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Welt Auge - Volker Steinbacher

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<strong>Auge</strong>nReisen<br />

Dachte ich zumindest....denn die <strong>Auge</strong>n waren plötzlich überall, bei mir zu Hause, bei<br />

Freunden und Fremden. Wohin ich auch kam: Überall schauten mich gemalten <strong>Auge</strong>n an.<br />

Es sollten aber noch drei Jahre vergehen, bis ich die Idee wieder aufgriff.<br />

Denn ein wunderbarer Zufall verschlug mich 2001 nach Usbekistan, für ganze 48 Stunden.<br />

Einen Tag vor meiner Abreise wurden zwei Passagiermaschinen in ein New Yorker Hochhausensemble<br />

gesteuert. Die internationale Stimmung war zum Zerreisen gespannt, ich flog<br />

aber trotzdem, und im Gepäck war ein <strong>Auge</strong>nStein. In Taschkent gelang es tatsächlich,<br />

einen Fahrer zu finden, der nach Samarkand fuhr. Bei einer kurzen Rast am Rande der<br />

Wüste Kysylkum legte ich einen <strong>Auge</strong>nStein an die Straßenböschung. Damit war das Projekt<br />

geboren. Nur:<br />

Ich wußte es noch nicht.<br />

Ending States<br />

Als ich wenige Stunden später wieder den Flieger betrat, holte mich die Wirklichkeit ein. In<br />

den aktuellen Tageszeitungen konnte man folgenden Satz lesen: Der stellvertretende<br />

amerikanische Außenminister wolle „Staaten beenden“ (ending states), die amerikanische<br />

Sicherheitsinteressen verletzten. Nicht Regierungen und Despoten, sondern Staaten in ihrer<br />

Ganzheit. Endlösung für Staaten also. Diesen Satz hatte er auf mehrere Nachfragen der<br />

Journalisten bestätigt und wiederholt.<br />

Ich begriff, daß die <strong>Welt</strong>, die ich in ihrer Vielfalt so schätzte, innerhalb weniger Jahre<br />

verschwunden sein könnte.<br />

Schneller als George W.<br />

So beschloß ich, auf eine entfesselte Militärmaschinerie (und ihrem fundamentalistischen<br />

Gegenpart) mit einer minimalistischen und friedlichen <strong>Welt</strong>besetzung zu antworten.<br />

Mein Motto: Schneller als George W.<br />

Es folgten ein Krieg gegen Afghanistan, der jene Fundamentalisten in die Knie zwang, die<br />

Jahre zuvor von der amerikanischen Regierung als „Freiheitskämpfer“ mit Geld und Waffen<br />

aufgebaut worden waren.<br />

Danach eine beispiellose Kampagne mit gefälschten Dossiers über Mssenvernichtungsmittel,<br />

die einen Angriff und die Besetzung des Irak legitimieren sollte.<br />

Die Schönheit und die Niedertracht des Menschen<br />

Wenige Tage vor dem Angriff auf den Irak, am 16.3.2003, beschloß ich:<br />

Es sollen <strong>Auge</strong>nSteine in die ganze <strong>Welt</strong> ausschwärmen, schauen und berichten.<br />

Sie sollen berichten von den der Vielfalt der menschlichen Kultur, den kleinen Dingen des<br />

Lebens, den tagtäglichen Trivialitäten, der Schönheit der Natur, aber auch von der<br />

ungeheuren Niedertracht und Gemeinheit des Menschen.<br />

Daß diese Entscheidung ausgerechnet im Hambacher Schloß fiel, erscheint im Nachhinein als<br />

eine Ironie des Zufalls.<br />

Ohne genaues Konzept gab ich Reisenden Steine mit, Geschäftsreisenden, Urlaubern,<br />

Ethnologen, Künstlern und anderen. Die Reisenden konnten selbst einen Platz für „ihren“<br />

Stein bestimmen und in einem kurzen Protokoll vermerken, wo der Stein lag und was er<br />

„sah“. Dem Reisenden selbst kam die Rolle des Zeugen zu, er bezeugte mit seinem Namen,<br />

daß der Stein wirklich an dem von ihm genannten Ort abgelegt wurde.<br />

Erst später erhielt das Projekt einen Namen und ein Konzept : Der Weg der Steine. Und<br />

von anderen Künstlern weitere Namen, z.B. <strong>Welt</strong>auge und Metaphysische Webkamera .

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