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Neues vom CFG - Heft 27 - Herbst 2009 (PDF

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der bei der Uni anrufen zu kÄnnen, bis sich<br />

jemand gefunden hat, der sich um einen<br />

kÉmmert. Nachdem ich jemanden, der zustándig<br />

war, gefunden hatte, wurde mir gut<br />

geholfen. Einen Kontakt per E-Mail aufzubauen<br />

war schwierig, da meine E-Mails nicht<br />

beantwortet wurden.<br />

Die Kurse an meiner Uni sind wesentlich<br />

kleiner als in KÄln und sie sind mehr mit<br />

deutschen Schulklassen als mit universitáren<br />

Seminaren zu vergleichen. Das Gute daran<br />

ist, dass man viel schneller Leute kennen<br />

lernt, was hier aber ohnehin viel einfacher ist<br />

als in Deutschland, da die Menschen hilfsbereiter<br />

und gespráchiger sind. Die Dozenten<br />

sehen es als ihre Aufgabe, die SchÉler zu<br />

verantwortungsbewussten Menschen zu erziehen<br />

und ihnen jede mÄgliche UnterstÉtzung<br />

zu bieten.<br />

FÉr manche Durchschnittsdeutsche in unserem<br />

Alter erstaunlich ist die absolut konservative<br />

Haltung der hiesigen katholischen<br />

Kirche. Hier bekommt man in der Uni gelehrt,<br />

dass Sex vor der Ehe eine SÉnde, der<br />

Gebrauch von Kondomen eine noch viel<br />

grÄàere SÉnde und Homosexualitát eine<br />

Krankheit ist. Selbstverstándlich denkt hier<br />

nicht jeder so, aber besonders ármeren Familien<br />

scheint die Religion, verstanden als<br />

Lehre von unveránderlichen Moralvorstellungen,<br />

einen besonderen Halt zu geben.<br />

Neben dem Katholizismus merkt man noch<br />

eindeutig EinflÉsse des Schamanenkults und<br />

auf den Márkten bekommt man wirklich<br />

alles, was man sich so unter Schamanismus<br />

und Hexerei vorstellen kann. Ich selbst habe<br />

vor ein paar Monaten an einer Schamanenmesse<br />

im Freien, auàerhalb der Stadt teilgenommen,<br />

die eine ganze Nacht lang dauerte.<br />

Vor der Zeremonie wurde in der Mitte des<br />

Platzes ein weiàes Tuch auf dem Boden ausgebreitet,<br />

auf dem alte Kunstfiguren, Kráuter<br />

und kirchliche Symbole, wie zum Beispiel<br />

Kreuze und Marienbilder, aufgestellt wurden.<br />

Ungefáhr fÉnf Meter entfernt wurde ein<br />

zweiter Tisch als „Schutzschild vor bÄsen<br />

Geistern, Schatten und schlechten Schamanen“<br />

aufgebaut. Nachdem alle Teilnehmer<br />

ein Glas des Kaktussaftes getrunken hatten,<br />

verfiel der Schamane, der wie seine beiden<br />

Helfer in eine weiàe Kutte gekleidet war, in<br />

Gesang, wáhrend die beiden Gehilfen die<br />

Grenzen unseres Schutzschildes durch<br />

Weihwasserspucken oder durch das Ziehen<br />

20<br />

von Kreuzen auf dem Boden immer wieder<br />

erneuerten. Wáhrend der Zeremonie nahm<br />

der Schamane jeden Teilnehmer symbolisch<br />

mit auf eine Reise zum Ursprung der Krankheit,<br />

indem er den Tisch zusammen mit dem<br />

Patienten umkreiste und erstaunlich genaue<br />

Details seines Lebens erzáhlen konnte. Die<br />

Schamanen glauben, dass fast alle Krankheiten<br />

durch einen so genannten „Asusto“,<br />

einen Schrecken im Leben, oder durch einen<br />

Fluch einer anderen Person ausgelÄst werden<br />

und im KÄrper des Patienten Gestalt annehmen<br />

und daher herausgezogen werden mÉssen.<br />

Hat der Schamane einmal den Grund der<br />

Krankheit erkannt und den genauen Sitz im<br />

KÄrper lokalisiert, nimmt er eine Muschelschale,<br />

in die ein átherisches âl gegeben<br />

wird, das der Schamane an die kranke KÄrperstelle<br />

hált. Dann zieht er das âl durch die<br />

Nase ein. Durch das Aufziehen des âls, das<br />

symbolisch fÉr die Krankheit steht, extrahiert<br />

der Schamane die Krankheit, indem er sie<br />

selbst aufnimmt. Ich war fast geschockt, als<br />

an der Stelle, an der der Schamane etwas<br />

herausgezogen zu haben meinte, tatsáchlich<br />

das GefÉhl eines Loches blieb, so als ob etwas<br />

fehlen wÉrde, was vorher die ganze Zeit<br />

da war. Und obwohl ich im nachhinein viele<br />

Sachen, die ich wáhrend der Zeremonie erlebt<br />

oder gesehen habe, sehr viel kritischer<br />

bewerte, so war es doch ein unglaubliches<br />

Erlebnis an einer Zeremonie teilgenommen<br />

zu haben, die Schamanen in Lateinamerika<br />

schon vor Éber 600 Jahren durchgefÉhrt haben.<br />

Freundschaften halten hier nach meiner Erfahrung<br />

lánger als in Deutschland. Uni oder<br />

Arbeit, Éberhaupt das Thema „Karriere“ ist<br />

in Peru kaum ein Gespráchsthema, weil es<br />

nicht das ist, was die Leute verbindet. Vielmehr<br />

wird immer wieder Éber Geschichten<br />

gelacht, die man in all den Jahren zusammen<br />

erlebt hat. Ich habe es am Anfang als sehr<br />

komisch empfunden mit niemandem Éber die<br />

letzte Vorlesung oder die letzte Klausur zu<br />

diskutieren, aber es hat auch etwas sehr Angenehmes,<br />

Arbeit Arbeit sein zu lassen und<br />

nicht mit in die Freizeit hineinzuziehen.<br />

Eine sehr schÄne Eigenart der Menschen hier<br />

ist, dass sie stándig Pláne machen, wie man<br />

mehr Geld verdienen oder sogar die Welt<br />

verbessern kann. FÉr die deutsche Schwerfálligkeit<br />

sich begeistern zu lassen und sich<br />

von Altem zu trennen erscheinen diese Pláne

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