Böl & Reese, 2008; Meier & Blickhan, 2000).<br />
Die geometrische Anordnung der Muskelfasern innerhalb<br />
eines Muskels ist allerdings wesentlich komplexer, wobei<br />
erst eine dreidimensionale Beschreibung dem inneren Aufbau<br />
gerecht wird. Faserlänge (Gorb & Fischer, 2000), Fiederungswinkel<br />
(Gorb & Fischer, 2000; Stark, 2008) und<br />
Raumkrümmung (Stark, 2008) können in einem einfachen<br />
Muskel von Faszikel zu Faszikel so stark variieren, dass dieser<br />
nicht durch die Parameter eines einzigen Faszikelzuges<br />
beschrieben werden kann. Aufgrund dieser Komplexität<br />
sollte der Verlauf der Muskelfasern für den gesamten Muskel<br />
bestimmt werden, da die Messung einzelner Fasern ein<br />
verzerrtes und zu stark vereinfachtes Bild liefert.<br />
Unter Beachtung dieser Faktoren ist das Ziel dieser Arbeit,<br />
20<br />
die 3D Architektur der Wadenmuskulatur, insbesondere<br />
des M. soleus, des Kaninchens darzustellen. Dabei kommen<br />
zwei verschiedene Methoden zur Anwendung. Das Erfassen<br />
der 3D Architektur unter Verwendung eines manuellen<br />
3D Digitalisierer (MicroSchribe MLX) stellt in diesem<br />
Zusammenhang eine gut erprobte und validierte Methode<br />
dar (Gorb & Fischer, 2000; Schilling, Stark, & Fischer,<br />
2003). Im Gegensatz dazu befindet sich das DTI noch in<br />
der Entwicklungsphase. Einige kürzlich erschienene Studien<br />
konnten die Anwendbarkeit des DTIs auf dem Gebiet<br />
der in vivo Muskelfaserrekonstruktion an Tieren (Heemskerk<br />
et al., 2005; Zhang et al., 2008), als auch am Menschen<br />
(Kan et al., 2009; Lansdown et al., 2007) aufzeigen.<br />
Zwei Hauptprobleme treten bei den derzeitigen DTI Muskelrekonstruktionen<br />
auf. 1.) Die Faserverläufe in den distalen<br />
und proximalen Endbereichen können nicht aufgelöst<br />
werden. 2.) Die Abgrenzung zu benachbarten Muskeln<br />
ist schwierig (Heemskerk et al., 2005). Eine Validierung<br />
der Methode steht bisher noch aus. Zudem wurden alle<br />
bisher publizierten Tieruntersuchungen zu dieser Thematik<br />
ausschließlich an speziellen MR Tiersystemen durchgeführt.<br />
Aufgrund dessen soll in der vorliegenden Studie die<br />
Anwendbarkeit eines klinischen 3T MRT Systems zur Erfassung<br />
der Muskelarchitektur mittels DTI geprüft werden.<br />
Material/ Methoden:<br />
In der vorliegenden Arbeit wurden zwei verschiedene Methoden<br />
zur Bestimmung der 3D Muskelarchitektur angewandt:<br />
das DTI und das manuelle Digitalisieren.<br />
Bei dem DTI handelt es sich um eine neuartige Untersuchungsmöglichkeit<br />
auf dem Gebiet der Magnetresonanztomographie<br />
(MRT), mit deren Hilfe Mikrostrukturen oder<br />
Faserbahnen<br />
in vivo dargestellt werden können. Bei diesem Verfahren<br />
wird die Diffusionsrichtung der Wasserstoffprotonen als Information<br />
genutzt, um Muskelfaserverläufe zu rekonstruieren.<br />
Die MR Scans wurden mit einem klinischen 3T MRT<br />
System (Tim Trio, Siemens Medical Solution, Erlangen,<br />
Germany) unter Verwendung einer 8-Kanal Multifunktionspule<br />
durchgeführt. Diese Spule besteht aus zwei Elementen<br />
mit je vier kleinen Loops (CPC, Noras, Höchberg,<br />
Germany). Der Versuch wurde mit einem weiblichen New<br />
Zealand Kaninchen<br />
(m = 3180 g) durchgeführt. Das Tier wurde über die Ohrvene<br />
anästhesiert (Ketamin-Xylazin, Mischverhältnis: 10/1,<br />
Dosierung: 10 mg/kg/h). Die Füße des Tieres wurden an<br />
einer selbstgebauten Apparatur (Sprunggelenkswinkel ><br />
90°) mittels 2 cm breiten Klebeband fixiert. Die Ausrichtung<br />
der Unterschenkel des Tieres erfolgte parallel zum<br />
magnetischen Feld des Scanners. Die zwei Elemente der<br />
Spule wurden oberhalb bzw. unterhalb des Unterschenkels<br />
platziert. Als erstes wurde ein anatomischer Scan unter<br />
Verwendung einer single slab 3D T2-weighted TSE Sequenz<br />
mit einer isotropen Auflösung von 0.5 mm3 durchgeführt.<br />
Dieser Scan dauerte 21:02 min. Im Anschluss<br />
daran erfolgte der Diffusion-Tensor-Scan mit einer leicht<br />
modifizierten 2D EPI Sequenz. Dies ergab eine Auflösung<br />
von 1.51x1.51x1.5 mm³. Die Gesamtzeit zur Erfassung der<br />
Diffusion-Tensor-Scans mit drei Wiederholungen betrug<br />
17:38 min. Die Tensor-Rekonstruktion und das Faser-Tracking<br />
wurde mit Hilfe des Diffusion Toolkit, die Evaluierung<br />
und Visualisierung der Tracks mit Trackvis durchgeführt<br />
(Wang & Weeden, 2009).<br />
Die zweite Methode zur Rekonstruktion der 3D Architektur<br />
(insbesondere der Muskelfasern) ist die ex vivo Unter-
suchung mit einem manuellen Digitalisierer (MicroScribe<br />
MLX). Zuvor wurden spezielle Vorbereitungen getroffen.<br />
Unmittelbar nach dem Tod des Tieres<br />
(♂, m = 2700 g) erfolgte die Präparation der linken unteren<br />
Extremität (Abziehen der Haut, Entfernen von oberflächigem<br />
Fett und Bindegewebe, Durchtrennen des Oberschenkels).<br />
Der Muskel-Knochen-Verband wurde anschließend<br />
bei einem Sprunggelenkswinkel von 90° in alkoholischen<br />
Bouin fixiert. Diese Fixationsmethode ermöglicht einen<br />
guten Erhalt der volumetrischen Verhältnisse (Schilling,<br />
Stark, & Fischer, 2003) und ruft im Vergleich zu anderen<br />
Fixationsmethoden nur sehr wenige Schrumpfartefakte des<br />
Muskelgewebes hervor (Gorb & Fischer, 2000). Nach einer<br />
ausreichenden Fixierung von mindestens 24 h wurde<br />
der M. plantaris, in Zukunft der M. soleus, unter Erhalt<br />
von Ursprung und Ansatz von der umliegenden Muskulatur<br />
befreit. Im ersten Arbeitsschritt der Digitalisierung erfolgt<br />
das Abscannen der Muskeloberfläche, wobei in Aponeurosendaten<br />
und Faszikelkoordinaten unterschieden wurde,<br />
sowie der angrenzenden Knochen. Die dreidimensionalen<br />
Punktpositionen wurden durch das manuelle Positionieren<br />
einer nadelförmigen Messspitze erfasst (Genauigkeit < 0,1<br />
mm). Um die anschließende Vermessung, die höchste Präzession<br />
erfordert, zu gewährleisten, wurde das Präparat in<br />
Wachs eingegossen. Diese zusätzliche Fixierung vermeidet<br />
Bewegungen des Präparates während der Datenaufnahme.<br />
Im zweiten deutlich aufwändigeren Arbeitsgang werden<br />
künftig schrittweise Faszikel abpräpariert (Zupfpräparation).<br />
Zur Rekonstruktion der Muskelfaserverläufe werden<br />
von jedem zehnten Faszikel Ursprung, Ansatz und ausgewählte<br />
Messpunkte entlang des Faszikels aufgenommen.<br />
Die Daten werden mit der MicroScribe Utility Software erfasst<br />
und mit Matlab 7.6 visualisiert.<br />
Ergebnisse:<br />
Um die einzelnen Muskeln bzw. Muskelgruppen zu visualisieren,<br />
wurden mehrere ROIs (englisch: region of interest)<br />
manuell in das anatomische Volumen, das heißt in die<br />
Querschnitte der Muskeln des rechten Unterschenkels, gezeichnet.<br />
Die Muskelquerschnitte sind Ergebnisse des anatomischen<br />
Scans. Die ROIs setzen sich aus dem M. tibialis<br />
anterior (TA) und dem M. extensor digitorum longus (EDL),<br />
Teilen des M. soleus (SOL), M. plantaris (PL) und des M.<br />
flexor hallucis longus (FHL), dem M. gastrocnemius medialis<br />
(GM) und lateralis (GL) zusammen (in Graustufen dargestellt).<br />
Die resultierenden Tracks (Hauptdiffusionslinien)<br />
repräsentieren den Verlauf der Muskelfasern. Alle Tracks,<br />
welche die definierten ROIs durchlaufen, sind in Abbildung<br />
1 gemeinsam mit einem anatomischen Scan aufgeführt<br />
(Abb.1).<br />
Erste Visualisierungsversuche der dreidimensionalen Koordinaten<br />
des M. plantaris des linken Beines des Kaninchens,<br />
die mittels des 3D-Scanners erfasst wurden, werden in Abbildung<br />
2 dargestellt. Hierbei beruhen ausschließlich die<br />
Daten der Aponeurosen auf der manuellen Digitalisierung.<br />
Zum besseren Verständnis wurden der Knochen-Verband,<br />
Sehnen sowie einzelne Muskelfasern schematisch eingefügt<br />
(Abb.2).<br />
Diskussion:<br />
Die ersten recht vielversprechenden Ergebnisse des DTIs<br />
mit einem klinischen MRT System ermutigen, die Muskelarchitektur<br />
unter Verwendung des beschriebenen Versuchsaufbaus<br />
detaillierter zu untersuchen. Auch wenn<br />
eine durchaus adäquate Möglichkeit gefunden wurde, die<br />
Muskelarchitektur darzustellen, so ist die angewandte 2D<br />
EPI-basierte Erfassung anfällig für Suszeptibilitätsartefakte,<br />
die die Architektur der rekonstruierten Muskelfasern deformieren.<br />
Aufgrund dessen erweist es sich als sinnvoll, in den<br />
künftigen Untersuchungen 3D-DTI Sequenzen zu verwenden.<br />
Bei der Auswertung der ermittelten Daten besteht die<br />
Schwierigkeit, anhand des DTIs Information über die Muskelgrenzen<br />
zu erlangen. Dieses Problem ist in der Literatur<br />
bereits bekannt (Heemskerk et al., 2005). Dadurch wird die<br />
Zuordnung der Muskelfasern zu den zugehörigen Muskeln<br />
erschwert. Abhilfe wurde durch das Definieren von ROIs<br />
geschaffen, welche aus dem anatomischen Scan ermittelt<br />
wurden. Dies ermöglichte es alle Muskelfasern, die durch<br />
einen ROI laufen, zu bündeln, stellvertretend für das Abgrenzen<br />
der Muskeln bzw. Muskelgruppen gegeneinander.<br />
Dennoch ist aufgrund einer unzureichenden räumlichen<br />
Auflösung die Gefahr gegeben, dass einzelne Muskelfasern<br />
Abbildung 1 Von links nach rechts. Sagittale Ansicht des anatomischen Scans. Laterale und mediale Ansicht der Fasergebiete des rechten<br />
Unterschenkels (hervorgegangen aus den definierten ROIs).<br />
21
im Randbereich falsch den angrenzenden Muskeln zugeordnet<br />
werden. Weiterhin treten Muskelfasern auf, die<br />
mehrere Muskeln durchlaufen. Bei gleicher räumlicher Ausrichtung<br />
der Fasern verschiedener Muskeln können diese<br />
fälschlicherweise innerhalb der Trackingsoftware (Diffusion<br />
Toolkit) über die Muskelgrenzen hinaus verbunden werden.<br />
Damit erscheinen sie länger als in der Realität und spiegeln<br />
anatomisch nicht korrekte Tracks wider. Dies resultiert beispielsweise<br />
darin, dass der ROI, der den M. gastrocnemius<br />
medialis definiert, nicht nur dessen Fasern, sondern auch<br />
etliche des M. semitendinosus erfasst (siehe Abbildung 1<br />
rechts). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zusätzliche<br />
Information über die Muskelform von anderen Messmethoden<br />
(MRT oder manuelles Digitalisieren) mit einzubeziehen,<br />
um die Muskeln klar voneinander zu trennen. Zusätzlich<br />
besteht die Möglichkeit künftig bei der Datenverarbeitung<br />
an Stelle eines ROIs je Muskel bzw. Muskelgruppe mehrere<br />
ROIs in unterschiedlichen Abschnitten des Muskels zu definieren,<br />
um damit die Muskelform genauer abzugrenzen.<br />
Die gewonnenen Ergebnisse, die es aufgrund der aufgezeigten<br />
Problematiken zu optimieren gilt, sollen in Zukunft<br />
mit den weitaus zeitaufwändigeren ex vivo Untersuchungen<br />
der Muskelgeometrie, insbesondere der Muskelfaszikel<br />
durch den manuellen Digitalisierer verglichen werden. Diese<br />
gut erprobte Methode der 3D Rekonstruktion soll in diesem<br />
Zusammenhang genutzt werden, um das sich auf dem<br />
Gebiet der Muskelfaserdarstellung in der Entwicklungsphase<br />
befindende DTI zu validieren. Diese Validierung würde<br />
mit diversen Vorteilen einhergehen. Der verhältnismäßig<br />
geringe Zeitaufwand von circa 1,5 h inklusive Vorbereitungszeit,<br />
als auch die Fähigkeit der in vivo Muskelfaserrekonstruktion<br />
erlauben es unter anderem ein Tier mehrfach<br />
unter Einstellung verschiedener Gelenkwinkel zu messen,<br />
um die entsprechende Veränderung der Muskelarchitektur<br />
zu erfassen. Dieses detaillierte Wissen über die Geometrie<br />
des Muskels kann bei der Simulation von Muskeln, insbesondere<br />
bei der Entwicklung von realistischen FE-Muskelmodellen<br />
von großem Nutzen sein.<br />
22<br />
Literatur:<br />
Abbildung 2 Graphische Darstellung des Muskel-Knochen-Verbandes des M. planataris.<br />
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Biomechanische Untersuchungen von Muskeleigenschaften<br />
beim Neuseelandkaninchen<br />
Kay Leichsenring<br />
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft, Institut für<br />
<strong>Sport</strong>wissenschaft, Friedrich-Schiller-Universität<br />
<strong>Jena</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Muskeln sind die Motoren des Lebens. Um diese hochkomplexen<br />
Strukturen verstehen und beschreiben zu<br />
können, werden in der Wissenschaft verschiedene Modellierungsansätze<br />
verwendet. Mit Hilfe dieser Modelle wird<br />
die Erfassung der Funktionsweisen des Muskel-Sehnen-<br />
Komplexes angestrebt, um anhand von Simulationen<br />
realistische Prognosen über die Änderung von Muskelform<br />
und Kraftverhalten während einer dynamischen Kontraktion<br />
erstellen zu können. Für die Modellentwicklung ist<br />
neben der mathematischen Beschreibung die experimentelle<br />
Untersuchung aller Muskelparameter notwendig. Das<br />
Erfassen der aktiven und passiven Muskeleigenschaften<br />
(Kraft-Längen-Kurve, Kraft-Geschwindigkeits-Kurve,<br />
Aktivierungsverhalten und Eigenschaften der seriell- und<br />
parallelelastischen Komponenten) sowie deren Quantifizierung<br />
stellt das Anliegen dieses Projektes dar. Die<br />
Bestimmung der Muskelparameter erfolgt in situ am<br />
isolierten Schollenmuskel (M. soleus) beim Kaninchen<br />
(Oryctolagus cuniculus). Anhand von verschiedenen experimentellen<br />
Methoden werden die mechanischen Eigenschaften<br />
und Strukturparameter bestimmt.<br />
Einleitung<br />
Der menschliche Körper besitzt über 650 verschiedene<br />
Muskeln, welche etwa 35 bis 40 Prozent des gesamten<br />
Körpergewichts ausmachen. All diese Muskeln besitzen<br />
die Eigenschaft, durch Aktivierung Kräfte zu erzeugen und<br />
ihre Länge zu ändern. Somit können der Mensch und auch<br />
alle anderen Lebewesen mechanische Energie produzieren,<br />
welche für die vielfältigen Bewegungen und deren<br />
Regulation erforderlich ist.<br />
Daher liegt die Beschreibung dieser wahren Kraftwerke<br />
des Lebens schon seit langer Zeit im Interesse der Forschung,<br />
um beispielsweise Aussagen über das Phänomen<br />
der Muskelkontraktion treffen zu können. In der Wissenschaft<br />
werden biomechanische Muskelmodelle zum<br />
Beispiel zur Beschreibung der Muskelkontraktion (Siebert<br />
et al., 2007; Siebert, Wagner, & Blickhan, 2003) sowie<br />
als Motoren in komplexen Muskel-Skelett-Modellen<br />
(Buchanan et al., 2004; Lloyd & Besier, 2003) verwendet.<br />
Zudem sollen diese Modelle helfen, die Interaktion zwischen<br />
aktiven (Aktin und Myosin), passiven (zum Beispiel<br />
Epi-, Peri- und Endomysium) und aktivierungsabhängigen<br />
Strukturen (beispielsweise Titin, nach Rode, Siebert, &<br />
Blickhan, 2009a) der Muskulatur zu erklären.<br />
Zur Modellierung werden unterschiedliche Ansätze verwendet,<br />
um die Muskeleigenschaften aufzuschlüsseln.<br />
Beispielsweise konnten in zahlreichen vorangegangenen<br />
Arbeiten die Muskelaktivierung, die Faserverteilung oder<br />
die Muskelermüdung beschrieben werden.<br />
Eines der ersten mathematischen Modelle ist das makromechanische<br />
Modell nach Hill (1922 & 1938). Dieses<br />
Modell beinhaltet drei verschiedene Elemente. Ein kontraktiles<br />
Element [CC], welches die aktiven Muskelfasern<br />
beschreibt. Ein serienelastisches Element [SEC], welches<br />
die Sehnen, Aponeurosen sowie die Serienelastizität der<br />
kontraktilen Einheit darstellt und ein parallelelastisches<br />
Element [PEC], das zum Beispiel den Bindegewebshüllen<br />
der Muskulatur entspricht. Anhand der „Hill´ schen Gleichung“<br />
konnte erstmals der nichtlineare Zusammenhang<br />
zwischen Muskelkraft und Kontraktionsgeschwindigkeit<br />
beziehungsweise die Abhängigkeit der Kraftproduktion<br />
von der Muskellänge beschrieben werden. Als eines der<br />
ersten mikrostrukturellen Modelle ist das von Huxley<br />
(1957) zu nennen. Der als „Querbrückentheorie“ bezeichnete<br />
Ansatz formuliert die Muskelkontraktion als eine Interaktion<br />
zwischen Aktin- und Myosinfilamenten, welche<br />
sich zueinander bewegen. Durch diese Relativbewegung<br />
der beiden Filamente kommt es zur Längenänderung der<br />
Muskulatur und somit zur Produktion der mechanischen<br />
Energie. Diese beiden Modelle, auf makromechanischer<br />
sowie mikrostruktureller Basis, werden für die Beschreibung<br />
der dynamischen Kontraktion kompletter Muskeln<br />
verwendet.<br />
Seit einiger Zeit werden anhand der Finite- Elemente-<br />
Methode dreidimensionale Muskelmodelle erstellt, um<br />
die geometrisch komplexen Gegebenheiten während<br />
einer Kontraktion simulieren zu können (Blemker & Delp,<br />
2005; Böl & Reese, 2008; Meier & Blickhan, 2000). Die<br />
meisten dieser FE- Modelle basieren auf einer phänomenologischen<br />
Beschreibung des weichen Muskelgewebes<br />
in Kombination mit eindimensionalen Hill- Modellen zur<br />
Wiedergabe der aktiven Eigenschaften der finiten Elemente.<br />
Mit Hilfe der auf FE- Basis konstruierten Modelle<br />
sollen Prognosen über Trägheitseinflüsse, Geometrieänderungen<br />
oder dem Verhalten von Innendrücken während<br />
einer dynamischen Muskelkontraktion ermöglicht werden.<br />
Ebenso könnten die Einflüsse von Zwangskräften oder die<br />
Einwirkung von angrenzenden Muskeln untersucht werden.<br />
Um das Potential dieser Methode für die Erlangung<br />
eines besseren Verständnisses über die Kontraktionsdynamik<br />
nutzen zu können, müssen die Muskelmodellparameter<br />
anhand experimenteller Untersuchungen bestimmt<br />
werden. Dieses Ziel soll anhand unseres Projektes realisiert<br />
werden.<br />
Material und Methoden<br />
Die experimentelle Untersuchung der Muskeleigenschaften<br />
erfolgte am isolierten M. soleus des Kaninchens.<br />
Dieser eingelenkige Muskel wird durch eine unipennate<br />
Architektur und eine homogene Muskelfaserverteilung<br />
(Wank, 2000) charakterisiert. Der Muskel hat seinen<br />
Ursprung am proximalen Teil der Fibula und mündet über<br />
die Tendo calcaneus communis am Calcaneus, so dass er<br />
hauptsächlich während der Plantarflexion agiert. Aufgrund<br />
der hohen Resistenz gegen Ermüdung und der guten<br />
experimentellen Anwendung eignet sich der M. soleus für<br />
zahlreiche Versuche, um mit verschiedenen Methoden<br />
seine Muskeleigenschaften zu bestimmen.<br />
Das Kaninchen (♂, 2500g) wurde zu Beginn des Versuches<br />
durch eine intravenöse Injektion in die Ohrvene<br />
mit Natrium- Pentobarbital (30mg pro kg) betäubt.<br />
Zusätzlich wurde mit Bupivacain (0,5%) eine epidurale<br />
Anästhesie vollzogen, welche eine reversible Unterbrechung<br />
der Erregungsleitung im Rückenmark bewirkt. Im<br />
Anschluss erfolgte die Präparation der hinteren Extremität,<br />
bei welcher ein Zugang zum N. tibialis, welcher den<br />
23
M. soleus innerviert, geschaffen wurde. Zudem wurde der<br />
Muskel freipräpariert und der Calcaneus von der Fußwurzel<br />
abgetrennt, um die isolierten Muskelkontraktionen<br />
durchführen zu können. Durch die Isolierung des Muskels<br />
kann die unmittelbare Bestimmung der Kräfte und<br />
Geschwindigkeiten gewährleistet werden. Im Anschluss<br />
an die Präparation wurde die gesamte hintere Extremität<br />
in einem speziell entwickelten Arretierungsrahmen fixiert.<br />
Das zentrale Element des Messplatzes ist ein Muskelhebel<br />
(Aurora Scientific 310B- LR), welcher mit dem Ansatz<br />
des M. soleus am Calcaneus durch einen Haken verbunden<br />
wurde (Abb. 1). Mit diesem Hebelarmsystem ist<br />
es möglich, Längenänderungen und Kräfte vorzugeben<br />
und gleichzeitig die durch den Muskel-Sehnen-Komplex<br />
erzeugten Kräfte und Längenänderungen mit einer maximalen<br />
Frequenz von 1000Hz zu messen. Die Ruhemuskellänge,<br />
von der aus alle Versuche starteten, entsprach<br />
einem Sprunggelenkswinkel von 90° und betrug 105mm.<br />
Die supramaximale Stimulation des N. tibialis erfolgte<br />
anhand einer selbstgefertigten bipolaren Goldelektrode<br />
mit einem Elektrodenabstand von 3mm. Zu Beginn der<br />
Messungen wurde die minimale Reizschwelle für eine<br />
Zuckungskontraktion bestimmt. Für die vollständige Rekrutierung<br />
aller Muskelfasern wurde die nervale Stimulation<br />
unter Verwendung des dreifachen Schwellenwertes<br />
der Zuckungskontraktion benutzt. Danach konnten die<br />
verschiedenen Versuche zur Bestimmung der Muskeleigenschaften<br />
durchgeführt werden. Die Kraft-Längen-<br />
Kurve wurde durch eine Serie isometrischer Kontraktionen<br />
bei verschiedenen Muskellängen, das Inkrement betrug<br />
2mm, bestimmt. Dazu wurde der Muskel ausgehend von<br />
der Ruhemuskellänge auf die Versuchslänge gedehnt. Zur<br />
Minimierung visköser Einflüsse auf die aktive Muskelkontraktion<br />
wurde der Muskel passiv 2s auf dieser Länge gehalten.<br />
Dann erfolgte eine 1000ms andauernde Stimulation,<br />
die ausreichend war, um ein Plateau im Kraftverlauf<br />
zu erzeugen. Für jede Muskellänge wurde die maximale<br />
Muskelkraft (FGesamt) sowie die passive Muskelkraft<br />
(FPassiv) bestimmt. Aufgrund der temperaturabhängigen<br />
Eigenschaften der Muskulatur (Bennett, 1985; Bergh &<br />
Ekblom, 1979; Ranatunga, 1982) wurde das Kaninchen<br />
während der Messungen auf einem temperaturregulierendem<br />
Wärmekissen (Harvard Apparatus) gelagert. Die<br />
Temperatur wurde auf 39°C eingestellt (Abb.1).<br />
24<br />
Ergebnisse<br />
Innerhalb dieser Untersuchung konnten zahlreiche isometrische<br />
Kontraktionen durchgeführt werden. Für die<br />
supramaximale Stimulation des M. soleus waren folgende<br />
Parameter notwendig. Die Stromstärke betrug 3mA, die<br />
Reizfrequenz lag zwischen 80- 100Hz und die Impulsbreite<br />
wurde auf 0,1ms eingestellt. Geringere Reizfrequenzen<br />
lieferten deutlich verlängerte Aktivierungszeiten (beispielsweise<br />
1,5s bei 30Hz) und geringere Maximalkräfte.<br />
Aus den Kontraktionen erfolgte jeweils die Ermittlung des<br />
Kraft-Zeit-Verlaufes, welcher in Abb. 2 dargestellt ist und<br />
Aufschluss über die isometrische Kraftentwicklung gibt<br />
(Abb.2).<br />
Für die hier abgebildete Kontraktion, die Muskellänge<br />
entsprach der Ruhemuskellänge von 105mm, konnte eine<br />
maximale Kraft von 7,7N ermittelt werden. Eine Reizdauer<br />
von 1000ms und eine Stimulationsfrequenz von 100Hz<br />
wurden für den in Abb. 2 gezeigten Verlauf angewendet.<br />
Schließlich wurde anhand der isometrischen Kontraktionen<br />
die Kraft-Längen-Abhängigkeit (Abb. 3) des M.<br />
soleus bestimmt. Es wird deutlich, dass der Muskel seine<br />
optimale Muskellänge bei etwa 107mm (Ruhemuskellänge<br />
+ 2mm) besitzt. Dies entspricht einem Gelenkwinkel von<br />
92,7°.<br />
Das Diagramm zeigt auch, dass der M. soleus bei einer<br />
Winkelstellung von 90° (entspricht der Ruhemuskellänge)<br />
noch keine passiven Muskelkräfte entwickelt. Diese<br />
nehmen allerdings mit Beugung des Gelenks (Dorsalextension)<br />
zu. Bei einer Muskellänge von 113mm erreichen<br />
die passiven Kräfte etwa 23% der Gesamtmuskelkraft.<br />
Die Breite des ansteigenden Astes der Kraft-Längen-<br />
Kurve beträgt etwa 10mm. Ausgehend von der optimalen<br />
Muskellänge ergibt sich bei einer theoretischen maximalen<br />
Muskelverkürzung von 40% (Herzog et al., 1992) eine<br />
optimale Faserlänge von 25mm.<br />
Abbildung 1 Messplatz mit Muskelhebel (A) und Arretierungsrahmen (E). Die hintere Extremität, bestehend aus Tibia und Femur (D), ist<br />
fixiert und der Muskel-Sehnen-Komplex des M. soleus (C) ist mit dem Muskelhebel verbunden (B)
Diskussion<br />
Im Mittelpunkt dieser Untersuchung liegt die Erfassung<br />
der aktiven und passiven Muskelparameter. Aus den<br />
daraus gewonnen Erkenntnissen kann in Kombination<br />
mit einer genauen Rekonstruktion der jeweiligen Muskelarchitektur<br />
ein neues dreidimensionales Muskelmodell<br />
basierend auf der Finite- Elemente- Methode erstellt<br />
werden. Mit diesem neuen Modell soll ein verbessertes<br />
Verständnis über die räumliche Kontraktionsdynamik<br />
gewonnen werden, um beispielsweise Fragen über die<br />
Einflussnahme von Knochen oder anliegender Muskulatur<br />
während der dynamischen Kontraktion beantworten<br />
zu können. Mit den bisher bestehenden, größtenteils<br />
eindimensionalen Modellierungsansätzen (Hill- Modell<br />
oder Huxley- Modell) können diese Fragestellungen nicht<br />
exakt beantwortet werden. Auch wurden bislang in den<br />
dreidimensionalen Muskelmodellen nur stark vereinfachte<br />
Muskelgeometrien angewandt. Daher ergibt sich die<br />
Notwendigkeit, den Einfluss der anatomischen Gegebenheiten,<br />
zum Beispiel auftretende Zwangskräfte infolge der<br />
Packung der Muskulatur, klären zu können. Zudem liegt<br />
bis zum jetzigen Zeitpunkt lediglich die unter Verwendung<br />
des Muskelmodells [CC+SEC] bestimmte PEC- Kennlinie<br />
vor. Die Bestimmung dieser PEC- Kennlinie unter Verwendung<br />
des Modells [CC], welches den vorliegenden Muskel<br />
besser beschreibt (Rode et al., 2009b), konnte aufgrund<br />
der noch ausstehenden Bestimmung der Eigenschaften<br />
der serienelastischen Komponente nicht durchgeführt<br />
werden. Dies soll in weiterführenden Arbeiten erreicht<br />
werden.<br />
Ein weiteres Ziel ist die Untersuchung von Muskeln mit<br />
einer komplizierteren Architektur und einer inhomogenen<br />
Muskelfaserzusammensetzung. Nur so kann die Simulation<br />
von gesamten Muskelgruppen, welche sich aus verschiedenen<br />
Muskeln mit unterschiedlichen Eigenschaften<br />
zusammensetzen, realisiert werden. Ebenso könnten weiterführend<br />
die zusätzlichen Funktionen der Muskulatur,<br />
beispielsweise die Stabilisierung von Gelenken, betrachtet<br />
werden. Diese Erkenntnisse würden helfen, Anwendungen<br />
in der <strong>Sport</strong>wissenschaft (zum Beispiel die Steigerung<br />
der Leistungsfähigkeit) und Medizin (beispielsweise die<br />
Entwicklung von Implantaten oder die Verbesserung von<br />
Operationstechniken) zu optimieren.<br />
Literatur<br />
Abbildung 2 Kraft-Zeit-Verlauf einer isometrischen Kontraktion des M. soleus<br />
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oscillations are rubbish: forward simulation of quickrelease<br />
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•Wank, V. (2000). Aufbau und Anwendung von Muskel-<br />
Skelett-Modellen zur Bestimmung biomechanischer Muskelparameter.<br />
<strong>Jena</strong>: Habilitationsschrift an der Friedrich-<br />
Schiller Universität.<br />
Abbildung 3 Kraft-Längen-Kennlinien für den gesamten Muskel-Sehnen-Komplex F[Gesamt], dem parallelelastischen Element F[PEC] sowie<br />
des kontraktilen Elementes F[CC+SEC] des M. soleus. Die Berechnung des kontraktilen Elementes erfolgte unter Verwendung des Muskelmodells<br />
[CC + SEC] (Rode et al., 2009b). Die Ruhemuskellänge entspricht einer Muskellänge von 105mm bei einem Gelenkwinkel von 90°<br />
26
Bein- und Beckenmuskelaktivierung bei<br />
Patienten mit chronisch nichtspezifischem<br />
Rückenschmerz und bei Gesunden – welchen<br />
Einfluss hat die visuelle Information?<br />
Dirk Nötzel<br />
Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft, Lehrstuhl für<br />
<strong>Sport</strong>medizin, Friedrich-Schiller-Universität <strong>Jena</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Patienten mit chronisch unspezifischem Rückenschmerz<br />
(CURS) zeigen veränderte Aktivierungsmuster der Rumpfmuskulatur<br />
und Wahrnehmungsdefizite. In einer Querschnittstudie<br />
wurden die Muskelaktivierungsmuster der<br />
Becken- und Beinmuskulatur bei schnellen distalen Störungen<br />
mittels Oberflächenelektromyografie (OEMG) sowie<br />
der Einfluss der visuellen Information (Auge offen vs. Augen<br />
geschlossen) untersucht. Patienten mit CURS zeigen<br />
vergleichend mit Gesunden keine veränderten Muskelaktivierungsmuster.<br />
Gesunde zeigen ein abhängiges Verhalten<br />
der Maximal Amplitude von der visuellen Information.<br />
Weiterhin zeigen beide Gruppen zeigen eine signifikant<br />
höhere Voraktivierung in der Situation Augen geschlossen.<br />
Einleitung<br />
Patienten mit chronisch CURS zeigen im Vergleich zu Gesunden<br />
eine veränderte OEMG Antwort ausgewählter<br />
Rumpfmuskeln (Hodges und Richardson 1996; Hodges<br />
und Richardson 1998; Radebold et al. 2000) und veränderte<br />
Aktivierungsmuster des Armbeugers (Leinonen et<br />
al. 2007). Dies deutet darauf hin, dass chronisch unspezifischer<br />
Rückenschmerz nicht nur Einfluss auf die Muskulatur<br />
der Schmerzregion hat, sondern mit einer generellen<br />
Veränderung der motorischen Kontrolle assoziiert ist. Des<br />
Weiteren wurde nachgewiesen, dass Patienten mit CURS<br />
eine reduzierte taktile Diskriminierungsfähigkeit in der<br />
Schmerzregion sowie ein gestörtes body image aufweisen<br />
(Moseley 2008). Ob die Beinmuskulatur ebenfalls ein<br />
verändertes Aktivierungsmuster zeigt und welchen Einfluss<br />
die visuelle Information (Augen offen vs. Augen geschlossen)<br />
hat ist bisher nicht hinreichend untersucht.<br />
Ziel der Studie war die Untersuchung der reflektorischen<br />
Aktivierungsmuster ausgewählter Becken- und Beinmuskeln<br />
sowie den Einfluss der visuellen Information bei posterior-anterior<br />
Störungen auf dem Posturomed® bei Patienten<br />
mit CURS.<br />
Tabelle 1. Demografische Daten der untersuchten Probanden.<br />
Material und Methoden<br />
Es wurden 8 Patienten mit CURS ohne degenerative Bandscheibenerkrankung<br />
der Wirbelsäule und 12 gesunde Vergleichspersonen<br />
untersucht (Tabelle 1). Die Personen standen<br />
barfuß auf einem modifizierten Posturomed® (Haider<br />
bioswing, Pullenreuth, Deutschland). Sie wurden instruiert,<br />
in einer komfortablen Position, mit Blick geradeaus zu<br />
stehen. Durch manuelles Lösen der arretierten Plattform<br />
innerhalb von 10 Sekunden nach einer verbalen Information<br />
wurden 14 Störungen in posterior-anterior Richtung<br />
(jeweils 7 mit offenen und 7 mit geschlossen Augen) randomisiert<br />
appliziert (Tabelle 1).<br />
Folgenden Muskeln wurden mittels OEMG untersucht (bipolar):<br />
M. gluteus medius (GM), M. rectus femoris (RF), M.<br />
vastus medialis (VM), M. biceps femoris (BF), M. tibialis anterior<br />
(TA), M. peroneus longus (PL). Die Messung erfolgte<br />
simultan für beide Körperhälften. Die Elektrodenlokalisation<br />
wurde nach (Hermens et al. 1999) durchgeführt. Die<br />
Aufzeichnung der OEMG Signale und die Beschleunigung<br />
der Plattform erfolgte simultan (Biovision EMG System,<br />
Wehrheim, Deutschland; AD-Rate:2000/s, Verstärkung<br />
2500fach, Auflösung OEMG: 1,0µV/bit). Die automatische<br />
Bestimmung des Störzeitpunktes erfolge anhand der maximalen<br />
Amplitude des Beschleunigungssignals für jede<br />
der 14 Störungen. Folgende Parameter wurden untersucht<br />
(Abb. 1): Voraktivierung: mittlere Amplitude 300 ms vor<br />
der Störung bis Störungsbeginn; Latenzzeit: Zeitraum vom<br />
Störzeitpunkt bis zum ersten Anstieg des OEMG-Signals<br />
(überschreiten der mittleren Amplitude der Voraktivierung<br />
+ 4fache Stabw); erstes Amplitudenmaximum nach dem<br />
Störzeitpunkt. Alle Parameter wurden nach der automatischen<br />
Detektion visuell kontrolliert. Die Daten wurden in<br />
Matlab 7.0 analysiert (The Mathworks Inc, Natick, USA).<br />
Die statistische Analyse der Daten erfolgte mittels ANO-<br />
VA mit Messwiederholung (Muskel/Auge/Gruppe). Als Post<br />
Hoc Test wurde der Tukey HSD für unterschiedlich große<br />
Stichproben verwendet (Abbildung 1).<br />
Ergebnisse<br />
Die Muskelaktivierung der Bein- und Beckenmuskulatur ist<br />
bei Patienten mit CURS und Gesunden bei distalen posterior-anterior<br />
Störungen nicht signifikant unterschiedlich<br />
(Voraktivierung: F=0,01; p=0,93; Maximal Amplitude:<br />
F=0,07; p=0,79; Latenzzeit: p=0,41; p=0,53). Jedoch<br />
wurde für den Parameter Maximal Amplitude und Voraktivierung<br />
ein Zusammenhang mit der visuellen Information<br />
27
nachgewiesen. Die ANOVA zeigte für die Beinmuskulatur<br />
signifikante Interaktionen zwischen Auge*Gruppe (F=5,93;<br />
p
Kundenanalysen als Basis einer<br />
Marketingstrategie<br />
Benedikt Römmelt<br />
Lehrstuhl für <strong>Sport</strong>ökonomie, Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft,<br />
Friedrich-Schiller-Universität <strong>Jena</strong><br />
Zusammenfassung<br />
Die Kenntnis der Präferenzen und der Eigenschaften der<br />
(potentiellen) Kunden stellt aus Marketinggesichtspunkten<br />
einen grundlegenden Erfolgsfaktor dar. Im folgenden Beitrag<br />
wird auf Basis des S-T-P-Ansatzes von Kotler und Bliemel<br />
gezeigt, welche Kundengruppen innerhalb des Marktes<br />
für kommerzielle Fitness bei Studenten in <strong>Jena</strong> existieren<br />
und welche Eigenschaften diese Kundensegmente ausmachen.<br />
Auf Basis dieser Segmentbeschreibungen wird die<br />
ökonomische Relevanz für einen Anbieter diskutiert. Dabei<br />
wird insbesondere die Wettbewerbssituation berücksichtigt.<br />
Einleitung - Notwendigkeit der Analyse von Kunden<br />
und deren Bedürfnissen<br />
Auf einem wettbewerbsintensiven Markt stellt die kundenorientierte<br />
Ausrichtung des eigenen Angebots einen der<br />
wichtigsten Erfolgsfaktoren dar. Ziel eines jeden Unternehmers<br />
sollte es sein, seinen Kunden einen größtmöglichen<br />
Nutzen zu bieten. Dabei muss er sich ökonomisch<br />
vorteilhaft im Wettbewerb positionieren. Voraussetzung<br />
für beides ist, seinen (potentiellen) Kunden sowie dessen<br />
Bedürfnisse und Präferenzen zu kennen. Gerade in einer<br />
Gesellschaft mit zunehmenden Individualisierungstendenzen<br />
wie der unseren, muss ein Anbieter um die heterogenen<br />
Bedürfnisse der Kunden wissen. Eine intensive<br />
Untersuchung der Kunden und eine Reflexion der Unterschiede<br />
in einzelnen Kundengruppierungen sind unumgänglich.<br />
Selbst Gruppen wie „Studenten“ oder „Hausfrauen“<br />
stellen in sich sehr unterschiedliche Gesamtheiten<br />
Abbildung 1: Undifferenziertes Massenmarketing vs. Analyse von Kundensegmenten (eigene Darstellung)<br />
dar, die keine homogenen und immer ähnlichen Präferenzen<br />
vorweisen.<br />
Den typischen Kunden gibt es heute nicht mehr und undifferenziertes<br />
Massenmarketing nach dem Gießkannenprinzip,<br />
bei dem ein Produkt für alle Kunden angeboten wird,<br />
funktioniert in kaum noch einer Branche. Ein Anbieter<br />
muss deshalb Kundensegmente finden, die für ihn attraktiv<br />
sind, diese fokussiert bearbeiten und ein zielgruppenspezifisches<br />
Angebot erstellen (vgl. Abb. 1).<br />
Am Beispiel der Grundgesamtheit „fitnessinteressierte<br />
Studenten in <strong>Jena</strong>“ wird im Folgenden eine Kundenanalyse<br />
nach dem S-T-P Ansatz von Kotler und Bliemel (2001)<br />
durchgeführt werden.<br />
Methodisches Vorgehen: S-T-P Ansatz nach Kotler<br />
und Bliemel<br />
Der S-T-P-Ansatz nach Kotler und Bliemel (2001) besteht<br />
aus drei Phasen (vgl. Abb. 2): Dem Segmenting, dem Targeting<br />
und dem Positioning.<br />
In der Segmenting-Phase, die den Schwerpunkt dieses<br />
Beitrags darstellt, werden zunächst die relevanten Segmentierungsvariablen<br />
ermittelt und die Segmente eingeteilt.<br />
Ein Segmentierungskriterium muss dabei folgende<br />
Voraussetzungen erfüllen: Verhaltensrelevanz, Messbarkeit,<br />
Zeitliche Stabilität, Liefern von Anhaltspunkten für<br />
die Marktbearbeitung, Wirtschaftlichkeit, Beeinflussbarkeit<br />
und Unabhängigkeit (Böhler & Scigliano, 2004, 73f.;<br />
Helm & Steiner, 2008, 87ff.). Im Falle der fitnessinteressierten<br />
Studenten scheinen die Präferenzen bezüglich der<br />
Angebotsbestandteile von Fitnessstudios als passende<br />
Segmentierungsvariable. Präferenzen sind eindimensionale<br />
Indikatoren für die Vorziehenswürdigkeit einer Alternative<br />
gegenüber anderen Produktalternativen zu einem<br />
bestimmten Zeitpunkt (Helm & Steiner, 2008, 27ff.). Die<br />
Präferenzen wurden kompositorisch durch eine Abfrage<br />
der Nutzungshäufigkeit einzelner Angebotsbestandteile<br />
gemessen. Bei der Befragung mittels Computer gestützter,<br />
persönlicher Interviews (CAPI) wurde ein Quotenplan eingehalten,<br />
der die Repräsentativität der Erhebung für die<br />
26.000 <strong><strong>Jena</strong>er</strong> Studenten gewährleistet. Insgesamt wurden<br />
229 Studenten befragt. Bei 70% von diesen (n=160)<br />
29
lag Fitness im „relevant set“, d.h. sie haben Interesse an<br />
der Nutzung kommerzieller Fitnessangebote. Durch eine<br />
Clusteranalyse der 160 Fälle nach dem single linkage Algorithmus<br />
wurden 17 untypische Fälle (Ausreißer) identifiziert<br />
und aus den weiteren Analysen ausgeschlossen. Die<br />
restlichen 143 Fälle führten nach einer Clusteranaylse nach<br />
dem Ward-Verfahren zu fünf Segmenten (vgl. Abb. 3; zur<br />
statistischen Methodik vgl. u.a. Backhaus, Erichson, Plinke<br />
& Weiber, 2008, 389ff.; Bortz, 2005, 565ff.; Bühl, 2008,<br />
545ff.). Auf Basis dieser fünf Segmente wurden Zielgruppenprofile<br />
entwickelt.<br />
Anschließen erfolgte im Targeting die Abschätzung der<br />
Attraktivität der einzelnen Segmente. In der Positioning-<br />
Phase werden mögliche Positionierungsalternativen erarbeitet.<br />
Hierzu wird ein naiver Joint-Space verwendet,<br />
der das bisherige Angebot auf dem <strong><strong>Jena</strong>er</strong> Markt und die<br />
Kundensegmente vergleicht. Naiv bedeutet hierbei, dass<br />
der Joint-Space nicht auf Basis quantitativer Daten beruht,<br />
sondern mittels qualitativen Vorgehens (Gruppendiskussion<br />
von sieben Experten) erarbeitet wurde.<br />
Ergebnisse - Beschreibung der fünf Kundensegmente<br />
Segment 1 – „Preisbewusste Pumper“<br />
Das Segment der preisbewussten Pumper stellt mit 9% die<br />
kleinste Gruppe innerhalb der fitnessinteressierten Studenten<br />
dar. Mitglieder dieser sehr maskulinen Gruppe sind<br />
mit durchschnittlich 24,8 Jahren eher in den höheren Semestern<br />
zu finden. Die preisbewussten Pumper trainieren<br />
vornehmlich an Kraftmaschinen, nutzen gelegentlich auch<br />
Kurz- und Langhanteln. An weiteren Angeboten haben sie<br />
kein Interesse. 77% haben Erfahrungen im Fitnesssport,<br />
wobei momentan 23% Kunde in einem Fitnessstudio sind.<br />
Motive für den Studiobesuch sind das Erreichen eines positiven<br />
Körpergefühls einhergehend mit geistigem Wohlbefinden<br />
sowie etwas schwächer der Muskelaufbau. Stressabbau<br />
und Ausdauerverbesserung hingegen sind keine<br />
Trainingsgründe.<br />
Die kleine Segmentgröße gepaart mit einem niedrigen monatlichen<br />
Budget für Fitness von 24,5 Euro und das Fehlen<br />
von Cross-Selling-Potential machen die preisbewussten<br />
Pumper zu einem ökonomisch weniger interessanten Segment.<br />
30<br />
Segment 2 – „Fitnessindividualisten“<br />
Mit 28% der Grundgesamtheit stellen die Fitnessindividualisten<br />
ein großes, geschlechtlich gemischtes Segment<br />
dar. Die durchschnittlich 23-jährigen Fitnessindividualisten<br />
fragen besonders Cardiogeräte, Wellnessangebote<br />
und Kraftmaschinen nach. Teilweise nutzten sie das Getränkeangebot,<br />
jedoch nur sehr selten Gruppentrainingsangebote.<br />
Körperlicher und seelischer Ausgleich sowie der Wunsch,<br />
die eigene Ausdauer zu verbessern bzw. zu erhalten, sind<br />
die erklärten Primärziele in diesem Segment. Im Gegensatz<br />
zum preisbewussten Pumper definiert sich ein Fitnessindividualist<br />
nicht über seine Muskeln, sondern über seine<br />
Ausdauer.<br />
Ökonomisch ist dieses Segment auf Grund seiner Größe,<br />
dem monatlichen Budget von 32,5 Euro und dem vorhandenen<br />
Cross-Selling-Potential (Getränke, kostenpflichtige<br />
Wellness etc.) sehr interessant. Zwar haben 88% der<br />
Fitnessindividualisten Erfahrungen mit Fitness- und/ oder<br />
Gesundheitssport, jedoch ist momentan nur etwa jeder<br />
Zwanzigste in einer kommerziellen <strong>Sport</strong>einrichtung Mitglied.<br />
Hier besteht demnach ein sehr großes Akquisepotential.<br />
Segment 3 – „Eisenjungs“<br />
Im Gegensatz zu den Fitnessindividualisten ist die Reaktionsquote<br />
der Eisenjungs sehr hoch: 52% der im Mittel<br />
25,1 Jahre alten Eisenjungs, die 19% der fitnessaffinen<br />
Studenten darstellen, sind derzeit Kunde eines Studios.<br />
Nahezu alle (93%) sind fitnesssporterfahren. Kurz- und<br />
Langhanteln, dicht gefolgt von Kraftmaschinen, stehen bei<br />
Eisenjungs in der Prioritätenliste bei der Wahl eines Studios<br />
ganz oben.<br />
Sie trainieren leistungsorientiert, um ihrer Trainingsmotivation,<br />
dem Aufbau von Muskeln, nachzukommen. Häufig<br />
dient ihnen Krafttraining als Ergänzung zu anderen <strong>Sport</strong>arten.<br />
Gruppentraining und gesundheitsorientierte Angebote<br />
sind für sie unwichtig.<br />
Im Gegensatz zu den preisbewussten Pumpern haben die<br />
Eisenjungs ein höheres Budget (28,3 Euro) und kaufen gerne<br />
zusätzlich Getränke (z.B. Eiweißshakes). Die Größe des<br />
Segments, das verfügbare Budget und die Cross-Buying-<br />
Bereitschaft sprechen für ein attraktives Segment. Jedoch<br />
muss berücksichtig werden, dass mehr als die Hälfte der<br />
Eisenjungs bereits in einem Studio trainieren.<br />
Abbildung 2: Der S-T-P-Ansatz (in Anlehnung an Kotler & Bliemel, 2001, 4<strong>15</strong>ff.; Böhler & Scigliano, 2004, 72ff.)
Segment 4 – „Wellness & Health Socializer“<br />
Sehr jung (21,9 Jahre), sehr groß (33% der Fitnessinteressierten)<br />
und weiblich dominiert stellt sich das vierte<br />
Segment dar. Die Wellness & Health Socializer finden<br />
Gruppentraining, Wellnessangebote, Cardiogeräte sowie<br />
gesundheitsorientiertes Training sehr ansprechend und<br />
nutzen das vorhandene Getränkeangebot intensiv. Mit<br />
Krafttraining kann man sie nicht locken.<br />
Wellness & Health Socializer lassen sich, wie ihr Name<br />
schon verrät, von gesundheitsorientierten Motiven leiten<br />
und zielen mit Fitnesssport auf Stressabbau, Entspannung,<br />
Gewichtsreduktion. Gerne nutzen sie das Studio als soziale<br />
Platform zum „socializen“.<br />
Segmentsgröße und ein Budget in Höhe von 30,6 Euro<br />
machen Wellness & Health Socializer zu einer ökonomisch<br />
interessanten Gruppe, zumal 94% momentan nicht an ein<br />
Studio gebunden sind.<br />
Segment 5 – „Cardio-Puristen“<br />
Dieses Segment ist mit 11% der Grundgesamtheit eher<br />
klein, geschlechtlich gemischt, jedoch weiblich dominiert.<br />
Die durchschnittlich 22,9-Jährigen lieben Cardiogeräte,<br />
Gymnastik und gelegentlich Gruppentraining. Kraftgeräte<br />
werden nur als Ergänzung genutzt. Unempfänglich sind<br />
Cardio-Puristen für jegliche Zusatzangebote. Weder für<br />
Wellness noch für kulinarische Angebote geben sie im Studio<br />
zusätzlich Geld aus.<br />
Die Verbesserung der Ausdauer stellt die wichtigste Trainingsmotivation<br />
dar. Durch ihre gute Ausdauer erreichen<br />
Cardio-Puristen ein positives Körpergefühl und bauen<br />
Stress ab. Auch soziale Aspekte sind für sie ein Grund, in<br />
Fitnessanlagen zu gehen.<br />
Diese Gruppe ist mit einem relativ hohen Budget ausgestattet<br />
(31,6 Euro) und zu einem Viertel schon in einem<br />
Studio angemeldet.<br />
Diskussion<br />
Abbildung 3: Fünf Kundensegmente nach der Ward-Analyse (eigene Darstellung)<br />
Wir kennen nun die Bedürfnisse, Wünsche, Präferenzen<br />
und Motive, die die <strong>Sport</strong>ler der jeweiligen Segmente zum<br />
Vertragsabschluss bewegen. Nun steht die Analyse an,<br />
welches Segment der Anbieter mit den gegebenen Ressourcen<br />
bedienen kann (Targeting und Positioning). Ein<br />
Anbieter muss sich nun auf seine Kernkompetenzen und<br />
Ressourcen besinnen: Wessen Bedürfnisse kann ich erfüllen?<br />
Was kann ich glaubhaft anbieten? Ist diese Strategie<br />
ökonomisch für mich sinnvoll? Dieses Wissen muss, in Verbindung<br />
mit den Erkenntnissen aus der Wettbewerbsanalyse,<br />
in die Angebotsgestaltung und zielgruppenspezifische<br />
Kommunikation integriert werden.<br />
Der Joint-Space in Abb. 4 zeigt, wie sich das bisherige Angebot<br />
auf dem Markt in <strong>Jena</strong> darstellt und welche Kundensegmente<br />
von diesen angesprochen werden.<br />
Grundsätzlich bieten sich meist mehre Möglichkeiten an.<br />
Ein Anbieter kann sich auf ein Segment konzentrieren (z.B.<br />
Alternativen 1, 3, 4 oder 6), möglicherweise können auch<br />
zwei ähnliche Segmente gleichzeitig angesprochen werden<br />
(z.B. Alternativen 2 oder 5). Sicher ist, dass der Versuch,<br />
alle Segmente mit einem Paket gleichzeitig anzusprechen,<br />
zu einem profillosen Angebot führt und voraussichtlich<br />
„stuck-in-the-middle“ im Niemandsland fernab aller Kundenbedürfnisse<br />
endet. Zu beachten ist weiterhin, dass<br />
gewisse Wettbewerbspositionen schon von Konkurrenten<br />
besetzt sind und für einen neuen Anbieter ein kompetitives<br />
Umfeld besteht.<br />
Mittels des gezeigten Vorgehens nach dem S-T-P-Ansatz<br />
kann ein Anbieter unterschiedliche Kundensegmente identifizieren<br />
und auf deren ökonomische Relevanz hin untersuchen.<br />
Dazu gehört auch die Analyse der eigenen Ressourcen.<br />
Diese ist nötig um zu prüfen, ob die Wünsche und<br />
31
Bedürfnisse eines bestimmten Kundensegments überhaupt<br />
erfüllt werden können. Mit dem Wissen über die unterschiedlichen<br />
Segmente können potentielle Kunden schon<br />
kommunikativ „abgeholt“ werden. Der Anbieter kann so<br />
ihre Wünsche durch ein entsprechend geschnürtes und positioniertes<br />
Angebotspaket optimal erfüllen.<br />
Literatur<br />
•Backhaus, K., Erichson, B., Plinke, W. & Weiber, R. (2008). Multivariate<br />
Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung,<br />
12. Auflage, Heidelberg.<br />
•Böhler, H. & Scigliano, D. (2005). Marketing Management, Stuttgart.<br />
•Bortz, J. (2005). Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler, 6.<br />
Auflage, Heidelberg.<br />
•Bühl, A. (2008). SPSS 16 - Einführung in die moderne Datenanalyse,<br />
11. Auflage, München.<br />
•Helm, R. & Steiner, M. (2008). Präferenzmessung. Methodengestützte<br />
Entwicklung zielgruppenspezifischer Produktinnovationen,<br />
Stuttgart.<br />
•Kotler, P. & Bliemel, F. (2001). Marketing Management - Analyse,<br />
Planung und Verwirklichung, 10. Auflage, Stuttgart.<br />
Abbildung 4: Naiver Joint-Space von Anbietern und Kundensegmenten (eigene Darstellung).<br />
32
Programm J‐DOKS 26.10.2009 <br />
Eröffnung Prof. Dr. Reinhard Blickhan<br />
Vorsitz: Dr. Thomas Ertelt<br />
Stabilität und Kontrolle für das schnelle Laufen auf unebenem<br />
Untergrund<br />
Laufen über unebenen Boden: Anpassung und Einstellung der<br />
Beinparameter<br />
Michael Ernst<br />
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft<br />
Roy Müller<br />
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft<br />
Swing Leg Control for Stable Running Yvonne Blum<br />
Bereich Lauflabor<br />
Oberkörperstabilisierung beim Gehen und Rennen Moritz Maus<br />
Bereich Lauflabor<br />
Vorsitz: Dr. Tobias Siebert<br />
Psychosoziale Ressourcen im organisierten Kinder- und<br />
Jugendsport<br />
Christian Herrmann<br />
Lehrstuhl für <strong>Sport</strong>pädagogik /<br />
<strong>Sport</strong>didaktik<br />
Zur Notwendigkeit staatlicher Interventionen im e<strong>Sport</strong> Markus Breuer<br />
Professur für <strong>Sport</strong>ökonomie<br />
Analyse von Sponsoringbeziehungen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Bindungsaspekts – Konzeptualisierung und<br />
empirische Überprüfung eines Sponsorenbindungsmodells<br />
Analyseverfahren im strategischen Management und ihre<br />
Anwendung auf sportspezifische Märkte<br />
Ventilatorische Effizienz bei Major Depression: Ein möglicher<br />
Beitrag zur Risikostratifizierung<br />
Vorsitz: Dr. Susanne Lipfert<br />
Non-Invasive Muskelfaserbestimmung mittels 31Phosphat-<br />
Magnet-Resonanz-Spektroskopie zur Objektivierung<br />
trainingswissenschaftlicher Fragestellungen<br />
Kinematische Reaktion auf vertikal am Arm wirkende Zugkräfte.<br />
Vergleich zwischen Gesunden und Rückenschmerzpatienten<br />
Reflektorische Kontrolle bei Gesunden und Patienten mit<br />
chronisch unspezifischem Rückenschmerz bei schnellen externen<br />
Störungen<br />
Andrea Altmann<br />
Hochschulsport<br />
Benedikt Römmelt<br />
Professur für <strong>Sport</strong>ökonomie<br />
Lars Donath<br />
Lehrstuhl für <strong>Sport</strong>medizin<br />
Norman Stutzig<br />
Professur für Trainingswissenschaften /<br />
Spezielle Didaktik der <strong>Sport</strong>arten<br />
Markus Koch<br />
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft<br />
Dirk Nötzel<br />
Lehrstuhl für <strong>Sport</strong>medizin<br />
Mikrokosmos – Kraftmessung im µN-Bereich Lars Reinhardt<br />
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft<br />
Vorsitz: Dr. Tom Weihmann<br />
Schwimmen wie ein Fisch? Untersuchung von<br />
Strömungseffekten beim menschlichen Schwimmen<br />
Biomechanische Untersuchung von Muskeleigenschaften bei<br />
Oryctolagus cuniculus<br />
Bestimmung der Muskelarchitektur des M. soleus bei<br />
Oryctolagus cuniculus<br />
Stefan Hochstein<br />
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft<br />
Kay Leichsenring<br />
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft<br />
Carolin Küpper<br />
Lehrstuhl für Bewegungswissenschaft<br />
Abschluss Prof. Dr. Reinhard Blickhan<br />
Dr. Thomas Ertelt<br />
33
Eröffnungsansprache, Prof. Dr. Reinhard Blickhan Moritz Maus (Lauflabor)<br />
Christian Herrmann (Pädagogik) Links: Dr. Tobias Siebert (Vorsitz)-<br />
rechts: Andrea Altmann (USV)<br />
34<br />
Fachpublikum
Benedikt Römmelt (<strong>Sport</strong>ökonomie) Lars Donath (<strong>Sport</strong>medizin)<br />
Gruppenfoto der Doktoranden von links nach rechts<br />
Vorne: Michael Ernst, Andrea Altmann, Markus Koch, Kay Leichsenring, Carolin Küpper, Dirk Nötzel.<br />
Hinten: Lars Reinhardt, Moritz Maus, Yvonne Blum, Christian Herrmann, Markus Breuer, Benedikt Römmelt,<br />
Roy Müller, Lars Donath. Kniend: Dr. Thomas Ertelt,<br />
35
Zusammenfassungen der <strong>Beiträge</strong> des Institutspreises 2008 und 2009<br />
Über die Bedeutung der Lebensverlängerungs-<br />
und Lebensverkürzungsmittel aus Christoph<br />
Wilhelm Hufelands „Makrobiotik“ für die<br />
gegenwärtige Gesundheitsförderung<br />
Lars Donath<br />
„[…] Dich zu verjüngen, gibt’s auch ein natürlich Mittel.<br />
Allein es steht in einem andern Buch und ist ein wunderlich<br />
Kapitel. […] Ein Mittel, ohne Geld und Arzt und Zauberei<br />
zu haben: Begib dich gleich hinaus auf’s Feld, fang’ an zu<br />
hacken und zu graben“ (Mephistopheles zu Faust, Goethes<br />
Faust. Eine Tragödie, Erster Teil, Hexenküche)<br />
Hintergrund<br />
Mit diesem schon über 200 Jahre zurückreichenden Hinweis<br />
Goethes in Faust I auf C. W. Hufelands „Die Kunst das<br />
menschliche Leben zu verlängern“ wird einerseits die Bedeutung<br />
einer ganzheitlichen Lehre der Lebensführung und<br />
andererseits die herausragende Rolle körperlicher Aktivität<br />
für die Gesunderhaltung betont. 13 Verlängerungs- und 10<br />
Verkürzungsmittel (Tab 1) des Leben wurden im Jahre 1797<br />
erstmalig durch den <strong><strong>Jena</strong>er</strong> Arzt Hufeland in Form eines<br />
diätetischen Lehrbuchs für eine breite Öffentlichkeit publiziert.<br />
Seither gilt Hufeland als Protagonist einer präventivmedizinischen<br />
Volksaufklärungsbewegung, die bis heute<br />
kaum an Relevanz verloren hat. Durch den stetig zunehmenden<br />
Einfluss evidenzbasierter Befunde für die Präventions-<br />
und Gesundheitsförderungskonzepte erwies es sich<br />
als besonders interessant, Hufelands Verlängerungs- und<br />
Verkürzungsmittel des Lebens (Tab.1) am gegenwärtigen<br />
internationalen wissenschaftlichen Kenntnisstand der Literatur<br />
zu überprüfen und gesundheitswissenschaftlich zu<br />
systematisieren. Hierfür wurden die Lebensverlängerungsmittel<br />
„Schlaf“ und „Körperliche Bewegung“ exemplarisch<br />
unter Berücksichtigung der EbM-Kriterien nach Sacket et<br />
al. untersucht und im Anschluss den gesundheitswissenschaftlichen<br />
Schutz- bzw. Risikofaktoren zugeordnet.<br />
Fragen und Hypothesen<br />
Nach eingängiger Prüfung gesundheitswissenschaftlicher<br />
und gesundheitspolitischer Probleme und Potenziale in<br />
Deutschland und Europa haben sich unter Berücksichti-<br />
36<br />
gung Hufelands Makrobiotik folgende drei Kernfragestellungen<br />
herausgebildet:<br />
a) Ist eine evidenzbasierte Neubelebung diätetischer Vorstellungen<br />
im Sinne Hufelands aus epidemiologischer Sicht<br />
folgerichtig?<br />
b) Lassen sich die Lebensverlängerungs- und Lebensverkürzungsmittel<br />
den gesundheitswissenschaftlichen Risiko-<br />
bzw. Schutzfaktoren-gruppen nach Hurrelmann et al.<br />
zuordnen?<br />
c) Wie sind die Ausführungen Hufelands zum „Schlaf“ und<br />
zur „körperlichen Bewegung“ aus gegenwärtiger wissenschaftlicher<br />
Sicht einzuordnen?<br />
Einleitung<br />
Tab.1: Verlängerungs- und Verkürzungsmittel des Lebens nach C.W.Hufeland 1797.<br />
Mediale Schlagworte wie „Morbus Nintendo“, „Morbus<br />
Microsoft“ und „Morbus Sedens“ bekräftigen den pathologischen<br />
Wert langer Bildschirm- und Sitzzeiten. Motorische<br />
Schwächen mit erhöhtem Unfallrisiko, Übergewicht und<br />
Altersdiabetes schon in Kindesjahren sind mögliche Folgen.<br />
Bös et al. zeigten eine Minderung der motorischen<br />
Leistungsfähigkeit in den letzten 25 Jahren um durchschnittlich<br />
10% .<br />
Einer britische Studie zufolge ist der zu Fuß oder mit dem<br />
Fahrrad zurückgelegte Schulweg zwischen 1985 und 1995<br />
um bis zu 26% zurückgegangen. Nach einer schottischen<br />
Untersuchung beträgt die Sitzzeit Drei- bis Fünfjähriger<br />
schon 76%. Auch in Deutschland sind lediglich 18% der<br />
11-, 13- und <strong>15</strong>-jährigen Mädchen und 29% der Jungen an<br />
mindestens 5 Tagen der Woche körperlich aktiv. Die Prävalenz<br />
von Adipositas im Kindesalter hat sich in Großbritannien<br />
in den letzten beiden Dekaden verdoppelt.<br />
Zwischen 1985 und 2001 ist auch die Zahl adipöser Vorschulkinder<br />
in Berlin von 3% auf 13% gestiegen. Insgesamt<br />
ist mit steigender Tendenz bereits jedes 5. Schulkind in<br />
Deutschland übergewichtig. 85% dieser adipösen Kinder<br />
weisen darüber hinaus einen Hyperinsulinismus, eine beeinträchtigte<br />
Glukosetoleranz, einen veränderten Lipidmetabolismus<br />
oder eine Hypertonie auf.<br />
Die WHO bezeichnet die Adipositas und den Diabetes Mellitus<br />
bereits als besorgniserregende Epidemie und globales<br />
Problem. Diese Befunde sprechen für eine von Staat,<br />
Familie, Schule sowie staatlichen und privaten Gesundheitsdienstleistern<br />
getragene ganzheitliche „Lebensstillehre“<br />
im Spannungsfeld der Erholungs- und Belastungspole<br />
„Schlaf“ und „körperliche Aktivität“ auf Grundlage C. W.<br />
Hufelands Makrobiotik.
Schlaf und Bewegung als Säulen der Gesundheit<br />
Die Rolle des Schlafs für Gesundheit und Wohlbefinden ist<br />
gegenüber dem Wert gesundheitsfördernder körperlicher<br />
Aktivität (HEPA – health enhancing physical activity) bislang<br />
unzureichend untersucht worden. Für einen erholsamen<br />
Schlaf empfiehlt Hufeland die Einhaltung von 7<br />
Schlafhygieneregeln, (Tab.2) die sich zu schlafhygienisch<br />
beforschten Hauptfaktoren systematisieren lassen (Tab.<br />
2) und sich mehrheitlich in der Diagnosekategorie „inadequate<br />
sleep hygiene“ der ICSD (International Classification<br />
of Sleep Disorders) wiederfinden .<br />
Schlafhygieneregeln als Bestandteil psychologischer sowie<br />
behavioraler Behandlungsmethoden zielen sowohl auf<br />
Lebensstilfaktoren als auch Umweltfaktoren ab und ließen<br />
sich über die Lebensverlängerungsmittel hinaus den<br />
Schutzfaktorengruppen zuordnen. Daten zu isoliertem<br />
Schlafhygienetraining liegen allerdings nicht vor, da<br />
Schlafhygiene in aller Regel mit pharmakologischen Strategien<br />
kombiniert wird.<br />
Bis 1990 empfahl das American College of <strong>Sport</strong>s Medicine,<br />
gesundheitsorientiertes Fitnesstraining an mindestens<br />
drei Tagen pro Woche. 1995 konkretisierten das Center of<br />
Disease Control und das American College of <strong>Sport</strong>s Medicine<br />
diese Angaben auf mindestens 30 Minuten mittelschwerer<br />
körperlicher Aktivität an den meisten, wenn<br />
möglich allen Wochentagen. Bauman et al. bestätigte<br />
2003 mit einer epidemiologischen Überblicksarbeit diese<br />
Belastungsempfehlungen. Hufelands Empfehlung lautet<br />
hingegen „tägliche Bewegung wenigstens eine Stunde im<br />
Freien“. Hinsichtlich Intensität sind Hufelands Ausführungen<br />
unpräzise. Auch das Institute of Medicine of the<br />
Tab.2: Schlafhygienefaktoren verschiedener Autorengruppen im Vergleich zu Hufeland.<br />
National Academies of Science empfielt täglich eine Stunde<br />
moderate körperliche Aktivität. Möglichkeiten einer Fraktionierung<br />
(Bewegungsepisoden, physical activity bouts) der<br />
30 bis 60 Minuten im Bereich der körperlichen Alltagsaktivitäten<br />
werden in der Literatur unzureichend diskutiert.<br />
Lediglich Lee et al. und Martin et al. deuten an, dass Bewegungsepisoden<br />
über drei zehnminütige Intervalle ähnliche<br />
gesundheitsfördernde Effekte erzielen könnten. Während<br />
hinsichtlich Umfang und Häufigkeit von Aktivitäten in<br />
der Literatur weitgehende Einigkeit zu bestehen scheint,<br />
schwanken die Angaben zur Intensität und Dichte (Frequenz)<br />
hingegen deutlich. Die überwiegend aus Beobachtungsstudien<br />
gewonnenen Ergebnisse bedürfen zukünftig<br />
einer zunehmenden Verifizierung mittels klinisch randomisierten<br />
Untersuchungen.<br />
Schutz und Risikofaktoren bei Hufeland Die Präventionsforschung<br />
sucht Prädiktoren, die in einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang<br />
mit bestimmten Krankheiten stehen.<br />
Diese Prädiktoren können Risikofaktoren, aber auch<br />
Schutzfaktoren sein. In Antonovskys salutogenetischen Ansatz<br />
der Gesundheitsförderung werden die Risikofaktoren<br />
von den Schutzfaktoren abgegrenzt. Schutzfaktoren wirken<br />
immer dann, wenn Risikofaktoren auftreten. Risikofaktoren<br />
lassen sich nach Klotz et al. vier Hauptdispositionsgruppen<br />
zuordnen (Abb. 2): biologisch bzw. heritär, behavioral, sozial<br />
und exogen bzw. umweltbezogen. Risikofaktoren beschreiben<br />
aber nur die Wahrscheinlichkeit des Auftretens<br />
unerwünschter Ereignisse, wie Krankheit, Behinderung<br />
oder Tod.<br />
Die zehn von Hufeland beschriebenen Lebensverkürzungsmittel<br />
lassen sich als Risikofaktoren überwiegend den sozialen<br />
und behavioralen Hauptdispositionsgruppen zuordnen.<br />
Eine diätetisch orientierte Lebens-ordnungslehre im<br />
37
Sinne Hufelands bezieht sich überwiegend auf soziale und<br />
behaviorale Eigenschaften. Dabei geht es z.B. um die Ermöglichung.<br />
von Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit,<br />
Bildung, Ein-kommen, Information, Hand-lungswissen,<br />
Einbindung in soziale Netzwerke und Erholungsmöglichkeiten.<br />
Aus Tab.3 geht hervor, dass die Mehrzahl der<br />
Lebensverlängerungsmittel, den Umwelt- und Lebensstil-faktoren<br />
zugeordnet werden können. Soziale Netze,<br />
Bewegung, Ernährung und Spannungsbewältigung als<br />
Umwelt und Lebensstilfaktoren. nach Hurrelmann et al.<br />
scheinen eine auf Ressourcen ausgerichtete gesundheitsfördernde<br />
Schlüsselrolle zu spielen.<br />
Zusammenfassung<br />
Aufgrund dieser Befunde und der Feststellung des Institute<br />
for Health Promotion Research“, dass „precise quantitative<br />
characteristics of the dose response remain undefined“,<br />
schlagen Lamonte et al. für die Zukunft folgende<br />
Untersuchungsprioritäten vor: Gold-Standards für die<br />
Feldmessung körperlicher Aktivität, integrative Systeme<br />
zur objektiven Bewegungserfassung, Grenzwertbestimmung<br />
gesundheits-bezogener körperlicher Aktivität für<br />
evidenzbasierte Dosis-Wirkungs-Beziehungen, standardisierte<br />
Terminologie und innovative statistische Verfahren<br />
zur Auswertung von HEPA-Daten (Healt-Enhencing-Physical-Activity).<br />
Angesichts einer globalen Gesamtinaktivität von 18,8% der<br />
Bevölkerungen (mit einer Spanne von 13,4% bis 28,7%),<br />
überwiegt die ungenaue Aufforderung „increase activity“.<br />
Besonders aus motivationaler Sicht und Gründen der Aktivitätsfortsetzung<br />
empfehlen sich für überwiegend sitzend<br />
tätige Personen zunächst leichte bis moderate Intensitäten<br />
an besser 5 statt 3 Tagen pro Woche.<br />
Abbildung 2: Zuordnung der Verknüpfungsmittel<br />
zu den Hauptdispositionsgruppen<br />
der Risikofaktoren.<br />
38<br />
Literatur<br />
•Antonovsky, A. (1979): Health, Stress and Coping. New perspectives<br />
on mental and physical well-being. Jossey Bass Publishers,<br />
San Francisco.<br />
•Bauman, A.E. (2003) Updating the evidence that physical activity<br />
is good for health. An epidemiological review. 2000 - 2003. J of<br />
Science and Med in <strong>Sport</strong>s, 7<br />
•Bös, K. (2003). Motorische Leistungsfähigkeit von Kindern und<br />
Jugendlichen. In Erster deutscher Kindes- und Jugendsportbericht.<br />
Verlag Karl Hoffmann, Schorndorf.<br />
•Hufeland, C.W. (1797) Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern,<br />
Akademische Buchhandlung, <strong>Jena</strong>.<br />
•Hurrelmann, K., Laaser U., Razum O. (2006): Handbuch Gesundheitswissenschaften.<br />
4. Auflage. Juventa Verlag, Weinheim.<br />
•Klotz, T., Haisch, J., & Hurrelmann, K. (2006) Prävention und<br />
Gesundheitsförderung. Ziel ist anhaltend hohe Lebensqualität.<br />
Deutsches Ärzteblatt, 10.<br />
•LaMonte, M.J. & Ainsworth, B.E. (2001) Quantifing energy expenditure<br />
and physical activity in the context of dose response. Med<br />
and Sci in <strong>Sport</strong>s and Exerc, 33, 6.<br />
•Lee, I.M., Skerrett, & Patrick, J. (2001) Physical activity and allcause<br />
mortality. What is the dose-response relation? Med and Sci<br />
in <strong>Sport</strong>s and Exerc, 33.<br />
•Sackett, D.L., Rosenberg, W.M.C., Muir Gray, J.A., B., H.R., &<br />
Richardson, W.S. (1996) Evidence based medicine. What it is and<br />
what it isn‘t. BMJ, 312<br />
Tab.3: Zuordnung der Verlängerungsmittel Hufelands zu den Schutzfaktorengruppen.
Markus Koch aus Steinheid<br />
geb. 1981<br />
Schulbegleitende Tätigkeiten: 1997 und 1999 Sprachschule am<br />
Oxford College of English in England 2001 bis 2003 Berufsakademie<br />
Eisenach, Studium Maschinenbau<br />
2003 bis 2007 Friedrich-Schiller-Universität <strong>Jena</strong>, Abschluss Diplom<br />
<strong>Sport</strong>wissenschaftler, Bewegung und Leistung<br />
Berufliche Tätigkeit: ab Oktober 2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
im Bereich <strong>Sport</strong>wissenschaft<br />
Trainerausbildung /Praktika: März 2004 Praktikum am Olympiastützpunkt<br />
Oberhof - Mai 2005 Trainer –C Leichtathletik des DLV,<br />
Mai 2007 Trainer-C Nordisch des DSV, Aktuell: Fortbildung zum<br />
Trainer-B Leichtathletik des DLV Ausbildung Trainer-B Nordisch<br />
des DSV, bisherige Trainertätigkeiten ab 2004 Skilehrer Skilanglauf<br />
im Deutschen Skilehrerverband ab August 2007 Nachwuchstraining<br />
Skilanglauf SC Steinheid<br />
<strong>Sport</strong>liche Erfolge: Bayerischer Meister im Halbmarathon (2002)<br />
5. Platz Deutsche Meisterschaften Berglauf (2003), Deutscher<br />
Meister Mannschaftstriathlon (2005), 2. Platz Hessische Skimeisterschaft<br />
– Gast (2009)<br />
MARKUS KOCH<br />
Kinematik der unteren Extremitäten in Reaktion<br />
auf in den Arm eingeleitete Störungen<br />
Einleitung<br />
Rückenschmerzen und die damit verbundenen Arbeitsunfähigkeit<br />
führen jährlich zu einem Verlust von 4% der Arbeitskraft.<br />
Allerdings können nur bei <strong>15</strong>% der Patienten<br />
spezifische Ursachen identifiziert werden. Viele der aktuell<br />
zur Rehabilitation des unspezifischen Rückenschmerzes<br />
angewandten Therapiemaßnahmen zeigen keinen langfristigen<br />
Erfolg. Die Erforschung der Ursachen des unspezifischen<br />
Rückenschmerzes stellt deshalb einen wichtigen<br />
Pfeiler der Prävention und Rehabilitation dar. Ein Großteil<br />
bisher durchgeführter Experimente konzentrierte sich jedoch<br />
nur auf die Untersuchung des Rumpfes. Ziel dieser<br />
Studie war es, die Beteiligung der unteren Extremitäten in<br />
Reaktion auf Störungen zu untersuchen.<br />
Methoden<br />
Im Aufrechten Stand wurden über einen Motor 6 verschiedenförmige<br />
vertikal am Arm des Probanden wirkende Zugkräfte<br />
appliziert. Die Reaktionen des Probanden wurde<br />
mittels 6 Infrarotlichtkameras (Proreflex, Qualisys Medical<br />
AB, Adaptive Optics Associates, Inc.), 2 Kraftmessplatten<br />
(Typ 928 1 B, Kistler Instrumente Corp.) und einem Kraftsensor<br />
(Typ ML MZ 2000N 43, Biovision) aufgezeichnet.<br />
Ergebnisse<br />
Vertikale Störungen in Form von Zugkräften am Arm führen<br />
zu signifikanten Verschiebungen des Beckens zur kontralateralen<br />
Seite. Zeitgleich erfolgt eine Rotation des Beckens<br />
um die Sagittalachse, das Becken kippt auf der störungsnahen<br />
Seite stärker ab. Die Verschiebung des Beckens geht<br />
einher mit einer Gewichtsverlagerung auf das störungsnahe<br />
Bein, einer Rotation der Beine um das Fußgelenk zur störungsfernen<br />
Seite und bei einem Großteil der Probanden,<br />
mit einer Vergrößerung des Winkels zwischen Boden und<br />
Fuß am störungsfernen Bein (Entlastung) sowie einer Verkleinerung<br />
des Kniewinkels im störungsnahen Bein (Belastung).<br />
Diskussion. Untersuchungen zur reflektorischen Kontrolle<br />
bei gleicher Versuchsanordnung zeigten, dass Patienten<br />
mit unspezifischem Rückenschmerz verzögerte Reflexe in<br />
kontralateraler Rumpf-Becken-Muskulatur und ipsilateraler<br />
Beinmuskulatur besitzen. Dies lässt vermuten, dass<br />
Schmerzpatienten in Reaktion auf vertikale Störungen am<br />
Arm größere Amplituden der Beckenbewegung zeigen und<br />
somit größere Belastungen der Wirbelsäule auftreten.<br />
39
Katrin Körner aus Chemnitz<br />
geb. 1983<br />
Studium, Beruf<br />
2001 - 2007 Studium am Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft in <strong>Jena</strong><br />
Studium der „Diplomsportwissenschaft - Bereich Prävention und<br />
Rehabilitation“, Seit 2007 Arbeit als <strong>Sport</strong>therapeutin an der BG-<br />
Klinik für berufsbedingte Atemwegserkrankungen in Falkenstein<br />
Praktika, nebenberufliche Tätigkeiten, Tutorin des „Förderkurses<br />
- Gymnastik/ Tanz“ am Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft der FSU<br />
<strong>Jena</strong>, Grundpraktikum im „Ambulanten Therapiezentrum für<br />
Rehabilitation“ in Chemnitz, Praktikum im Fitnessstudio „Team<br />
World of Fitness“ in <strong>Jena</strong>, Hauptpraktikum in der “ADME-<br />
DIA - Einrichtung für ambulante Rehabilitation“ in Chemnitz,<br />
Praktikum am Lehrstuhl für <strong>Sport</strong>medizin im Institut für <strong>Sport</strong>wissenschaft<br />
der FSU <strong>Jena</strong>, nebenberufliche Tätigkeit als <strong>Sport</strong>therapeutin<br />
in der ADMEDIA Chemnitz<br />
Weiterbildung<br />
Basiskurs „Rückenschulleiter“, Fitness-A-Lizenz des dflv,<br />
Deutsches Rettungsschwimmabzeichen des DRK –Silber, Nordic<br />
Walking C-Trainer, Spezialisierungskurs „Therapeutische Rückenschule“,<br />
Fachübungsleiter Rehabilitationssport Innere Organe<br />
(spezielle Ausrichtung: Atemwegs- und Lungenerkrankungen),<br />
Refresherkurs „Rückenschullehrer/in“ nach den neuen Richtlinien<br />
der KddR, DVGS-Lehrgang „<strong>Sport</strong>therapie in der Kardiologie“<br />
sowie „<strong>Sport</strong>therapie in der Onkologie“<br />
Katrin Körner<br />
Bewältigung von Herzkrankheiten<br />
Einführung<br />
Zur Bewältigung eines belastenden Ereignisses zählen alle<br />
kognitiven, affektiven und interpersonalen Anstrengungen<br />
und Handlungen einer Person, die das Ziel verfolgen, die<br />
internalen Vorgänge zu stärken und die externalen Situationanforderungen<br />
zu tolerieren und zu meistern (vgl.<br />
Beutel, 1988; Cohen, 1992; Laireiter, Perrez & Baumann,<br />
2001). Gemäß dem transaktionalen Bewältigungsmodell<br />
wird Bewältigung als ein kontinuierlicher, wechselseitiger<br />
Prozess dargestellt.<br />
Methodik<br />
Als Untersuchungsverfahren wurden Bestandteile standardisierter<br />
Fragebögen zur Stressverarbeitung und zur<br />
Bewertung der Bewältigung von Herzkrankheiten verwendet.<br />
Die Aussagen wurden auf einer 6-Punkte-Skala von<br />
‚1=nicht zutreffend‘ bis ‚6=sehr zutreffend‘ beantwortet.<br />
An der Studie nahmen 25 männliche kardiologische Patienten<br />
(Alter=59.08 Jahre) teil, deren Herzinfarkt zu Rehabilitationsbeginn<br />
im Mittel 4.08 Wochen zurück lag. Die<br />
Datenerhebung erfolgte während der Phase der Frührehabilitation<br />
und umfasste zwei Untersuchungszeitpunkte<br />
(T1=zu Beginn der Rehabilitation, T2=zum Ende der Rehabilitation).<br />
Die Untersuchungsauswertung erfolgte mittels<br />
des Statistik-Programm-Systems für Sozialwissenschaften<br />
(SPSS) mit Hilfe des t-Tests für gepaarte Stichproben<br />
(p
Doris Potzel aus Altenberg<br />
geb. 1982<br />
Berufliche Erfahrungen<br />
seit September 2008 <strong>Sport</strong>therapeutin in der Rehabilitationsklinik<br />
Johannesbad Raupennest in Altenberg<br />
Mai 2007 – September 2008 Trainerin im Lady-Fitness-Studio Injoy<br />
in <strong>Jena</strong><br />
Oktober 2006 – April 2007 Trainerin im Lady-Fitness-Studio Team<br />
WOF in <strong>Jena</strong><br />
August 2006 – September 2006 4-wöchiges Praktikum in der Rehabilitationsklinik<br />
Bad Saulgau<br />
März 2006 4-wöchiges Praktikum in der Prävention und Rehabilitation<br />
bei Ortema in Markgröningen<br />
August 2004 – September 2004 4-wöchiges Praktikum im Trainingsbereich<br />
der Physiotherapie im Klinikum Ludwigsburg<br />
Oktober 2002 – Februar 2003 Verkaufstätigkeit im Fashion und<br />
Lifestyle Unternehmen Breuninger in Stuttgart<br />
Hochschulstudium<br />
2003 – Juli Studium der <strong>Sport</strong>wissenschaft an der FSU <strong>Jena</strong><br />
Abschluss: Diplom-<strong>Sport</strong>wissenschaftlerin<br />
Schwerpunkt: Prävention und Rehabilitation<br />
Diplomarbeit: Empirische Studie zur Motivation von Fitness-<br />
<strong>Sport</strong>lerinnen<br />
Zusatzqualifikationen<br />
Fitness-Trainer A-Lizenz, Rückenschulleiter, Therapeutische Rückenschule,<br />
Nordic-Walking C-Trainer, Aquafitness-Trainerin, Seminarleiterin<br />
„Progressive Muskelrelaxation“<br />
Doris Potzel<br />
Empirische Studie zur Motivation von Fitness-<br />
<strong>Sport</strong>lerinnen<br />
Einleitung<br />
Die Zahl der Fitness-<strong>Sport</strong>ler in Deutschland und ganz Europa<br />
steigt stetig an, ebenso die Anzahl der Besucher von<br />
Fitness-Studios. Für die Teilnahme am Fitness-<strong>Sport</strong> sind<br />
unterschiedliche Beweggründe bzw. Motive maßgeblich,<br />
deren Kenntnisse für die Anbieter wichtige Aufschlüsse<br />
beinhalten. Frauen suchen im Fitness-<strong>Sport</strong> offensichtlich<br />
nicht nur die körperliche Ertüchtigung, sondern auch die<br />
Entspannung, die Verbesserung des Wohlbefindens und<br />
die Erhöhung der Lebensqualität. Bisher wurden motivationale<br />
Aspekte von Frauen zum Besuch von Lady-Fitness-<br />
Studios kaum analysiert.<br />
Methodik<br />
Die Untersuchung basiert auf einer schriftlichen Befragung<br />
mittels eines umfangreichen Fragebogens, der motivationale<br />
Aspekte im Fitness-Studio und zum Besuch speziell<br />
von Lady-Fitness-Studios beinhaltete. Die Bewertung der<br />
verschiedenen motivationalen Aspekte erfolgte auf einer<br />
6-stufigen Skala von ‚1=nicht wichtig’ bis ‚6=sehr wichtig’.<br />
An der Befragung nahmen insgesamt 62 weibliche Fitness-<br />
<strong>Sport</strong>ler im Alter von 18 bis 76 Jahren bei einem Durchschnittsalter<br />
von 43.2 Jahren teil. Die Gesamtgruppe wurde<br />
in eine Gruppe von 31 jüngeren Fitness-<strong>Sport</strong>lerinnen<br />
mit einem Durchschnittsalter von 29.0 Jahren und eine<br />
Gruppe von 31 älteren Fitness-<strong>Sport</strong>lerinnen mit einem<br />
durchschnittlichen Alter von 57.4 Jahren unterteilt. Ferner<br />
wurden die Gruppen der jüngeren und älteren Fitness-<br />
<strong>Sport</strong>lerinnen weiter hinsichtlich der Trainingserfahrung<br />
und der Trainingshäufigkeit unterteilt. Die Datenanalyse<br />
erfolgte mittels deskriptiven und varianzanalytischen Verfahren.<br />
Ergebnisse<br />
Beim Vergleich der motivationalen Aspekte in der Gesamtstichprobe<br />
lagen der Fitness-<strong>Sport</strong> als Beitrag zur Gesundheit,<br />
zur Verbesserung der Ausdauer und zur Erhöhung des<br />
Wohlbefindens an der Spitze, während die Präsentation des<br />
Könnens und des eigenen Körpers als weniger bedeutsam<br />
angesehen wurden. Barrieren zur Teilnahme am Fitness-<br />
<strong>Sport</strong> waren vor allem andere soziale Aktivitäten, der besuch<br />
von Freunden, die Erledigung anderer Tätigkeiten, familiäre<br />
Verpflichtungen und das Vorhandensein von wenig<br />
Freizeit. Die Frauen besuchten insbesondere Lady-Fitness-<br />
Studios, um <strong>Sport</strong> ohne Männer betreiben zu können und<br />
um sich unbeobachtet zu fühlen. Hierin wurde deutlich,<br />
dass den <strong>Sport</strong>lerinnen vor allem die Gesundheitsaspekte<br />
im Vordergrund standen, während das Geltungsstreben für<br />
ein Training im Fitness-Studio weniger von Bedeutung war.<br />
Beim Vergleich der jüngeren mit den älteren Fitness-<strong>Sport</strong>lerinnen<br />
war erkennbar, dass den jüngeren <strong>Sport</strong>lerinnen<br />
die Köpergestaltung, die athletische Formung des Körpers,<br />
die Figurstraffung und die Erhaltung einer attraktiven Figur<br />
deutlich wichtiger waren als den älteren <strong>Sport</strong>lerinnen.<br />
Außerdem waren die Leistungsmotive für die jüngeren<br />
<strong>Sport</strong>lerinnen bedeutsamer. Bei den älteren Fitness-<strong>Sport</strong>lerinnen<br />
spielten hingegen die Gesundheitsaspekte und die<br />
sozialen Motive für ein Training im Fitness-Studio erheblich<br />
relevanter. Für die jüngeren Frauen waren wesentliche<br />
Aspekte für die Auswahl von Lady-Fitness-Studios, dass<br />
sie unbeobachtet trainieren, ohne Männer üben, von Kinderbetreuungszeiten<br />
profitieren und die Sauna benutzen<br />
konnten. Ältere häufig trainierende Fitness-<strong>Sport</strong>lerinnen<br />
hoben die Stärkung der Gesundheit, die Vorbeugung von<br />
Beschwerden und Krankheiten sowie die Stärkung des<br />
Kreislaufs als wichtige Beweggründe im Vergleich zu den<br />
selten trainierenden Fitness-<strong>Sport</strong>lerinnen hervor. Für ältere<br />
wenig trainierende Frauen waren die Aspekte für den<br />
Besuch von Lad-Fitness-Studios vorrangig, dass sie in der<br />
Sauna unter sich sein wollten und den Leistungsvergleich<br />
mit Männern meiden wollten.<br />
Insofern konnten in der vorliegenden Befragungsstudie<br />
spezifische motivationale Aspekte für den Fitness-<strong>Sport</strong><br />
allgemein und speziell für die Auswahl von Lady-Fitness-<br />
Studios analysiert werden.<br />
41
Ulrike Schwalbe aus Plauen<br />
geb. 1978<br />
Studium der Rechtswissenschaften<br />
Studium Diplom <strong>Sport</strong>wissenschaft mit Schwerpunkt Bewegung<br />
und Leistung<br />
Thema der Diplomarbeit: „Zur Optimierung ausgewählter Aspekte<br />
der methodischen Gestaltung des Trainings im Triathlon/Duathlon“<br />
Erhalt des Examenspreises des Instituts für <strong>Sport</strong>wissenschaft und<br />
Nominierung für den Fakultätspreis der FSU- <strong>Jena</strong><br />
<strong>Sport</strong>licher Werdegang<br />
Deutsche Juniorenmeisterin im Duathlon<br />
Aufnahme in Juniorennationalmannschaft<br />
Erste WM Teilnahme im Elitebereich<br />
Profi- Triathletin/ - Duathletin<br />
IITU Weltmeisterin Duathlon Langstrecke<br />
IITU Vizeweltmeisterin Duathlon Langstrecke<br />
Powerman Europameisterin Duathlon<br />
Powerman Vizeweltmeisterin Duathlon<br />
Deutsche Meisterin Duathlon Langstrecke<br />
Siegerin Vikingman Dänemark (Ironmandistanz)<br />
Deutsche Meisterin Duathlon Langstrecke<br />
3. Platz ITU WM Duathlon Langstrecke<br />
3. Platz Powerman Europameisterschaft<br />
1. Platz Mönchshof- Triathlon Mittedistanz<br />
1. Platz Waldviertler Eisenmann Mitteldistanz<br />
6 Siege in der Powerman- Weltserie<br />
5fache Siegerin Weimarer Zwiebelmarktlauf<br />
4fache Siegerin <strong><strong>Jena</strong>er</strong> Kernberglauf<br />
Ulrike Schwalbe<br />
Zur Optimierung ausgewählter Aspekte der<br />
methodischen Gestaltung des Trainings im<br />
Triathlon/ Duathlon<br />
Kurzzusammenfassung:<br />
1. Einleitung:<br />
Ziel der Arbeit ist es, über eine Kopplung von Literatur-<br />
und Trainingsanalyse zu versuchen, Optimierungsansätze<br />
für ausgewählte Aspekte der Trainingsmethodik der <strong>Sport</strong>arten<br />
Triathlon/ Duathlon zu liefern. Der aktuelle nationale<br />
und internationale Literaturstand bildet den theoretischen<br />
Hintergrund der aufgestellten Arbeitshypothesen. Eigene<br />
Trainingsaufzeichnungen und praktische Erfahrungen aus<br />
10 Jahren Hochleistungstraining sollen einen Ansatzpunkt<br />
zur Verifizierung oder Falsifizierung der aufgeworfenen Hypothesen<br />
darstellen.<br />
Den trainingsmethodischen Hintergrund bildet die Frage,<br />
inwieweit sich die existierenden Differenzen zwischen reinen<br />
Laufbelastungen und den erbrachten Leistungen im<br />
Triathlon/ Duathlon über ein entsprechendes Trainingsregime<br />
beeinflussen und minimieren lassen. Anhand der<br />
analytischen Erkenntnisse sollen die teils breit gefächerten<br />
literaturbasierten Trainingsempfehlungen auf wenige<br />
zentrale Ansatzpunkte zur Leistungsoptimierung zentriert<br />
werden.<br />
2. Arbeitshypothesen<br />
I. Im Kraftausdauertraining von Triathleten/ Duathleten ist<br />
vor allem der spezifische Widerstandsreiz in vorwiegend<br />
aerober Stoffwechsellage ganzjährig und unter adaptationsadäquater<br />
mikrozyklischer Gestaltung als Leistungsreserve<br />
zu nutzen.<br />
II. Ein erhöhtes lauf- beziehungsweise radspezifisches<br />
Kraftausdauerniveau kann zu einer Erhöhung der Laufleistung<br />
nach dem Radfahren beitragen.<br />
III. Der Anteil des Koppeltrainings am Gesamttrainingsumfang<br />
ist aufgrund seiner unklaren<br />
42<br />
Trainingsmethodik und seines umstrittenen Einflusses auf<br />
die Wettkampfleistung zu reduzieren beziehungsweise<br />
nicht wie gefordert auf 20-30% des Gesamttrainingsumfangs<br />
zu erhöhen.<br />
IV. Der Radabschnitt im Triathlon/ Duathlon eröffnet die<br />
Möglichkeit die Laufleistung indirekt zu beeinflussen. Dies<br />
kann a) über die Auswahl der Trittfrequenz und b) über ein<br />
gesteigertes Radniveau geschehen.<br />
3. Ergebnisse:<br />
Für das Kraftausdauertraining wurde der spezifische Widerstandreiz<br />
in aerober Stoffwechsellage, aufgrund der<br />
eintretenden leistungsdienlichen Adaptationen, als eine<br />
der größten Leistungsreserven im Triathlon- und Duathlontraining<br />
verifiziert. Um diese optimal zu nutzen, ist es<br />
im Trainingsprozess entscheidend, mit einem ganzjährigen<br />
Konzept und unter Berücksichtigung einer adaptationsadäquaten<br />
mikrozyklischen Gestaltung auf diesen Leistungsfaktor<br />
einzuwirken. Arbeitshypothese I kann somit literatur-<br />
und trainingsanalytisch bestätigt werden.<br />
Die Literaturanalyse begründet darüber hinaus, inwieweit<br />
eine Erhöhung des rad- beziehungsweise laufspezifischen<br />
Kraftausdauerniveaus zu einer Steigerung der Laufleistung<br />
nach dem Radfahren beitragen kann. Dieser Zusammenhang<br />
kann trainingsanalytisch nicht eindeutig hergestellt<br />
werden, da das Leistungsresultat stets ein Ergebnis mehrerer<br />
sich gegenseitig beeinflussender Subkomponenten ist.<br />
Arbeitshypothese II ist demnach anhand der Erkenntnisse<br />
der Literatur anzunehmen, jedoch auf Basis der eigenen<br />
Trainingsanalyse weder zu verifizieren noch zu falsifizieren.<br />
Da sich allerdings in der eigenen analytischen Betrachtung<br />
vorsichtig zu interpretierende Hinweise auf einen positiven<br />
Zusammenhang zwischen einer gestiegenen radspezifischen<br />
Kraftausdauer und einer erhöhten Laufleistung<br />
finden und auch trainingspraktische, aber nicht explizit<br />
nachweisbare Erfahrungen darauf hindeuten, existiert eine<br />
leichte verifizierende Tendenz für Arbeitshypothese II.<br />
Für das Koppeltraining ergab die Literaturanalyse ein konträres<br />
Bild. Das deutschsprachige Autorenkollektiv begründet<br />
einstimmig eine große leistungsstrukturell verankerte<br />
Bedeutung dieser Trainingsform. International finden sich<br />
dagegen zahlreiche kritische Stimmen, die eine Notwendigkeit<br />
des Koppeltrainings, speziell für Eliteathleten, entkräftigen.<br />
Es existiert<br />
keine hinreichend valide Trainingsmethodik. Der tatsächliche<br />
Einfluss des Koppeltrainings auf die beschriebenen<br />
Übergangsphänomene, deren Ursachen und somit auch auf<br />
die eigentliche Wettkampfleistung bleibt unerforscht und<br />
in der Literatur umstritten.<br />
Die eigenen Trainingsaufzeichnungen untermauern, aufgrund<br />
eines minimalen Trainingsanteils, das notwendige<br />
Hinterfragen dieser Trainingsform. Der Stand der internationalen<br />
Literatur und die durchgeführte Trainingsanalyse<br />
legen den Schluss nahe, Arbeitshypothese III anzunehmen<br />
und das Koppeltraining, speziell für Eliteathleten, in seinem<br />
Umfang zu reduzieren oder zumindest nicht auf das<br />
geforderte Maß von 20-30% des Gesamttrainings zu erhöhen.<br />
Für den Radabschnitt implizieren Literatur- und Trainingsanalyse<br />
verschiedene Möglichkeiten der indirekten Einflussnahme<br />
auf die Laufleistung (Arbeitshypothese IV). Dies<br />
kann zum einen über ein erhöhtes Radniveau auf Basis einer<br />
gestiegenen radspezifischen Kraftausdauer geschehen,<br />
in dessen Folge die Laufleistung positiv beeinflusst wird.
Andererseits scheint es unter Verbindung der Standpunkte<br />
aus Literatur und eigenen praktischen Erfahrungen von<br />
Vorteil zu sein, eine eher niederfrequente Fahrweise in Verbindung<br />
mit einer besonderen Vorbereitung des Rad-Lauf-<br />
Übergangs zu präferieren. Die niederfrequente Fahrweise<br />
ist ein probates Mittel, um Energie für den abschließenden<br />
Lauf zu sparen und somit über erhöhte Substratressourcen<br />
leistungssteigernd auf den Laufabschnitt einzuwirken. Die<br />
unmittelbare Vorbereitung auf den Disziplinwechsel sollte<br />
frequenzorientiert gestaltet werden, um unter Ausnutzung<br />
der Perseveration gleich in der Startphase ein optimal frequentes<br />
Laufmuster zu generieren. Auch ein Tonisieren der<br />
ischiocruralen Muskulatur kann empfohlen werden.<br />
4. Schlussfolgerungen<br />
Innerhalb des Kraftausdauertrainings von Triathleten/ Duathleten<br />
ist der spezifische, aerobe Reiz als bedeutendste<br />
Leistungsreserve anzusehen und entsprechend zu nutzen.<br />
Nur auf seiner Basis können optimale Fortschritte in den<br />
wettkampfspezifischen Leistungsvoraussetzungen und<br />
schließlich in der Wettkampfleistung vollzogen werden.<br />
Dafür ist es entscheidend, diesen Leistungsfaktor ganzjährig<br />
sowie mit adäquater Intensität und Dauer der Einheiten<br />
zu konzipieren. Um die Möglichkeiten der Adaptation besser<br />
auszuschöpfen, sollte die mikrozyklische Gestaltung<br />
klarer strukturiert werden. Der einzelne Trainingstag ist so<br />
zu planen, dass die Anpassung der leistungsbeeinflussenden<br />
Funktionssysteme nicht durch methodisch fehlplatzierte<br />
Reize, das heißt inkompatible Trainingsmodalitäten,<br />
gestört wird. Für hochqualifizierte <strong>Sport</strong>ler kann die Blockstruktur<br />
ein Ansatzpunkt zur weiteren Leistungsoptimierung<br />
sein.<br />
Für das Koppeltraining legen Literatur- und Trainingsanalyse<br />
den Schluss nahe, dass es sich um eine überbewertete,<br />
aber nicht adäquat erforschte Trainingsform handelt.<br />
Es existiert keine hinreichend valide Methodik. Untersuchungen<br />
des direkten Einflusses auf die Übergangsphänomene,<br />
deren Ursachen und die tatsächliche Wettkampfleistung<br />
sind vakant. Trainingsmethodisch bleibt<br />
für Eliteathleten die Empfehlung, zunächst eine möglichst<br />
hohe Einzelleistung zu entwickeln, bevor über ein Koppeltraining<br />
die im Rad-Lauf-Übergang zu verlierenden Sekunden<br />
eventuell minimiert werden.<br />
Einen indirekten Ansatzpunkt für eine verbesserte Laufleistung<br />
im Triathlon/ Duathlon stellt der Radabschnitt dar.<br />
Trainingsmethodisch ist es relevant, über eine gestiegene<br />
Kraftausdauerbasis das Gesamtradniveau zu erhöhen und<br />
in dessen Folge den Energieverbrauch für eine gleich bleibende<br />
Belastung zu senken. Das Radtraining sollte den anderen<br />
Disziplinen, unter Berücksichtigung seiner Potenzen<br />
für den Laufabschnitt, nicht nachgeordnet sein. Auch der<br />
Trittfrequenzregulation kommt eine die Laufleistung beeinflussende<br />
Bedeutung zu. Diese gilt es, im gesamten<br />
Radabschnitt und im Rad-Lauf-Übergang wettkampftaktisch<br />
zu nutzen.<br />
43
Förderkreis-Universitätssport beim USV <strong>Jena</strong> e. V.<br />
Der Förderkreis Universitätssport konnte dieser Tage mit PD Dr.<br />
Gerhard Kirchner sein 70. Mitglied aufnehmen. Zunehmend<br />
entwickelt sich der Förderkreis als Alumni-Verein für das Institut<br />
für <strong>Sport</strong>wissenschaft, den USV und den Hochschulsport. Im<br />
letzten Jahr unterstützte der Förderkreis das Absolvententreffen<br />
des Instituts für <strong>Sport</strong>wissenschaft, stiftete einen Institutspreis<br />
für wissenschaftliche Abschluss-arbeiten und überwies einen<br />
Betrag von 500 Euro für das Spendenkonto Dreifelderhalle. Das<br />
Spendenkonto Dreifelderhalle ist inzwischen auf 19.886,47<br />
Euro angewachsen. Systematisch wird versucht, eine Adressensammlung<br />
von ehemaligen <strong>Sport</strong>studenten und Vereinssportlern<br />
anzulegen. Bisher ist es gelungen, über 2000 Adressen zu<br />
ermitteln. Der Förderkreis kann auch Seminargruppen oder<br />
Studienjahre bei der Organisation von Treffen unterstützen.<br />
Das Absolvententreffen findet immer im Rahmen des Hanfried-<br />
Turniers statt.<br />
Ziele des Förderkreises:<br />
• Pflege und Bewahrung von <strong>Sport</strong>traditionen<br />
an der Friedrich-Schiller-Universität<br />
• Pflege der Ehrentafel des Universitätssports<br />
(www.usvjena.de)<br />
• Vergabe von Universitätssportpreisen an <strong>Sport</strong>ler<br />
und <strong>Sport</strong>lerinnen und<br />
Förderer und Förderinnen des <strong>Sport</strong>s an der<br />
Universität<br />
• Unterstützung von Publikationen, insbesondere<br />
in der Reihe „<strong><strong>Jena</strong>er</strong> <strong>Beiträge</strong> zum <strong>Sport</strong>“<br />
• Unterstützung der Bibliothek beim Erwerb von<br />
sportwissenschaftlicher Literatur<br />
• Unterstützung bei der Erarbeitung der <strong>Sport</strong>chronik der<br />
Universität<br />
• Unterstützung beim Erwerb von Archivmaterialien,<br />
insbesondere Fotos zur <strong>Geschichte</strong> des<br />
Universitätssports<br />
• Unterstützung bei der Organisation von<br />
Absolventen- und Traditionstreffen<br />
Der jährliche Mindestbeitrag beträgt 30,- Euro. Jedes Mitglied<br />
kann den Beitrag aber selbstständig auf eine höhere Summe<br />
festlegen, um den <strong>Sport</strong> an der Universität zu unterstützen.<br />
Antrag auf Mitgliedschaft<br />
im USV <strong>Jena</strong> e.V. - Förderkreis<br />
USV <strong>Jena</strong> e.V.<br />
Oberaue 1<br />
07745 <strong>Jena</strong><br />
Name, Vorname: ________________________<br />
Geburtsdatum: _________________________<br />
Anschrift: ____________________________<br />
_________________________________<br />
Absolventenjahrgang: _____________________<br />
Beruf / Tätigkeit:________________________<br />
Telefon (p./d.): _________________________<br />
E-mail: ______________________________<br />
bei Absolventen das Abschlußjahr: ______________<br />
Die einmalige Aufnahmegebühr beträgt 10,00 Euro.<br />
Die Zahlung des Mitgliedsbeitrages erfolgt durch<br />
Abbuchung vom Konto des Antragstellers.<br />
44<br />
Wer zusätzliche Spenden oder Stiftungen für den Universitätssport<br />
plant, kann dafür entsprechende steuerlich wirksame Bescheinigungen<br />
erhalten. Dies gilt auch für Nichtmitglieder. Wer<br />
Mitglied werden möchte, Adressen bereitstellen kann oder mit<br />
historischen Daten, Fotos und Sachzeugen das USV <strong>Sport</strong>archiv<br />
vervollständigen kann, wende sich bitte an Dr. H.-G. Kremer<br />
(03641/ 945760/61).<br />
Fördermitglieder sind: Marlene Bähring Neuhaus, Alexander Bartsch<br />
Kaufbeuren, Prof. Dr. Reinhard Blickhan <strong>Jena</strong>, Dr. Erich Blum Dresden,<br />
Dr. Hildegard Bonnafous Klettbach, Dr. Albrecht Börner <strong>Jena</strong>,<br />
Gertraud Brinkmann Bernau, Prof. Dr. Frank Daumann Hof , Dietrich<br />
Discher Ilmenau, Prof. Dr. Günther Drefahl <strong>Jena</strong>, Prof. Dr. Klaus<br />
Duphorn Kiel , Dr. Dirk Enke <strong>Jena</strong>, Inge Fischer Neustadt, Prof. Dr.<br />
Holger Gabriel <strong>Jena</strong>, Dr. Heinz-Peter Gebert Altenburg, Gerhard<br />
Giera Ettlingen, Dr. Marlis Goldammer <strong>Jena</strong>, Werner Gröbe Weimar,<br />
Gisela Große <strong>Jena</strong>, Prof. Dr. Wolfgang Gutewort <strong>Jena</strong>, Karin Hecker<br />
Kronach, Dr. Lutz Hoffmann <strong>Jena</strong>, Prof. Dr. Johanna Hübscher <strong>Jena</strong>,<br />
Timo Jahn <strong>Jena</strong>, Prof. Dr. Dr. Klaus Keil Honolulu, Karin Keller Quedlinburg,<br />
PD. Dr. Gerhard Kirchner <strong>Jena</strong>, Hermann Kleppe <strong>Jena</strong>, Dr.<br />
Hans- Georg Kremer <strong>Jena</strong>, Werner Kühnert <strong>Jena</strong>, Prof. Dr. Manfred<br />
Kunze Suhl, Bernd Kuttelwascher Dessau, Jana Leidenfrost Waiblingen/Hegnach,<br />
Gerhard Licht Buxtehude, Gertraud Liebelt Saalfeld,<br />
Bernd Löschner Tettnang, Ute Lucas <strong>Jena</strong>, Gottfried Mempel <strong>Jena</strong>,<br />
Dr. Wolfgang Möhring Hachenburg, Adelheid Müller Schönefeld, Dr.<br />
Wolfgang Müller Metzels, Steffi Oertel Gera, Harry Pippardt <strong>Jena</strong>,<br />
Walpurga Preuß <strong>Jena</strong>, Petra Preußat Sondershausen, Dr. Gerhard<br />
Rauschenbach Erfurt, Heidemarie Röhrig <strong>Jena</strong>, Dr. Peter Röhrig<br />
<strong>Jena</strong>, Manfred Rosemann <strong>Jena</strong>, Willi Rössel Erfurt, Dr. Olaf Rößler<br />
<strong>Jena</strong>, Claudia Rüppel <strong>Jena</strong>, Dr. Ulrich Sauerstein Plauen, Günther<br />
Scheibe Tanna, Roswitha Schmidt Zwenkau, Dr. Rolf Schoder <strong>Jena</strong>,<br />
Reinhard Scholz Crimmitschau, Ferdinand Schrön Menteroda, Harald<br />
Seime Vierzehnheiligen, Christine Sklenar Weimar, Dr. Sylvia Stanek<br />
Laasdorf, Dr. Siegfried Stange <strong>Jena</strong>, Sabine Sorge <strong>Jena</strong>, Elisabeth<br />
Steinbach <strong>Jena</strong>, DR. Martin Steinbach <strong>Jena</strong>, Hansjörg Strubel Brieselang,<br />
Prof. Dr. Dieter Teipel <strong>Jena</strong>, Dr. Jürgen Teubner Thalbürgel,<br />
Harry Themel Dresden, Prof. Dr. Hans-Alexander Thorhauer <strong>Jena</strong>,<br />
Dr. Heinz Unger Gmünd, Prof. Dr. Norbert Urbainsky Bochum, Leonhard<br />
Urban Gera, Barb Wanke <strong>Jena</strong>, Alfred Wehner <strong>Jena</strong>, Tobias<br />
Wolfrum <strong>Jena</strong>, Dr. Michael Zahn <strong>Jena</strong>, Ursula Zaumseil Seeheilbad<br />
Graal-Müritz, Ulrich Zimmer <strong>Jena</strong>.<br />
Ich zahle den Mindestbetrag von jährlich 30,00 Euro.<br />
Ich zahle einen jährlichen Förderbetrag von __Euro.<br />
Kontonummer: _________________________<br />
BLZ.: _______________________________<br />
Kreditinstitut: __________________________<br />
Kontoinhaber: __________________________<br />
(wenn abweichend vom Antragsteller)<br />
Mit meiner Unterschrift erkenne ich die Satzung des Vereins<br />
und die Beitragsordnung an. Bei Abbuchung meines<br />
Mitgliedsbeitrages ermächtige ich den USV <strong>Jena</strong> e.V., bis<br />
auf Widerruf (Abmeldung), den von mir zu entrichtenden<br />
Betrag zum Fälligkeitstermin zu Lasten meines Kontos durch<br />
Lastschrift einzuziehen. Wenn mein Konto die erforderliche<br />
Deckung nicht aufweist, besteht seitens des kontoführenden<br />
Instituts keine Verpflichtung zur Einlösung.<br />
Teileinlösungen sind im Lastschrifverkehr nicht möglich.<br />
(Hinweis laut Datenschutzgesetz: Ihre Daten werden maschinell gespeichert!)<br />
Datum, Ort: ________<br />
Unterschrift: ___________________