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Neues vom CFG - Heft 27 - Herbst 2009 (PDF

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<strong>27</strong><br />

KÄrper des Patienten Gestalt annehmen und daher herausgezogen werden mÉssen. Hat der<br />

Schamane einmal den Grund der Krankheit erkannt und den genauen Sitz im KÄrper<br />

lokalisiert, nimmt er eine Muschelschale, in die ein átherisches âl gegeben wird, das der<br />

Schamane an die kranke KÄrperstelle hált. Dann zieht er das âl durch die Nase ein. Durch das<br />

Aufziehen des âls, das symbolisch fÉr die Krankheit steht, extrahiert der Schamane die<br />

Krankheit, indem er sie selbst aufnimmt. Ich war fast geschockt, als an der Stelle, an der der<br />

Schamane etwas herausgezogen zu haben meinte, tatsáchlich das GefÉhl eines Loches blieb,<br />

so als ob etwas fehlen wÉrde, was vorher die ganze Zeit da war. Und obwohl ich im<br />

nachhinein viele Sachen, die ich wáhrend der Zeremonie erlebt oder gesehen habe, sehr viel<br />

kritischer bewerte, so war es doch ein unglaubliches Erlebnis an einer Zeremonie<br />

teilgenommen zu haben, die Schamanen in Lateinamerika schon vor Éber 600 Jahren<br />

durchgefÉhrt haben.<br />

Freundschaften halten hier nach meiner Erfahrung sehr viel lánger als in Deutschland, was ich<br />

unter anderem darauf zurÉckfÉhre, dass es kein dreigliedriges Schulsystem gibt. Uni oder<br />

Arbeit, Éberhaupt das Thema „Karriere“ ist in Peru kaum ein Gespráchsthema, weil es nicht<br />

das ist, was die Leute verbindet. Vielmehr wird immer wieder Éber Geschichten gelacht, die<br />

man in all den Jahren zusammen erlebt hat. Ein besonders beliebtes Gespráchsthema hier ist<br />

die letzte groàe Party, wo tausend Fotos als Beweismittel dafÉr gemacht wurden, dass es mal<br />

wieder besonders verrÉckt zuging. Ich habe es am Anfang als sehr komisch empfunden mit<br />

niemandem Éber die letzte Vorlesung oder die letzte Klausur zu diskutieren, aber es hat auch<br />

etwas sehr Angenehmes, Arbeit Arbeit sein zu lassen und nicht mit in die Freizeit<br />

hineinzuziehen.<br />

Sehr lustig ist auch der scheinbare Zwang jedem einen Spitznamen zu verpassen. Besonders<br />

bei den Mánnern, die teilweise nur unter ihrem Spitznamen bekannt sind, ist das sehr typisch.<br />

Die Spitznamen werden nach Aussehen, einem Charakterzug oder nach irgendetwas<br />

Besonderem, das der Person mal passiert ist, vergeben und reichen von „der Dicke“, „der<br />

Schwarze“, „der Chinese“, „der Salatkopf“ Éber „MÉckenkind“, „Crazy Horse“, „Angeber“<br />

und „Wikingerfrau“. Niemand wÉrde auf die Idee kommen, wegen so einem Namen beleidigt<br />

zu sein, sondern es ist vielmehr eine humorvolle Art, besondere Eigenschaften der Leute<br />

hervorzuheben.<br />

Eine andere sehr schÄne Eigenart der Menschen hier ist, dass sie stándig Pláne machen, wie<br />

man mehr Geld verdienen oder sogar die Welt verbessern kann. FÉr die deutsche<br />

Schwerfálligkeit sich begeistern zu lassen und sich von Altem zu trennen erscheinen diese<br />

Pláne manchmal als Kindertráume, aber es ist bewundernswert, wie viel die Menschen hier<br />

mit sehr wenigen Mitteln erreichen, nur weil sie fest daran glauben.<br />

Es gábe noch tausend Dinge zu erzáhlen, aber ein Text kann ja doch nicht alle Erfahrungen<br />

wiedergeben. Deswegen will ich jeden, der irgendwie die Chance hat ein Jahr ins Ausland zu<br />

gehen, dazu ermutigen, um sich davon Éberraschen und manchmal vielleicht sogar<br />

schockieren zu lassen, wie anders es auf der anderen Seite der Welt so sein kann.<br />

Christine Vossen

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