Herbst 2006 (503 KB) - Kath. Gefängnisseelsorge
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Mitteilungen 2/<strong>2006</strong> - 3 -<br />
I MPULSE<br />
Am 18. Juni <strong>2006</strong> wurde Pastoralreferent<br />
Klemens Heymann durch<br />
Dekan Gregor Sorg (JVA Stuttgart-Stammheim)<br />
in einem<br />
Gottesdienst offiziell in das Amt<br />
des <strong>Gefängnisseelsorge</strong>rs an der<br />
JVA Pforzheim eingeführt.<br />
Klemens Heymann hielt in diesem<br />
Gottesdienst folgende Ansprache<br />
zu Jesaja 42,1 – 7.<br />
„Das kannst du knicken."<br />
Diese Redewendung hat jeder von uns schon mal<br />
gehört. Es gibt Dinge, die nicht so laufen, wie wir<br />
uns das vorstellen. Wünsche und Bedürfnisse finden<br />
keine Erfüllung, müssen hintanstehen.<br />
„Das kannst du knicken."<br />
Menschen, die hier ihre Freiheitsstrafe absitzen,<br />
erleben: Ihr Leben bekommt durch den Freiheitsentzug<br />
einen Knick. Wichtige soziale Beziehungen<br />
zur Familie oder zu Freunden sind nur in einem<br />
begrenzten Rahmen von Briefen,<br />
Telefonaten und Besuchen lebbar. Es gibt die<br />
Sorge, ob die Freundschaft weiter hält. Freundschaften<br />
knicken ein. Eine Lehrstelle oder die<br />
Arbeitstelle fällt durch den Strafvollzug weg. Die<br />
Entlassung nach zwei Drittel der Strafzeit wird<br />
plötzlich durch einen Einspruch, durch ein neues<br />
Verfahren verschoben.<br />
„Das kannst du knicken"<br />
Das was geknickt ist, ist oft der Hoffnungslosigkeit<br />
anheimgegeben. Keine Perspektive in Sicht.<br />
Was geknickt ist, ist nicht ohne weiteres aufzurichten.<br />
Der Halm, der zerknickt ist, kann die<br />
Frucht nicht mehr tragen, er ist unnütz. Also wozu<br />
braucht man ihn noch? Die Gefahr ist groß,<br />
dass Menschen, die diese oben genannten Erfahrungen<br />
machen, beginnen sich wertlos zu fühlen.<br />
Das zerknickte Rohr zerbricht er nicht und den<br />
glimmenden Docht löscht er nicht aus.<br />
Dieser Satz ist vom Propheten Jesaja in eine Zeit<br />
dem Volk Israel zugesprochen, als es in der babylonischen<br />
Gefangenschaft schon keine Hoffnung<br />
auf Rückkehr in ihre Heimat gab. Der aufkommende<br />
Herrscher von Persien, Kyrios genannt,<br />
wird als Gottes Werkzeug gesehen, der nun durch<br />
seine zunehmende politische Macht den verbannten<br />
Israeliten die Rückkehr in Aussicht stellt. Für<br />
die in Hoffnungslosigkeit gefallenen und verbannten<br />
Israeliten ist plötzlich Hoffnung in Sicht.<br />
Das zerknickte Rohr zerbricht er nicht und den<br />
glimmenden Docht löscht er nicht aus.<br />
Mich hat dieser Satz als Seelsorger immer sehr<br />
angesprochen und trifft in besonderer Weise für<br />
die seelsorgerliche Tätigkeit im Gefängnis zu.<br />
Der Halm, er steht für uns Menschen. Menschen,<br />
die in ihrem Leben einen Knick erfahren haben,<br />
sei es durch Eigenverschulden oder durch äußere<br />
Begebenheiten. Doch bei allem, was sich Menschen<br />
an Schuld aufladen und auch zu verantworten<br />
haben, bleibt jeder ein von Gott gewolltes<br />
Wesen. Gott sucht immer wieder Wege, das Verlorene<br />
neu zu finden, wie es damals auch die Israeliten<br />
erfahren durften. In Jesus zeigt uns Gott,<br />
dass das Wiederfinden von Verlorenem eine große<br />
Freude im Himmel auslöst. Gott gibt seine<br />
Leidenschaft für den Menschen nicht auf.<br />
Das zerknickte Rohr zerbricht er nicht und den<br />
glimmenden Docht löscht er nicht aus.<br />
Gott ist Richter in der Weise, dass er aufrichten<br />
möchte. Er lässt uns nicht hängen, auch nicht in<br />
unserer Schuld. Er will uns durch seine vergebende<br />
Liebe den Weg zu ihm und zum Mitmenschen<br />
neu ebnen, damit jeder in und trotz seiner<br />
Schuld wieder aufrichtig leben kann. Sich dieser<br />
Zusage immer neu zu stellen, sein Leben immer<br />
neu auszurichten, um aufrichtig zu werden, bleibt<br />
Aufgabe eines jeden. Dies ist nicht leicht und erfordert<br />
viel Kraft, Hoffnung und mitmenschliche<br />
Unterstützung. Oft geht man zwei Schritte vor<br />
und fällt drei wieder zurück. Doch es gilt die Zu-