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Herbst 2006 (503 KB) - Kath. Gefängnisseelsorge

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Mitteilungen 2/<strong>2006</strong> - 9 -<br />

Bundesgerichtshof<br />

Mitteilung der Pressestelle<br />

Nr. 172/<strong>2006</strong><br />

Beugehaft gegen Anstaltsseelsorgerrechtmäßig<br />

In einem vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf<br />

anhängigen Strafverfahren wird gegen<br />

mehrere Angeklagte wegen des Vorwurfs der<br />

Mitgliedschaft in bzw. der Unterstützung der<br />

ausländischen terroristischen Vereinigung Al<br />

Qaeda und anderer Delikte verhandelt. Ihnen<br />

wird vorgeworfen, in großem Umfang Betrugstaten<br />

zum Nachteil deutscher Lebensversicherungsgesellschaften<br />

begangen zu haben, um<br />

hohe Versicherungssummen zu erhalten und<br />

diese - zumindest teilweise - der Al Qaeda zur<br />

Finanzierung des "Heiligen Krieges" zufließen<br />

zu lassen. In der Hauptverhandlung hat die<br />

Verteidigung des Angeklagten ihn (möglicherweise)<br />

entlastendes Beweismaterial (angeblich<br />

schon vor der Inhaftierung gefertigte, nicht abgesandte<br />

Schreiben an die Lebensversicherer<br />

mit einer Änderung der Bezugsberechtigung)<br />

vorgelegt. Die dazu angestellten Ermittlungen<br />

haben den Verdacht begründet, dass der Angeklagte<br />

die Schreiben erst in der Haft gefertigt<br />

hat und dass jemand für ihn im Internet die<br />

Adressen der Lebensversicherer recherchiert<br />

hatte, an die die Schreiben gerichtet waren.<br />

Daraufhin wurde ein Anstaltsseelsorger, der in<br />

dieser Funktion in der Justizvollzugsanstalt<br />

mehrfach Kontakt mit einem der Angeklagten<br />

hatte, als Zeuge vernommen. Bei seiner Vernehmung<br />

lehnte er es unter Berufung auf sein<br />

Zeugnisverweigerungsrecht als Seelsorger ab,<br />

die Frage zu beantworten, ob er für den Angeklagten<br />

im Internet Adressen von Versicherungen<br />

recherchiert habe. Daraufhin hat das Oberlandesgericht<br />

Haft von höchstens sechs<br />

Monaten zur Erzwingung des Zeugnisses angeordnet.<br />

Dagegen hat der Zeuge Beschwerde<br />

eingelegt.<br />

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat<br />

die Entscheidung des Oberlandesgerichts bes-<br />

tätigt und im Wesentlichen ausgeführt: Zwar<br />

sei der Zeuge, obwohl er keine kirchliche Weihe<br />

erhalten habe, als Geistlicher im Sinne des<br />

§ 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO anzusehen, weil er im<br />

Rahmen seiner hauptamtlichen Tätigkeit als<br />

Anstaltsseelsorger im Auftrag der katholischen<br />

Kirche selbständig seelsorgerische Aufgaben<br />

wahrnehme. Sein Zeugnisverweigerungsrecht<br />

erstrecke sich jedoch nur auf Umstände, die<br />

ihm in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut<br />

worden oder bekanntgeworden seien. Dazu<br />

gehörten nicht Gespräche, Erkenntnisse oder<br />

Tätigkeiten auf den Gebieten des täglichen<br />

Lebens bei Gelegenheit der Ausübung von<br />

Seelsorge ohne inneren Bezug zu diesem Bereich.<br />

Es erscheine ausgeschlossen, dass die<br />

Recherchen, zu denen der Zeuge die Aussage<br />

verweigere, im Zusammenhang mit Seelsorge<br />

stehen könnten. Die Anordnung der Beugehaft<br />

sei auch unter Berücksichtigung des Freiheitsgrundrechtes<br />

des Zeugen nicht unverhältnismäßig,<br />

weil die Zeugenaussage zur Aufklärung<br />

der schwerwiegenden Tatvorwürfe für das Oberlandesgericht<br />

von zentraler Bedeutung sei.<br />

Beschluss vom 15. November <strong>2006</strong> - StB 15/06<br />

OLG Düsseldorf - III-VI 10/05 - Entscheidung<br />

vom 19. September <strong>2006</strong><br />

Karlsruhe, den 7. Dezember <strong>2006</strong><br />

Pressestelle des Bundesgerichtshof<br />

76125 Karlsruhe<br />

Telefon (0721) 159-5013<br />

Telefax (0721) 159-5501<br />

Ostdeutsche Konferenz<br />

Pastoralreferent Ulrich Kaiser

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