Welt Auge - Volker Steinbacher
Welt Auge - Volker Steinbacher
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likum auf die vom Pleinair mitgebrachten Steine reagierten, wie bereitwillig sie ihm abgenommen,<br />
ins häusliche Ambiente verbracht und dort, im Zweifelsfall an strategischem<br />
Punkt, aufgestellt wurden. Er begriff bald, daß dem unermüdlich geöffneten <strong>Auge</strong> eine<br />
Wächterfunktion beigelegt wurde, irrational vielleicht, aber psychologisch deshalb nicht<br />
weniger wirksam. Wieviele Detektivbüros führen in ihrem Logo das Argusauge! Etwas<br />
vom animistischen Glauben unserer Vorfahren, der in unbelebten Objekten geistige Kräfte<br />
am Walten sieht, hat offenbar ins uns überlebt. Geistige Kräfte, die in ortsfesten, großen<br />
Steinen wie denen der Megalithkultur verehrt wurden, sich aber auch konzentrieren konnten<br />
in kleinen, mobilen Stücken. Es gibt Indizien dafür, daß schon der Urmensch vor<br />
500.000 Jahren Steine von ästhetisch auffälliger Gestalt aufhob und von Lager zu Lager<br />
mit sich führte. Der erste gezielt in ein anderes Land verbrachte <strong>Auge</strong>nstein war der, den<br />
<strong>Volker</strong> <strong>Steinbacher</strong> eigenhändig 2001 in Usbekistan ablegte. Es waren die Tage um den<br />
11.September, und <strong>Steinbacher</strong> gehörte zu denen, die trotz der Entfernung vom Schauplatz<br />
des Attentats spürten, daß etwas von weltgeschichtlicher Bedeutung sich zusammenzubrauen<br />
begann. Das gab dem Projekt seinen Schub in die entscheidende, auf grenzüberschreitende,<br />
globale Dimension angelegte Richtung. In seiner offiziellen Vita, wo die<br />
diversesten Projekte mit ihrem Durchführungsort angeben sind, steht hinter „Weg der<br />
Steine“: Planet Erde. Bepflastert haben den Weg der Steine seither viele, viele willige<br />
Überbringer, die mit ihrer in jede Hosentasche passenden Fracht in <strong>Steinbacher</strong>s Auftrag in<br />
alle Richtungen der Windrose gefahren sind: touristisch Reisende ebenso wie Stewardessen,<br />
Geschäftsleute, Mitarbeiter der Reisebranche, sogar Botschaftsangehörige. Sie wurden<br />
aktiv von Ägypten bis Zypern, im Petersdom und in Mekka, in 6000 Meter Höhe auf<br />
einem Gipfel der Kordilleren und in drei Meter Tiefe vor einem Korallenriff im Roten<br />
Meer, an Orten und, wie <strong>Volker</strong> <strong>Steinbacher</strong> schmunzelt, auch an Unorten. Aber das zählt<br />
die Leinwand vollständiger auf, als ich es kann. Am 22.Mai 2005 jedenfalls lautete der<br />
vorläufige Stand: in 102 Staaten der Erde von insgesamt 197 ist ein <strong>Auge</strong>nstein angekommen.<br />
Das Projekt endet, wenn sämtliche Staaten erfaßt sind – eine mineralogische UNO<br />
sozusagen.<br />
Man kann den Weg der Steine einer Art Pilgerschaft vergleichen. Nur vollzieht sich der<br />
Umgang mit dem konkreten Stein exakt umgekehrt. Wir kennen den Brauch, an markanten<br />
Zwischenstationen oder am Endziel einer Wallfahrt Steine niederzulegen – auf dem spanischen<br />
Jakobsweg habe ich das oft beobachtet. Wir kennen die Kiesel auf jüdischen Grabsteinen.<br />
Wir kennen von Pfaden und Pässen im Himalaya die riesigen Ansammlungen von<br />
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