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Herzrhythmus- störungen heute - Bagso

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<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

<strong>heute</strong><br />

Herausgegeben von der<br />

Deutschen Herzstiftung


Impressum<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> <strong>heute</strong><br />

3. vollständig überarbeitete Auflage, November 2006<br />

ISBN 3-9806604-8-6<br />

Herausgeber<br />

Deutsche Herzstiftung • Vogtstraße 50 • 60322 Frankfurt<br />

am Main • Telefon 0 69 955128-0 • Telefax 0 69 955128-313<br />

www.herzstiftung.de • info@herzstiftung.de<br />

Redaktion<br />

Prof. Dr. med. Thomas Meinertz<br />

Dr. Irene Oswalt<br />

Renate Horst<br />

Redaktionsassistenz<br />

Christine Dehn<br />

Gestaltung: www.neufferdesign.de<br />

Produktionsleitung: Renate Horst<br />

Druck: apm, alpha print medien AG, Darmstadt<br />

Der Nachdruck und die elektronische Verbreitung<br />

von Artikeln aus <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> <strong>heute</strong> ist nur<br />

mit Genehmigung der Redaktion möglich.<br />

Bildnachweis<br />

Celestino Piatti (Logo); Ulrike Eberius (S. 47); Prof. Dr. med.<br />

Stefan H. Hohnloser (S. 40); Vorhofflimmern: Herz aus dem<br />

Takt, Patienteninformation des Kompetenznetzes Vorhofflimmern,<br />

S. 17 (S. 12), RWTH Aachen, S. 23 (S. 39), S. 36 (S. 62);<br />

W. A. Mozart, Entführung aus dem Serail, C. F. Peters Musikverlag<br />

(S. 4); Jan Neuffer (S. 6/7, 8/9, 14, 16/17, 22/23, 24, 28, 31,<br />

37, 41, 43, 49, 69, 71, 74, 77, 80, 95); Universitäres Herzzentrum<br />

Hamburg (S. 36, 38, 57).


<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

<strong>heute</strong><br />

Herausgegeben<br />

von der<br />

Deutschen Herzstiftung<br />

Es gibt kaum ein medizinisches Thema, das so großes<br />

Interesse findet wie <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>.<br />

Dieses Buch ist für Patienten und Ärzte geschrieben.<br />

Hervorragende Rhythmusspezialisten haben<br />

es verfasst, um über den heutigen Stand der Medizin<br />

auf diesem Gebiet und die großen Fortschritte,<br />

die in den letzten Jahren erzielt wurden, zu<br />

informieren. Auch die aktuellen Leitlinien 2006<br />

sind berücksichtigt.<br />

Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Becker<br />

Vorsitzender des Vorstandes<br />

der Deutschen Herzstiftung


<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> <strong>heute</strong><br />

Fragen zu <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

Thomas Meinertz<br />

Der normale <strong>Herzrhythmus</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

Dietrich Andresen<br />

Langsamer <strong>Herzrhythmus</strong>:<br />

Wann braucht man einen Herzschrittmacher? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

Andreas Schuchert<br />

Gutartiges Herzjagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

Paulus Kirchhof, Günter Breithardt<br />

Das Stolperherz: Extrasystolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

Berndt Lüderitz<br />

Am häufigsten: Vorhofflimmern<br />

Das vollständig arrhythmische Herz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

Michael Oeff<br />

Medikamente gegen Vorhofflimmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

Wirkungen, Nebenwirkungen, Pill in the Pocket<br />

Berndt Lüderitz<br />

Vorhofflimmern: wenn Medikamente nicht mehr helfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

Heilung durch Katheterablation<br />

Gerhard Hindricks, Hans Kottkamp<br />

Vorhofflimmern: eine lange Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

Patientenbericht von Thomas Meinertz<br />

Vorhofflimmern: chirurgische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />

Nicolas Doll, Friedrich W. Mohr<br />

2


Vorhofflimmern: das Schlaganfallrisiko senken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

Christa Gohlke-Bärwolf<br />

Vorhofflattern: ein Fall für die Katheterbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

Stephan Willems, Boris Lutomsky, Daniel Steven, Thomas Rostock<br />

Lebensbedrohliche <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

Michael Ulbrich, Uwe Dorwarth, Christopher Reithmann, Gerhard Steinbeck<br />

Schutz vor dem plötzlichen Herztod: der Defibrillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82<br />

Hans-Joachim Trappe<br />

Leben mit dem Defi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />

Patientenbericht von Hermann Wessels<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> nach der Operation angeborener Herzfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

Joachim Hebe, Karl-Heinz Kuck<br />

Das hilft Ihnen weiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

Was kann die Deutsche Herzstiftung für Sie tun?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

3


Leben und <strong>Herzrhythmus</strong> gehören zusammen.<br />

Da das Leben voller Bewegung ist,<br />

kann auch das Herz nicht wie ein Uhrwerk<br />

schlagen.Wenn wir uns freuen, wenn wir uns<br />

aufregen, schlägt es schneller, das wissen wir.<br />

Aber wir wissen auch, dass es <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

gibt, die nicht nur lästig, sondern<br />

gefährlich sind.<br />

Wie kann man da unterscheiden? Oder noch<br />

einfacher gefragt: Was ist ein normaler Puls?<br />

■ Die normale Herzschlagfolge, die normale<br />

Herzfrequenz im Alltag, liegt etwa zwischen<br />

60 und 100 pro Minute 1 . Bei seelischer<br />

oder körperlicher Belastung kann<br />

der Puls ohne weiteres bis auf eine Frequenz<br />

von 160 bis 180 steigen. Dieser<br />

Anstieg des Pulses ist völlig normal. Aber:<br />

Krankhaft ist ein schlagartiges Umspringen<br />

des Pulses von einer normalen Herzschlagfolge<br />

auf eine sehr hohe oder sehr<br />

niedrige Herzfrequenz.<br />

Wo liegt die Grenze nach unten?<br />

■ Nachts sinkt die Herzfrequenz ab und liegt<br />

bei vielen Menschen zwischen 45 und 55<br />

pro Minute. Doch auch tiefere Herzfrequenzen<br />

können ohne krankhafte Bedeutung sein. So<br />

kann z. B. beim Leistungssportler die Herzfrequenz<br />

auf 30 bis 35 pro Minute abfallen. Eine<br />

solch niedrige Herzfrequenz ist natürlich für<br />

einen Untrainierten nicht normal. Die untere<br />

Grenze zum krankhaften Befund liegt bei etwa<br />

40 Schlägen pro Minute.<br />

4<br />

Fragen zu <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

Interview mit Professor Dr. med. Thomas Meinertz, Universitäres Herzzentrum Hamburg,<br />

Klinik und Poliklinik für Kardiologie/Angiologie<br />

„O wie ängstlich, o wie feurig klopft mein liebevolles Herz“, singt Belmonte, als<br />

er endlich seine entführte Geliebte wiedersehen soll, in Mozarts „Entführung aus<br />

dem Serail“. Zugleich ist sein Herzschlag in der Orchesterbegleitung zu hören.<br />

Was wir fühlen und empfinden, drückt sich im Rhythmus unseres Herzens aus.<br />

Darauf weist Musik hin – bei Mozart und bei anderen Komponisten.<br />

Wann muss man anfangen, sich Sorgen zu<br />

machen? Wann werden <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

gefährlich?<br />

■ <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> können etwas völlig<br />

Normales sein. Praktisch jeder Mensch hat<br />

irgendwann in seinem Leben Unregelmäßig-


keiten des Herzschlags – häufig, ohne<br />

es zu merken.<br />

Oft sind <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> Folge<br />

einer Herzkrankheit (z. B. Hochdruckherz,<br />

koronare Herzkrankheit,<br />

Klappenfehler). Selten sind <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

Vorläufer und<br />

Warnzeichen eines drohenden plötzlichen<br />

Herztodes.<br />

Der Übergang zwischen normal und<br />

krankhaft ist fließend. Krankhaft bedeutet<br />

nicht immer gefährlich. Die<br />

Grenze ist im Einzelfall schwierig zu<br />

ziehen. Ob <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

harmlos, weniger harmlos oder lebensbedrohlich<br />

sind, kann nur der Arzt, ein<br />

Internist oder Kardiologe, nach ausführlicher<br />

Untersuchung des Patienten entscheiden.<br />

Was sind <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>?<br />

■ Man kann sie mit Fehlzündungen eines Motors<br />

vergleichen. Normalerweise bilden die elektrischen<br />

Taktgeber im Herzen regelmäßig ihre<br />

Impulse (s. Abb. S. 12). Daher schlägt das Herz<br />

regelmäßig. Diese elektrischen Taktgeber sind<br />

störanfällig und Störungen (Fehlzündungen)<br />

können zu Extraschlägen führen.<br />

Die Taktgeber können auch in ihrer Funktion<br />

versagen, vorübergehend oder ganz, dann<br />

kommt es zu einer Verlangsamung der Herzschlagfolge.<br />

Dabei kann die Störung sowohl in den elektrischen<br />

Impulsgebern liegen als auch überall im<br />

Herzmuskel. Denn bei Herzkrankheiten kann<br />

der Herzmuskel selbst elektrische Aktivität entwickeln<br />

und zu fehlgebildeten Impulsen Anlass<br />

geben.<br />

<strong>Herzrhythmus</strong>störung ist also nicht gleich <strong>Herzrhythmus</strong>störung.<br />

■ So ist es. Zu unterscheiden ist zwischen:<br />

■ harmlosen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>, die als<br />

Fehlzündungen eines normalen Herzens<br />

angesehen werden können,<br />

■ <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>, die durch eine<br />

Erkrankung der elektrischen Impulsgeber<br />

hervorgerufen werden (als Beispiele: AV-<br />

Block und das Sinusknoten-Syndrom),<br />

■ am häufigsten und am bedeutsamsten: <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>,<br />

die Folge einer Herzkrankheit<br />

sind,<br />

■ und <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>, die Folge anderer<br />

Krankheiten sind wie z. B. einer Schilddrüsenüberfunktion.<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> sind also in der Regel<br />

– wenn sie nicht angeboren sind – keine eigene<br />

Erkrankung, sondern meistens die Folge von<br />

Herzkrankheiten oder anderen Einflüssen, die<br />

das Herz aus dem Takt bringen.<br />

Welche Einflüsse sind das?<br />

Prof. Dr. med.<br />

Thomas Meinertz<br />

■ Besonders wichtig ist die Störung der Zusammensetzung<br />

der Blutsalze, der Elektrolyte: Kaliummangel,<br />

Magnesiummangel. Dadurch werden<br />

sowohl gutartige wie bösartige <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

verstärkt oder ausgelöst. Daher<br />

ist darauf zu achten, dass es zu keinem Kaliumoder<br />

Magnesiummangel zum Beispiel bei regelmäßigem<br />

Gebrauch von Diuretika (Entwässerungsmitteln)<br />

kommt.<br />

Auch Genussgifte (reichlicher Konsum von<br />

Alkohol, Kaffee oder Nikotin), Medikamente<br />

und Schlafmangel können <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

auslösen.<br />

5


Was ist die beste Strategie?<br />

■ Die beste Strategie gegen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

ist die Ausschaltung von Faktoren, die <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

begünstigen, und die Behandlung<br />

der Grundkrankheit, die die <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

verursacht.<br />

Wann müssen darüber hinaus <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

direkt behandelt werden?<br />

■ Früher haben wir viele <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

für bedrohlich gehalten. In den letzten Jahren<br />

hat man gelernt, dass dies nicht der Fall ist.Viele<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> müssen überhaupt<br />

nicht behandelt werden 2 .<br />

Heute behandelt man <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

nur, wenn dies zwingend erforderlich ist. Dann<br />

aber sollten sie konsequent und nur vom Fachmann<br />

behandelt werden. Die Entscheidung für<br />

eine Behandlung ist Sache des Kardiologen, die<br />

regelmäßige Verlaufskontrolle kann auch durch<br />

den Internisten bzw. Hausarzt erfolgen.<br />

6<br />

Wann ist die Behandlung notwendig?<br />

■ Eine <strong>Herzrhythmus</strong>störung muss behandelt werden,<br />

■ wenn sie die Gefahr eines plötzlichen Herztodes<br />

mit sich bringt,<br />

■ wenn sie zu einem Schlaganfall führen kann,<br />

■ wenn sie sich auf die körperliche Leistungsfähigkeit<br />

auswirkt,<br />

■ wenn sie den Patienten belastet, zum Beispiel<br />

durch Schwindelanfälle, durch das<br />

Gefühl von Herzrasen oder durch ausgeprägtes<br />

Unwohlsein.<br />

Erst dann wird eine Therapie eingeleitet – in<br />

den meisten Fällen zunächst mit Medikamenten,<br />

bei langsamen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> mit<br />

einem Herzschrittmacher 3.<br />

Was ist mit Medikamenten gegen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

zu erreichen?<br />

■ Diese Medikamente können die <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

unterdrücken oder zumindest dafür sorgen,<br />

dass sie seltener, kürzer oder erträglicher<br />

auftritt. Dafür stehen verschiedene Medikamente<br />

zur Verfügung. Aber deren Wirkung im Einzelfall<br />

ist nicht sicher vorauszusehen. Da die<br />

Patienten unterschiedlich auf die Medikamente<br />

ansprechen, braucht man Geduld und unter<br />

Umständen auch mehrfachen Medikamentenwechsel,<br />

bis das richtige Medikament und die<br />

richtige Dosierung gefunden sind.<br />

Eines können Rhythmusmedikamente nach<br />

neueren Erkenntnissen nicht leisten: bei lebensbedrohlichen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> den<br />

plötzlichen Herztod verhindern. Dafür ist der<br />

Defibrillator erfunden worden 4 .


Welche Nachteile haben die Rhythmusmedikamente?<br />

■ Das Hauptproblem besteht darin, dass alle<br />

Rhythmusmedikamente – von Betablockern<br />

abgesehen – selten (im Bereich weniger Prozente)<br />

selbst Rhythmus<strong>störungen</strong> verstärken<br />

und so im Einzelfall dramatische und lebensbedrohliche<br />

Situationen hervorrufen können –<br />

am häufigsten zu Beginn einer Therapie. Deshalb<br />

muss man mit diesen Medikamenten vorsichtig<br />

umgehen. Man muss sie kritisch und<br />

gezielt einsetzen.<br />

Wie lässt sich das Risiko begrenzen?<br />

■ Man kann die Gefährdung der Patienten verringern,<br />

wenn man die Patienten sorgfältig einstellt.<br />

Besonders gefährdet durch die Nebenwirkungen<br />

von Rhythmusmedikamenten sind Patienten<br />

mit einer begleitenden Herzkrankheit.<br />

Die Therapie sollte in diesen Fällen – Ausnahme<br />

Betablocker – in der Klinik eingeleitet werden,<br />

wo die Nebenwirkungen optimal am EKG-<br />

Monitor überwacht werden können.<br />

Bei Patienten mit <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> ohne<br />

begleitende Herzkrankheit ist der Rhythmusspezialist<br />

gefragt.<br />

Auch wenn der Patient gut eingestellt ist, darf<br />

man ihn nicht – wie es häufig geschieht – allein<br />

lassen, sondern man muss ihn etwa alle drei<br />

Monate kontrollieren.<br />

Seit einigen Jahren gibt es einen neuen Weg, <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

zu bekämpfen: die Katheterablation.<br />

■ Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem<br />

Herzzellen gezielt durch Hochfrequenzstrom<br />

oder Kälte so verödet werden, dass <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

nicht mehr entstehen können.<br />

Die Prozedur wird mit Hilfe der Kathetertechnik<br />

durchgeführt, bei der millimeterdünne Sonden<br />

über die Arm- und Beinvenen ins Herz<br />

geschoben werden 5 .<br />

Das Besondere an diesem Verfahren ist, dass es<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> heilen kann, während<br />

Medikamente sich nur gegen die Beschwerden<br />

richten.<br />

Für wen kommt die Katheterablation in Betracht?<br />

■ Für die Katheterablation gibt es <strong>heute</strong> gesicherte<br />

Einsatzbereiche:<br />

häufige und belastende, schnelle <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

aus dem Bereich der Herzvorhöfe<br />

und des AV-Knotens sowie der Herzkammern.<br />

Zum Beispiel: AV-Knoten-Umkehrtachykardien,<br />

atriale Tachykardien, Vorhofflattern,<br />

Kammertachykardien und das WPW-Syndrom,<br />

das auf überzählige Erregungsleitungsbahnen<br />

zwischen den Vorhöfen und Herzkammern<br />

zurückgeht 6 . Diese Patienten sollten immer dann<br />

mit einer Katheterablation behandelt werden,<br />

wenn die Anfälle der Rhythmusstörung so häufig<br />

sind, dass eine Dauertherapie mit Medika-<br />

7


8<br />

menten notwendig wäre. Eine solche Dauertherapie<br />

ist mit Nebenwirkungen belastet. Deshalb<br />

ist eine Katheterablation vorzuziehen.<br />

Patienten mit WPW-Syndrom wird man in jedem<br />

Fall zu einer Hochfrequenz-Katheterablation<br />

raten, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass<br />

das WPW-Syndrom – was selten vorkommt –<br />

lebensbedrohlich ist. Natürlich auch immer<br />

dann, wenn gehäuft Anfälle von Herzjagen vorliegen.<br />

Besonders interessant ist die Entwicklung der<br />

Katheterablation beim Vorhofflimmern. Vor Jahren<br />

noch experimentell, ist sie <strong>heute</strong> ein Standardverfahren<br />

– mit guten Ergebnissen.<br />

Vorhofflimmern ist die häufigste <strong>Herzrhythmus</strong>störung.<br />

Allein in Deutschland leiden 800 000<br />

Menschen daran. Welche Therapiemöglichkeiten<br />

gibt es?<br />

■ Vorhofflimmern ist nicht nur die häufigste <strong>Herzrhythmus</strong>störung,<br />

es ist auch die <strong>Herzrhythmus</strong>störung,<br />

bei deren Therapie die größten Fortschritte<br />

erzielt wurden 7 . Betrachtet man die Entwicklung<br />

der nichtmedikamentösen Therapie<br />

in den letzten zehn Jahren, so ist es nicht<br />

übertrieben, von spektakulären Fortschritten<br />

zu sprechen.<br />

Oft ist es sinnvoll, Vorhofflimmern bei<br />

seltenen Anfällen (weniger als<br />

1/Monat z. B.) zunächst nicht zu<br />

behandeln, bzw. nur die Grundkrankheit,<br />

die das Vorhofflimmern verursacht,<br />

zu therapieren. Der nächste Schritt ist der<br />

Einsatz von Medikamenten 8 . Allerdings<br />

muss man relativ rasch handeln, damit sich<br />

die Anfälle nicht mehr und mehr häufen<br />

und das Vorhofflimmern chronisch wird.<br />

Dann ist die Chance, mit Medikamenten,<br />

aber auch mit der Katheterablation etwas<br />

auszurichten, viel geringer.<br />

Lässt sich durch Medikamente ein dauerhafter<br />

Erfolg erzielen?<br />

■ Leider kann man meist auf Dauer mit Medikamenten<br />

die Anfälle von Vorhofflimmern nicht<br />

verhindern. Aber dann gibt es eine andere Form<br />

der Behandlung, nämlich das durch Vorhofflimmern<br />

bedingte Herzrasen, die schnelle Herzschlagfolge<br />

(100 – 160 Schläge/Minute) zu normalisieren<br />

(Frequenzkontrolle), das Vorhofflimmern<br />

als solches aber bestehen zu lassen. Damit<br />

kommen viele ältere Patienten gut zurecht.<br />

Eine andere neue Möglichkeit der Behandlung<br />

ist das Pill in the Pocket-Konzept, eine Therapie,<br />

bei der der Patient selbst den Anfall beenden<br />

kann 9 .


Wie ist das zu verstehen?<br />

■ Herzgesunde Patienten können Anfälle von Vorhofflimmern<br />

beenden, wenn sie im Anfall ein<br />

Rhythmusmedikament nehmen. Amiodaron<br />

kommt nicht in Frage, da die Wirkung zu langsam<br />

eintritt, wirksam ist Flecainid oder Propafenon.<br />

In der Mehrzahl der Fälle sind diese Medikamente<br />

erfolgreich: Sie beenden in 60 – 120<br />

Minuten den Anfall. Vorsichtshalber sollten die<br />

Patienten die ersten Male das Medikament unter<br />

Aufsicht in der Klinik oder in der kardiologischen<br />

Praxis einnehmen, um sicherzustellen,<br />

dass keine gefährlichen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

auftreten.<br />

Wann wird zur Katheterablation geraten?<br />

■ Wenn Medikamente nicht erfolgreich sind oder<br />

nicht vertragen werden und die Patienten erheblich<br />

unter dem Vorhofflimmern leiden, kommt<br />

die Katheterablation in Frage 10 . Man braucht<br />

allerdings manchmal zwei oder mehr Prozeduren,<br />

um Vorhofflimmern dauerhaft zu beseitigen.<br />

Wenn ein Patient ohnehin am Herzen operiert<br />

werden muss, bietet es sich an, Vorhofflimmern<br />

während der Operation durch eine Ablation zu<br />

heilen. Die Operationsrisiken erhöhen sich<br />

dadurch nicht 11 .<br />

Da die Entwicklung auf diesem Gebiet schnell<br />

vorangeht, ist zu erwarten, dass die Katheterablation<br />

in Zukunft sich immer mehr durchsetzen<br />

wird.<br />

9


Bei der Behandlung von Vorhofflimmern sind große<br />

Fortschritte erzielt worden. Wo sonst noch?<br />

■ Neben den Erfolgen bei der Behandlung des<br />

Vorhofflimmerns sehe ich in der Vorbeugung<br />

des plötzlichen Herztodes große Fortschritte 12 .<br />

Heute kennen wir einige Patientengruppen, die<br />

durch den plötzlichen Herztod besonders<br />

gefährdet sind. Ihnen können wir durch den<br />

Defibrillator helfen 4 .<br />

Viele Patienten hoffen auf neue Medikamente<br />

gegen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>. Wie sind da die<br />

Aussichten?<br />

■ Langfristig durchaus nicht schlecht. Kurz- und<br />

mittelfristig, innerhalb von Monaten oder wenigen<br />

Jahren, sind keine Medikamente gegen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> in Sicht, die einen wirklichen<br />

Durchbruch darstellen 13 .<br />

Bisher haben wir davon geredet, was die heutige<br />

Medizin für den Rhythmuspatienten tun kann.<br />

Was können die Patienten selbst tun?<br />

■ Der Patient hat viel in der Hand. Er kann die<br />

Faktoren ausschalten, die Rhythmus<strong>störungen</strong><br />

auslösen oder verstärken: Rauchen, Alkohol,<br />

Koffein, Schlafmangel. Er kann darauf achten,<br />

dass er ausreichend Elektrolyte – Kalium, Magnesium<br />

– zu sich nimmt, insbesondere, wenn<br />

er fiebert oder schwitzt oder mit Entwässerungsmitteln<br />

behandelt wird.<br />

Wichtig ist ein gesunder Lebensstil, der nicht<br />

nur für genug Bewegung und genug Schlaf<br />

sorgt, sondern auch ein Gleichgewicht zwischen<br />

Belastung und Entspannung herstellt.<br />

Damit kommen wir zum Stress. Fast alle Menschen<br />

bringen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> mit Stress in Verbindung.<br />

Der Mensch ist zwar auf die Bewältigung<br />

von Herausforderungen, also auf das Leben mit<br />

Stress, angelegt. Aber gibt es nicht Formen von<br />

Stress – lebensgeschichtliche Ereignisse, dauernde<br />

seelische Belastung oder ständige Überarbei-<br />

10<br />

tung – die <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> auslösen oder<br />

verstärken können?<br />

■ Ja, die Frage ist wichtig. Stress – in jeder Form –<br />

ist zwar nicht die Ursache von <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>,<br />

kann diese jedoch auslösen und verstärken.<br />

Dies gilt z. B. für die häufigste <strong>Herzrhythmus</strong>störung,<br />

anfallsweise auftretendes Vorhofflimmern.<br />

Paradoxerweise können Anfälle<br />

dieser Rhythmusstörung bei dem einen Patienten<br />

durch Stress, bei dem anderen durch Ruhe<br />

– z. B. auch nachts – ausgelöst werden.<br />

Wie soll man mit <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> umgehen?<br />

■ Mit Gelassenheit. Von <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

darf man sich nicht verrückt machen lassen. Mit<br />

harmlosen Rhythmus<strong>störungen</strong> muss man leben<br />

lernen.<br />

Andererseits muss man bei bedeutsamen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

konsequent vorgehen. Hier<br />

sollte man, wenn man einen Arzt gefunden hat,<br />

dem man vertraut, dessen Ratschlägen folgen.<br />

Die Angst vor Herzschrittmachern oder technischen<br />

Geräten wie Defibrillatoren sollte man<br />

überwinden. Auch mit einem Herzschrittmacher<br />

oder mit einem Defibrillator kann man gut und<br />

lange leben, ohne dauernd an die Rhythmusstörung<br />

zu denken.<br />

Interview: Dr. Irene Oswalt<br />

1 Der normale <strong>Herzrhythmus</strong>, S. 11 ff.<br />

2 Das Stolperherz: Extrasystolen, S. 29 ff.<br />

3 Langsamer <strong>Herzrhythmus</strong>:Wann braucht man einen<br />

Herzschrittmacher? S. 15 ff.<br />

4 Schutz vor dem plötzlichen Herztod: der Defibrillator, S. 82 ff.<br />

5 Gutartiges Herzjagen, S. 25 ff.<br />

6 Gutartiges Herzjagen, S. 22 ff.<br />

7 Am häufigsten: Vorhofflimmern, S. 35 ff.<br />

8 Medikamente gegen Vorhofflimmern, S. 41 ff.<br />

9 Medikamente gegen Vorhofflimmern, S. 46<br />

10 Vorhofflimmern: wenn Medikamente nicht<br />

mehr helfen, S. 48 ff.<br />

11 Vorhofflimmern: chirurgische Therapie, S. 61 ff.<br />

12 Lebensbedrohliche <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>, S. 75 ff.<br />

Schutz vor dem plötzlichen Herztod: der Defibrillator, S. 82 ff.<br />

13 Prof. Dr. med. Thomas Meinertz: Helfen Medikamente bei <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>?<br />

Sonderdruck der Deutschen Herzstiftung.


Der normale <strong>Herzrhythmus</strong><br />

Prof. Dr. med. Dietrich Andresen, Vivantes GmbH, Klinikum Am Urban/Im Friedrichshain<br />

Medizinische Klinik I – Kardiologie und Intensivmedizin, Berlin<br />

Jeder weiß, dass das Herz die Aufgabe hat, das Blut<br />

durch unseren Kreislauf zu befördern und damit<br />

die Organe unseres Körpers mit Sauerstoff, Nährstoffen<br />

und anderen lebensnotwendigen Substanzen<br />

zu versorgen.<br />

Wenig bekannt ist, wie die Arbeit des Herzens gesteuert<br />

wird. Zwei Eigenschaften zeichnen die<br />

Steuerung des Herzens aus:<br />

■ Das Herz hat ein eigenes Reizbildungs- und<br />

Reizleitungssystem, das aus Zellen besteht, die<br />

sich auf das Rhythmusgeben spezialisiert haben.<br />

■ Das Reizleitungssystem des Herzens ist mehrfach<br />

gesichert. Mehrere Schrittmacherzentren<br />

sind hintereinander geschaltet, um zu gewährleisten,<br />

dass das Herz auch weiterschlägt, wenn<br />

ein Zentrum ausfällt.<br />

Der Zusammenhang zwischen der Herzaktivität<br />

und ihrer Steuerung soll im folgenden skizziert werden.<br />

Das Herz-Kreislauf-System<br />

Das Herz erfüllt die Funktion einer Pumpe. Es<br />

besteht aus zwei Vorkammern (Vorhöfe) und zwei<br />

Hauptkammern (Kammern). Beide Vorhöfe und<br />

Kammern sind jeweils durch eine Scheidewand<br />

(Septum) getrennt. Zwischen den Vorhöfen und<br />

den Kammern befinden sich Herzklappen, die wie<br />

Ventile das Blut nur in eine Richtung passieren lassen<br />

(Abb. 1, S. 12).<br />

Das sauerstoffarme Blut wird über zwei große Blutgefäße<br />

(Venen) in den rechten Vorhof transportiert.<br />

Von dort wird es über die sich öffnende Segelklappe<br />

in die rechte Hauptkammer gesogen, indem der<br />

Muskel der rechten Kammer erschlafft. Am Ende<br />

dieser Saugphase wird ein zusätzlicher Teil durch<br />

aktives Zusammenziehen (Kontraktion) des rechten<br />

Vorhofs in die rechte Hauptkammer gepumpt.<br />

Von der rechten Hauptkammer wird das Blut über<br />

die Lungenschlagader (Lungenarterie) in den Lungenkreislauf<br />

befördert. Hierbei verzweigen sich<br />

die Lungenarterien in immer kleiner werdende<br />

Äste, die schließlich zu kleinen Haargefäßen (Kapillaren)<br />

werden und als solche ein dichtes Geflecht<br />

um die Lungenbläschen bilden. An dieser<br />

Stelle findet der Gasaustausch statt: Das Kohlendioxyd<br />

wird an die Lungenbläschen abgegeben und<br />

dann mit unserer Atemluft ausgeatmet. Der Sauerstoff<br />

wird als Austausch dafür in das Blut aufgenommen.<br />

Das sauerstoffreiche Blut fließt über die Lungenvenen<br />

in den linken Vorhof. Aus dem linken Vorhof<br />

wird das Blut dann über eine weitere Segelklappe<br />

in die linke Kammer gesogen und von dort<br />

mit hohem Druck in die Hauptschlagader (Aorta)<br />

gepumpt. Die Hauptschlagader verzweigt sich in<br />

zunächst größere und später kleinere Adern (Arterien),<br />

die sich als Haargefäße (Kapillaren) in den<br />

einzelnen Organen (Gehirn, Leber, Verdauungsorgane,<br />

Muskeln etc.) verzweigen. Über sie werden<br />

Sauerstoff und Nährstoffe an die Organe geliefert<br />

und Abfallstoffe abtransportiert. Die Haargefäße<br />

fließen wieder zu größeren Blutgefäßen<br />

(Venen) zusammen und münden schließlich im<br />

rechten Vorhof. Damit ist der Kreislauf geschlossen.<br />

Etwa 60- bis 80-mal pro Minute (100 000-mal<br />

pro Tag) schlägt unser Herz und fördert am Tag<br />

rund 9 000 bis 10 000 Liter Blut.<br />

Warum schlägt das Herz?<br />

Damit sich der Herzmuskel zusammenzieht, sind<br />

elektrische Impulse notwendig (Abb. 1, S. 12).<br />

Der Taktgeber, der mit elektrischen Impulsen dafür<br />

sorgt, dass der Herzmuskel sich in ständigem<br />

Wechsel zusammenzieht und erschlafft, ist der<br />

11


Sinusknoten<br />

erzeugt elektrische Signale und dient<br />

damit als natürlicher Herzschrittmacher<br />

des Herzens<br />

Rechter Herzvorhof<br />

sammelt über die Hohlvenen<br />

sauerstoffarmes Blut aus dem Körper<br />

AV-Knoten<br />

bündelt die elektrischen Reize aus den<br />

Vorhöfen und gibt sie geordnet weiter<br />

Trikuspidalklappe<br />

(hier offen)<br />

Purkinje-Fasern<br />

verzweigen sich in die Herzkammer<br />

und bringen diese zur Kontraktion<br />

Untere Hohlvene<br />

Sinusknoten, der im Bereich des rechten Vorhofs<br />

an der Einmündung der großen oberen Vene liegt.<br />

Es handelt sich dabei um ein Geflecht von Zellen,<br />

das die Fähigkeit besitzt, sich elektrisch aufzuladen<br />

und durch die anschließende Entladung den<br />

Strom auf die umgebenden Herzmuskelabschnitte<br />

weiterzuleiten (Reizbildungszentrum). Von dort<br />

pflanzt sich die Erregung über spezifische Muskelbahnen<br />

(Reizleitungssystem) auf beide Vorhöfe<br />

fort. Durch die elektrische Erregung ziehen sich<br />

diese zusammen und pumpen Blut über die geöffneten<br />

Segelklappen in die rechte bzw. linke Herzkammer.<br />

Dann dringen die elektrischen Impulse<br />

durch den AV-Knoten (Atrioventrikular-Knoten),<br />

12<br />

Abb. 1: So wird der <strong>Herzrhythmus</strong> gesteuert.<br />

Lungenvenen<br />

der zwischen dem Vorhof und der Herzkammer<br />

liegt. Im AV-Knoten werden die elektrischen Reize<br />

aus den Vorhöfen gebündelt und ihre Weiterleitung<br />

gezielt gebremst.<br />

Die elektrische Erregungswelle passiert dann die<br />

schnell leitenden Fasern des His-Bündels und<br />

durchläuft den rechten und linken Tawara-Schenkel<br />

(Abb. 2). Die Tawara-Schenkel ziehen sich durch<br />

die Scheidewand (Septum). Beide Schenkel weisen<br />

eine unterschiedliche Struktur auf. Der rechte Tawara-Schenkel<br />

verzweigt sich erst spät und versorgt<br />

die rechte Herzkammer. Der linke Tawara-<br />

Schenkel verzweigt sich dagegen schon sehr früh<br />

in zwei Bahnen: eine vordere und eine hintere<br />

Bahn, die in die linke Herzkammer münden.


Obere Hohlvene<br />

Aorta<br />

Lungenarterie<br />

Linker Herzvorhof<br />

nimmt sauerstoffreiches Blut<br />

aus den Lungenvenen auf<br />

Mitralklappe<br />

(hier offen)<br />

Aortenklappe<br />

(hier geschlossen)<br />

Linke Herzkammer<br />

Rechte Herzkammer<br />

Herzmuskel<br />

Von den Tawara-Schenkeln gelangt die elektrische<br />

Erregungswelle über ein feinverzweigtes Reizleitungsnetz<br />

(Purkinje-Fasern) auf die Muskeln beider<br />

Kammern, die sich infolge der Erregung zusammenziehen<br />

und das Blut in die Lungengefäße<br />

(durch die rechte Kammer) bzw. Hauptschlagader<br />

(durch die linke Kammer) pumpen.<br />

Dass das Herz schlägt, hängt in diesem System nicht<br />

allein von dem Hauptimpulsgeber, dem Sinusknoten,<br />

ab. Fällt der Sinusknoten durch eine Störung<br />

aus, so springt der AV-Knoten als Rhythmusgeber<br />

ein. Er hat allerdings mit etwa 50 Schlägen<br />

pro Minute eine geringere Entladungsfrequenz.<br />

Versagt auch der AV-Knoten, so übernimmt das<br />

His-Bündel die Rolle des Schrittmachers und treibt<br />

das Herz mit etwa 40 Schlägen pro Minute an. Das<br />

heißt: Je weiter entfernt vom Sinusknoten die<br />

Schrittmacherimpulse entstehen, desto langsamer<br />

ist die Herzschlagfolge und desto eher können Beschwerden<br />

auftreten, z. B. Schwindel oder Bewusstlosigkeit.<br />

Arbeitet hingegen der Hauptimpulsgeber einwandfrei,<br />

so dominiert er alle anderen Rhythmusgeber.<br />

Sie ordnen sich ihm unter. Deswegen heißt der normale<br />

regelmäßige <strong>Herzrhythmus</strong> Sinusrhythmus.<br />

Abb. 2<br />

Wie messe ich die elektrische<br />

Erregung des Herzens?<br />

AV-Knoten<br />

linker vorderer<br />

Tawara-Schenkel<br />

His-Bündel<br />

linker hinterer<br />

Tawara-Schenkel<br />

rechter<br />

Tawara-Schenkel<br />

Der größte Teil der elektrischen Erregungsabläufe<br />

lässt sich mit Hilfe des Elektrokardiogramms<br />

(EKG) darstellen (Abb. S. 14).<br />

Den Aufbau eines elektrischen Impulses im Sinusknoten<br />

können wir im EKG nicht sehen. Erfasst<br />

wird dagegen die Erregung des Vorhofs (P-Welle).<br />

Die P-Welle ist gefolgt von einem hohen Ausschlag<br />

(R-Zacke), die Ausdruck der Erregung (Depolarisierung)<br />

der Kammermuskeln ist.<br />

Die danach registrierte T-Welle ist Ausdruck der<br />

elektrischen Erholung (Repolarisation) der Kammermuskeln.<br />

Der Vorgang der Erregungsbildung<br />

im Sinusknoten, die Weitergabe des Stromes auf<br />

den Vorhofmuskel, gefolgt von der Erregung der<br />

Kammermuskeln, wiederholt sich 60- bis 80-mal<br />

pro Minute. Unter körperlicher Belastung sowie<br />

13


1 Sekunde<br />

unter psycho-emotionalem Stress schlägt das Herz<br />

bis zu 160-mal, unter Ruhebedingungen (Schlaf)<br />

lediglich 60- bis minimal 40-mal pro Minute. Verantwortlich<br />

für diese unterschiedliche situationsbedingte<br />

Herzschlagfolge ist ein Geflecht von Nerven,<br />

das in den Sinusknoten mündet und seine Entladungsfrequenzen<br />

beeinflusst. Es handelt sich dabei<br />

um Fasern des vegetativen Nervensystems. Also<br />

Nerven, die unserem Willen nicht unterworfen sind.<br />

Denn man kann dem Herzen nicht sagen, es soll<br />

schneller oder langsamer schlagen oder gar, es soll<br />

vorübergehend aufhören zu schlagen.<br />

Wir unterscheiden beim vegetativen Nervensystem<br />

zwischen sympathischen (Sympathikus) und<br />

parasympathischen (Vagus) Nervenfasern. Der<br />

Sympathikus führt zur allgemeinen Stimulation des<br />

Herzens mit Anstieg der Herzschlagfolge (Herzfrequenz).<br />

Der Vagus dämpft die Herztätigkeit mit<br />

Abfall der Herzfrequenz. Sympathikus und Vagus<br />

fungieren also als Gegenspieler. Wer sich z. B. beim<br />

Anblick von Blut erschreckt, kann in Ohnmacht<br />

fallen, weil sich das Gehirn über den Vagusnerv<br />

ausbremst.<br />

Neben direkten Einflüssen, die das vegetative Nervensystem<br />

ausübt, werden Änderungen der Herzschlagfolge<br />

auch durch Hormone vermittelt. Das<br />

bekannteste Hormon ist das Adrenalin. Da es verantwortlich<br />

ist für den Anstieg der Herzfrequenz<br />

14<br />

P-Welle T-Welle<br />

R-Zacke<br />

Abb. 3: Herzstromkurve: EKG<br />

unter psychischem und körperlichem Stress, wird<br />

es auch als Stresshormon bezeichnet. Unter Stress<br />

schüttet die Nebenniere Adrenalin aus. Das Adrenalin<br />

kommt auf dem Blutweg zum Sinusknoten<br />

und hebt die Pulsfrequenz an, dann schlägt das<br />

Herz als Reaktion auf den Stress schneller. Auch<br />

erhöhte Körpertemperatur bei Fieber führt dazu,<br />

dass die Herzschlagfolge rascher wird.<br />

Zusammenfassung<br />

Unser Herz ist ein Hohlmuskel, der sich regelmäßig<br />

(rhythmisch) ca. 60- bis 80-mal pro Minute zusammenzieht<br />

und wieder erschlafft und auf diese<br />

Weise sechs bis acht Liter Blut pro Minute durch<br />

unsere Blutgefäße pumpt. Damit sich der Herzmuskel<br />

zusammenzieht, muss er durch einen elektrischen<br />

Reiz (Impuls) „angestoßen” werden. Der<br />

elektrische Impuls entsteht im Bereich des rechten<br />

Herzvorhofs und breitet sich in weniger als einer<br />

Drittelsekunde (200 bis 250 msec.) über den gesamten<br />

Herzmuskel aus, worauf sich dieser ebenso<br />

schnell zusammenzieht und in der nächsten Sekunde<br />

wieder erschlafft.<br />

Störungen der Impulsbildung und Impulsleitung<br />

sowie die Bildung von Zusatzimpulsen führen beim<br />

Patienten zu unregelmäßiger Herztätigkeit. Von<br />

diesen Rhythmus<strong>störungen</strong> und ihren Konsequenzen<br />

soll in den folgenden Artikeln die Rede sein.


Langsamer <strong>Herzrhythmus</strong>: Wann braucht<br />

man einen Herzschrittmacher?<br />

Wenige Wochen nach Beginn seines Ruhestands<br />

fiel Walter R. beim Besuch in einem Kaufhaus plötzlich<br />

um und wachte am Boden liegend wieder auf.<br />

Zunächst dachte er, es sei eine vorübergehende<br />

Kreislaufschwäche gewesen. In den nächsten<br />

Wochen folgten zwei weitere Ohnmachtsanfälle,<br />

wobei er sich beim zweiten Mal am Kopf verletzte.<br />

Zur Abklärung der Ohnmachtsanfälle suchte er<br />

seinen Hausarzt auf.<br />

Der Hausarzt untersuchte ihn gründlich, aber fand<br />

keine Erklärung für die Ohnmachtsanfälle. Deshalb<br />

schickte er Walter R. zu einem Internisten mit<br />

kardiologischem Schwerpunkt. Das Ruhe-EKG<br />

zeigte keine krankhaften Veränderungen. Es folgte<br />

ein Langzeit-EKG über 24 Stunden, ebenfalls<br />

ohne krankhaften Befund. Erst ein weiteres Langzeit-EKG,<br />

diesmal über mehrere Tage,<br />

brachte Klarheit. In dieser Zeit wurde<br />

Walter R. erneut bewusstlos.<br />

Das EKG zeigte zu diesem Zeitpunkt<br />

eine Pause von fünf Sekunden<br />

– bedingt durch eine vorübergehende<br />

Blockierung der<br />

elektrischen Erregungsausbreitung<br />

im Herzen. Damit war die<br />

Ursache für die wiederholten<br />

Ohnmachtsanfälle gefunden. Der<br />

Internist erklärte Walter R., dass für<br />

ihn ein Herzschrittmacher notwendig<br />

sei.<br />

Was leistet der Herzschrittmacher?<br />

Prof. Dr. med. Andreas Schuchert, Medizinische Klinik,<br />

Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster<br />

Der Herzmuskel hat ein eigenes elektrisches Leitungssystem,<br />

bestehend aus Sinusknoten, Atrioventrikulär(AV)-Knoten<br />

und dem spezifischen Leitungssystem<br />

in den Herzkammern (s. Abb. 1 und<br />

Abb. 1, S. 12). Die Aufgabe des elektrischen Leitungssystems<br />

ist, die Arbeit des Herzmuskels zu<br />

steuern und das zeitliche Zusammenspiel sowohl<br />

zwischen den beiden Vorhöfen zu den beiden<br />

Kammern als auch für jede Kammer zu synchronisieren.<br />

Zu diesem Zweck gibt der Sinusknoten wie<br />

ein Taktgeber regelmäßige elektrische Impulse ab,<br />

die zunächst die Muskelzellen der Vorhöfe erregen.<br />

Der AV-Knoten als einzige elektrische Verbindung<br />

zwischen den Vorhöfen und den Kammern<br />

leitet die Erregung auf die Herzkammern über. Das<br />

spezifische elektrische Leitungssystem in den Kammern<br />

erregt die Herzmuskelzellen der Kammern<br />

und bewirkt, dass sie sich gleichmäßig zusammenziehen<br />

und mit jedem Herzschlag Blut in den Körper<br />

pumpen.<br />

Wenn Teile des elektrischen Leitungssystems krankhaft<br />

verändert sind, können sie zeitweilig oder<br />

Abb. 1<br />

Sinusknoten<br />

Vorhöfe<br />

AV-Knoten<br />

Herzkammer<br />

andauernd ausfallen. Häufige Störungen<br />

betreffen die Taktfunktion<br />

des Sinusknotens und die Reizleitung<br />

des AV-Knotens. Bei solchen Störungen<br />

ist es die Aufgabe des Herzschrittmachers,<br />

die elektrischen Funktionen zu übernehmen.<br />

Der Schrittmacher gibt dazu regelmäßige elektrische<br />

Impulse ab, die das Herz erregen und es dazu<br />

bringen, sich zusammenzuziehen.<br />

Vor mehr als 45 Jahren erhielt zum ersten Mal ein<br />

Patient einen Herzschrittmacher. Heute ist die<br />

15


Schrittmachertherapie eine der erfolgreichsten Therapien<br />

in der Herzmedizin. In Deutschland werden<br />

jährlich mehr als 60 000 Schrittmacher eingesetzt.<br />

16<br />

Wer bekommt einen<br />

Herzschrittmacher?<br />

Das Einsetzen des Herzschrittmachers<br />

soll die durch den langsamen Herzschlag<br />

bedingten Beschwerden wie die wiederholte<br />

Bewusstlosigkeit bei Walter R. beseitigen.<br />

Ferner soll die elektrische Stimulation<br />

des Herzschrittmachers den Patienten<br />

vor einem anhaltenden, möglicherweise<br />

tödlichen Herzstillstand bewahren und so seine<br />

Lebenserwartung verlängern. Das bedeutet, dass<br />

Patienten auch ohne Beschwerden einen Herzschrittmacher<br />

erhalten, wenn bei ihnen in naher<br />

Zukunft ein Herzstillstand zu befürchten ist.<br />

Ein Schrittmacher ist bei Patienten mit krankhaft<br />

langsamen Herzschlägen, d.h. länger dauerndem<br />

Absinken der Herzfrequenz unter 40 Schläge pro<br />

Minute (Bradykardie) oder bei Pausen über fünf<br />

Sekunden (Asystolie), angezeigt, wenn sie durch<br />

Krankheit bedingt sind. Wir wissen, dass viele Menschen,<br />

insbesondere Leistungssportler, einen langsamen<br />

Herzschlag haben. Niemand würde ihnen<br />

einen Herzschrittmacher empfehlen, da dieser langsame<br />

Herzschlag Folge ihres körperlichen Trainings<br />

und nicht Folge krankhafter Veränderungen<br />

ist. Ein Herzschrittmacher ist nur bei krankhaft niedrigem<br />

Herzschlag nötig. Dabei ist zu klären, ob<br />

der langsame Herzschlag Folge einer kurzfristigen<br />

heilbaren Erkrankung (z. B. Schilddrüsenunterfunktion)<br />

ist oder dauernd bestehen bleiben wird.<br />

Im ersten Fall ist die Erkrankung, die<br />

den langsamen Herzschlag verursacht,<br />

zu behandeln. Häufig wird<br />

dann der Herzschrittmacher überflüssig.<br />

In den übrigen Fällen sollte der Patient<br />

einen Herzschrittmacher erhalten.<br />

Typische Beschwerden für einen krankhaft langsamen<br />

Herzschlag sind kurzfristige Bewusstlosigkeiten,<br />

Schwindel und eine verminderte körperliche<br />

Belastbarkeit. Manche Patienten mit langsamen<br />

Herzschlägen oder Pausen haben erhebliche<br />

Beschwerden, andere wenige oder gar keine.<br />

Der Nachweis eines langsamen Herzschlags erfolgt<br />

bei andauernden Störungen mit dem Ruhe-EKG<br />

und bei vorübergehenden Störungen mit einem<br />

Ereignis- oder Monitor-EKG. Leitungs<strong>störungen</strong> im<br />

Bereich des Sinusknotens oder des AV-Knotens<br />

machen in Verbindung mit Beschwerden eine<br />

Schrittmacherversorgung erforderlich. Da vor allem<br />

krankhafte Leitungsblockierungen im Bereich<br />

des AV-Knotens einen anhaltenden Herzstillstand<br />

zu Folge haben können, erhalten Patienten mit Leitungsblockierungen<br />

im AV-Knoten frühzeitig einen<br />

Herzschrittmacher – auch wenn sie noch beschwerdefrei<br />

sind.<br />

Ein Teil der Patienten mit dauernd unregelmäßigen<br />

Herzschlägen infolge schneller, aber ineffek-


tiver elektrischer Entladungen im Vorhof, sogenanntes<br />

Vorhofflimmern, kann zusätzlich eine verzögerte<br />

Leitung im Reizleitungssystem auf die Kammer<br />

und dadurch langsame, unregelmäßige Kammerherzschläge<br />

haben. Wenn diese langsamen<br />

Herzschläge zu Beschwerden wie Schwindel oder<br />

zu unzureichender Belastbarkeit führen, sollte der<br />

Patient einen Herzschrittmacher erhalten. Ein<br />

Schrittmacher ist auch angezeigt bei bestimmten<br />

selten vorkommenden Erkrankungen (z. B. hypersensitives<br />

Karotis-Sinus-Syndrom).<br />

Welche Schrittmachertypen gibt es?<br />

Seit der erste Schrittmacher im Jahr 1959 eingesetzt<br />

wurde, sind verschiedene Schrittmachertypen entwickelt<br />

worden. Alle Herzschrittmachersysteme<br />

haben gemeinsam, dass sie sich aus einer Sonde<br />

und dem Schrittmacheraggregat zusammensetzen.<br />

Die Schrittmachersonde ist ein isoliertes Kabel mit<br />

Elektroden an der Spitze, die die Impulse von dem<br />

Schrittmacheraggregat zum Herzen und die Herzsignale<br />

zum Schrittmacheraggregat leiten. Das Kabel<br />

wird über eine große Körpervene in die rechte<br />

Herzkammer eingeführt und dort verankert. Damit<br />

die Schrittmachersonde an der gewünschten<br />

Stelle im Herzen bleibt, hat die Schrittmachersonde<br />

an der Spitze entweder eine Silikonversteifung,<br />

die sich wie ein Anker in den Muskeln der rechten<br />

Herzkammer festsetzt, oder eine kurze Schraube,<br />

die in den Herzmuskel hineingedreht wird.<br />

Einkammersystem heißt die Kombination von einer<br />

Kammersonde mit dem entsprechenden Schrittmacheraggregat.<br />

Das Einkammersystem stellt zwar<br />

die ausreichende Kammerfrequenz (Herzschlag-<br />

folge) sicher. Der Nachteil dieses Systems ist, dass<br />

es nicht immer das Zusammenspiel zwischen den<br />

Vorhöfen und den Herzkammern wiederherstellt.<br />

Das ermöglicht ein Zweikammerschrittmacher, der<br />

an zwei Sonden angeschlossen ist, von denen eine<br />

im rechten Vorhof und die andere in der rechten<br />

Herzkammer plaziert ist.<br />

Heutige Herzschrittmacher bestehen im wesentlichen<br />

aus elektrischen Schaltkreisen, einer Lithiumbatterie,<br />

die im Durchschnitt Laufzeiten von sieben<br />

bis zehn Jahren erreicht, und den Konnektoren<br />

zur Befestigung der Schrittmachersonde. Die<br />

elektrischen Schaltkreise steuern die Zeitfolge der<br />

elektrischen Impulse. Dabei lassen sie dem natürlichen<br />

Herzschlag den Vortritt. Nur wenn dieser zu<br />

langsam ist, setzen sie einen Impuls. Die individuelle<br />

Einstellung der zahlreichen Schrittmachersteuergrößen<br />

ist bei jedem Patienten Voraussetzung<br />

für die optimale Arbeitsweise des Schrittmachers.<br />

Moderne Schrittmacher haben zusätzlich<br />

zahlreiche Speicher, mit denen sie den <strong>Herzrhythmus</strong><br />

und wichtige Rhythmusereignisse aufzeichnen.<br />

Ein Buchstabencode beschreibt die verschiedenen<br />

Schrittmachertypen: Der erste Buchstabe gibt den<br />

Ort der Stimulation, der zweite den Ort der Wahrnehmung<br />

und der dritte die Arbeitsweise an. Am<br />

häufigsten sind VVI- und DDD-Schrittmacher. Ein<br />

VVI-Schrittmacher stimuliert in der Kammer (Ventrikel),<br />

nimmt in der Kammer (Ventrikel) wahr, und<br />

die Eigenaktion inhibiert (hemmt) die Stimulation.<br />

Der DDD-Schrittmacher stimuliert im Vorhof und<br />

in der Kammer (dual), nimmt wahr im Vorhof und<br />

in der Kammer (dual) und dies kann die Stimulation<br />

auslösen oder hemmen (dual).<br />

17


Langzeit-EKG von Walter R.<br />

während der erneuten<br />

Bewusstlosigkeit: Der EKG-<br />

Streifen zeigt eine vorübergehende<br />

höhergradige<br />

Blockierung im AV-Knoten.<br />

18<br />

Biventrikulärer Schrittmacher<br />

In den letzten Jahren wurde die Schrittmachertherapie<br />

weiterentwickelt. Dabei geht es nicht mehr<br />

allein darum, den langsamen Herzschlag zu beschleunigen,<br />

sondern bei Patienten mit Herzschwäche<br />

den Blutfluss im Herzen zu verbessern<br />

und die Herzkraft zu stärken (kardiale Resynchronisationstherapie).<br />

Kandidaten für solche biventrikulären Schrittmacher<br />

sind Patienten mit fortgeschrittener Herzschwäche,<br />

die trotz optimaler Behandlung mit herzwirksamen<br />

Medikamenten weiterhin Beschwerden<br />

wie Luftnot bei leichter bis mäßiger Belastung<br />

haben. Ungefähr 5 – 20 % dieser Patienten zeigen<br />

eine verzögerte elektrische Erregungsausbreitung<br />

im Herzen. Das zeigt sich im EKG, wo ein bestimmter<br />

Teil der elektrischen Herzkurve, nämlich der<br />

QRS-Komplex, deutlich verbreitert ist. Bei diesen<br />

Patienten ist das Zusammenspiel zwischen den bei-<br />

Nach Einsetzen des<br />

Zweikammerschrittmachers:<br />

Der Schrittmacher erkennt den<br />

Vorhofrhythmus und stimuliert<br />

mit der gleichen Frequenz<br />

die Herzkammern, auch wenn<br />

der AV-Knoten blockiert ist.<br />

den Hauptkammern gestört und dadurch die Auswurfleistung<br />

des Herzens vermindert. Die Schrittmachertherapie<br />

stellt das Zusammenspiel wieder<br />

her, indem speziell zu diesem Zweck entwickelte<br />

Schrittmachersonden über die Herzvenen an der<br />

Seitenwand des linken Herzens plaziert werden.<br />

Die feinen Sonden verankern sich in der Gefäßwand.<br />

Sie werden in Verbindung mit einer Sonde<br />

im rechten Vorhof und einer in der rechten Hauptkammer<br />

an einen Dreikammerschrittmacher angeschlossen.<br />

Dadurch lassen sich zeitgleich beide Seiten<br />

der linken Herzkammer erregen, so dass sie<br />

sich wieder zeitgleich zusammenziehen. Wenn Patienten<br />

einen biventrikulären Schrittmacher erhalten<br />

haben, berichten die meisten über weniger<br />

Atemnot und bessere körperliche Belastbarkeit.<br />

Neuere Studien zeigen, dass die biventrikulären<br />

Schrittmacher das Leben der Patienten verlängern<br />

können.


Der obere EKG-Streifen zeigt<br />

einen Vorhofextraschlag,<br />

dem eine Pause und dann<br />

eine schnelle Vorhofrhythmusstörung<br />

folgt.<br />

Im unteren EKG-Streifen hat<br />

der Patient einen Herzschrittmacher<br />

erhalten, der nach<br />

Auftreten des Vorhofextraschlags<br />

den Vorhof stimuliert<br />

und das Auftreten der Vorhofrhythmusstörung<br />

verhindert.<br />

Leben mit dem Herzschrittmacher<br />

Der Schrittmacher wird unter lokaler Betäubung<br />

rechts- oder linksseitig im Bereich des großen Brustmuskels<br />

eingesetzt, da in diesem Bereich große<br />

Venen verlaufen, über die sich die Sonden zum<br />

Herzen einführen lassen. Nach rund zehn Tagen<br />

werden die Fäden entfernt. Dann nimmt der Patient<br />

seinen üblichen Lebensstil wieder auf. Der<br />

Arm, an dem der Schrittmacher eingesetzt wurde,<br />

sollte für etwa zwei Wochen nicht über Brusthöhe<br />

gehoben werden.<br />

Komplikationen beim Einsetzen des Schrittmachers<br />

sind selten. Die Sonde, die den Impuls zum Herzen<br />

leitet, kann verrutschen. Dann ist ein zweiter<br />

Eingriff nötig, um sie an den richtigen Ort zu bringen.<br />

Noch seltener sind Blutergüsse oder Infektionen,<br />

die ebenfalls einen Zweiteingriff erforderlich<br />

machen können.<br />

Regelmäßige Kontrollen sind unbedingt einzuhalten,<br />

um den Ladestand der Batterie zu prüfen, die<br />

Schrittmacherspeicher abzufragen und um festzustellen,<br />

ob die Schrittmachereinstellung weiterhin<br />

für den Patienten optimal ist. Dafür sind niedergelassene<br />

Kardiologen oder die Schrittmacherambulanz<br />

des jeweiligen Krankenhauses zuständig.<br />

Voraussetzung für die fachgerechte Kontrolle ist<br />

ein auf den jeweiligen Schrittmacher zugeschnittenes<br />

Programmiergerät. Mit Hilfe elektrischer Impulse<br />

lässt sich damit der Schrittmacher abfragen<br />

und umstellen. Der Schrittmacher wird bei Entlassung<br />

aus dem Krankenhaus, ein bis drei Monate<br />

nach dem Einsetzen und danach in Abständen von<br />

sechs bis zwölf Monaten kontrolliert. Bei beginnender<br />

Batterieerschöpfung verkürzen sich diese<br />

Abstände.<br />

19


Störungen von außen, die den Schrittmacher beeinflussen,<br />

sind selten. Seit der Verwendung moderner<br />

Sonden kommt es nur ganz vereinzelt zu<br />

Störungen wie mit externen elektromagnetischen<br />

Wellen. Eine potentielle Störquelle kann ein mobiles<br />

Telefon (Handy) bei älteren und, sehr selten,<br />

bei neueren Schrittmachern sein. Trotzdem sollte<br />

vor der Verwendung eines Handys der Arzt gefragt<br />

werden, der den Schrittmacher regelmäßig kontrolliert.<br />

Dasselbe gilt bei der Verwendung anderer<br />

elektrischer Geräte in unmittelbarer Nähe des<br />

Schrittmachers.<br />

Manchmal wollen Patienten sich einen Schrittmacher<br />

nicht einsetzen lassen, weil sie Angst haben,<br />

nicht mehr sterben zu können. Diese Angst<br />

beruht auf einem Missverständnis: Der Schrittmacher<br />

kann nur die elektrischen Taktgeber im<br />

Herzen ersetzen, aber nicht das Herz.<br />

20<br />

I<br />

II<br />

III<br />

aVR<br />

aVL<br />

aVF<br />

Linkes EKG: Vor Einsetzen<br />

eines Schrittmachers hatte der Patient einen Linksschenkelblock<br />

mit deutlicher Verbreiterung des Kammerkomplexes.<br />

Rechtes EKG: Nachdem der Zweikammerschrittmacher eingesetzt<br />

worden war, ist der Schrittmacherimpuls vor der Herzaktion<br />

zu sehen, wobei der Kammerkomplex schmaler geworden ist.<br />

Andere Patienten haben Angst vor dem Schrittmacher,<br />

weil sie meinen, dass dann ihr Leben von<br />

dem technischen Funktionieren eines Geräts abhängt.<br />

Diese Angst ist unbegründet: Heutige Schrittmacher<br />

garantieren eine sehr hohe Sicherheit. Plötzliches<br />

Versagen eines Schrittmachers ist eine absolute<br />

Rarität. Hinzu kommt, dass nahezu alle Patienten<br />

noch einen langsamen eigenen <strong>Herzrhythmus</strong><br />

haben, der ausreicht, das Überleben zu sichern.<br />

Die Erfahrungen von Patienten, die mit einem<br />

Schrittmacher leben, sind sehr positiv, zumal sich<br />

die Beschwerden, die ein zu langsamer <strong>Herzrhythmus</strong><br />

verursacht hat, wie Schwindel und Schwäche,<br />

rasch bessern. Walter R. hat seit dem Einsetzen des<br />

Herzschrittmachers keine Bewusstlosigkeit mehr<br />

erlebt, ist im Alltag wieder leistungsfähig und spielt<br />

gern und völlig beschwerdefrei mit seinen Enkeln<br />

Fußball.


Annette A., 28 Jahre alt, leidet seit etwa 2 1/2 Jahren<br />

an immer wiederkehrenden Anfällen: Plötzlich,<br />

wie angeschaltet, beginnt ihr Herz zu rasen,<br />

ihr wird schwindlig und der Kopf dröhnt, als würde<br />

er platzen. Die ersten Anfälle konnte sie noch<br />

durch kleine Tricks selbst beenden, etwa indem<br />

sie ein Glas kaltes Wasser schnell trank oder tief<br />

einatmete. Inzwischen wartet sie jedoch – manchmal<br />

eine Stunde lang – liegend darauf, dass der Anfall<br />

aufhört. Aus Angst vor den Anfällen, die ohne<br />

Vorwarnung beginnen, hat sie aufgehört Auto zu<br />

fahren.<br />

Jeder von uns kennt Situationen, in denen sein Herz<br />

rasend bis zum Hals klopft, etwa nach einem Langstreckenlauf<br />

oder vor dem ersten Kuss. Dieses<br />

Herzjagen ist Ausdruck der normalen Funktion des<br />

Herzens, das bei Anstrengung oder Aufregung<br />

schneller schlägt und mehr Blut pumpt. Einige Menschen,<br />

in Deutschland wahrscheinlich mehrere<br />

hunderttausend, leiden jedoch wie Annette A. an<br />

anfallsartigem Herzjagen. Die in diesem Beitrag<br />

beschriebenen Formen von Herzjagen sind in der<br />

Regel nicht lebensgefährlich, deswegen gelten sie<br />

als gutartig. Für die Betroffenen sind die Anfälle<br />

jedoch oft mit einer erheblichen Einschränkung<br />

der Lebensqualität verbunden. So sind Menschen<br />

während eines Anfalls oft fahr- und arbeitsunfähig,<br />

einige werden ohnmächtig, und das unberechenbare<br />

Auftreten der Anfälle schränkt den Alltag deutlich<br />

ein.<br />

Die Unterscheidung zwischen einer Neigung zu<br />

Herzjagen und dem physiologischen schnellen<br />

Herzschlag unter Belastung ist oft schwierig. Es<br />

gibt deshalb auch immer wieder Patienten, bei denen<br />

eine Neigung zu gutartigem Herzjagen erst<br />

nach langer Zeit erkannt und richtig behandelt wird.<br />

In den folgenden Absätzen sollen zunächst das Er-<br />

Gutartiges Herzjagen<br />

PD Dr. med. Paulus Kirchhof, Prof. Dr. med. Günter Breithardt,<br />

Medizinische Klinik und Poliklinik C (Kardiologie und Angiologie), Universitätsklinikum Münster<br />

kennen von gutartigem Herzjagen und danach die<br />

verschiedenen Möglichkeiten seiner Behandlung<br />

erläutert werden.<br />

Wie kann ich gutartiges<br />

Herzjagen erkennen?<br />

Die Diagnose von gutartigem Herzjagen ruht auf<br />

drei Säulen:<br />

Zunächst ist eine genaue Kenntnis der Anfälle wichtig.<br />

Hierfür helfen Ihre Angaben über die Symptome<br />

während des Anfalls dem Arzt erheblich weiter.<br />

Wenn die Anfälle plötzlich beginnen und plötzlich<br />

enden, einige Minuten andauern, nicht von<br />

bestimmten Situationen abhängen, typischerweise<br />

einige Stunden nach Belastung auftreten, durch<br />

Manöver wie Trinken eines Glases kalten Wassers,<br />

Schlucken, in den Bauch Pressen, tiefes Atmen,<br />

seltener auch durch akrobatische Manöver wie<br />

Handstand beendet werden können, wenn das<br />

Herz während eines Anfalls regelmäßig schlägt und<br />

dabei Schwindel, ein Druck auf der Brust, ein großer,<br />

dicker Kopf und leichte Übelkeit verspürt werden,<br />

so spricht das für ein gutartiges, behandelbares<br />

Herzjagen (s. Tab. 1, S. 24). Die Herzschlagfolge<br />

(Herzfrequenz) liegt zwischen 140 und 220,<br />

meist bei 160 bis 180 Schlägen pro Minute. Häufig<br />

ist die Herzfrequenz so hoch, dass der Puls praktisch<br />

kaum noch fühlbar ist.<br />

Die zweite Säule der Diagnose von gutartigem<br />

Herzrasen ist das von einem erfahrenen Arzt beurteilte<br />

Elektrokardiogramm (EKG), das sowohl in<br />

Ruhe als auch möglichst während eines Anfalls aufgezeichnet<br />

werden sollte. Die Aufzeichnung eines<br />

EKG während eines Anfalls ist oft schwierig. Wenn<br />

Sie selbst an Herzjagen leiden und schon einmal<br />

mit einem Anfall beim Arzt oder in einem Kranken-<br />

21


haus waren, existiert dort oft ein EKG während des<br />

Anfalls. Dieses sollte bei weiteren Beratungen immer,<br />

notfalls als Fotokopie, vorliegen. Einige Formen<br />

von gutartigem Herzjagen lassen sich nämlich<br />

im EKG nur während des Anfalls erkennen.<br />

Die dritte Säule, auf die sich die Diagnose gutartiges<br />

Herzjagen stützt, ist schließlich der Ausschluss<br />

von anderen Erkrankungen des Herzens und die<br />

Unterscheidung von potentiell lebensbedrohlichen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>. Dazu können manchmal<br />

aufwendige Untersuchungen notwendig sein, insbesondere<br />

bei älteren Patienten, wenn zusätzlich<br />

zum Herzjagen ein Schmerz im Brustkorb bei Anstrengung<br />

oder eine zunehmende Atemnot bei<br />

leichteren Belastungen bemerkt werden, oder<br />

wenn ein Patient schon einmal bewusstlos gewesen<br />

ist.<br />

22<br />

Kann man gutartiges<br />

Herzjagen behandeln?<br />

Gutartiges Herzjagen ist <strong>heute</strong> in den meisten Fällen<br />

heilbar. In leichten Fällen, d. h. bei eher selten<br />

auftretendem, nicht sehr störendem Herzjagen, genügt<br />

oft das Erlernen von Techniken, um das Herzjagen<br />

zu unterbrechen (s. Tab. 2, S. 24). Es stehen<br />

auch Medikamente zur Verfügung, die nebenwirkungsarm<br />

die Anfälle in fast allen Fällen beenden<br />

können. Während die zuverlässigsten Medikamente<br />

direkt in die Blutbahn abgegeben werden müssen<br />

und damit in der Regel nur einem Arzt zur Verfügung<br />

stehen, gibt es auch Tabletten, die Anfälle<br />

von Herzjagen beenden können – jedoch nur in<br />

wenigen Fällen und mit einiger Verzögerung. Da<br />

diese Medikamente gegen Herzjagen Nebenwirkungen<br />

haben können, sollten sie nur eingenommen<br />

werden, wenn ein Arzt sie verordnet.<br />

Oft stellt sich jedoch nach einiger Zeit heraus, dass<br />

die Medikamente nicht mehr oder nicht immer wirken.<br />

Wenn die Anfälle starke Beschwerden verursachen,<br />

sich häufen oder nur noch schwer zu beenden<br />

sind, wird man versuchen, die Anfälle dauerhaft<br />

zu verhindern. Herzjagen lässt sich in einigen<br />

Fällen durch die dauerhafte Einnahme von<br />

Medikamenten, sogenannter Antiarrhythmika, unterdrücken.<br />

In vielen Fällen ist es jedoch heutzu-<br />

tage möglich, die Ursache von gutartigem Herzjagen<br />

in einer speziellen Herzkatheteruntersuchung,<br />

der sogenannten elektrophysiologischen<br />

Untersuchung, zu erkennen und durch die sogenannte<br />

Hochfrequenz-Katheterablation dauerhaft<br />

zu beheben.<br />

Um die Behandlung des gutartigen Herzjagens zu<br />

verstehen, lohnt es sich, die verschiedenen Formen<br />

von gutartigem Herzjagen näher zu erläutern.<br />

Hierzu ist es hilfreich, den normalen Ablauf eines<br />

Herzschlags zu verstehen:<br />

Die normale Erregung des Herzens<br />

Bei jedem Herzschlag wird das Herz durch einen<br />

kleinen elektrischen Strom erregt, der bewirkt, dass<br />

sich die Herzmuskelzellen zusammenziehen. Dieser<br />

Strom entsteht im sogenannten Sinusknoten,<br />

dem Schrittmacher des Herzens (s. Abb. 1, S. 25).<br />

Von dort aus fließt der Strom durch die beiden Vorhöfe<br />

zum sogenannten Atrioventrikular-Knoten,<br />

kurz AV-Knoten,<br />

der einzigen elektrisch leitenden<br />

Verbindung zwischen Vorhöfen<br />

und Kammern. Der AV-Knoten<br />

verzögert den Stromfluss, bevor der<br />

Strom aus dem AV-Knoten heraus die<br />

beiden Kammern des Herzens erregt.


Der Strom endet in den Kammern, und das Herz<br />

wartet auf den nächsten Impuls aus dem Sinusknoten.<br />

Wie entsteht gutartiges Herzjagen?<br />

Einige Formen von gutartigem Herzjagen werden<br />

dadurch ausgelöst, dass neben dem Sinusknoten<br />

noch andere Bezirke des Herzens in schneller Folge<br />

Stromstöße abgeben, die wie der Sinusknoten<br />

das Herz erregen. Es sind sogenannte ektope, d. h.<br />

am falschen Ort gelegene Schrittmacher. In den<br />

meisten Fällen wird gutartiges Herzjagen jedoch<br />

durch eine zusätzliche elektrische Verbindung zwischen<br />

Vorhöfen und Kammern verursacht. In bestimmten<br />

Situationen kann der Strom, der über die<br />

eine Verbindung vom Vorhof in die Kammer fließt,<br />

über die andere Verbindung wieder zurück in den<br />

Vorhof gelangen und dann in einem Kreislauf unaufhörlich<br />

zwischen Vorhof und Kammer kreisen<br />

(kreisende Erregung). Jedes Mal, wenn der Strom<br />

durch die Kammer fließt, schlägt diese, und das<br />

Herz rast. Diese zusätzliche Verbindung zwischen<br />

Vorhöfen und Kammern kann entweder direkt im<br />

AV-Knoten (doppelt leitender AV-Knoten) oder an<br />

einer anderen Stelle des Herzens (akzessorische<br />

Leitungsbahn) liegen (Abb. 2, S. 25). Andere Formen<br />

von Herzrasen entstehen durch kreisende Erregungen<br />

in den Herzvorhöfen, z. B. das sogenannte<br />

Vorhofflattern.


Tab. 1: Fragen, die helfen, Anfälle von Herzjagen besser einzuordnen:<br />

Wann war der erste Anfall?<br />

Wann war der letzte Anfall?<br />

Wie oft treten die Anfälle auf (täglich, wöchentlich, monatlich)?<br />

Wie beginnen die Anfälle (plötzlich/allmählich)?<br />

Beginnen die Anfälle im Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen<br />

oder erst in einem zeitlichen Abstand dazu (z.B. Aufregung, Anstrengung, Schlaf)?<br />

Wie oft schlägt das Herz während des Anfalls pro Minute? Ist der Puls schwer zu tasten?<br />

(Fühlen Sie Ihren Puls!)<br />

Schlägt der Puls während des Anfalls regelmäßig oder unregelmäßig?<br />

Wie lange dauern die Anfälle?<br />

Was spüren Sie während des Anfalls (Druck auf der Brust, Atemnot, Schwindel,<br />

Übelkeit, ein Gefühl, als ob der Kopf platzt o. Ä.)?<br />

Wie enden die Anfälle (plötzlich/allmählich)?<br />

Können Sie die Anfälle durch Manöver oder Tricks selbst beenden? Wenn ja, durch welche?<br />

Können die Anfälle durch Medikamente beendet werden?<br />

Sind Sie schon einmal bewusstlos geworden?<br />

Wenn ja, haben Sie davor Herzjagen gespürt?<br />

Haben Sie Verwandte, die an Herzjagen oder anderen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> leiden?<br />

Tab. 2: Techniken, mit denen gutartiges Herzjagen<br />

beendet werden kann. Bewahren Sie die Ruhe. Sie wissen,<br />

dass es unangenehm, aber nicht gefährlich ist.<br />

24<br />

Empfohlene Techniken<br />

Schnelles Trinken eines Glases kalten Wassers<br />

Tief einatmen, Luft anhalten und eine Bauchpresse<br />

machen (d. h. das Zwerchfell und die Bauchmuskeln<br />

anspannen)<br />

Eiswasser ins Gesicht spritzen<br />

Luft anhalten<br />

Gelegentlich empfohlene, aber unter Umständen<br />

gefährliche Techniken<br />

Massage der Halsschlagadern (Vorsicht,<br />

hierbei kann ein Schlaganfall verursacht werden)<br />

Druck auf die Augäpfel


Sinusknoten<br />

AV-Knoten<br />

Sinusknoten<br />

doppelt leitender<br />

AV-Knoten<br />

Vorhöfe<br />

zusätzliche Verbindung<br />

(akzessorische „Leitungsbahn“)<br />

Was passiert bei einer<br />

elektrophysiologischen Untersuchung?<br />

Die Ursache für gutartiges Herzjagen kann man in<br />

vielen Fällen nur durch eine spezielle Katheteruntersuchung,<br />

die sogenannte elektrophysiologische<br />

Untersuchung (EPU), feststellen, bei der die<br />

Ströme, die durch das Herz fließen, direkt analysiert<br />

werden. Bei dieser Untersuchung werden dünne<br />

Kabel mit einer elektrisch leitenden Spitze, sogenannte<br />

Elektrodenkatheter, über die Leistenvenen<br />

oder die Armvenen zum Herzen vorgeschoben.<br />

Die Einstichstelle in der Leiste wird örtlich<br />

betäubt. Das Vorschieben der Katheter<br />

zum Herzen und ihre<br />

Plazierung während der Untersuchung<br />

sind in aller Regel<br />

nicht schmerzhaft. Mit<br />

Kammern<br />

Abb. 1: Normaler Erregungsablauf des<br />

Herzens. Vom Sinusknoten geht ein elektrischer<br />

Impuls aus, der über die Vorhöfe<br />

den AV-Knoten erreicht. Von dort aus wird<br />

der Impuls nach einer Verzögerung in die<br />

Kammern weitergeleitet. Nach vollständiger<br />

Erregung der Kammern versiegt der<br />

Impuls, das Herz wartet auf den nächsten.<br />

Sinusknoten<br />

AV-Knoten<br />

Abb. 2:<br />

Zwei Beispiele<br />

für eine zusätzliche<br />

Verbindung zwischen<br />

Vorhöfen und Kammern, die zu gutartigem<br />

Herzjagen führen kann.<br />

Oben: zusätzliche Leitungsbahn.<br />

Links: doppelt leitender AV-Knoten.<br />

In beiden Fällen kann der Strom über die<br />

zweite Verbindung von den Kammern in die<br />

Vorhöfe zurückfließen und unter bestimmten<br />

Umständen zu einer kreisenden Erregung<br />

führen. Dadurch entsteht Herzjagen.<br />

mehreren Kathetern wird die Ausbreitung der elektrischen<br />

Erregung im Herzen gemessen (Abb. 3a,<br />

S. 26). Durch eine kurze Stromabgabe über die Katheter<br />

(nicht schmerzhafte, elektrische Impulse)<br />

kann das Herz zum schnelleren Schlagen gebracht<br />

werden (elektrische Stimulation des Herzens). So<br />

kann gutartiges Herzjagen hervorgerufen werden.<br />

Während das Herz rast, können für das Herzjagen<br />

verantwortliche Strukturen erkannt werden wie<br />

z. B. zusätzliche Leitungsbahnen, ein doppelt leitender<br />

AV-Knoten oder Schrittmacherzentren am<br />

falschen Ort. Es kann auch zwischen gutartigem<br />

und potentiell gefährlichem Herzjagen unterschieden<br />

werden. Das während der Untersuchung ausgelöste<br />

Herzjagen kann durch die Abgabe nicht<br />

spürbarer, elektrischer Impulse über die Katheter<br />

beendet werden.<br />

25


26<br />

Abb. 3 a Abb. 3 b<br />

Katheter im<br />

Vorhofohr<br />

Neuartige Mappingsysteme<br />

Ablationskatheter<br />

Katheter im<br />

Koronarsinus<br />

Katheter in der Spitze der<br />

rechten Herzkammer<br />

Abb. 3 a (links): Typische Lage der Katheter im Herzen bei<br />

einer Katheterablation einer zusätzlichen Leitungsbahn in<br />

der üblichen Röntgendurchleuchtung. Die Abbildung<br />

zeigt einen Katheter, der in der großen Herzvene (dem sogenannten<br />

„Coronarsinus“) liegt, und einen weiteren Katheter,<br />

mit dem Hochfrequenzenergie zur Ablation abgegeben<br />

werden kann. Die Katheterspitze liegt an der Mitralklappe<br />

direkt auf der zusätzlichen Leitungsbahn (der<br />

„Kurzschlussverbindung“) kurz vor Abgabe der Hochfrequenzenergie.<br />

Abb. 3 b (rechts): Darstellung der gleichen Katheter wie im<br />

linken Bild mit einem nicht-fluoroskopischen Katheterlokalisationssystem<br />

(LocaLisa®), mit dem die Katheterpositi-<br />

Die Positionierung der Katheter bei der elektrophysiologischen<br />

Untersuchung erfolgt zumeist unter<br />

Kontrolle mit Röntgenstrahlen. Seit Mitte der<br />

90er Jahre stehen sogenannte Mappingsysteme zur<br />

Verfügung, die die Position von elektrophysiologischen<br />

Kathetern im Herzen durch die Messung<br />

von sehr kleinen Strom- oder Magnetfeldern messen<br />

und auf einem Computerbildschirm darstellen<br />

können. Mit solchen Systemen kann die Position<br />

der Katheter während der Untersuchung ohne<br />

Röntgenstrahlen dargestellt werden (Abb. 3 b, 4).<br />

Dies hilft, Röntgenstrahlen zu sparen. Zudem kann<br />

durch die Kombination der gemessenen elektrischen<br />

Daten von der Katheterspitze und der Position<br />

der Katheter die Erregungsausbreitung während<br />

des Herzjagens präzise am Computerbildschirm<br />

dargestellt und analysiert werden. Diese<br />

technisch aufwendigen Systeme tragen schon <strong>heute</strong><br />

dazu bei, dass Katheterablationen und elektrophysiologische<br />

Untersuchungen schonender, d.h.<br />

Ablationskatheter<br />

Katheter im Koronarsinus<br />

on während der Untersuchung ohne Röntgenstrahlen in<br />

Echtzeit dargestellt werden kann. Die nicht-fluoroskopische<br />

Darstellung erfolgt nicht nur ohne Röntgenstrahlen,<br />

sie ermöglicht auch eine dreidimensionale Darstellung<br />

der Katheterposition. Es gibt inzwischen mehrere<br />

solcher Systeme (vgl. Abb. 4). Augenblicklich werden<br />

aus Sicherheitsgründen während der Untersuchung zusätzlich<br />

zu solchen Katheterlokalisationssystemen Röntgenstrahlen<br />

eingesetzt. Die Katheterlokalisationssysteme<br />

helfen jedoch, die Röntgenstrahlenbelastung deutlich zu<br />

senken. Vielleicht ist es in Zukunft möglich, durch den<br />

Einsatz solcher Systeme vollständig auf Röntgenstrahlen<br />

bei der Katheterablation zu verzichten.<br />

unter weniger Verwendung von Röntgenstrahlen,<br />

durchgeführt werden können. Außerdem ermöglicht<br />

die Darstellung der Erregungsausbreitung am<br />

Computer in vielen Fällen eine Katheterablation<br />

auch bei seltenen, schwierig zu verstehenden Formen<br />

von gutartigem Herzjagen, die z. B. nach Herzoperationen<br />

oder bei Patienten mit angeborenen<br />

Herzfehlern auftreten können. Einige Systeme erlauben<br />

schon <strong>heute</strong>, die Katheterpositionen auf ein<br />

zuvor angefertigtes Bild des Herzens (z. B. eine<br />

Computertomographie oder Magnetresonanztomographie<br />

des Herzens) zu projizieren. Dies soll<br />

schwierige Katheterablationen noch einfacher und<br />

sicherer machen.<br />

Was ist eine Hochfrequenz-<br />

Katheterablation?<br />

Während der elektrophysiologischen Untersuchung<br />

können durch eine Erwärmung der Katheterspitze<br />

mit Hochfrequenzstrom kleinste Areale des Herzens<br />

gezielt verödet, auf lateinisch abladiert, werden.<br />

Durch diese Technik, die sogenannte Hochfrequenz-Katheterablation,<br />

gelingt es in den meis-


Abb. 4: Computergestützte<br />

Darstellung der kreisenden<br />

Erregung während Vorhofflatterns<br />

mit dem CARTO®-<br />

System.<br />

ten Fällen, zusätzliche Verbindungen zwischen Vorhof<br />

und Kammern und Schrittmacherzentren am<br />

falschen Ort gezielt zu zerstören. Dadurch kann<br />

die endgültige Heilung von plötzlichem Herzjagen<br />

in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle erreicht<br />

werden. Seit der Einführung dieser Methode vor<br />

rund 15 Jahren konnten schon viele tausend Patienten<br />

vollständig von ihrer Neigung zum Herzjagen<br />

geheilt werden.<br />

Neben der Hochfrequenz-Katheterablation werden<br />

in sehr seltenen Fällen auch andere Energiequellen,<br />

z. B. Kälte, zur Ablation von gutartigem<br />

Herzjagen eingesetzt.<br />

Ist die Katheterablation gefährlich?<br />

Die Katheterablation ist eine invasive Maßnahme,<br />

d. h. man muss oft mehrere Katheter ins Herz einführen,<br />

und daher ist dieses Verfahren nicht ohne<br />

Risiken. Das Gesamtrisiko ist klein. Dennoch sol-<br />

Abb. 5: Vergrößerte Ansicht<br />

eines Katheters für die Katheterablation.<br />

len die spezifischen Risiken nicht unerwähnt bleiben:<br />

Für die Plazierung der Katheter sind Röntgenstrahlen<br />

erforderlich. Das bedeutet eine Strahlenbelastung.<br />

Außerdem kann es zu Blutergüssen an<br />

den Stellen kommen, an denen Katheter in Blutgefäße<br />

eingeführt werden. Durch die Verödungen<br />

(Ablation) können in sehr seltenen Fällen der Herzmuskel<br />

oder die Blutgefäße an Stellen geschädigt<br />

werden, die nicht Ziel der Ablationsbehandlung<br />

sind. Dies kann dazu führen, dass ein Herzschrittmacher<br />

oder eine Gefäßstütze (Stent) eingesetzt<br />

werden muss. Auch sind in seltenen Fällen Schlaganfälle<br />

beobachtet worden. Insgesamt ist die Gefahr<br />

ernsthafter Komplikationen so gering, dass die<br />

Katheterablation die Behandlung der ersten Wahl<br />

für die meisten Formen von gutartigem Herzrasen<br />

darstellt.<br />

Ist die Katheterablation schmerzhaft?<br />

Die Verödung mit Hochfrequenzstrom kann zu unangenehmen<br />

Brennen in der Brust, manchmal auch<br />

zu Brustschmerzen führen. Daher erhält der Patient<br />

in der Regel vor der Ablation sowohl ein Beruhigungs-<br />

wie ein Schmerzmittel.<br />

27


Gibt es Medikamente, die das Auftreten<br />

von Herzjagen verhindern können?<br />

Das Auftreten von Herzjagen kann in einigen Fällen<br />

durch die dauerhafte Einnahme von Medikamenten<br />

verhindert werden. Diese Medikamente<br />

(z. B. Betablocker, Calciumantagonisten vom<br />

Verapamil-Typ, Natriumkanalblocker und Kaliumkanalblocker)<br />

wirken, indem sie die Leitung der<br />

elektrischen Erregung zwischen Vorhof und Kammer<br />

verlangsamen oder kurzzeitig unterbinden,<br />

oder indem sie die falschen (ektopen) Schrittmacherzentren<br />

hemmen. In einigen Fällen gelingt<br />

es, die Anfälle vollständig zu unterdrücken, in anderen<br />

Fällen werden die Anfälle durch die Medikamentenwirkung<br />

seltener, kürzer und erträglicher.<br />

Wie bei der Katheteruntersuchung müssen<br />

Nutzen und Risiken der Medikamentenbehandlung<br />

im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden.<br />

Die oben erwähnten Manöver zur Beendigung eines<br />

Anfalls von Herzjagen (s. Tab. 2, S. 24) wirken<br />

übrigens ähnlich wie die Medikamente, die Herzjagen<br />

beenden: Durch tiefes Atmen oder das Trinken<br />

von kaltem Wasser werden bestimmte Nerven,<br />

insbesondere der sogenannte Vagus, angeregt. Dadurch<br />

kommt es zu einer kurzzeitigen Verlangsamung,<br />

eventuell sogar zur Unterbrechung der<br />

Erregungsleitung im AV-Knoten und letztendlich<br />

zur Beendigung des Herzjagens.<br />

Zusammenfassung<br />

Gutartiges Herzjagen ist eine relativ häufige<br />

<strong>Herzrhythmus</strong>störung, die durch die<br />

genaue Kenntnis der Anfälle und<br />

des Elektrokardiogramms in<br />

Ruhe und während eines<br />

Anfalls vom normalen schnellen Herzschlag während<br />

Anstrengung oder Aufregung und von anderen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> in der Regel unterschieden<br />

werden kann. In manchen Fällen ist es<br />

dagegen erst durch eine elektrophysiologische<br />

Herzkatheteruntersuchung möglich, gutartiges von<br />

gefährlichem Herzjagen zu unterscheiden.<br />

Wenn gutartiges Herzjagen festgestellt wird, ist es<br />

durch eine Hochfrequenz-Katheterablation oft<br />

möglich, die Ursache des Herzjagens dauerhaft zu<br />

beseitigen. Diese Maßnahme ist sinnvoll und notwendig,<br />

wenn die Anfälle häufiger auftreten<br />

und/oder mit erheblichen Beschwerden einhergehen.<br />

Alternativ oder beim sehr seltenen Nichtgelingen<br />

der Ablation kann eine dauerhafte Medikamenteneinnahme<br />

zur Verhinderung oder Linderung<br />

der Beschwerden erwogen werden. In leichten<br />

Fällen genügt es manchmal, Techniken zu<br />

erlernen, die die Anfälle beenden, oder Medikamente<br />

zur Beendigung mit sich zu führen.<br />

Die Beschwerden, unter denen Annette A. leidet,<br />

lassen sich mit großer Wahrscheinlichkeit durch<br />

eine Hochfrequenz-Katheterablation beheben,<br />

dann kann sie auch wieder Auto fahren.


Das Stolperherz: Extrasystolen<br />

Im Jahre 1713 publizierte Valentini<br />

in der von ihm in Frankfurt<br />

herausgegebenen Medicina novantiqua<br />

ein „Schema pulsuum“.<br />

In Form eines Notenblattes ist<br />

folgendes zu erkennen: Der gleichmäßige<br />

Puls (Pulsus aequalis)<br />

und der ungleichmäßige Puls<br />

(Pulsus inaequalis); der tanzende<br />

oder hüpfende Puls, der am<br />

ehesten das Stolperherz repräsentiert<br />

(Pulsus caprizans, eigentlich:<br />

launenhaft, eigenwillig)<br />

und schließlich der doppelschlägige<br />

Puls, der Pulsus dicrotus.<br />

Herzstolpern heißt in der medizinischen Fachsprache<br />

Palpitation und bedeutet eigentlich Herzzucken,<br />

Herzklopfen. Umgangssprachlich werden<br />

auch die Bezeichnungen Herzkasper oder Herzklabastern<br />

und ähnliches verwendet. Äußerungen<br />

wie „Mir blieb vor Schreck das Herz stehen.“; „Vor<br />

Angst (oder Freude) schlug mir das Herz bis zum<br />

Halse.“ zeigen, wie sehr das Stolperherz in allen<br />

Varianten im Volksmund verbreitet ist. So kann das<br />

Herz auch im Volkslied wie in der Dichtkunst klopfen<br />

und schlagen, hämmern und pochen, flimmern<br />

und flattern, zittern und stocken und sogar stehenbleiben.<br />

Dabei handelt es sich stets um das unangenehme<br />

Bewusstwerden der eigenen Herzaktionen,<br />

wie es sowohl bei Gesunden wie bei Herzkranken<br />

beobachtet werden kann.<br />

Insgesamt können die subjektiv empfundenen<br />

Herzaktionen bei Herzklopfen sowohl verlangsamt,<br />

beschleunigt oder unregelmäßig sein. Sie sind prinzipiell<br />

nur sicher zu interpretieren, wenn sie durch<br />

eine Herzstromkurve, ein Elektrokardiogramm,<br />

aufgezeichnet wurden. Herzstolpern wird nach Extraschlägen<br />

aus den Herzvorhöfen oder – häufiger<br />

– nach solchen aus den Herzkammern mit verlängerten<br />

Pulsabständen gespürt. Vielfach lässt sich<br />

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Berndt Lüderitz, Bonn<br />

die Ursache gar nicht erfassen. Insofern wurde diese<br />

Form des Herzstolperns von dem berühmten<br />

Rhythmusspezialisten Wenckebach als Unfug der<br />

Natur bezeichnet.<br />

Zur Geschichte des Stolperherzens<br />

Seit alters her beeindruckt wohl kaum ein Symptom<br />

den Patienten und den Arzt mehr, als der unregelmäßige<br />

Herzschlag. Wie eng Leben und <strong>Herzrhythmus</strong><br />

zusammenhängen, lässt sich bereits bei<br />

Friedrich II., dem „Großen”, erfahren. Wenn er in<br />

einem Brief an seine Schwester Wilhelmine, den<br />

er als Kronprinz 1738 verfasste, schrieb: „... ich<br />

fürchtete Erstickungsanfälle, am meisten aber belästigen<br />

mich Schlaflosigkeit und unerträgliches<br />

Herzklopfen ...”, dann ist dieses Herzklopfen wohl<br />

nicht Folge einer Herzkrankheit, sondern eher Ausdruck<br />

einer unsteten, zerrissenen Natur.<br />

Obwohl die Messung der Pulse seit dem Altertum<br />

in Mitteleuropa allgemein bekannt war, konnte der<br />

Puls erst, nachdem die Uhr mit Sekundenzeigern<br />

um das Jahr 1700 erfunden worden war, genau gemessen<br />

werden. Aber erst Willem Einthoven (1860<br />

– 1927) hat mit der Elektrokardiographie begon-<br />

29


nen, <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> zu erfassen (Abb.<br />

S. 34). 1895 hatte er ein in seinem Labor mit dem<br />

Kapillarreflektometer aufgezeichnetes und ein konstruiertes<br />

Elektrokardiogramm angegeben, das alle<br />

Details heutiger Elektrokardiogramme aufwies<br />

(Abb. S. 34). Das konstruierte Elektrokardiogramm<br />

zeigte fünf Wellen, für die Einthoven die Bezeichnungen<br />

P, Q, R, S, T einführte, die noch <strong>heute</strong> verwendet<br />

werden. 1902 leitete Einthoven erstmals<br />

Elektrokardiogramme mit dem Saitengalvanometer<br />

ab, wobei er eine sehr gute Übereinstimmung<br />

mit den zuvor konstruierten Kurven fand. 1924 erhielt<br />

Einthoven für seine Pionierarbeiten über den<br />

Mechanismus des Elektrokardiogramms den Nobelpreis.<br />

30<br />

Ursachen des Stolperherzens<br />

Grundlagen des Stolperherzens sind meist Extraschläge<br />

aus den Vorhöfen oder Kammern des Herzens<br />

(Extrasystolen). Es finden sich auch doppelschlägige<br />

Extrasystolen oder Salven wie auch<br />

anfallsweise Formen der Pulsbeschleunigung, Herzjagen<br />

oder ein (krankhaft) verlangsamter unregelmäßiger<br />

Puls. Dieses Herzstolpern kann beim Gesunden<br />

auftreten, emotional hervorgerufen durch<br />

Stress, Aufregung, Angst, Freude oder Nervosität,<br />

aber natürlich auch beim herzkranken Patienten<br />

mit koronarer Herzkrankheit, Herzinfarkt, Herzklappenfehler<br />

und degenerativen Erkrankungen,<br />

bei Schilddrüsenüberfunktion, bei Unfällen und<br />

Operationen, bei Kaliummangel und anderen Elektrolyt<strong>störungen</strong>.<br />

Schließlich bei Medikamentenüberdosierung<br />

bzw. Vergiftung (z. B. mit Digitalis<br />

aus dem Fingerhut) und als Nebenwirkung verschiedener<br />

Arzneimittel. Nicht zuletzt können die<br />

Genussgifte Alkohol, Koffein und Nikotin zu Extrasystolen<br />

und somit zum Stolperherzen führen.<br />

Eine weitere wichtige Ursache des Stolperherzens<br />

ist das Vorhofflimmern, d.h. das völlig unkoordinierte,<br />

unregelmäßige schnelle Zucken der Herzvorhöfe,<br />

das zu einem unregelmäßigen Puls mit<br />

unterschiedlich langen Pausen führt. Herzstolpern<br />

ist mit etwa 75 % das bei weitem häufigste klini-<br />

sche Symptom bei Vorhofflimmern, das den Patienten<br />

zum Arzt führt (s. Tab. S. 31). Vorhofflimmern<br />

gilt als die verbreitetste Rhythmusstörung.<br />

Insgesamt ist davon auszugehen, dass etwa<br />

800 000 Patienten in Deutschland an Vorhofflimmern<br />

und damit zum großen Teil am Stolperherzen<br />

leiden. In der Europäischen Union sind schätzungsweise<br />

4,5 Mio. Menschen von Vorhofflimmern<br />

betroffen.<br />

Als Ursachen des Vorhofflimmerns sind zu nennen:<br />

Herzklappenfehler, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit,<br />

Schilddrüsenüberfunktion, Herzinfarkt<br />

und Alkohol. In etwa 10 % der Fälle lässt sich keine<br />

Ursache feststellen.<br />

Diagnostik des Stolperherzens<br />

Am Anfang stehen die Beschwerden (s. Tab., S. 31),<br />

die den Patienten zum Arzt führen. Hier stellt sich<br />

dann die Frage: Liegt überhaupt eine Rhythmusstörung<br />

vor? Die subjektiven Angaben des Patienten<br />

und die objektiven Befunde sind also mit <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

in Verbindung zu bringen. Im<br />

Einzelnen ist nach Vorhofflimmern, nach Extraschlägen<br />

und anderen Rhythmus<strong>störungen</strong> zu fahnden,<br />

die sich mit dem Begriff Stolperherz bezeichnen<br />

lassen.<br />

Das Elektrokardiogramm weist in vielen Fällen bereits<br />

den Weg zur Diagnose. Das einfache EKG als<br />

Dokumentation der <strong>Herzrhythmus</strong>störung kann<br />

ergänzt werden durch ein Belastungs-EKG, um<br />

krankhaft erniedrigte Herzschlagfolgen (z. B. sogenannte<br />

pathologische Bradykardie) zu erkennen<br />

oder belastungsabhängige Extraschläge, die<br />

in den Vorhöfen oder Hauptkammern des Herzens<br />

ihren Ursprung haben, zu beurteilen. Die größte<br />

Bedeutung bei der Aufklärung von <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

kommt dem 24-Stunden-Langzeit-EKG<br />

zu.<br />

Da die meisten <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> nur gelegentlich<br />

auftreten, wächst die Zahl krankhafter Befunde<br />

mit der zeitlichen Dauer der Dokumentation.<br />

Vielfach ist in diesem Zusammenhang ein


Symptome des Stolperherzens<br />

(nach Häufigkeit)<br />

Herzklopfen (Palpitationen)<br />

Kurzatmigkeit<br />

Schwitzen<br />

Brustbeschwerden, Druckgefühl<br />

Müdigkeit<br />

Übelkeit, Kopfschmerzen<br />

Angst<br />

Schwindel<br />

verstärktes Wasserlassen<br />

keine Beschwerden (selten)<br />

Rhythmusstreifen im EKG hilfreich, d. h. mehrere<br />

Minuten währende EKG-Ableitungen mit möglichst<br />

gut erkennbaren Vorhoferregungen und niedriger<br />

Papiervorschubgeschwindigkeit. Gelingt mit dem<br />

Rhythmusstreifen die Diagnose nicht, so ist ein<br />

Langzeit-EKG anzufertigen, das in den meisten Fällen<br />

dann die Diagnose zulässt. Wenn nicht, ist eine<br />

weitergehende Herzdiagnostik eventuell unter Einschluss<br />

einer Katheteruntersuchung angezeigt.


32<br />

Zur Behandlung des Stolperherzens<br />

1. Das durch Extraschläge bedingte Stolperherz<br />

ohne zugrundeliegende Erkrankung (eine Ausschlussdiagnose!)<br />

braucht nicht behandelt zu werden<br />

– es sei denn, heftige Beschwerden erzwingen<br />

eine Therapie. Dann kommen z. B. Betablocker<br />

in Frage.<br />

Sonst ist das Grundleiden der Patienten, z. B. koronare<br />

Herzkrankheit, Schilddrüsenerkrankungen,<br />

Hochdruck etc. zu behandeln. Nur in hartnäckigen<br />

Fällen, wenn die Rhythmusstörung das Leben<br />

sehr belastet, können Rhythmusmittel im engeren<br />

Sinne verordnet werden, die wegen ihrer möglichen<br />

Nebenwirkungen jedoch nicht unkritisch<br />

genommen werden sollten. Eine Lebensverlängerung<br />

wird dadurch nicht erreicht, häufig aber eine<br />

Verbesserung der Lebensqualität.<br />

2. Ist das Stolperherz durch Vorhofflimmern oder<br />

eine andere Rhythmusstörung verursacht, so geht<br />

es auch hier zunächst darum, die zugrundeliegende<br />

Erkrankung zu therapieren. Der Arzt behandelt<br />

nicht das EKG, sondern den leidenden Patienten.<br />

Dabei sind <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> für sich genommen<br />

keine eigene Krankheit, sondern nur<br />

Symptom oder Komplikation eines zugrundeliegenden<br />

Leidens, das meist eine Herzerkrankung<br />

ist. Insofern stellen die Rhythmus<strong>störungen</strong>, Extrasystolen<br />

ebenso wie Vorhofflimmern und andere<br />

Rhythmus<strong>störungen</strong>, nur die Spitze des Eisbergs<br />

über Wasser dar. Es obliegt dem behandelnden<br />

Arzt, die gleichsam unter Wasser liegenden fünf<br />

Sechstel des Krankheitsbildes zu ergründen, d. h.<br />

das Grundleiden zu identifizieren, zu behandeln<br />

und damit die symptomatische Spitze über Wasser<br />

zum Schmelzen zu bringen.<br />

Zugleich sollte jedoch versucht werden, das Vorhofflimmern<br />

zu beseitigen und den normalen regelmäßigen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong> wiederherzustellen.<br />

Dies geschieht elektrisch (z. B. durch Elektroschock<br />

von außen oder im Herzen selbst, in besonderen<br />

Fällen durch ein Elektroschock-Schrittmachersystem)<br />

oder mit Medikamenten, die dann meist auf<br />

Dauer eingenommen werden müssen. Ist eine Regularisierung<br />

nicht zu erreichen, so sollte durch<br />

Rhythmusmittel wenigstens eine annähernd normale<br />

Herzschlagfolge zwischen 60 und 90 Schlägen<br />

pro Minute wiederhergestellt werden. Wichtig<br />

ist bei Vorhofflimmern die blutverdünnende,<br />

d. h. gerinnungshemmende Therapie,<br />

um Gerinnsel mit nachfolgenden Gefäßverschlüssen<br />

(Embolien) zu vermeiden.<br />

Die medikamentöse Therapie<br />

der <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

(z. B. Extrasystolie und<br />

Vorhofflimmern als Ursache<br />

des Stolperherzens)<br />

setzte – historisch<br />

gesehen –<br />

erst mit der systematischenErprobung<br />

pflanzlicher<br />

Inhaltsstoffe ein.<br />

Der französische<br />

Arzt Jean-Baptiste<br />

Sénac (1693 –<br />

1770) hat bereits<br />

1749 auf die günstige<br />

Wirkung des<br />

Chinins bei Herzklopfen<br />

hingewiesen


Pulsanalyse im alten Tibet<br />

(17./18. Jahrhundert). Ausschnitt<br />

aus einer tibetischen<br />

Bildtafel (Thangka) im Hospital<br />

für traditionelle tibetische<br />

Medizin in Lhasa. Ende des<br />

17. Jahrhunderts wurden in<br />

Tibet bereits in höchst differenzierter<br />

Weise Pulse gemessen.<br />

Auch den unregelmäßigen<br />

Herzschlag, das „Herzstolpern“,<br />

kannte man bereits.<br />

und damit eine Substanz genannt, die später<br />

für die Behandlung von Vorhofflimmern<br />

eingesetzt wurde, obwohl dieses<br />

bitter schmeckende weiße Kristall<br />

der Chinarinde seit der Mitte des<br />

17. Jahrhunderts hauptsächlich als<br />

Malaria-Mittel verwendet wurde.<br />

Das von den Matrosen auf den<br />

nach Südostasien fahrenden<br />

Schiffen zur Vorbeugung gegen<br />

Malaria getrunkene chininhaltige<br />

Bitterwasser wurde zur<br />

Geschmacksaufbesserung mit<br />

Genever und später mit Gin vermischt<br />

und entwickelte sich danach<br />

zu dem bekannten Gesellschaftsgetränk<br />

Gin-Tonic. Zu<br />

beobachten war, dass bei den<br />

Seefahrern deutlich weniger<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> auftraten.<br />

Aber erst 1914 beschrieb<br />

Karel Frederick Wenckebach,<br />

wie er durch die<br />

Gabe von 1 g Chinin Vorhofflimmern<br />

beseitigen konnte.<br />

33


Aufzeichung eines Elektrokardiogramms<br />

mit Kapillarelektrometer (oben)<br />

und konstruiertes Elektrokardiogramm<br />

mit P-, Q-, R-, S- und T-Wellen.<br />

Durch Walter Frey wurde dann 1918 das Chinidin,<br />

eine chemische Abwandlung des Chinin in die antiarrhythmische<br />

Therapie eingeführt. Heute stehen<br />

uns zahlreiche moderne, hochwirksame und nebenwirkungsärmere<br />

pharmakologische Substanzen<br />

und auch elektrische Verfahren zur Verfügung.<br />

Das Stolperherz ist daher in den allermeisten Fällen<br />

erfolgreich zu kontrollieren – sofern es überhaupt<br />

behandlungsbedürftig ist.<br />

34<br />

Willem Einthoven (1860 – 1927)<br />

Tendenzen <strong>heute</strong><br />

Immer mehr Menschen sind von <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

betroffen. Entsprechend der<br />

veränderten Alterspyramide werden die Menschen<br />

älter und ab dem 60. Lebensjahr plagt<br />

viele von ihnen Herzstolpern oder ein langsamerer<br />

Herzschlag. Doch nicht nur alte Leute<br />

leiden an Rhythmus<strong>störungen</strong>. Risikofaktoren<br />

wie Rauchen, übermäßiger Alkoholgenuss,<br />

Stress, Bluthochdruck oder Zuckerkrankheit<br />

können auch bei Jüngeren die<br />

Symptome auslösen.<br />

Der Umgang der Ärzte mit den Rhythmus<strong>störungen</strong><br />

wandelt sich. Mehrere Studien haben ergeben,<br />

dass es in vielen Fällen besser wäre, mit leichtem<br />

Herzstolpern, also dem Stolperherz, unbehandelt<br />

zu leben, als potentiell nebenwirkungsbelastete<br />

Medikamente dagegen einzunehmen. Im Notfall<br />

oder bei schweren Störungen kann man natürlich<br />

nicht auf Medikamente verzichten, doch grundsätzlich<br />

werden sie auch <strong>heute</strong> noch zu leichtfertig<br />

eingenommen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel<br />

und Medizinprodukte hat ihren Anwendungsbereich<br />

eingeschränkt. Ein kritischer Umgang<br />

mit diesen Mitteln ist wichtig.<br />

Schließlich ist zu bedenken, dass Rhythmusmittel<br />

nicht die Ursache des Stolperherzens behandeln,<br />

sondern nur gegen die Beschwerden wirken. Eine<br />

<strong>Herzrhythmus</strong>störung zu heilen, gelingt nur mit einer<br />

Therapie, die auf das Grundleiden ausgerichtet<br />

ist, das die <strong>Herzrhythmus</strong>störung hervorgerufen<br />

hat.


Am häufigsten: Vorhofflimmern<br />

Das vollständig arrhythmische Herz<br />

Prof. Dr. med. Michael Oeff, Klinik für Innere Medizin I,<br />

Städtisches Klinikum Brandenburg GmbH, Brandenburg an der Havel<br />

Vorhofflimmern ist die häufigste <strong>Herzrhythmus</strong>störung.<br />

Wie sie sich beim ersten Auftreten in vielen<br />

Fällen äußert, zeigt die Geschichte des 51-jährigen<br />

Norbert B.<br />

Norbert B. kommt mit seinem anstrengenden Beruf<br />

als Klimatechniker gut zurecht. Die Arbeit ist aufreibend,<br />

aber er hat Freude daran, und es bleibt<br />

ihm auch genug Zeit, Freunde zu treffen, zu joggen<br />

und Rad zu fahren: Er ist ein gesunder, lebensfroher,<br />

vitaler Typ.<br />

Diesen Abend jedoch ist alles anders. Norbert B.<br />

fühlt sich plötzlich unruhig und schwach. Sein<br />

Herz schlägt heftig bis in den Hals hinauf, und<br />

als er die Treppe in seine Wohnung hinaufgeht,<br />

spürt er eine ganz ungewohnte Luftnot. Jetzt<br />

beginnt er, sich Sorgen zu machen. Was ist los mit<br />

seinem Herzen? Es stottert in seinem Brustkorb wie<br />

ein Motor mit zu hoher Drehzahl und heftigen<br />

Fehlzündungen. Als er sich auf sein Bett legt, wird<br />

es nicht besser. Wenn er in sich hineinhorcht,<br />

bemerkt er unregelmäßiges Rattern verbunden mit<br />

einem leichten Druckgefühl im Brustkorb und<br />

Hals. Er tastet nach seinem Puls. Der Puls ist mal<br />

kräftig, mal kaum mehr fühlbar. Die Pulsschläge<br />

sind völlig unregelmäßig und sehr schnell. Er zählt<br />

142 Schläge in der Minute. Auch in der Nacht normalisiert<br />

sich der Herzschlag nicht. Er ist froh, als<br />

der Tag anbricht.<br />

Wie sich am nächsten Morgen beim Arzt herausstellt,<br />

handelt es sich um eine sogenannte Arrhythmia<br />

absoluta, nämlich um einen vollständig unregelmäßigen<br />

Herzschlag bei Vorhofflimmern.<br />

Häufigkeit<br />

Vorhofflimmern tritt so häufig auf, dass man von<br />

einer Volkskrankheit spricht. Insgesamt leiden in<br />

Deutschland 800 000 Menschen an Vorhofflimmern.<br />

Das Risiko, von Vorhofflimmern betroffen zu wer-<br />

den, steigt mit dem Alter. Bei Menschen unter 50<br />

Jahren liegt die Häufigkeit bei deutlich unter 1 %,<br />

bei den über 60-Jährigen liegt sie bei 4 – 6 % und<br />

bei den über 80-Jährigen bei 9 – 16 %.<br />

Männer sind in jüngeren Jahren häufiger betroffen<br />

als Frauen. Weil Frauen länger leben, gibt es jedoch<br />

gleich viele männliche wie weibliche Patienten mit<br />

Vorhofflimmern.<br />

Beschwerden<br />

Meistens tritt Vorhofflimmern so in Erscheinung:<br />

Das Herz ist völlig außer Takt – chaotisch folgen<br />

die Herzschläge aufeinander. Das Herz rast mit<br />

einem Puls von bis zu 160 Schlägen pro Minute,<br />

selten sogar noch schneller. Oft sind Herzstolpern<br />

und Herzrasen verbunden mit innerer Unruhe,<br />

Angstgefühlen, Abgeschlagenheit, einer Neigung<br />

zu schwitzen, Atemnot und einer Einschränkung<br />

der körperlichen Leistungsfähigkeit.<br />

Patienten, die schon herzkrank sind, leiden häufig<br />

besonders unter Atemnot, Brustschmerz und<br />

Schwindel, denn ihr schon angeschlagenes Herz<br />

kann die <strong>Herzrhythmus</strong>störung schlechter vertragen.<br />

Allerdings: Viele Menschen wissen nicht, dass sie<br />

Vorhofflimmern haben. Vorhofflimmern tritt bei ihnen<br />

ohne Beschwerden auf und wird nur durch<br />

Zufall beim Arzt entdeckt. Manchmal zu spät, nämlich<br />

erst dann, wenn Vorhofflimmern zu einem<br />

Schlaganfall geführt hat.<br />

Vorhofflimmern in vielfältiger Gestalt<br />

In der Regel tritt Vorhofflimmern zunächst in<br />

einem plötzlichen Anfall (akutes Vorhofflimmern)<br />

auf. Die <strong>Herzrhythmus</strong>störung beginnt plötzlich<br />

und hört meist innerhalb von 24 Stunden, seltener<br />

auch nach 48 bis 72 Stunden ebenso plötzlich<br />

35


wieder auf. Wenn<br />

bei einem jungen<br />

Menschen ein einmaliges<br />

Ereignis,<br />

z. B. zuviel Alkohol,<br />

einen solchen Anfall ausgelöst hat, kann es bei<br />

dieser einen Episode bleiben.<br />

Meist aber hat diese <strong>Herzrhythmus</strong>störung die<br />

Eigenschaft, wieder aufzutreten und chronisch zu<br />

werden. Zunächst tritt das Vorhofflimmern anfallsweise<br />

auf (paroxysmales Vorhofflimmern). Im weiteren<br />

Verlauf werden die Anfälle häufiger und je<br />

öfter sie auftreten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass die Zeit bis zum nächsten Anfall sich<br />

verkürzt. Denn jeder Anfall von Vorhofflimmern<br />

hat die Tendenz, das Herz elektrisch empfindlicher<br />

zu machen.<br />

Schließlich springt das Herz nicht mehr in den normalen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong> zurück, das Vorhofflimmern<br />

bleibt bestehen (persistierendes Vorhofflimmern).<br />

Durch Medikamente oder durch eine Kardioversion<br />

lässt sich der <strong>Herzrhythmus</strong> wieder normalisieren.<br />

Bei der Kardioversion erhält der Patient<br />

über eine Infusion für wenige Minuten eine Kurznarkose.<br />

Auf Brust und Rücken werden Elektroden<br />

aufgesetzt, die einen Stromschlag auf das Herz<br />

abgeben. Diese Behandlung ist absolut schmerzfrei<br />

und hat in der überwiegenden Mehrzahl der<br />

Fälle Erfolg. Allerdings kommt es häufig zu Rückfällen.<br />

Wenn Vorhofflimmern fortschreitet, kann ein Zustand<br />

eintreten, in dem sich der <strong>Herzrhythmus</strong> jedem<br />

Normalisierungsversuch widersetzt. Es kommt<br />

zu Dauerflimmern (permanentes Vorhofflimmern).<br />

36<br />

oben: EKG-Ableitung im Herzen (linker Vorhof) bei Vorhofflimmern<br />

unten: Oberflächen-EKG bei Vorhofflimmern<br />

Was geschieht im Herzen?<br />

Bei Vorhofflimmern kreisen in den Herzvorhöfen<br />

elektrische Erregungswellen, die zu einer Vorhoffrequenz<br />

bis zu 350 Schlägen pro Minute führen.<br />

Dann können die Vorhöfe sich nicht mehr zusammenziehen,<br />

sie flimmern nur noch. An der Pumpleistung<br />

des Herzens können sie nicht mehr teilnehmen.<br />

Das leisten dann nur noch die Herzkammern<br />

selbst. Damit entfällt bis zu 20 % der Herzleistung.<br />

Fatal wäre es, wenn die hohe Frequenz der Vorhöfe<br />

auf die Herzkammern übergeleitet würde.<br />

Zum Glück hat der AV-Knoten, die einzige elektrische<br />

Verbindung zwischen Vorhöfen und Herzkammern,<br />

eine Wächterfunktion. Auch wenn er<br />

mit elektrischen Impulsen bombardiert wird, gibt<br />

er nur einem Teil dieser Impulse die Bahn zu den<br />

Herzkammern frei – das allerdings in unregelmäßigen<br />

Abständen. So entsteht in den Herzkammern<br />

eine ungeordnete, chaotische Herzschlagfolge,<br />

meistens mit hohen Frequenzen.<br />

Liegt der normale Herzschlag zwischen 60 – 100<br />

Schlägen pro Minute, so kann sich dieser bei Vorhofflimmern<br />

auf bis zu 160 Schlägen und mehr steigern.<br />

Allerdings kommt es auch vor, dass der AV-Knoten<br />

bei Vorhofflimmern zu sehr bremst, so dass die<br />

Pulsfrequenz zu niedrig wird und zu einer sogenannten<br />

Bradyarrhythmia absoluta wird, die mit<br />

einem Herzschrittmacher behandelt werden muss.


Ursachen<br />

Störende elektrische Impulse, die Vorhofflimmern<br />

hervorrufen können, kommen meist aus dem Bereich,<br />

in dem die Lungenvenen in die Hinterwand<br />

des linken Vorhofs münden. Eine wichtige Rolle<br />

für die Entstehung dieser <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

spielt die Beschaffenheit des Herzmuskelgewebes.<br />

Narben und Entzündungen verändern dessen<br />

Struktur und bereiten dadurch den Boden für die<br />

Entstehung von Vorhofflimmern. Insbesondere<br />

Herzkrankheiten führen zu solchen schädigenden<br />

Veränderungen des Herzmuskelgewebes: vor allem<br />

der hohe Blutdruck, der bei fast 40 % der Patienten<br />

mit Vorhofflimmern vorliegt, aber auch die koronare<br />

Herzkrankheit, Herzklappenerkrankungen,<br />

dilatative und hypertrophe Kardiomyopathie, Myokarditis.<br />

Auch eine Überfunktion der Schilddrüse<br />

kann Vorhofflimmern verursachen. Chronische<br />

Lungenerkrankungen und schwere Allgemeininfektionen<br />

gehen ebenfalls in erhöhtem Maße mit<br />

dieser Rhythmusstörung einher.


Bei etwa 10 % der Patienten finden sich jedoch keine<br />

Erkrankungen, die das Vorhofflimmern erklären<br />

können. In diesen Fällen sprechen die Ärzte<br />

von idiopathischem, d. h. eigenständigem Vorhofflimmern<br />

(lone atrial fibrillation). Gerade bei Patienten<br />

mit Herzerkrankungen, aber auch bei Gesunden,<br />

gibt es Reize (sogenannte Trigger), die<br />

Vorhofflimmern auslösen können: Alkohol, Schlafentzug,<br />

emotionaler Stress, Koffein, opulente Mahlzeiten.<br />

38<br />

Persistierendes Vorhofflimmern<br />

vor Kardioversion<br />

Folgen<br />

Vorhofflimmern an sich ist nicht lebensbedrohlich.<br />

Aber es kann zu schwerwiegenden Folgen führen,<br />

wenn es nicht behandelt wird.<br />

Beim Vorhofflimmern verlangsamt sich die Geschwindigkeit<br />

des Blutflusses in den Vorhöfen. Dadurch<br />

entstehen Blutgerinnsel, besonders in einer<br />

Ausbuchtung des Vorhofs, dem sogenannten Herzohr<br />

(s. Abb. S. 39). Werden diese Gerinnsel vom<br />

Blutstrom mitgeschleppt, dann können sie Arterien<br />

verschließen. Besonders gefürchtet ist der Verschluss<br />

einer Gehirnarterie: Schlaganfall. Der<br />

Elektrokardioversion<br />

Sinusrhythmus<br />

nach Kardioversion<br />

Schlaganfall ist die größte Gefahr, die vom Vorhofflimmern<br />

ausgeht. Die Gefährdung ist jedoch<br />

sehr unterschiedlich. Junge, herzgesunde Menschen<br />

mit Vorhofflimmern sind wenig gefährdet.<br />

Alte, herzkranke Patienten haben ein hohes Risiko.<br />

Um sie vor dem Schlaganfall zu schützen, müssen<br />

konsequent gerinnungshemmende Medikamente<br />

gegeben werden (siehe im Einzelnen S. 65).<br />

Eine weitere Gefahr besteht darin, dass das Herz<br />

durch die schnelle Herzschlagfolge geschädigt wird,<br />

so dass es zu einer Herzschwäche kommen kann.<br />

Dieser Prozess kann schleichend erfolgen, aber<br />

auch plötzlich zu einem akuten Herzversagen führen,<br />

wenn die hohe Pulsfrequenz wochenlang anhält.<br />

Man spricht dann von einer Tachymyopathie.<br />

So ist es dem 44-jährigen Betriebswirt Gerhard W.<br />

ergangen. Er hatte gemeinsam mit seiner Frau den<br />

dringend benötigten Urlaub auf Mallorca angetreten.<br />

Schon in der Woche vor Urlaubsbeginn hatte<br />

er sich wenig leistungsfähig gefühlt. Trotz des<br />

wunderbaren Wetters und eines exzellenten Hotels<br />

wurde das Befinden nicht besser, im Gegenteil, er<br />

hatte oft Mühe, Luft zu bekommen, nahm deutlich<br />

an Gewicht zu, die Beine wurden immer


Linker Vorhof<br />

Gerinnsel im<br />

Vorhof bei<br />

Vorhofflimmern<br />

dicker. Aufgefallen war ihm, dass das Herz sehr<br />

viel schneller als sonst schlug, aber darüber dachte<br />

er nicht weiter nach.<br />

Erst Tage nach seiner Rückkehr suchte er den Arzt<br />

auf. Der wies ihn sofort in eine Klinik ein: Ein<br />

offenbar seit Wochen bestehender schneller unregelmäßiger<br />

Herzschlag bei Vorhofflimmern, eine<br />

sogenannte Tachyarrhythmia absoluta, hatte zu<br />

einer schweren Schwächung der Herzfunktion<br />

geführt. Durch die andauernd hohe Herzschlagfolge<br />

und die damit verbundene Herzbelastung<br />

war die Auswurfleistung des Herzens auf etwa<br />

30 % verringert. In der Klinik wurde der <strong>Herzrhythmus</strong><br />

durch eine Kardioversion regularisiert,<br />

das Herz durch Medikamente entlastet. Zur Weiterbehandlung<br />

erhielt Gerhard W. einen Betablocker<br />

und eine Gerinnungshemmung wurde<br />

eingeleitet.<br />

Gerhard W. fühlte sich rasch besser. Die Pumpfunktion<br />

des Herzens hat sich aber erst nach vielen<br />

Monaten wieder erholt.<br />

Die Ultraschallaufnahme<br />

zeigt ein Gerinnsel im linken<br />

Vorhof, das im Blutstrom<br />

mitgerissen einen Schlaganfall<br />

verursachen kann.<br />

Wichtig: Bei Herzschwäche kann ein Anfall<br />

von Vorhofflimmern den Krankheitszustand<br />

akut verschlechtern. Das Vorhofflimmern<br />

muss daher durch eine Kardioversion beendet<br />

werden.<br />

Untersuchungen<br />

In vielen Fällen wird die Vorgeschichte, die<br />

körperliche Untersuchung sowie ein Ruhe-<br />

EKG die Diagnose des Vorhofflimmerns sichern.<br />

Das EKG gibt Auskunft über die elektrische<br />

Aktivität des Herzens. Dadurch lässt<br />

sich Vorhofflimmern eindeutig diagnostizieren,<br />

z. B. während eines Anfalls.<br />

Im Langzeit-EKG wird die Pulsschlagfolge bei<br />

Vorhofflimmern unter Alltagsbedingungen<br />

kontrolliert. Es können dadurch auch mehr<br />

oder weniger lange Vorhofflimmerepisoden<br />

bei sonst normalem Rhythmus entdeckt werden.<br />

Bei nur selten auftretenden Episoden hilft sehr gut<br />

ein Telemonitoring zur Diagnostik: Ein scheckkartengroßes<br />

EKG-Gerät trägt der Patient ständig bei<br />

sich. Dieses registriert den <strong>Herzrhythmus</strong>, wenn<br />

das Vorhofflimmern auftritt. Nach der Übertragung<br />

des EKGs über ein normales Telefon wird es vom<br />

Arzt ausgewertet. Selten auftretende Störungen<br />

können damit erfolgreich identifiziert werden.<br />

Blutuntersuchungen überprüfen die Nieren-, Leber-<br />

und Schilddrüsenfunktion ebenso wie die Elektrolyte<br />

Magnesium und Kalium.<br />

Abgeklärt werden muss, ob eine Herzerkrankung<br />

dem Vorhofflimmern zugrundeliegt: Belastungs-<br />

EKG, Herzecho, evtl. auch die Herzkatheteruntersuchung<br />

können dies klären. Insbesondere ist dabei<br />

nach einem Herzklappenfehler, einem schlecht<br />

eingestellten hohen Blutdruck, einer Verengung<br />

der Herzkranzgefäße oder einer eingeschränkten<br />

Pumpfunktion des Herzens (Herzschwäche) zu suchen.<br />

Bei jungen Patienten, bei erheblichen Beschwerden<br />

und bei bestimmten anderen Herzrhyth-<br />

39


mus<strong>störungen</strong> wie z. B. Vorhofflattern oder WPW-<br />

Syndrom (Wolff-Parkinson-White-Syndrom), ist<br />

eine sogenannte elektrophysiologische Untersuchung<br />

erforderlich. Dabei können die elektrischen<br />

Ströme, die durch das Herz fließen, direkt gemessen<br />

werden.<br />

Auch die Lungenfunktion muss überprüft werden.<br />

40<br />

Therapie<br />

Neu auftretendes Vorhofflimmern sollte den Patienten<br />

zum Arzt führen, möglichst innerhalb der<br />

ersten 24, spätestens aber nach 48 Stunden, damit<br />

die Rhythmusstörung abgeklärt und so rechtzeitig<br />

behandelt werden kann, dass keine gefährlichen<br />

Blutgerinnsel in den Herzvorhöfen entstehen.<br />

Soll Vorhofflimmern erfolgreich therapiert werden,<br />

kommt es darauf an, Herzkrankheiten wie Bluthochdruck,<br />

koronare Herzkrankheit, Klappenerkrankungen,<br />

Kardiomyopathie, die als Ursache<br />

der <strong>Herzrhythmus</strong>störung in Frage kommen, zu<br />

diagnostizieren und konsequent zu behandeln. Bei<br />

einem großen Teil der Patienten handelt es sich<br />

um einen hohen Blutdruck, der zuverlässig einge-<br />

Herzfrequenzverlauf in einem Langzeit-EKG eines<br />

Patienten mit zwei Episoden von anfallsweisem Vorhofflimmern.<br />

Eingefügte EKG-Streifen während Sinusrhythmus<br />

(links) und während Arrhythmia absoluta (rechts).<br />

stellt werden muss. Dabei trifft es sich gut, dass Medikamente<br />

wie ACE-Hemmer und Sartane, die den<br />

Blutdruck senken, nach neueren Erkenntnissen zugleich<br />

direkt das Vorhofflimmern günstig beeinflussen.<br />

Anzumerken ist, dass Übergewicht nicht nur ein<br />

Risikofaktor für hohen Blutdruck und andere Herzkrankheiten<br />

ist, sondern auch direkt das Risiko für<br />

Vorhofflimmern erhöht. Um Vorhofflimmern zu<br />

verhindern oder einzudämmen, sollte Normalgewicht<br />

angestrebt werden.<br />

Heute stehen für die Behandlung von Vorhofflimmern<br />

viele spezielle Therapien zur Verfügung. Hier<br />

hat es in den letzten Jahren große Fortschritte gegeben.<br />

Das gilt für die Behandlung mit<br />

■ Medikamenten,<br />

■ nicht-medikamentösen Verfahren, bei denen<br />

<strong>heute</strong> die Katheterablation von Vorhofflimmern<br />

im Vordergrund steht,<br />

■ operativen Verfahren.<br />

Der heutige Stand der verschiedenen Therapiemöglichkeiten<br />

wird in den folgenden Kapiteln erörtert.<br />

Dabei wird besonders auf die Probleme der<br />

Gerinnungshemmung eingegangen.


Medikamente gegen Vorhofflimmern<br />

Wirkungen, Nebenwirkungen, Pill in the Pocket<br />

Helfen Medikamente bei Vorhofflimmern?<br />

Wie steht es mit den Nebenwirkungen?<br />

Sind Medikamente überhaupt<br />

nötig, wenn das Vorhofflimmern keine<br />

oder nur wenige Beschwerden auslöst?<br />

Kann man nicht auf sie verzichten?<br />

Vorhofflimmern ist zwar nicht lebensbedrohend,<br />

kann aber schwerwiegende<br />

Folgen haben. Wichtige Gründe<br />

sprechen dafür,Vorhofflimmern durch<br />

Medikamente zu behandeln. Die Möglichkeiten<br />

der Rhythmustherapie sind<br />

<strong>heute</strong> vielfältiger und effektiver, aber<br />

auch komplizierter als noch vor wenigen<br />

Jahren. Sie hat folgende Ziele:<br />

■ Anfälle von Vorhofflimmern zu verhindern.<br />

Vorhofflimmern hat die Tendenz, sich<br />

selbst zu verstärken und immer häufiger aufzutreten.<br />

Die Medikamente sollen diesen Prozess<br />

aufhalten oder abbremsen.<br />

■ das Herz zu schützen, damit die Belastung durch<br />

Herzrasen nicht zur Herzschwäche führt oder<br />

eine bestehende Herzschwäche noch weiter<br />

verschlimmert.<br />

■ die Beschwerden erträglicher zu machen und<br />

die Lebensqualität zu verbessern – auch<br />

dadurch, dass weniger Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte<br />

notwendig werden.<br />

Da Vorhofflimmern meist durch andere Krankheiten<br />

verursacht wird, ist es wichtig, die Grunder-<br />

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Berndt Lüderitz, Bonn<br />

krankung möglichst effektiv<br />

zu behandeln. Zum Beispiel<br />

muss der Bluthochdruck, der bei<br />

der Entstehung von Vorhofflimmern<br />

eine so große Rolle spielt, gut<br />

eingestellt werden. Dasselbe gilt für eine<br />

gestörte Schilddrüsenfunktion, für Klappenund<br />

Lungenerkrankungen und für die koronare<br />

Herzkrankheit. Das ist die Voraussetzung<br />

dafür, dass die Therapie mit Rhythmusmedikamenten<br />

erfolgreich ist. Möglichkeiten<br />

und Grenzen dieser Therapie,<br />

auch die neuen Entwicklungen, die sich<br />

in den letzten Jahren ergeben haben, sollen<br />

im folgenden dargestellt werden.<br />

Zwei Möglichkeiten<br />

Für die Therapie mit Rhythmusmedikamenten<br />

(Antiarrhythmika) gibt es zwei Möglichkeiten:<br />

■ die Rhythmuskontrolle: d. h. das Vorhofflimmern<br />

zu beseitigen und einen regelmäßigen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong> aufrechtzuerhalten;<br />

■ die Frequenzkontrolle: d. h. nur das Herzrasen<br />

(die schnelle Herzschlagfolge von bis zu 160<br />

Schlägen pro Minute) zu normalisieren, so dass<br />

die Herzfrequenz in Ruhe zwischen 60 und 90<br />

und unter Belastung zwischen 90 und 115 Schlägen<br />

pro Minute liegt. Das Vorhofflimmern selbst<br />

wird belassen.<br />

41


Rhythmuskontrolle: Rhythmuskontrolle ist vor allem<br />

bei Patienten sinnvoll, bei denen die Rhythmusstörung<br />

neu aufgetreten ist, und bei Patienten,<br />

die durch den chaotischen <strong>Herzrhythmus</strong> ausgeprägte<br />

Beschwerden haben. Eine ganze Reihe von<br />

Medikamenten steht dafür zur Verfügung. Sie haben<br />

verschiedene Wirkprofile und verschiedene<br />

Nebenwirkungen. Eine genaue Diagnose, auch aller<br />

Begleiterkrankungen, ist Voraussetzung der Therapie.<br />

Jedes Rhythmusmittel – Ausnahme Betablocker –<br />

bringt ein großes Problem mit sich. Es kann selten<br />

– im Bereich weniger Prozente – die Rhythmusstörung<br />

verstärken und lebensbedrohliche <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

hervorrufen – am häufigsten zu Beginn<br />

einer Therapie. Deshalb wird die Therapie<br />

mit <strong>Herzrhythmus</strong>medikamenten mit besonderen<br />

Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet (s. Nebenwirkungen<br />

S. 45).<br />

Zunächst werden fast immer Betablocker (Metoprolol,<br />

Bisoprolol) eingesetzt, weil sie keine <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

auslösen. Sie sind die Grundlage<br />

der Therapie. Reicht ihre Wirksamkeit nicht<br />

42<br />

aus, werden zusätzlich andere Medikamente empfohlen.<br />

Um bestimmte Nebenwirkungen der anderen<br />

Rhythmusmedikamente abzumildern, werden<br />

oft die Betablocker – meist in niedriger Dosierung<br />

– weitergegeben. Die Tabelle gibt modifiziert<br />

die Empfehlungen der neuen Leitlinien zu<br />

Vorhofflimmern 2006 der American Heart Association<br />

und European Society of Cardiology wieder.<br />

Die Entscheidung, welches Rhythmusmedikament<br />

gewählt wird, hängt von der begleitenden<br />

Herzkrankheit ab, vor allem von der Leistungsfähigkeit<br />

des Herzens.<br />

Liegt keine oder nur eine minimale Herzerkrankung<br />

vor, wird Flecainid oder Propafenon empfohlen. Ist<br />

damit kein Erfolg zu erzielen, kommt Amiodaron<br />

in Betracht. Bei koronarer Herzerkrankung empfehlen<br />

die Leitlinien Sotalol, obwohl Sotalol wegen<br />

seines Potentials <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> auszulösen<br />

von vielen Herzspezialisten kritisch beurteilt<br />

wird. Für Patienten mit schwerer Pumpschwäche<br />

kommt als Medikament nur Amiodaron in Frage.<br />

Vereinzelt werden in Deutschland noch Klasse IA-<br />

Antiarrhythmika verordnet (Chinidin, Cordichin).<br />

Empfehlungen zur medikamentösen Therapie bei Vorhofflimmern,<br />

wenn ein regelmäßiger <strong>Herzrhythmus</strong> erreicht werden soll<br />

Zunächst werden fast immer Betablocker eingesetzt. Sind sie unwirksam, werden die folgenden<br />

Medikamente empfohlen:<br />

1. Wahl 2. Wahl<br />

keine oder minimale Flecainid Amiodaron<br />

Herzerkrankung Propafenon oder Katheterablation<br />

Bluthochdruck ohne deutliche Flecainid Amiodaron<br />

Vergrößerung der linken Herzkammer Propafenon oder Katheterablation<br />

Sotalol<br />

Bluthochdruck mit deutlicher Amiodaron Katheterablation<br />

Vergrößerung der linken Herzkammer<br />

koronare Herzerkrankung Sotalol Amiodaron<br />

oder Katheterablation<br />

schwere Pumpschwäche Amiodaron Katheterablation


Diese Medikamente werden in dem Behandlungsschema<br />

der neuen Leitlinien nicht empfohlen.<br />

Je früher das Vorhofflimmern behandelt wird, desto<br />

besser sind die Aussichten, dass Medikamente<br />

weitere Anfälle verhindern können.<br />

Auf Dauer lassen sich leider trotz mehrfachen Medikamentenwechsels<br />

und Dosissteigerung die Anfälle<br />

von Vorhofflimmern meist nicht verhindern.<br />

Eine Neuerung ist, dass die Leitlinien bei Patienten<br />

mit ausgeprägten Beschwerden, bei denen Medikamente<br />

nicht mehr helfen, die Katheterablation<br />

(s. S. 48) als Routineverfahren empfehlen – zum Beispiel<br />

als Alternative zur Therapie mit Amiodaron.<br />

Frequenzkontrolle: Dagegen ist die Frequenzkontrolle<br />

angebracht nach erfolgloser Rhythmuskontrolle<br />

sowie bei Patienten, denen das Vorhofflimmern<br />

keine Beschwerden bereitet, und bei Patienten,<br />

bei denen das Vorhofflimmern eine Pumpschwäche<br />

des Herzens hervorruft. Hier kommen<br />

folgende Medikamente in Frage:<br />

■ Betablocker (Metoprolol, Atenolol, Esmolol)<br />

■ Calciumantagonisten (Verapamil, Diltiazem)<br />

■ Digitalisglykoside (Digoxin, Digitoxin)<br />

■ Sonstige (Amiodaron, Sotalol)<br />

44<br />

rechter Vorhof<br />

rechte Herzkammer<br />

Vorhofflimmern<br />

linker Vorhof<br />

linke Herzkammer<br />

Für gesunde und leicht geschädigte Herzen sind<br />

Betablocker und Calciumantagonisten die erste<br />

Wahl, bei Patienten mit einem geschädigten Herzen<br />

(Herzschwäche) Digitalisglykoside. Wenn diese<br />

Medikamente oder eine Kombination dieser Medikamente<br />

nicht ausreichend wirksam sind, werden<br />

Amiodaron oder Sotalol eingesetzt.<br />

Die Diskussion, bei welchen Patienten eine Aufrechterhaltung<br />

eines normalen <strong>Herzrhythmus</strong> angestrebt<br />

werden sollte, und bei welchen Kranken<br />

lediglich die Herzfrequenz zu kontrollieren ist, wurde<br />

durch zwei richtungsweisende Studien nachhaltig<br />

belebt: einmal durch die AFFIRM-Studie und<br />

zum anderen durch die RACE-Studie. Beide Studien<br />

zeigen eindeutig, dass die Frequenzkontrolle<br />

im allgemeinen der Rhythmuskontrolle nicht unterlegen<br />

ist und dass die Wiederherstellung des<br />

normalen <strong>Herzrhythmus</strong> nicht um jeden Preis erzwungen<br />

werden sollte.<br />

Die Erfahrung zeigt, dass sich Patienten in aller Regel<br />

ans Vorhofflimmern gewöhnen, wenn die Frequenz<br />

normal ist. Dazu braucht es allerdings Geduld.<br />

Es können viele Monate vergehen, bis eine<br />

vollständige Gewöhnung erreicht ist.


Nebenwirkungen<br />

Antiarrhythmika haben Nebenwirkungen wie<br />

alle wirksamen Medikamente. Da sie die Besonderheit<br />

haben, dass sie in seltenen Fällen paradoxerweise<br />

das Vorhofflimmern verstärken oder sogar<br />

zu anderen bedrohlichen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

führen, müssen vor Einleitung der Therapie<br />

die Voraussetzungen gründlich abgeklärt<br />

werden. Bei jedem Patient muss sorgfältig der Nutzen<br />

der Therapie gegen ihr Risiko abgewogen<br />

werden.<br />

Bei Patienten mit Herzerkrankungen sollte die<br />

Behandlung mit <strong>Herzrhythmus</strong>medikamenten –<br />

Ausnahme Betablocker – in der Klinik eingeleitet<br />

und überwacht werden, damit lebensbedrohliche<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>, die unter Umständen<br />

auftreten, mit einem Elektroschock beendet<br />

werden können. Bei Patienten ohne begleitende<br />

Herzerkrankung ist die Einleitung der<br />

Therapie Sache des Kardiologen. Die regelmäßige<br />

Verlaufskontrolle kann auch beim Internisten<br />

oder Hausarzt erfolgen.<br />

Der Organismus muss genug Kalium und Magnesium<br />

aufweisen, weil das Herz sonst für Rhythmus<strong>störungen</strong><br />

anfällig wird. Während einer<br />

Behandlung mit <strong>Herzrhythmus</strong>mitteln sollten<br />

Kalium und Magnesium regelmäßig überprüft<br />

werden, am besten im Abstand von zwei bis drei<br />

Monaten.<br />

Vorhofflimmern:<br />

Oberflächen-EKG (oben)<br />

EKG aus dem rechten Vorhof (unten)<br />

Auf die Schilddrüsenfunktion, die Funktion der<br />

Nieren und die Leistungsfähigkeit des Herzens<br />

muss geachtet werden, um nicht Nebenwirkungen<br />

der Antiarrhythmika zu provozieren.<br />

Für die Wahl des Medikamentes ist die Sicherheit<br />

des Patienten ausschlaggebend. Besonders gut<br />

verträglich sind Betablocker, aber oft reichen sie<br />

nicht aus, um Vorhofflimmern zu unterdrücken.<br />

Sotalol nimmt eine Sonderstellung ein. Es ist effektiver<br />

als die reinen Betablocker, aber das wird<br />

erkauft mit der typischen Eigenschaft der Antiarrhythmika,<br />

in seltenen Fällen erhebliche <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

hervorzurufen. Flecainid und<br />

Propafenon sind wirkungsvoll, setzen aber voraus,<br />

dass der Patient nicht an einer Pumpschwäche<br />

des Herzens oder an einer koronaren Herzkrankheit<br />

leidet. Amiodaron ist besonders effektiv<br />

und kann auch bei Patienten mit schweren<br />

Herzkrankheiten eingesetzt werden, ohne dem<br />

Herzen zu schaden. Aber auf lange Sicht und vor<br />

allem in höheren Dosierungen hat es gelegentlich<br />

schwerwiegende Nebenwirkungen, die es<br />

nötig machen, den Patienten sorgfältig zu überwachen:<br />

z. B. Funktionsstörung der Schilddrüse<br />

und Leber, Lichtempfindlichkeit der Haut und Ablagerungen<br />

in der Hornhaut. Deshalb sind engmaschige<br />

Kontrolluntersuchungen in dreimonatigen<br />

Abständen notwendig.<br />

45


46<br />

Begleitmedikamente<br />

Von Nutzen ist häufig eine bestimmte Begleitmedikation.<br />

Erst jüngst ergaben sich Hinweise dafür,<br />

dass cholesterinsenkende Statine bei Patienten<br />

mit koronarer Herzkrankheit dem Vorhofflimmern<br />

vorbeugen.<br />

Sartane (Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten)<br />

verringern das Auftreten von Vorhofflimmern einschließlich<br />

Rückfällen, vermutlich weil sie verhindern,<br />

dass sich die Vorhöfe des Herzens strukturell<br />

verändern. Entsprechende Befunde liegen für<br />

die Wirkstoffe Candesartan, Valsartan und Irbesartan<br />

vor – speziell in Kombination mit Amiodaron.<br />

Ähnliche Wirkungen sind von den ACE-Hemmern<br />

zu erwarten.<br />

Neue Medikamente?<br />

Bisher gibt es kein ideales Medikament gegen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>.<br />

Die Therapie ist oft ein mühsamer<br />

Prozess, der in vielen Fällen auch das Wechseln<br />

der Medikamente erfordert, weil Patienten auf<br />

die Medikamente nicht ausreichend ansprechen<br />

oder die Nebenwirkungen zu groß sind. Deshalb<br />

richten sich die Hoffnungen auf die Entwicklung<br />

neuer Arzneimittel. Eine Reihe neuer Substanzen<br />

zur Behandlung von Vorhofflimmern wird zurzeit<br />

in großen Studien erprobt. Zu diesen Studienmedikamenten<br />

zählen Azimilide, Dofetilide, Dronedarone,<br />

Tedisamil, Ambasilide und andere. Leider<br />

steht der definitive Nachweis, dass sie überzeugend<br />

wirken und weniger Nebenwirkungen haben<br />

als die bisher verwandten Antiarrhythmika,<br />

noch aus. Dofetilide ist in den USA zugelassen,<br />

aber die Herstellerfirma plant nicht, diesen Wirkstoff<br />

in absehbarer Zeit in Deutschland auf den<br />

Markt zu bringen.<br />

Pill in the pocket<br />

Bei Anfällen von Vorhofflimmern (paroxysmales<br />

Vorhofflimmern) hat das neue Konzept der Pill in<br />

the pocket-Therapie für herzgesunde Patienten besonderes<br />

Interesse gefunden. Die in der Tasche<br />

des Patienten mitgeführte Rhythmuspille wird nur<br />

bei einem Anfall, nicht auf Dauer, eingenommen.<br />

Mit der Rhythmuspille lässt sich der normale, regelmäßige<br />

Rhythmus meist innerhalb von einer bis<br />

zwei Stunden wiederherstellen. Die Erfolgsquote<br />

liegt <strong>heute</strong> bei mehr als 80 %.<br />

Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz der Therapie<br />

ist, dass die Anfälle nicht zu oft auftreten,<br />

maximal zwei- bis dreimal im Monat, und Beschwerden<br />

verursachen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen<br />

werden vor allem Flecainid und Propafenon<br />

empfohlen. Patienten mit einem Körpergewicht unter<br />

75 kg nehmen einmal 200 bis 300 mg Flecainid<br />

oder einmal 600 mg Propafenon ein, sobald Vorhofflimmern<br />

auftritt. Amiodaron kommt nicht in Frage,<br />

da die Wirkung zu langsam eintritt.<br />

Die erste Anwendung muss im Krankenhaus oder<br />

in der kardiologischen Praxis erfolgen, um sicherzustellen,<br />

dass keine lebensbedrohlichen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

entstehen. Der Patient darf die<br />

festgelegte Dosis auf keinen Fall selbständig ändern<br />

oder gar das Medikament von sich aus wechseln.<br />

Deshalb kommen für die Therapie nur Patienten<br />

in Betracht, von denen zu erwarten ist, dass<br />

sie sich strikt an die Vorgaben der Ärzte halten.<br />

Wenn das Vorhofflimmern nach sechs bis acht Stunden<br />

nach Einnahme des Medikaments nicht verschwindet<br />

oder wenn Nebenwirkungen auftreten<br />

(krankhafte Pulsverlangsamung oder -beschleunigung,<br />

Schwindel, Bewusstlosigkeit), muss der Patient<br />

den Arzt oder die Klinik aufsuchen.<br />

Der Vorteil besteht darin, dass statt der üblichen<br />

Dauertherapie Medikamente nur gelegentlich –<br />

nämlich im Anfall – eingenommen werden. Weniger<br />

Medikamente bedeuten auch weniger Nebenwirkungen.<br />

Die Blutverdünnung wird genauso<br />

durchgeführt, wie es sonst bei Vorhofflimmern nach<br />

den Leitlinien gehandhabt wird (s. S. 65 ff.).<br />

Das Pill in the pocket-Prinzip kommt nicht in Frage<br />

bei Herzkrankheiten, Pulsverlangsamung, Erregungsleitungs<strong>störungen</strong>,<br />

Alter über 75 Jahre, Nieren-<br />

und Leberfunktionsschwäche, Schwangerschaft<br />

oder Kaliummangel sowie Unverträglichkeit<br />

oder Gegenanzeigen bei bestimmten Rhythmusmitteln.


Welche Ergebnisse die Pill in the<br />

pocket-Therapie auf lange Sicht<br />

hat, ist noch nicht bekannt. Aber<br />

schon <strong>heute</strong> ist dieses Verfahren<br />

eine wesentliche Bereicherung<br />

der Behandlungsmöglichkeiten<br />

von anfallsweisem Vorhofflimmern.<br />

Begünstigende Faktoren<br />

Wissenschaftliche Untersuchungen<br />

zeigen, dass Übergewicht<br />

Vorhofflimmern begünstigt.<br />

Maßgeblich ist der<br />

Bauchumfang, der bei Männern<br />

94 cm und bei Frauen<br />

80 cm nicht überschreiten<br />

sollte. Eine Normalisierung<br />

des Gewichts unterstützt die<br />

Therapie. Sie ist eine Maßnahme<br />

mit nur positiven Nebenwirkungen.<br />

Ein zweiter Punkt ist Alkohol. Die<br />

Herzvorhöfe sind besonders empfindlich<br />

gegen Alkohol. Deswegen sollte,<br />

wer unter Vorhofflimmern leidet, auf jeden<br />

Fall alle scharfen, hochprozentigen<br />

Alkoholika wie Schnäpse, Liköre, Cocktails,<br />

Whisky, Gin, etc. unbedingt meiden.<br />

Wer aus Gründen der Lebenslust<br />

nicht ganz auf Alkohol verzichten<br />

will, dem empfehle ich Weinschorle<br />

oder, wenn er schon ein Glas Wein genießen<br />

will, dazu reichlich Mineralwasser<br />

zu trinken.<br />

Ein Wort zur körperlichen Aktivität:<br />

Manche Menschen sind durch Vorhofflimmern<br />

so verängstigt, dass sie<br />

sich möglichst wenig bewegen. Das<br />

ist falsch. Auf Bewegung sollte auf<br />

keinen Fall verzichtet werden, außer,<br />

wenn schwere Herzkrankheiten<br />

wie Kardiomyopathie<br />

oder Myokarditis körperliche<br />

Schonung erfordern. Besonders<br />

zu empfehlen ist Bewegung, die<br />

auf Ausdauer angelegt ist, tägliches Spazierengehen,<br />

Radfahren, Joggen, Nordic Walking,<br />

Schwimmen.<br />

Alternativen<br />

Wenn Medikamente nicht oder nicht mehr<br />

helfen, steht die heutige Medizin nicht mit<br />

leeren Händen da. In den letzten Jahren<br />

haben sich alternative Verfahren, vor<br />

allem die sogenannte Katheterablation,<br />

vielversprechend entwickelt.<br />

Mit Hochfrequenzstrom werden<br />

Herzmuskelbereiche so verödet,<br />

dass Isolationslinien in den Herzvorhöfen<br />

entstehen, die die Ausbreitung<br />

des Vorhofflimmerns verhindern<br />

(s. S. 48).<br />

Eine Ergänzung kann die Hybridtherapie<br />

sein: Denn bei 10 – 20 % der Patienten<br />

kommt es unter antiarrhythmischer<br />

Therapie des Vorhofflimmerns zu einem<br />

Umschlag in Vorhofflattern.<br />

Dieses kann relativ einfach durch eine<br />

Katheterablation beseitigt werden<br />

(s. S. 70). Bei geeigneten Patienten kann<br />

durch die Hybridtherapie in 90% der<br />

Fälle ein normaler <strong>Herzrhythmus</strong> erreicht<br />

werden. Nachteil dieser Therapie<br />

ist, dass die Behandlung mit<br />

Antiarrhythmika zur Verhinderung<br />

des Vorhofflimmerns weitergeführt<br />

werden muss.<br />

47


48<br />

Vorhofflimmern:<br />

wenn Medikamente nicht mehr helfen<br />

Joseph H. stellt die schwarze Reisetasche ab und<br />

setzt sich auf die Bettkante. Unsicher und etwas<br />

angespannt sieht er sich um. „Schon wieder im<br />

Krankenhaus, dieses verdammte Vorhofflimmern“,<br />

denkt er. Sein Kardiologe hatte ihm als Therapie<br />

eine Katheterablation vorgeschlagen und ihn dafür<br />

in eine Klinik mit besonderer Erfahrung in der<br />

Behandlung von <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> eingewiesen.<br />

Er hatte Joseph H. Mut gemacht, weil dadurch<br />

<strong>heute</strong> bei vielen Patienten mit Vorhofflimmern<br />

eine Heilung erreicht werden kann. „Heilung<br />

von Vorhofflimmern – nie wieder Vorhofflimmern“,<br />

dachte Joseph H. und wollte es kaum glauben. Aber<br />

fest entschlossen, den Eingriff durchführen zu lassen,<br />

war er noch nicht. Er wollte sich zuvor ein Bild<br />

von den Möglichkeiten, den Erfolgsaussichten und<br />

auch den Risiken der Katheterablation machen.<br />

Was hatte er nicht alles schon versucht, um das Vorhofflimmern<br />

loszuwerden? Joseph H. denkt zurück:<br />

1997 die ersten kurzen Anfälle von Vorhofflimmern.<br />

20 Minuten bis maximal zwei Stunden<br />

hatten die Episoden von Vorhofflimmern zunächst<br />

gedauert und waren im ersten Jahr immer wieder<br />

von selbst in einen normalen <strong>Herzrhythmus</strong> zurückgesprungen.<br />

Damals hatte er noch über Wochen,<br />

manchmal über Monate völlige Ruhe. Zwei<br />

Jahre später hatten die Anfälle deutlich zugenommen.<br />

Zunächst einmal im Monat, dann jede Woche,<br />

teilweise auch mehrfach in der Woche über<br />

viele Stunden Vorhofflimmern. Joseph H. fiel es<br />

dann schwer, wie gewohnt in seinem Beruf als Betriebsschlosser<br />

zu arbeiten. Immer, wenn das Vorhofflimmern<br />

auftrat und das Herz raste, war er körperlich<br />

nicht belastbar, die Luft blieb einfach weg.<br />

Und zusätzlich diese innere Unruhe, die es ihm unmöglich<br />

machte sich zu konzentrieren.<br />

Heilung durch Katheterablation<br />

Prof. Dr. med. Gerhard Hindricks und Prof. Dr. med. Hans Kottkamp,<br />

Leitende Ärzte, Abteilung für Rhythmologie, Universitätsklinik Leipzig/Herzzentrum<br />

Dann hatte er Rhythmusmedikamente bekommen<br />

(Antiarrhythmika). Innerhalb der ersten sechs Monate<br />

lief es relativ gut. Das Vorhofflimmern trat viel<br />

seltener auf, und die Anfälle waren kürzer. Aber<br />

der Behandlungserfolg war leider nicht von Dauer.<br />

Kurz vor Ostern war die Rhythmusstörung trotz<br />

der Medikamente wieder heftig aufgetreten. Als<br />

nach einer Woche immer noch kein normaler <strong>Herzrhythmus</strong><br />

zurückgekehrt war, empfahl ihm sein<br />

Kardiologe eine Kardioversion (Elektroschockbehandlung).<br />

Sie war erfolgreich, und Joseph H.<br />

erinnert sich gut, wie erleichtert er damals gewesen<br />

war. Doch die Freude hielt nicht lange an. Bereits<br />

drei Tage später – wieder Vorhofflimmern.<br />

„Wir müssen ein stärkeres Medikament einsetzen,<br />

um den Rhythmus zu stabilisieren“, sagte ihm sein<br />

Kardiologe. Joseph H. stimmte zu und nahm die<br />

stärkeren Medikamente ein, obwohl er deren Nebenwirkungen<br />

fürchtete. Nach einigen Monaten<br />

Ruhe trat das Vorhofflimmern trotzdem wieder auf.<br />

Joseph H. war verzweifelt. „Jetzt gibt es nur noch<br />

zwei Möglichkeiten, den <strong>Herzrhythmus</strong> in den Griff<br />

zu bekommen“, sagte der Kardiologe. Entweder<br />

die AV-Knotenablation, bei der die elektrische<br />

Überleitung von Vorkammern auf Hauptkammern<br />

komplett durchtrennt wird, oder die Katheterbehandlung<br />

des Vorhofflimmerns.<br />

Nach einer AV-Knotenablation muss, um den <strong>Herzrhythmus</strong><br />

zu steuern, in jedem Fall ein Herzschrittmacher<br />

eingesetzt werden. Das wollte Joseph H.<br />

nicht. Ihn interessierte die Katheterablation, zumal<br />

der Kardiologe ihm gesagt hatte: „Da hat sich in<br />

den letzten Jahren wirklich viel getan. Dieses Verfahren<br />

wird zunehmend häufig angewandt.“<br />

Joseph H. wollte es genau wissen: Was ist eine Katheterablation<br />

bei Vorhofflimmern? Für wen kommt


sie in Frage? Wie geht der Eingriff vor sich? Was<br />

sind die Erfolge? Was die Risiken?<br />

Neuland<br />

Vorhofflimmern wird ausgelöst durch zusätzliche<br />

elektrische Impulse aus den Lungenvenen – das<br />

haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt.<br />

Die Katheterablation hat zum Ziel, mit Hochfrequenzstrom<br />

Herzmuskelzellen so zu veröden, dass<br />

Isolationslinien im Herzen entstehen, die die Ausbreitung<br />

dieser störenden Impulse blockieren und<br />

damit auch das Vorhofflimmern verhindern.<br />

Diese Behandlungsmethode wurde vor etwa zehn<br />

Jahren neu eingeführt. Über die Jahre hat sich das<br />

Verfahren ständig weiterentwickelt und breitere<br />

Anwendung gefunden. Heute wird die Katheterablation<br />

von Vorhofflimmern in spezialisierten Zentren<br />

weltweit jährlich bei tausenden Patienten<br />

durchgeführt. Trotz der zunehmenden Verbreitung<br />

bleibt die Katheterablation von Vorhofflimmern zunächst<br />

noch Neulandmedizin.<br />

Neulandmedizin bedeutet, dass ein Verfahren wie<br />

z. B. die Katheterablation von Vorhofflimmern noch<br />

nicht so lange eingesetzt wird, dass die Möglichkeiten<br />

und Risiken im Langzeitverlauf vollständig<br />

bekannt sind. Neulandmedizin hat jedoch nichts<br />

mit einem Experiment zu tun. Die bei der Katheterablation<br />

von Vorhofflimmern eingesetzten Technologien<br />

sind seit vielen Jahren erprobt und ihre<br />

Wirksamkeit und Behandlungssicherheit sind gut<br />

belegt. Trotzdem bleiben immer Risiken bestehen,<br />

die Arzt und Patient bewusst gemeinsam tragen<br />

müssen.<br />

49


50<br />

Punktionsnadel<br />

linker Vorhof<br />

Für welche Patienten?<br />

Wirbelsäule<br />

Abb. 1: Der Weg in die linke Vorkammer (Transseptale Punktion):<br />

Auf der Abbildung A erkennt man rechts die Wirbelsäule<br />

und unten Anteile des großen Atemmuskels (Zwerchfell). Zwei<br />

Elektrodenkatheter sind im Herzen plaziert. Ein Katheter befindet<br />

sich in der rechten Hauptkammer, ein zweiter Katheter in<br />

einer großen Herzvene (Sinus coronarius). Links erkennt man<br />

Zur Behandlung von Vorhofflimmern kommt in<br />

erster Linie eine medikamentöse Therapie in Frage.<br />

Durch die regelmäßige Einnahme von rhythmusstabilisierenden<br />

Medikamenten (Antiarrhythmika)<br />

wird versucht, das Herz im normalen Rhythmus,<br />

dem Sinusrhythmus, zu halten. Häufig kann<br />

der <strong>Herzrhythmus</strong> über einige Zeit, manchmal auch<br />

über viele Jahre durch Medikamente stabilisiert<br />

werden. Wenn trotzdem Rhythmus<strong>störungen</strong> auftreten,<br />

kann ein Versuch mit einem anderen, vielleicht<br />

etwas stärkeren Medikament gemacht werden.<br />

Aber was tun, wenn Medikamente nicht mehr<br />

helfen – insbesondere bei Patienten, die unter Vorhofflimmern<br />

erhebliche Beschwerden wie Herzstolpern,<br />

Herzrasen, Luftnot oder auch Schwindelgefühl,<br />

Brustschmerzen und Angst haben?<br />

Die Katheterablation wird <strong>heute</strong> fast ausschließlich<br />

bei Patienten eingesetzt, bei denen ganz massive<br />

Beschwerden aufgrund des Vorhofflimmerns<br />

bestehen und bei denen Medikamente die Rhythmusstörung<br />

nicht mehr in den Griff bekommen.<br />

Rechte<br />

Herzkammer<br />

Herzscheidewand A<br />

Zwerchfell Zwerchfell<br />

Ablationskatheter<br />

die spitze Nadel, die mit einem kleinen Ruck durch ein dünnes<br />

Häutchen in der Herzvorhofscheidewand vorgeführt wird.<br />

Über die kleine Nadel wird dann ein weicher Kunststoffschlauch<br />

in der linken Herzvorkammer plaziert und über den<br />

Kunststoffschlauch kann letztlich der Verschorfungskatheter<br />

in die linke Vorkammer eingebracht werden (Abbildung B).<br />

Wie wird es gemacht?<br />

Koronarvenensinuskatheter<br />

Die Katheterablation von Vorhofflimmern sollte<br />

nur in einem spezialisierten und ausgewiesenen<br />

Rhythmuszentrum durchgeführt werden, da die<br />

sichere Durchführung der Behandlung viel Erfahrung<br />

voraussetzt. Ein Krankenhausaufenthalt von<br />

drei bis fünf Tagen ist erforderlich.<br />

Welche Voruntersuchungen sind nötig? Neben der<br />

Aufzeichnung eines Ruhe-EKGs und eines Belastungs-EKGs<br />

wird das Herz mit Hilfe des Ultraschalls<br />

(Echokardiographie) sowohl durch den Brustkorb<br />

als auch über die Speiseröhre untersucht. Zur<br />

Durchführung der Ultraschalluntersuchung über<br />

die Speiseröhre (transösophageale Echokardiographie)<br />

muss ein dünner Ultraschallschlauch geschluckt<br />

werden. Diese Untersuchung ist etwas unangenehm,<br />

aber in aller Regel ungefährlich. Sie ist<br />

notwendig, um mögliche Veränderungen im Herzen<br />

beurteilen zu können und auch, um Blutgerinnsel<br />

(Thromben), die sich bei Patienten mit Vorhofflimmern<br />

im Herzen bilden können, zu erkennen.<br />

Außerdem kann vor der Durchführung der<br />

Katheterablation eine Herzkatheteruntersuchung<br />

B


erforderlich sein, um eine möglicherweise bestehende<br />

Herzerkrankung (z. B. koronare Herzkrankheit)<br />

aufzudecken.<br />

Nach Abschluss der Voruntersuchungen wird die<br />

Katheterablation im Herzkatheterlabor durchgeführt.<br />

Der Eingriff dauert etwa zwei bis vier Stunden.<br />

Um den Patienten so schonend wie möglich<br />

zu behandeln, werden Medikamente gegeben, die<br />

ihn in einen Dämmer- oder Schlafzustand versetzen.<br />

Dann werden von der Leiste aus mehrere millimeterdünne<br />

Kunststoffschläuche (Katheter) zum<br />

Herzen vorgeschoben und dort plaziert. Mit diesen<br />

Kathetern kann der Kardiologe die elektrischen<br />

Ströme, die durch das Herz fließen, aufzeichnen<br />

und beurteilen. Die eigentliche Behandlung erfolgt<br />

dann mit dem sogenannten Ablationskatheter. Auch<br />

dieser Spezialkatheter wird von der Leiste aus eingeführt<br />

und im Herzen in der linken Herzvorkammer<br />

(linker Vorhof) plaziert. Um die linke Vorkammer<br />

zu erreichen, muss der Katheter durch die<br />

Herzscheidewand (Septum) gebracht werden. Dies<br />

geschieht durch eine Herzscheidewandpunktion<br />

(transseptale Punktion, s. Abb. 1): Dabei wird die<br />

Herzscheidewand von der Leiste aus mit einer sehr<br />

dünnen Nadel durchstochen. Über diese Nadel<br />

wird ein weicher Schlauch in die linke Herzvorkammer<br />

vorgeschoben und über den Schlauch der<br />

Ablationskatheter plaziert.<br />

Mit Hilfe von Hochfrequenzstrom werden Punkt<br />

für Punkt Herzmuskelzellen verödet, so dass eine<br />

Isolationslinie entsteht, die die Ausbreitung der<br />

störenden elektrischen Impulse unterbricht und<br />

dadurch das Vorhofflimmern verhindert (s. Abb. 2,<br />

S. 52). Im wesentlichen werden die Übergangsbereiche<br />

zwischen der linken Vorkammer und den<br />

Lungenvenen (Pulmonalvenen) elektrisch isoliert,<br />

weil bekannt ist, dass sie für die Entstehung von<br />

Vorhofflimmern verantwortlich sind. Die Isolationslinien<br />

werden in aller Regel nach einem vorgegebenen<br />

Schema gesetzt. Mit Hilfe modernster<br />

Technologien, die eine millimetergenaue Steuerung<br />

des Ablationskatheters in der linken Herzvorkammer<br />

möglich machen, können die einzelnen<br />

Verschorfungsimpulse exakt plaziert werden. Dieser<br />

Teil der Ablationsbehandlung dauert etwa<br />

ein bis zwei Stunden. Der Arzt kann dabei durch die<br />

Veränderungen der elektrischen Signale des Herzens<br />

erkennen, wie wirksam die Behandlung ist.<br />

Damit sich während der Behandlung keine Blutgerinnsel<br />

am Ablationskatheter bilden, wird die<br />

Blutgerinnung für die Dauer des Eingriffs mit<br />

einem gerinnungshemmenden Medikament deutlich<br />

herabgesetzt. Nach Abschluss der Behandlung<br />

werden die Katheter aus dem Herzen zurückgezogen,<br />

und der Patient wird noch im Herzkatheterlabor<br />

wieder wach. Anschließend wird er zur<br />

Sicherheit einige Stunden auf einer Wachstation<br />

beobachtet. Dort werden dann auch die Zugänge<br />

in den Leisten (Schleusen) entfernt.<br />

Erfolge und Risiken<br />

Bei etwa 50 % der Patienten kann mit einem einzigen<br />

Eingriff das Vorhofflimmern beseitigt werden.<br />

Bei anfallsartigem Vorhofflimmern (paroxysmales<br />

Vorhofflimmern) sind die Erfolgschancen größer<br />

als bei Vorhofflimmern, das schon Wochen und<br />

Monate andauernd besteht.<br />

Bei den Patienten, bei denen durch den ersten Eingriff<br />

keine ausreichende Unterdrückung des Vorhofflimmerns<br />

gelungen ist, wird in der Regel ein<br />

zweiter Eingriff, in seltenen Fällen auch ein dritter<br />

Eingriff erforderlich. Damit lässt sich die Erfolgsrate<br />

auf 70 – 80 % steigern. Auch bei den übrigen<br />

Patienten ergibt sich oft eine deutliche Besserung<br />

durch die Behandlung: Sie müssen zwar weiter<br />

Rhythmusmedikamente nehmen, aber diese Medikamente,<br />

die vorher nicht mehr helfen konnten,<br />

sind jetzt wirksamer.<br />

Der Behandlungserfolg stellt sich bei einem Teil<br />

der Patienten bereits direkt nach der Ablationsbehandlung<br />

ein. Bei diesen Patienten tritt nach der<br />

Ablation gar kein Vorhofflimmern mehr auf. Bei einem<br />

anderen Teil der Patienten kommt es insbesondere<br />

innerhalb der ersten zwei bis vier Wochen<br />

nach der Behandlung zu weiteren Anfällen von<br />

Vorhofflimmern. In diesen Fällen wird durch die<br />

Gabe von Medikamenten versucht, den Rhythmus<br />

weiter zu beruhigen. Oft gehen die Anfälle von<br />

Vorhofflimmern zurück, und es kann im Verlauf<br />

von Wochen – trotz des Auftretens von Vorhofflimmern<br />

direkt nach der Ablationsbehandlung – doch<br />

noch eine vollständige Unterdrückung der <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

erreicht werden. Das bedeutet,<br />

dass sich das Endergebnis der Behandlung erst<br />

nach etwa drei Monaten sicher abschätzen lässt.<br />

51


Die Katheterablation von Vorhofflimmern ist <strong>heute</strong><br />

in geübter Hand erfolgreich und sicher durchführbar.<br />

Bei etwa 95 % der Patienten treten keine<br />

Komplikationen auf. Dennoch ist der Eingriff natürlich<br />

nicht ohne Risiken:<br />

■ In den Wochen und Monaten nach dem Eingriff<br />

kann sich eine Verengung oder gar ein Verschluss<br />

einer Lungenvene entwickeln. Das zeigt<br />

sich dadurch, dass beim Patienten Atemnot bei<br />

Belastung, Husten oder auch eine Anfälligkeit<br />

für Lungenentzündung auftreten. Bei diesen<br />

Beschwerden kommt es darauf an, dass der<br />

Patient sofort die Klinik, die die Katheterablation<br />

durchgeführt hat, aufsucht, denn die Verengung<br />

muss unverzüglich behandelt werden,<br />

sei es durch eine Aufdehnung oder durch das<br />

Einsetzen einer Gefäßstütze (Stent). Das Risiko<br />

für eine Verengung der Lungenvenen beträgt<br />

etwa zwei Prozent.<br />

■ Ein weiteres Risiko der Katheterablation besteht<br />

darin, dass es durch den Eingriff zu einem<br />

Schlaganfall kommen kann, weil die erhitzte<br />

Katheterspitze die Bildung von Blutgerinnseln<br />

begünstigt. Das Risiko für einen Schlaganfall<br />

liegt bei etwa zwei Prozent. Um dieser Gefahr<br />

52<br />

Abb. 2: Bei der Katheterablation von Vorhofflimmern wird<br />

modernste Technologie eingesetzt. Die Abb. A zeigt eine Nachbildung<br />

des linken Vorhofs. Das „Loch“ in der Mitte der Abbildung<br />

entspricht der Herzklappe, die zwischen linkem Vorhof<br />

und linker Hauptkammer liegt (Mitralklappe). Die bunten<br />

Röhren sind Nachbildungen der Lungenvenen, die die Verbindung<br />

zwischen Herz und Lunge herstellen. Im Übergangsbereich<br />

zwischen den Lungenvenen und dem linken Vorhof sind<br />

sehr häufig die „Fehlzündkerzen“ lokalisiert, die das Vorhofflimmern<br />

auslösen. Um die Anatomie jedes einzelnen<br />

Patienten originalgetreu bearbeiten zu können, wird in<br />

einem zweiten Schritt (Abb. B) ein Bild des linken Vorhofs,<br />

das am Vortag mit Hilfe von Computertomographie erstellt<br />

wurde, über die Nachbildung des linken Vorhofs gelegt, so<br />

dass beide Anteile optimal zueinander passen.<br />

vorzubeugen, wird die Blutgerinnung durch<br />

Medikamente gehemmt.<br />

■ Sehr selten bildet sich eine Fistel, d. h. eine Verbindung<br />

zwischen Speiseröhre und Vorhof,<br />

durch die Luft in das Herz eindringen kann –<br />

eine Komplikation, die fast immer zum Tod<br />

führt. Bisher sind weltweit nur wenige solcher<br />

Fälle (weniger als 30) bekannt. Daher ist das<br />

Risiko für diese Komplikation als sehr gering<br />

anzusehen.<br />

■ Bei der Durchführung der transseptalen Punktion<br />

kann eine Blutung in den Herzbeutel auftreten<br />

(Herzbeuteleinblutung oder Perikardtamponade).<br />

Diese Blutung kann in aller Regel<br />

durch das sofortige Absaugen des Blutes problemlos<br />

beherrscht werden. In sehr seltenen<br />

Fällen macht die Blutung aber auch eine Herzoperation<br />

notwendig. Das Risiko dieser Komplikation<br />

liegt unter einem Prozent.<br />

Bei der Risikoabwägung ist zu bedenken, dass auch<br />

die Behandlung des Vorhofflimmerns durch rhythmusstabilisierende<br />

Medikamente nicht risikolos ist.<br />

Auch hier muss mit schwerwiegenden Komplikationen<br />

bei etwa ein bis zwei Prozent der behandelten<br />

Patienten gerechnet werden.


Der Abbildungsteil C zeigt das Verschmelzen beider Anteile.<br />

Der Untersucher weiß jetzt genau, wie der linke Vorhof<br />

des Patienten aussieht und kann die Ablation beginnen.<br />

Die roten Punkte zeigen die ersten Verödungszonen. Wie<br />

an einer Kette werden die einzelnen Verödungspunkte<br />

aufgereiht, um möglichst kontinuierliche elektrische Blocklinien<br />

zu schaffen. Der Abbildungsteil D zeigt das Ergebnis<br />

Wie geht es weiter?<br />

Nach der Katheterablation bleibt der Patient noch<br />

etwa zwei bis drei Tage im Krankenhaus. Zur Überwachung<br />

des <strong>Herzrhythmus</strong> werden regelmäßig<br />

EKGs abgeleitet. Außerdem wird die Herzfunktion<br />

noch einmal durch eine Ultraschalluntersuchung<br />

geprüft. Beim unkomplizierten Verlauf geht es nach<br />

etwa drei Tagen nach Hause. Innerhalb der ersten<br />

Monate muss die Blutverdünnung fortgeführt werden,<br />

um das Risiko der Bildung von Blutgerinnseln<br />

zu verringern. Außerdem werden in den ersten<br />

Wochen nach der Katheterablation regelmäßig<br />

Langzeit-EKGs durchgeführt, um beurteilen zu können,<br />

ob jetzt tatsächlich ein normaler <strong>Herzrhythmus</strong><br />

besteht. Wenn das durchgehend nachgewiesen<br />

ist, kann einige Monate nach der Ablation in<br />

Absprache mit dem behandelnden Arzt die Blutverdünnung<br />

wieder abgesetzt werden. Erst dann<br />

ist das volle Behandlungsziel erreicht: durchgehend<br />

normaler <strong>Herzrhythmus</strong>, keine Blutverdünnung.<br />

Rhythmusmedikamente werden nicht mehr<br />

gebraucht.<br />

einer Ablationsbehandlung: Jetzt sind die elektrischen<br />

Blocklinien, die um die Lungenvenen gelegt worden sind,<br />

komplett zu erkennen. (Die Lungenvenen sind in dieser<br />

Abbildung gelöscht worden, um eine bessere Sicht auf die<br />

Ablationslinien zu ermöglichen.) Die rosa Punkte zeigen<br />

an, dass hier sehr vorsichtig gearbeitet wurde, weil sich<br />

eine große Nähe zur Speiseröhre gezeigt hatte.<br />

Welche Alternativen gibt es?<br />

AV-Knotenablation: Ziel der AV-Knotenablation ist<br />

es, die elektrische Verbindung zwischen dem flimmernden<br />

Vorhof und den Herzkammern, den AV-<br />

Knoten, zu durchtrennen. Der Vorhof wird von den<br />

Kammern elektrisch abgeschnitten. Das Verfahren<br />

ist einfach, relativ rasch und sicher durchführbar.<br />

Die Katheterablation des AV-Knotens dauert etwa<br />

30 Minuten. Ein wesentlicher Unterschied zur direkten<br />

Ablation von Vorhofflimmern besteht in der<br />

Tatsache, dass bei der Katheterablation des AV-<br />

Knotens das Vorhofflimmern nicht direkt behandelt<br />

wird, sondern nur die Auswirkungen des Vorhofflimmerns<br />

auf die Herzkammern. Das bedeutet,<br />

dass das Vorhofflimmern langfristig weiter bestehen<br />

bleibt. Dementsprechend ist in fast allen<br />

Fällen nach der Katheterablation des AV-Knotens<br />

eine Blutverdünnung (s. S. 65 ff.) notwendig. Außerdem<br />

muss nach der Katheterablation des AV-<br />

Knotens in allen Fällen ein Herzschrittmacher eingesetzt<br />

werden. Es besteht eine lebenslange Abhängigkeit<br />

vom Herzschrittmacher. Dieser Eingriff<br />

kann nicht rückgängig gemacht werden, ein einmal<br />

durchtrennter AV-Knoten wird immer durchtrennt<br />

bleiben.<br />

53


54<br />

nachher:<br />

vorher:<br />

Vorkammern im Flimmern<br />

AV-Knoten<br />

Hauptkammern<br />

in absoluter Arrhythmie<br />

Herzschrittmacher<br />

Vorkammern im Flimmern<br />

Hauptkammern im<br />

regelmäßigen<br />

Schrittmacherrhythmus<br />

Abb. 3: Vorhofflimmern vor<br />

und nach AV-Knotenablation.<br />

Der unregelmäßige und<br />

schnelle Herzschlag (etwa<br />

140 Schläge pro Minute) ist<br />

vor der Ablation im EKG gut<br />

zu sehen. Nach der Ablation<br />

werden die Hauptkammern<br />

von einem Herzschrittmacher<br />

stimuliert. Der Herzschlag<br />

ist jetzt deutlich langsamer<br />

(etwa 60 Schläge pro Minute)<br />

und regelmäßig.


Aufgrund der immer besser werdenden Behandlungsergebnisse<br />

der direkten Ablation von Vorhofflimmern<br />

wird die AV-Knotenablation <strong>heute</strong> nur<br />

noch selten durchgeführt. Diese Prozedur sollte<br />

nur in Betracht gezogen werden, wenn das Vorhofflimmern<br />

zu einer sehr schnellen und unregelmäßigen<br />

Herzschlagfolge im Bereich der Herzkammern<br />

führt, Medikamente das Herzrasen nicht ausreichend<br />

kontrollieren können und wenn eine direkte<br />

Katheterablation des Vorhofflimmerns nicht<br />

in Frage kommt.<br />

Diese Methode kommt <strong>heute</strong> fast ausschließlich<br />

bei älteren Patienten, die die Risiken der Direktkatheterablation<br />

von Vorhofflimmern nicht eingehen<br />

möchten, in Betracht. Jüngeren Patienten mit<br />

Vorhofflimmern sollte dieses Verfahren in aller Regel<br />

nicht empfohlen werden.<br />

Herzschrittmacherstimulation: In den letzten Jahren<br />

wird zunehmend versucht, durch eine gezielte<br />

Herzschrittmacherstimulation im Bereich der<br />

Vorhöfe die Häufigkeit und/oder Dauer von Vorhofflimmern<br />

positiv zu beeinflussen. Dabei wird<br />

versucht, das Auftreten von Vorhofflimmern dadurch<br />

zu verhindern, dass bestimmte Rhythmus-<br />

muster, z. B. Extrasystolen, die einem Anfall vorausgehen<br />

können, durch spezielle Schrittmacherprogramme<br />

unterbrochen werden (vorbeugende<br />

Stimulation).<br />

Das Einsetzen eines Herzschrittmachers nur mit<br />

dem Ziel, das Auftreten von Vorhofflimmern zu<br />

verhindern, ist in der Regel nicht gerechtfertigt.<br />

Eine solche Therapie kommt nur in Frage bei<br />

Patienten, die ohnehin, z. B. wegen eines kranken<br />

Sinusknotens, einen Schrittmacher erhalten. Bei<br />

solchen Patienten kann in bis zu 30 % der Fälle das<br />

Vorhofflimmern günstig beeinflusst werden.<br />

Fazit<br />

Wenn Medikamente nicht mehr helfen, stellt die<br />

Katheterablation einen wesentlichen Fortschritt für<br />

die Therapie des Vorhofflimmerns dar. Patienten,<br />

die trotz medikamentöser Behandlungsversuche<br />

unter Vorhofflimmern sehr leiden, sollten die Katheterablation<br />

als attraktive, weil heilende Behandlungsmethode<br />

bereits <strong>heute</strong> in Betracht ziehen. Für<br />

die Zukunft ist zu erwarten, dass sich diese Therapie<br />

als Behandlung der ersten Wahl für diese Patienten<br />

durchsetzen wird.<br />

Blutdruckmessung bei <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

Die Blutdruckmessung ist bei <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> dann erschwert, wenn entweder in kurzen Abständen<br />

gehäuft Extraschläge (Extrasystolen) auftreten oder Vorhofflimmern mit einer unregelmäßigen<br />

Kammertätigkeit besteht. Das vom Herzen ausgeworfene Blut (Schlagvolumen) kann sich dann von<br />

Schlag zu Schlag ändern und damit erreicht auch der systolische Blutdruck von Schlag zu Schlag eine<br />

andere Höhe.<br />

Was bedeutet eine unregelmäßige Herztätigkeit für die Blutdruckmessung? Hierbei muss die Messung<br />

mit dem Stethoskop und die automatische (oszillometrische) Messung der <strong>heute</strong> meist verwendeten Blutdruckmessgeräte<br />

unterschieden werden. Besteht ein unregelmäßiger Herzschlag, kann man bei einmaliger<br />

Messung mit dem Stethoskop zufällig in eine Herzaktion mit einem besonders niedrigen oder besonders<br />

hohen systolischen Blutdruck geraten. Deshalb soll man bei der Blutdruckmessung mit dem Stethoskop<br />

mehrere (vier bis sechs) Messungen vornehmen und aus diesen Messungen einen Mittelwert<br />

bilden, um unterschiedliche Messwerte auszugleichen.<br />

In den meisten Geräten mit automatischer Blutdruckmessung wird die Unregelmäßigkeit des Pulsschlags<br />

nicht angezeigt, so dass es bei einer nur einmaligen Messung zu einer fehlerhaften Blutdruckmessung<br />

kommen kann. Neuerdings sind zwei Geräte auf den Markt gekommen, die eine Unregelmäßigkeit<br />

des Pulsschlags anzeigen und damit auf die Notwendigkeit mehrfacher Blutdruckmessung hinweisen:<br />

OMRON M5 Professional und boso-medicus uno.<br />

Nach wie vor ist die Blutdruckmessung bei <strong>Herzrhythmus</strong>störung am genauesten durch mehrmalige<br />

Messungen mit dem Stethoskop und der Berechnung des Mittelwertes aus vier bis sechs Messungen. Ob<br />

die automatische Blutdruckmessung mit den beiden genannten Blutdruckmessgeräten bei <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

gleich gute Ergebnisse liefert, muss noch überprüft werden.<br />

Prof. Dr. med. Dieter Klaus<br />

55


Seit etwa 20 Jahren nervt mich diese Rhythmusstörung.<br />

An das erste, vorübergehende Auftreten kann<br />

ich mich nicht mehr genau erinnern. Es muss vor<br />

mehr als 20 Jahren gewesen sein, als ich noch Oberarzt<br />

in Freiburg war. Vom Fühlen des Pulses und<br />

vom Empfinden des Herzschlags war die Diagnose<br />

für mich klar. Ein EKG zu schreiben, hielt ich<br />

erst nach wiederholtem Auftreten für notwendig.<br />

Es bestätigte meine Diagnose: eindeutig Vorhofflimmern,<br />

offensichtlich anfallsweise, sogenanntes<br />

paroxysmales Vorhofflimmern.<br />

Mir ging es nicht anders als meinen Patienten: Zuerst<br />

glaubte ich an ein einmaliges oder ganz seltenes<br />

Ereignis, dann an vermeidbare Auslöser der<br />

Anfälle und daraus folgende Vermeidungsstrategien.<br />

Was zunächst zu helfen schien, war auf längere<br />

Sicht unwirksam: Vermeidung jeglichen Alkohols<br />

und Kaffees, Vermeidung von Schlafmangel<br />

und Extrembelastung. Da die Anfälle jeweils nur<br />

wenige Stunden andauerten und nur etwa einmal<br />

im Monat auftraten, ließ ich der Natur ihren Lauf –<br />

vielleicht auch ein bisschen mit Verdrängung der<br />

Realität und in dem Bewusstsein, als Herzspezialist<br />

alles im Griff zu haben.<br />

Innerhalb der nachfolgenden Jahre kam es zu einer<br />

allmählichen Zunahme von Häufigkeit und<br />

Dauer der Anfälle. Das Ende jedes Anfalls war wie<br />

eine Erlösung: Herzklopfen, ausgesprochenes Unwohlsein<br />

und Beklemmungsgefühl in der Brust mit<br />

Atemnot verschwanden jeweils schlagartig. Selbstverständlich:<br />

Der zwischenzeitlich festgestellte hohe<br />

Blutdruck wurde zunächst mit Betablockern, später<br />

zusätzlich mit ACE-Hemmern und letztlich mit<br />

Angiotensin-Rezeptorblockern behandelt. Magnesium<br />

und Kalium im Blut wurden kontrolliert und<br />

über Monate zugeführt.<br />

Dann: Vor etwa drei Jahren schien ein Anfall überhaupt<br />

nicht enden zu wollen. Ich ging in „meine<br />

Klinik“, um ein Belastungs-EKG sowie ein Echo-<br />

56<br />

Vorhofflimmern: eine lange Geschichte<br />

Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Universitäres Herzzentrum Hamburg,<br />

Klinik und Poliklinik für Kardiologie/Angiologie<br />

kardiogramm machen zu lassen. Beide waren in<br />

Ordnung, aber der linke Vorhof im Echo doch<br />

schon etwas vergrößert. Unmittelbar während des<br />

Belastungs-EKGs – auf der höchsten Belastungsstufe<br />

– trotz Vorhofflimmerns 200 Wattsekunden –<br />

kam es schlagartig zum Umspringen in den normalen<br />

Rhythmus. Rein zufällig? Oder lag hier ein<br />

therapeutischer Ansatz? Wiederholt konnte ich Vorhofflimmern<br />

durch hohe Belastungen beenden.<br />

Aber dann war diese Technik nach einigen Monaten<br />

nicht mehr erfolgreich.<br />

Nun blieb auch mir – wie meinen Patienten – nichts<br />

anderes als eine medikamentöse Therapie. Ich<br />

begann mit Flecainid. Zunächst war das Antiarrhythmikum<br />

wirksam. Dann aber nicht mehr. Es<br />

war wie verhext. Die Anfälle kamen zunehmend<br />

häufiger. Ich musste die Dosis steigern.<br />

Unter hoher Dosierung gab es zunächst nur noch<br />

selten Anfälle. Aber beim Umspringen von Vorhofflimmern<br />

in den Sinusrhythmus hatte ich ein ungutes<br />

Gefühl mit kurz andauerndem Schwindel<br />

und auch einmal nahezu mit Bewusstlosigkeit. Im<br />

Langzeit-EKG konnte eine Pause von etwa vier<br />

Sekunden beim Umschlagen von Vorhofflimmern<br />

in Sinusrhythmus dokumentiert werden.<br />

Das war vor etwa zwei Jahren. Naturgemäß stellte<br />

sich für mich die Frage, was tun, wenn dieses<br />

Medikament – wie andere (ich hatte es inzwischen<br />

auch mit Propafenon probiert) – auch in hohen<br />

Dosierungen nicht mehr wirksam ist.<br />

Und dies trat rascher ein, als ich erwartet hatte. In<br />

den Sommerferien 2004 auf Kreta bei optimaler<br />

Entspannung, trotz maximaler Therapie mit Medikamenten,<br />

erlebte ich erneut lang dauernde Anfälle.<br />

Nun hatte ich zum ersten Mal das Gefühl: Jetzt muss<br />

etwas passieren, sonst hast du bald dauerhaftes<br />

Vorhofflimmern. Mit einem Mal sah ich die Patienten<br />

mit Schlaganfall, vermutlich als Folge von Vorhofflimmern,<br />

mit anderen Augen: Das kann dich


Blick ins EPU-Labor<br />

57


auch treffen. Du hast zwar noch nicht die kritische<br />

Altersgrenze (65 Jahre) erreicht, aber zumindest<br />

einen weiteren Risikofaktor für das Auftreten von<br />

Schlaganfällen: den zwar behandelten, aber trotzdem<br />

im oberen Normbereich liegenden Blutdruck.<br />

Der Schritt zur Gerinnungshemmung mit Marcumar<br />

fiel mir nicht leicht – nicht anders als meinen<br />

Patienten. Aber ich ging ihn, denn das Risiko<br />

eines Schlaganfalls erschien mir erheblich größer<br />

als das von Blutungskomplikationen.<br />

Gleichzeitig begann ich, über alternative Behandlungsverfahren<br />

nachzudenken. Ich war an dem<br />

Punkt, über den ich häufig mit meinen Patienten<br />

spreche: Noch ein letzter Versuch mit dem Medikament<br />

Amiodaron – wirksamer als alle anderen<br />

Antiarrhythmika, aber auch gerade bei Dauertherapie<br />

mit schweren Nebenwirkungen belastet.<br />

Amiodaron ist in meinem Alter allenfalls eine<br />

vorübergehende Lösung.<br />

Um überhaupt noch einmal für eine gewisse Zeit<br />

im normalen Rhythmus zu bleiben, entschloss ich<br />

mich zu Amiodaron. Während der Aufsättigungsphase<br />

(hohe Dosis in den ersten zwei Wochen der<br />

Therapie) kam es bei mir zu einem unangenehmen<br />

– auch subjektiv als bedrohlich empfundenen<br />

– Erlebnis. Plötzlich ging der Herzschlag aus völliger<br />

Unregelmäßigkeit – nachts im Hotel in Potsdam<br />

– in einen schnellen regelmäßigen Rhythmus<br />

(etwa 130 – 140 Schläge/Minute) über. Mir wurde<br />

ganz flau, ich stand nachts auf, setzte mich an den<br />

Schreibtisch und arbeitete, um mich abzulenken.<br />

Am nächsten Morgen ging ich gleich in die Medizinische<br />

Notaufnahme des St. Josef-Krankenhauses.<br />

Meine Verdachtsdiagnose (Amiodaron-induziertes<br />

Vorhofflattern) wurde im EKG bestätigt. Die<br />

mir angebotene elektrische Kardioversion ließ ich<br />

mit der Hoffnung, bald wieder in Sinusrhythmus<br />

„umzuspringen“, nicht durchführen. Und tatsächlich,<br />

während der Heimfahrt von Berlin nach Hamburg,<br />

hatte ich im Zug plötzlich wieder Sinusrhythmus<br />

– doch nur für einige Stunden.<br />

Kam für mich eine sogenannte Hybridtherapie in<br />

Frage, bei der ein durch Rhythmusmedikamente<br />

ausgelöstes Vorhofflattern durch eine Flatterabla-<br />

58<br />

tion (Isthmusblockade) beseitigt wird (s. S. 70)? Da<br />

ich Amiodaron nicht langfristig einnehmen wollte,<br />

zog ich diese therapeutische Alternative nicht<br />

ernsthaft in Erwägung.<br />

Wie sollte es weitergehen?<br />

Meine Empfehlung für die Patienten – zumindest<br />

für die ohne zusätzliche schwere Herzkrankheit –<br />

lautet: Ablationstherapie des Vorhofflimmerns. Dabei<br />

handelt es sich um ein Verfahren, bei dem<br />

Herzzellen gezielt so verödet werden, dass <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

nicht mehr entstehen können<br />

(s. S. 48). Ich entschied mich – aller Risiken bewusst<br />

(s. S. 51) – für die Ablation.<br />

Eine Alternative wäre gewesen, Vorhofflimmern<br />

im natürlichen Verlauf zunächst ohne Einnahme<br />

von Rhythmusmitteln zu belassen und lebenslang<br />

weiter Marcumar einzunehmen. Wahrscheinlich mit<br />

zusätzlicher Gabe eines Betablockers, um die Kammerfrequenz<br />

entsprechend zu vermindern. Diese<br />

Alternative hätte ich gewählt, wenn ich nicht durch<br />

Vorhofflimmern massive Beschwerden (ausgesprochenes<br />

Unwohlsein, Beklemmungsgefühl in der<br />

Brust, Atemnot) gehabt hätte.<br />

Wohin zur Ablation?<br />

In Deutschland gibt es nur wenige Zentren – ebenso<br />

wie in der übrigen Welt –, in denen große Erfahrungen<br />

mit der Ablation dieser Rhythmusstörung<br />

bestehen. Gott sei Dank aber einige! In die<br />

früher von mir geleitete Klinik (St. Georg) wollte<br />

ich ebenso wenig wie in die eigene (UKE). Weniger<br />

aus sachlichen als aus psychologischen Gründen.<br />

Ich entschied mich für Bordeaux. Herzspezialisten<br />

werden das verstehen. Diese Klinik ist eines der<br />

weltweit führenden Zentren in der Elektrophysiologie<br />

und insbesondere der Ablationstherapie von<br />

Vorhofflimmern. Hier wurden in dem von Prof.<br />

Haissaguerre geleiteten Zentrum bahnbrechende<br />

Fortschritte erzielt.


Auf dem Weg nach Bordeaux gab es noch Hindernisse:<br />

der Termin für die Ablation. Einmal entschlossen,<br />

wollte ich einen möglichst raschen Termin.<br />

Außerdem sollte kurz vor der Ablation eine transösophageale<br />

echokardiographische Untersuchung<br />

(durch die Speiseröhre) zum Ausschluss von Blutgerinnseln<br />

im linken Herzen erfolgen.<br />

Schließlich war das geschafft, und ich machte mich<br />

auf den Weg. Am Montag dann in das Centre Hospitalier<br />

Haut-Lévêque. Alles war gut organisiert,<br />

vom Empfang direkt ins Bett. Innerhalb von 30 Minuten<br />

erfolgte EKG, Blutentnahme, Anlage eines<br />

Venenzugangs, Rasieren und Waschen beider Leisten.<br />

Routiniert und rasch, aber durchaus persönlich<br />

und freundlich mit angenehmem Ton der Mitarbeiter<br />

auch untereinander, wurde alles erledigt.<br />

Dann der berühmte, das darf man sagen, da jedem<br />

Kardiologen der Welt bekannt, Chef der Arrhythmieeinheit<br />

Prof. Michel Haissaguerre, freundlich,<br />

zugewandt lächelnd, ohne jede Starallüren. Ein<br />

paar kurze Fragen, am Ende „Sie sind ja bestens<br />

über alles informiert, dann kann es ja gleich losgehen“.<br />

Der Eingriff<br />

Schon auf der Station bekam ich ein Beruhigungsmittel.<br />

Bei vollem Bewusstsein kam ich in den elektrophysiologischen<br />

Operationssaal (sog. EPU-<br />

Labor): vom Bett direkt auf den Kathetertisch, Desinfektion<br />

beider Leisten, Abdecken mit sterilen Tüchern<br />

und Anlage der EKG-Elektroden. Ich sah jetzt<br />

alles auf einmal von der anderen Seite. Ich hatte<br />

Zeit herumzuschauen. Die Röntgenanlage war nicht<br />

das allerletzte Modell, dafür aber waren alle elektrophysiologischen<br />

Apparate auf dem neuesten<br />

Stand. Ich selbst konnte das Durchleuchtungsbild<br />

– mir so vertraut von vielen Patienten – ebenso mitverfolgen<br />

wie die EKG-Signale aus dem Herzen.<br />

Noch ehe ich mir dessen richtig bewusst wurde,<br />

spürte ich ein kurzes Brennen und Druckgefühl in<br />

der rechten Leiste, schon waren die Elektrodenkatheter<br />

im Herzen. Auch vom Durchstechen der<br />

Vorhofscheidewand spürte ich nichts.<br />

Zunächst wurde das Gebiet im rechten Vorhof zwischen<br />

Trikuspidalklappe und unterer Hohlvene<br />

(rechter Isthmus) abladiert (verödet). Diese Prozedur<br />

ist Routine. Ich muss eingeschlafen sein. Wach<br />

wurde ich vom Gefühl eines raschen und kräftig<br />

stolpernden Herzschlags. Man hatte Vorhofflimmern<br />

ausgelöst, das aber zunächst von selbst wieder<br />

stoppte. Zwischenzeitlich arbeitete Prof. Haissaguerre<br />

bereits im linken Herzen. Ich erkannte<br />

auf dem Röntgenbildschirm den Lasso-Katheter zunächst<br />

in den beiden linken, anschließend in den<br />

rechten Pulmonalvenen. Bei Abgabe von niederfrequentem<br />

Strom zur Isolation der Pulmonalvenen<br />

spürte ich jetzt Schmerzen, aber sie waren<br />

erträglich. Vorhofflimmern ließ sich erneut auslösen,<br />

obwohl die Lungenvenen blockiert waren.<br />

Also wurde nach weiteren Ursprungsorten des Vorhofflimmerns<br />

gesucht. Sie wurden nahe der flachen,<br />

ovalen Vertiefung in der rechten Seite der<br />

Vorhofscheidewand geortet und ebenfalls verödet.<br />

Schließlich – nach gut drei Stunden – war Vorhofflimmern<br />

nicht mehr auslösbar. Ende der Prozedur.<br />

Am nächsten Morgen ging es mir sehr viel besser.<br />

Die Schwestern hatten sich während der Nacht rührend<br />

um mich gekümmert. Puls, Blutdruck, EKG,<br />

Druckverband kontrolliert, sogar Temperatur und<br />

Körpergewicht wurden gemessen. Dreimal täglich<br />

bekam ich Heparinspritzen unter die Bauchhaut,<br />

weil Marcumar abgesetzt war.<br />

Plötzlich, während eines leichten Mittagessens, erneut<br />

das Gefühl von Extrasystolen, zunächst selten,<br />

dann zunehmend häufiger. Gegen Abend kam<br />

Prof. Haissaguerre noch einmal: „Sie haben viele<br />

und zum Teil auch kurz angekoppelte Extrasystolen,<br />

außerdem kurze Salven, es kann also sein, dass<br />

wir morgen noch einmal ran müssen“.<br />

War es seine persönliche und fachliche Autorität<br />

oder mein dringender Wunsch, das Vorhofflimmern<br />

los zu werden – ich dachte keinen Moment<br />

daran, einen erneuten Eingriff zu verweigern oder<br />

auch nur zu diskutieren. Außerdem war ich vor der<br />

ersten Prozedur über die eventuelle Notwendigkeit<br />

eines zweiten Eingriffs aufgeklärt worden.<br />

59


Am nächsten Morgen eröffnete mir Prof. Haissaguerre,<br />

womit ich ohnehin gerechnet hatte: „Heute<br />

Nachmittag machen wir einen zweiten Eingriff.“<br />

Wahrscheinlich hatte sich die Leitung aus den rechten<br />

Pulmonalvenen teilweise erholt.<br />

Selbst die immer länger werdende Wartezeit auf<br />

die zweite Prozedur ließ mich nicht unruhig werden.<br />

Zu groß war mein Vertrauen in die behandelnden<br />

Ärzte. Alles andere wie Warten etc. war Nebensache.<br />

Sie werden sicher nicht Karten spielen<br />

und mich deshalb warten lassen. Der Patient, der<br />

derzeit auf dem Kathetertisch liegt, hat ebenso das<br />

Recht auf eine vollständige und ausführliche Behandlung<br />

wie ich.<br />

Und dann lag ich zum zweiten Mal auf dem Herzkathetertisch.<br />

Erneut wurde Vorhofflimmern durch<br />

kurze Stromabgaben ausgelöst, diesmal aus einem<br />

anderen Herd, dem Koronarvenensinus. Ablation<br />

nun auch hier. Identifikation eines weiteren Herdes.<br />

Hier erneute Ablation. Dann endlich war Vorhofflimmern<br />

nicht mehr auslösbar. Ende der Prozedur,<br />

erneut drei Stunden Dauer. Die Schmerzen<br />

in der Brust während der Stromabgabe waren unangenehm,<br />

aber erträglich.<br />

Zunächst wurden die Therapie mit Heparin bzw.<br />

Marcumar für die nächsten drei Monate und natürlich<br />

auch die blutdrucksenkende Therapie fortgesetzt.<br />

Der endgültige Therapieerfolg lässt sich erst<br />

nach etwa drei Monaten beurteilen.<br />

Am nächsten Tag verließ ich noch etwas erschöpft,<br />

aber glücklich die Klinik.<br />

60<br />

Der Rückfall<br />

Auf einen Rückfall von Vorhofflimmern war ich gefasst,<br />

daher durch erneut auftretende kurze Anfälle<br />

nicht allzu irritiert. Außerdem waren diese – im<br />

Gegensatz zum Zeitpunkt vor der Ablation – viel<br />

kürzer. Trotzdem war ich unzufrieden, ich wollte<br />

einfach frei von Vorhofflimmerattacken sein und<br />

dies ohne dauerhafte Therapie mit Rhythmusmedikamenten.<br />

Für mich bedurfte es keiner langen<br />

Überlegung, ich benötigte offensichtlich eine<br />

weitere Ablationsprozedur, um die Neigung zu Vorhofflimmern<br />

endgültig zu beseitigen.<br />

Etwa sechs Monate nach meiner ersten Behandlung<br />

ging ich erneut nach Bordeaux. Gleiche Kli-<br />

nik, gleiche Station, gleiches Zimmer und Bett.<br />

Kommentar der Schwestern: „Dass Sie so eine<br />

Sehnsucht nach uns haben!“ Die etwa dreistündige<br />

Prozedur – diesmal von Dr. Pierre Jaïs durchgeführt<br />

– verlief problemlos. Am Ende war anhaltendes<br />

Vorhofflimmern auch durch alle möglichen<br />

Provokationsmaßnahmen nicht mehr auslösbar.<br />

Und dies blieb auch in der Folgezeit so.<br />

Seit dieser Zeit habe ich keine Attacken von Vorhofflimmern<br />

mehr gehabt – und das ohne jede antiarrhythmische<br />

Therapie. Einen solchen Zustand<br />

habe ich seit 20 Jahren nicht mehr erlebt. Hierdurch<br />

hat sich mein Leben verändert.<br />

Was habe ich daraus gelernt?<br />

Mein Krankheitsverlauf vom anfallsweisen zum<br />

dauerhaften Vorhofflimmern ist offensichtlich normal.<br />

Der Zeitverlauf kann aber von Patient zu Patient<br />

unterschiedlich sein.<br />

Da die Ablationstechnik sich erst in den letzten Jahren<br />

vom experimentellen zum klinischen Routineverfahren<br />

entwickelt hat, habe ich die Ablationsprozedur<br />

möglichst lange hinausgezögert. Wahrscheinlich<br />

wäre eine frühzeitigere Ablationstherapie<br />

weniger schwierig und zeitaufwendig gewesen.<br />

Ich empfehle derzeit die Ablationsbehandlung für<br />

Patienten mit anfallsweisem Vorhofflimmern, sofern<br />

sie erheblich unter anfallsbedingten Beschwerden<br />

leiden und nicht mehr auf die üblichen Rhythmusmittel<br />

ansprechen. Amiodaron kommt dabei<br />

aus meiner Sicht, vor allem bei jüngeren Patienten,<br />

nur als vorübergehende Maßnahme in Frage. Bei<br />

diesen Patienten dürfte ein zu langes Herauszögern<br />

der Ablationsprozedur eher von Nachteil sein.<br />

An mir selbst habe ich erlebt, dass eine anscheinend<br />

einfache Ausgangslage (anfallsweise auftretendes<br />

Vorhofflimmern bei sonstiger Herzgesundheit)<br />

sich im Einzelfall als doch kompliziert erweisen<br />

kann und dies eine große Erfahrung vom behandelnden<br />

Ärzteteam erfordert. Daher sollte die<br />

Ablation nur in einem Zentrum durchgeführt werden,<br />

das mit dieser Therapie große Erfahrung besitzt.


Vorhofflimmern: chirurgische Therapie<br />

Das erste Operationsverfahren<br />

zur Behandlung<br />

von Vorhofflimmern<br />

wurde Anfang<br />

der 90er Jahre von dem<br />

amerikanischen Chirurgen<br />

Professor J. L. Cox<br />

entwickelt. Es fand bei<br />

den Patienten Anwendung,<br />

die mit Medikamenten<br />

nicht erfolgreich<br />

behandelt werden<br />

konnten. Die Vorhöfe<br />

wurden durch<br />

eine Schnitt- und Naht-<br />

PD Dr. med. Nicolas Doll, Prof. Dr. med. Friedrich W. Mohr<br />

Universität Leipzig, Herzzentrum, Klinik für Herzchirurgie<br />

technik in viele Segmente unterteilt, um die Ausbreitung<br />

der Flimmerwellen einzugrenzen. Der<br />

sehr aufwendige Eingriff wurde als Maze-Operation<br />

(Labyrinth-Operation) bekannt. Dieses Verfahren<br />

wurde in der Folgezeit abgewandelt und<br />

vereinfacht. Trotzdem hat es sich aufgrund seiner<br />

Komplexität, Dauer sowie der technisch hohen Anforderungen<br />

nicht durchgesetzt.<br />

Inzwischen sind große Fortschritte in der Weiterentwicklung<br />

chirurgischer Verfahren zur Behandlung<br />

des Vorhofflimmerns erzielt worden. Sie sind<br />

weniger zeitaufwendig, schonender und bringen<br />

gute Ergebnisse.<br />

Chirurgische Ablationstechniken<br />

Abb. 1: Schematische Darstellung der bei der Maze-Operation<br />

durchgeführten Schnitte (aus: Cox JL et al. Semin Thorac<br />

Cardiovasc Surg 1989; 1:67)<br />

Heute werden die aufwendigen Schnitt- und Nahttechniken<br />

der Maze-Operation praktisch nicht<br />

mehr angewandt. Stattdessen wird über spezielle<br />

Katheter (dünne Kunststoffschläuche) mit gezielter<br />

Energie (Hochfrequenz-, Mikrowellen-, Laser,<br />

Ultraschall- oder Kälteenergie) die für das Vorhofflimmern<br />

verantwortlichen Herzmuskelbereiche<br />

in den Vorhöfen verödet. Mit dieser Technik werden<br />

Isolationslinien angelegt, die die Entstehung<br />

und Aufrechterhaltung<br />

von Vorhofflimmern<br />

verhindern (Ablation).<br />

Zur Ablation werden<br />

drei verschiedene Operationsverfahrenangewandt:<br />

1. Normalerweise wird<br />

bei Herzoperationen<br />

der Brustkorb ohnehin<br />

eröffnet, zum Beispiel<br />

bei einer Bypass-Operation<br />

oder Klappenoperation.<br />

Im Rahmen<br />

dieses operativen Eingriffs kann Vorhofflimmern<br />

durch Anlage von Isolationslinien von der<br />

Innenseite der Vorhöfe her abladiert werden.<br />

Dies ist das bei der überwiegenden Zahl der<br />

Patienten praktizierte Verfahren.<br />

2. Die Vorhofflimmerablation kann als zusätzliches<br />

Verfahren angewandt werden bei einer ohnehin<br />

notwendigen Herzoperation, die in minimal-invasiver<br />

Technik, d. h. ohne Spaltung des<br />

Brustbeins, durchgeführt wird, zum Beispiel bei<br />

einer minimal-invasiven Wiederherstellung der<br />

Mitralklappe oder bei einem Verschluss eines<br />

Vorhofscheidewanddefekts. Allerdings muss<br />

auch dieser Eingriff unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine<br />

erfolgen.<br />

3. Eine Operation kann auch durchgeführt werden<br />

allein wegen Vorhofflimmerns, also nicht<br />

als zusätzliches Verfahren zu einer ohnehin notwendigen<br />

Operation. Auch dieser Eingriff erfolgt<br />

minimal-invasiv. Der Zugang zum Herzen beschränkt<br />

sich auf kleine Schnitte, die Isolationslinien<br />

im Vorhof werden unter Videokontrolle<br />

angelegt. Dies kann ohne Eröffnung des<br />

linken Vorhofes und ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine<br />

– quasi von außen – erfolgen.<br />

61


62<br />

Linkes Vorhofohr<br />

Linke untere Lungenvene<br />

Linke obere Lungenvene<br />

rote Linien:<br />

Verödungslinien<br />

Diese Technik befindet sich derzeit in der Entwicklung<br />

und wird weltweit nur an wenigen<br />

Zentren praktiziert.<br />

Für welche Patienten?<br />

Bei der Mehrzahl der Patienten kommt die Ablation<br />

– wie schon gesagt – als zusätzlicher Eingriff<br />

für Patienten in Frage, die sich ohnehin einer Herzoperation,<br />

zum Beispiel wegen eines Bypasses oder<br />

einer künstlichen Herzklappe, unterziehen müssen.<br />

Die Rhythmusstörung wird dann zusätzlich<br />

beseitigt. In der Regel ist dieser zusätzliche Aufwand<br />

(geringe Verlängerung der Operationszeit<br />

mit der Herz-Lungen-Maschine) sinnvoll. Nach der<br />

Operation kann so vielen Patienten die Behandlung<br />

mit Marcumar zur Gerinnungshemmung erspart<br />

werden.<br />

Die minimal-invasive chirurgische Behandlung des<br />

Vorhofflimmerns ist auch für die Patienten geeignet,<br />

bei denen ein minimal-invasives Operationsverfahren,<br />

zum Beispiel bei einer Wiederherstellung<br />

der Mitralklappe oder zum Verschluss eines<br />

Vorhofscheidewanddefekts, durchgeführt wird.<br />

In Ausnahmefällen wird eine minimal-invasive chirurgische<br />

Vorhofflimmerablation bei Patienten vorgenommen,<br />

bei denen der Eingriff allein wegen<br />

des Vorhofflimmerns durchgeführt wird. Ein solcher<br />

Eingriff ist unter folgenden Gesichtspunkten<br />

zu erwägen:<br />

■ Hoher Leidensdruck des Patienten mit erheblichen,<br />

durch Vorhofflimmern bedingten Beschwerden<br />

und<br />

■ erfolglose Therapie mit Medikamenten gegen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> (Antiarrhythmika und<br />

Antiarrhythmika-Kombinationen) und<br />

■ mehrfach vergeblicher Eingriff mit Kathetertechnik<br />

zur Ablation von Vorhofflimmern.<br />

Wie wird operiert?<br />

Bei einer offenen Herzoperation mit Herz-Lungen-<br />

Maschine wird üblicherweise vom Operateur die<br />

linke Herzvorkammer eröffnet. Dabei wird der Kreislauf<br />

durch die Herz-Lungen-Maschine versorgt. Mit<br />

einem speziellen Katheter wird im folgenden die<br />

Ablation im Bereich der linken Herzvorkammer<br />

durchgeführt (s. Abb. 2). Um die Lungenvenen<br />

herum werden Herzzellen gezielt verödet, so dass<br />

Isolationslinien entstehen, die die Ausbreitung des<br />

Vorhofflimmerns unterbrechen. Eine weitere Verödungslinie<br />

wird zwischen den rechten und linken<br />

Lungenvenen hinuntergezogen bis zum Mitralklappenring.<br />

Die Behandlung des Vorhofflimmerns<br />

selbst dauert, in Abhängigkeit von der Energiequelle,<br />

zwischen 5 und 20 Minuten. Wenn die Linienführung<br />

abgeschlossen ist und die linke Herzvorkammer<br />

verschlossen wurde, übernimmt das Herz wieder<br />

die Pumparbeit. Die Operation wird durch den<br />

Verschluss der geschaffenen Öffnungen des Herzens,<br />

des Brustkorbs und der Leiste beendet.


Mitralklappe<br />

Mitralklappenring<br />

Schnitt in den linken Vorhof<br />

rechte untere Lungenvene<br />

rechte obere Lungenvene<br />

Abb. 2:<br />

Schematische Darstellung der<br />

Ablationslinienführung im Bereich<br />

der linken Herzvorkammer<br />

Eine besondere Entwicklung der letzten Jahre stellt<br />

die minimal-invasive Operation dar, die am häufigsten<br />

zur Wiederherstellung einer defekten Mitralklappe<br />

eingesetzt wird. Dieser Eingriff dauert etwa zwei<br />

bis drei Stunden. Die Operationstechnik ist so gewählt,<br />

dass der Eingriff möglichst klein und wenig<br />

belastend ist. Die Blutgefäße in der rechten Leiste<br />

werden durch einen kleinen Schnitt (ca. 3 cm lang)<br />

freigelegt und für die Dauer der Operation an eine<br />

Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Gleichzeitig<br />

wird seitlich, in Höhe des vierten, rechten Rippenzwischenraums<br />

ein weiterer kleiner Schnitt parallel<br />

zum Verlauf der Rippen angelegt. Durch diese<br />

kleine Öffnung kann der Operateur die linke<br />

Herzvorkammer erreichen. Die Hauptschlagader<br />

(Aorta) wird oberhalb des Herzens durch eine spezielle<br />

Klemme verschlossen. Auf diese Weise kann<br />

der Operateur arbeiten, während das Herz stillsteht,<br />

und der Kreislauf durch die Herz-Lungen-Maschine<br />

versorgt wird. Ähnlich wie bei der offenen<br />

Herzoperation wird dann mit einem speziellen Katheter<br />

die Ablation im Bereich der linken Herzvorkammer<br />

durchgeführt. Auch hier werden Isolationslinien<br />

um die Lungenvenen herum angelegt. Eine<br />

weitere Verödungslinie wird zwischen den rechten<br />

und linken Lungenvenen bis zum Mitralklappenring<br />

hinuntergezogen.<br />

Ein weiteres neues Verfahren ist die Isolierung der<br />

Lungenvenen, ausgehend von der Oberfläche des<br />

Herzens. Hierzu ist eine Eröffnung des linken Vor-<br />

hofs nicht mehr nötig. Die Lungenvenen werden<br />

von außen kurz abgeklemmt und mit einer Hochfrequenz-,<br />

Ultraschall-, Kryo-, Mikrowellen- oder<br />

Laserenergie behandelt. Diese Technik der Behandlung<br />

von Vorhofflimmern wird überwiegend bei<br />

Patienten eingesetzt, bei denen man, zum Beispiel<br />

im Rahmen einer Bypass-Operation, auf den Einsatz<br />

der Herz-Lungen-Maschine verzichten möchte.<br />

Dieses Verfahren befindet sich derzeit noch in<br />

der Entwicklung.<br />

Nach allen vorgenannten Operationen ist eine<br />

intensivmedizinische Weiterbehandlung für etwa<br />

einen Tag notwendig. Anschließend erfolgt, je nach<br />

Erholungsverlauf, eine etwa vier- bis achttägige<br />

Behandlung auf einer Normalstation. In den Tagen<br />

nach der Operation (etwa am zweiten bis vierten<br />

Tag) ist das Auftreten von Vorhofrhythmus<strong>störungen</strong><br />

nicht ungewöhnlich. Das Herz muss sich<br />

nach dem lange bestehenden Vorhofflimmern quasi<br />

elektrisch erholen und sich wieder an den normalen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong> gewöhnen.<br />

Ergebnisse<br />

Die Erfolgsaussichten mit den genannten Verfahren,<br />

einen normalen <strong>Herzrhythmus</strong> dauerhaft wiederherzustellen,<br />

liegen im Durchschnitt bei rund<br />

70 – 90%. Dabei sind die Chancen, dauerhaft<br />

einen normalen <strong>Herzrhythmus</strong> (Sinusrhythmus) zu<br />

erreichen, von verschiedenen Vorbedingungen abhängig:<br />

63


Welche Herzerkrankungenliegen<br />

zusätzlich vor?<br />

Wie lange besteht<br />

das Vorhofflimmern<br />

schon?<br />

Wie gedehnt sind<br />

die Herzvorhöfe?<br />

Wie schwerwiegend<br />

sind die<br />

Herzvorhöfe verändert,<br />

zum Beispiel<br />

durch Narbenbildung?<br />

Bei<br />

Patienten, bei denen keine begleitende Herzkrankheit<br />

besteht, ist eine langfristige Erfolgsrate von bis<br />

zu 90 % erreichbar.<br />

64<br />

Komplikationen<br />

Bei Patienten, die sich ohnehin einer Herzoperation<br />

unterziehen müssen, gibt es selten schwerwiegende<br />

Komplikationen, die mit der Ablation von<br />

Vorhofflimmern zusammenhängen. Bei richtiger<br />

Technik werden heutzutage Sterblichkeit und Komplikationen<br />

maßgeblich durch die zugrundeliegende<br />

Herzoperation bestimmt. Insbesondere bei Verwendung<br />

der Kältetechnik (Kryo-Therapie) sind<br />

ernsthafte Komplikationen bei Anwendung von<br />

Temperaturen um - 60 °C praktisch nicht mehr aufgetreten.<br />

Ausblick<br />

Chirurgische Ablationsverfahrenwerden<br />

in zahlreichen<br />

Zentren als sichere<br />

und standardisierte<br />

Therapieverfahren<br />

zur Beseitigung von<br />

Vorhofflimmern<br />

eingesetzt. In der<br />

Regel werden diese<br />

Verfahren bei Patienten<br />

angewandt,<br />

die sich ohnehin<br />

Abb. 3: Eine chirurgische Ablation kann Vorhofflimmern heilen. Normalerweise einem herzchirur-<br />

als zusätzliches Verfahren bei ohnehin notwendigen Herzoperationen.<br />

gischen Eingriff unterziehen<br />

müssen.<br />

Bei der Mehrzahl der Patienten ist dies ein Eingriff<br />

mit Eröffnung des Brustkorbs und Anschluss an<br />

die Herz-Lungen-Maschine. Die zusätzliche Ablation<br />

von Vorhofflimmern verlängert die Operationszeit<br />

bei dieser Technik nur unwesentlich.<br />

Ebenfalls heutige Routine ist der Einsatz der chirurgischen<br />

Ablationstechnik als zusätzliche Maßnahme<br />

bei minimal-invasiver Herzchirurgie, zum Beispiel<br />

an der Mitralklappe und bei der Behandlung<br />

des Vorhofscheidewanddefekts. Hier sind die Ergebnisse<br />

ähnlich gut wie bei dem Einsatz im Rahmen<br />

einer offenen Herzoperation. Die endoskopische<br />

Ablationstechnik (geschlossener Brustkorb<br />

und Anwendung der Energie zur Isolation der Lungenvenen<br />

von außen) wird derzeit nur an wenigen<br />

Zentren durchgeführt und befindet sich noch<br />

in der Entwicklung.


Vorhofflimmern:<br />

das Schlaganfallrisiko senken<br />

Vorhofflimmern ist an sich nicht lebensbedrohend,<br />

aber es bringt Gefahren mit sich, vor allem die Gefahr<br />

eines Schlaganfalls. Da durch das Flimmern<br />

die Herzvorhöfe sich nicht mehr regelmäßig zusammenziehen,<br />

entstehen Blutgerinnsel, die, im<br />

Blutstrom mitgerissen, Gefäße verschließen können.<br />

Verschließt ein solches Blutgerinnsel ein Gefäß<br />

im Gehirn, kommt es zum Schlaganfall.<br />

Mindestens 10 – 15 % aller Schlaganfälle sind auf<br />

Vorhofflimmern zurückzuführen. Im höheren<br />

Lebensalter stellt es die häufigste Ursache für<br />

Schlaganfälle dar, insbesondere für schwere Schlaganfälle<br />

bei älteren Frauen. Die Hälfte aller Schlaganfälle<br />

im Zusammenhang mit Vorhofflimmern treten<br />

bei Patienten im Alter von über 75 Jahren auf.<br />

Diese Zahlen zeigen, wie wichtig es ist, die Patienten<br />

durch gerinnungshemmende Medikamente vor<br />

dem Schlaganfall zu schützen. Allerdings sind nicht<br />

alle Patienten gleichermaßen gefährdet. Das Risiko<br />

und damit die Therapie hängt vom Lebensalter<br />

und den Begleiterkrankungen ab.<br />

ASS oder Marcumar<br />

Verschiedene Medikamente stehen zur Verhinderung<br />

von Schlaganfällen und anderen Gefäßverschlüssen<br />

zur Verfügung: Patienten werden entweder<br />

mit ASS (Acetylsalicylsäure) oder Marcumar<br />

bzw. anderen Medikamenten, die ähnlich wie Marcumar<br />

wirken (z. B. Falithrom, Coumadin), behandelt.<br />

ASS und Marcumar haben verschiedene Ansatzpunkte:<br />

■ ASS hemmt die Verklumpung der Blutplättchen<br />

(Thrombozyten).<br />

■ Marcumar, Falithrom oder Coumadin sind<br />

Gegenspieler von Vitamin K und hemmen die<br />

Bildung von Gerinnungsfaktoren. Diese Medikamente<br />

greifen tiefer in die Blutgerinnung ein<br />

als ASS. Die Patienten müssen deshalb genau<br />

eingestellt werden (siehe unten). Eine zu star-<br />

Dr. med. Christa Gohlke-Bärwolf, Bad Krozingen<br />

ke Gerinnungshemmung bedeutet eine erhöhte<br />

Blutungsgefahr, eine zu schwache Gerinnungshemmung<br />

bietet keinen ausreichenden<br />

Schutz vor Gerinnselbildung. Deshalb wird die<br />

Blutgerinnung in den sogenannten therapeutischen<br />

Bereich gesenkt (s. Empfehlungen S. 66,<br />

67). Das ist jener Bereich, der einen optimalen<br />

Schutz vor Gerinnselbildung mit einer möglichst<br />

geringen Blutungsgefahr gewährleistet.<br />

Welches Medikament in jedem einzelnen Fall vorzuziehen<br />

ist, hängt davon ab, wie hoch das erwartete<br />

Schlaganfallrisiko ist. In vielen Studien konnte<br />

gezeigt werden, dass die Behandlung mit Marcumar<br />

der Behandlung mit ASS deutlich überlegen<br />

ist bei Patienten, die ein hohes Schlaganfallrisiko<br />

haben. Diese Patienten haben einen großen Nutzen<br />

von Marcumar.<br />

Patienten, bei denen das Risiko für einen Schlaganfall<br />

jedoch deutlich niedriger ist, haben keinen<br />

Nutzen von einer Behandlung mit Marcumar im<br />

Vergleich zu ASS.<br />

Wie hoch ist das Risiko?<br />

Um herauszufinden, welche Patienten besonders<br />

gefährdet sind, wurde eine Reihe von großen Studien<br />

durchgeführt (z. B. AFI, SPAF, CHADS2). Dabei<br />

hat sich herausgestellt, dass das Risiko, einen<br />

Schlaganfall zu erleiden, bei den einzelnen Patienten<br />

sehr unterschiedlich ist.<br />

Zum Beispiel ist bei Patienten mit Vorhofflimmern,<br />

die jünger als 65 Jahre sind und die keine Herzerkrankung<br />

und keine weiteren Risikofaktoren haben,<br />

eine Therapie nicht erforderlich, da bei ihnen<br />

das Risiko für einen Schlaganfall sehr niedrig ist.<br />

Patienten, die ein hohes Risiko haben für Thromboembolien<br />

(Verschluss eines Gefäßes durch ein<br />

verschlepptes Gerinnsel), bedürfen der Therapie<br />

mit gerinnungshemmenden Medikamenten (Marcumar,<br />

Falithrom oder Coumadin). Nach den heutigen<br />

Erkenntnissen kann eine Kombination von<br />

65


ASS und Clopidogrel diese Medikamente nicht ersetzen.<br />

Zu den Faktoren, die mit einem hohen Risiko verbunden<br />

sind, gehören:<br />

■ Schlaganfall oder Embolien in der Vorgeschichte<br />

■ Mitralstenose (Verengung der Mitralklappe)<br />

■ künstliche Herzklappen<br />

Zu den Faktoren, die mit einem mittleren Risiko<br />

verbunden sind, gehören:<br />

■ Alter: 75 Jahre und darüber<br />

■ Bluthochdruck<br />

Allgemein geht man davon aus, dass auch ein<br />

ausreichend behandelter Hochdruck weiterhin<br />

ein Risikofaktor für Thromboembolien ist. Aber<br />

ein gut eingestellter Hochdruck geht insgesamt<br />

mit weniger Schlaganfällen einher und auch mit<br />

weniger Neigung zu Vorhofflimmern.<br />

■ Herzschwäche mit einer Auswurffraktion der<br />

linken Herzkammer unter 35 %<br />

■ Diabetes<br />

66<br />

Empfehlungen zur gerinnungshemmenden Therapie<br />

bei Patienten mit Vorhofflimmern<br />

■ Patienten ohne Herzerkrankung und ohne Risikofaktoren<br />

(lone atrial fibrillation) unter 65 Jahren<br />

■ Patienten mit mittlerem und niedrigem Risiko für<br />

Thromboembolien, d. h. mit nur 1 Risikofaktor:<br />

■ Alter gleich oder über 65 Jahre,<br />

■ Bluthochdruck,<br />

■ Herzschwäche (Auswurffraktion der linken<br />

Herzkammer unter 35 %),<br />

■ Diabetes,<br />

■ koronare Herzkrankheit,<br />

■ Schilddrüsenüberfunktion.<br />

■ Patienten mit hohem Risiko, d. h. mit 2 oder mehr<br />

mittleren Risikofaktoren oder 1 hohem Risikofaktor wie:<br />

■ Schlaganfall,<br />

■ Embolien in der Vorgeschichte,<br />

■ Mitralstenose,<br />

■ künstliche Herzklappen (zum INR-Wert s. Tab. S. 67).<br />

Zu den Faktoren, die mit einem niedrigen Risiko<br />

verbunden sind, gehören:<br />

■ Alter: 65 bis 74 Jahre<br />

■ koronare Herzkrankheit<br />

■ Schilddrüsenüberfunktion<br />

Je mehr Risikofaktoren ein Patient auf sich vereint,<br />

umso höher ist sein Risiko für Thromboembolien<br />

und so dringender ist die Behandlung mit Marcumar.<br />

In der folgenden Tabelle wird dargestellt, was<br />

die internationalen Leitlinien (American Heart<br />

Association, American College of Cardiology und<br />

European Society of Cardiology) <strong>heute</strong> empfehlen.<br />

Der Unterschied zu den bisher geltenden Leitlinien<br />

von 2001 besteht darin, dass im Bereich des<br />

mittleren Risikos Patienten und Ärzten eine größere<br />

Freiheit eingeräumt wird, sich je nach der individuellen<br />

Situation des Patienten für ASS oder Marcumar<br />

zu entscheiden. Dabei ist immer das Risiko<br />

für einen Schlaganfall mit dem Risiko für Blutungen<br />

abzuwägen.<br />

keine Therapie<br />

ASS (100 – 300 mg) oder<br />

Marcumar/Falithrom (INR 2 – 3)<br />

Entscheidung im Einzelfall (siehe<br />

Text)<br />

Gerinnungshemmung<br />

mit Marcumar/Falithrom<br />

(INR 2 – 3)


Wieviel Blutverdünnung?<br />

Die Blutverdünnung durch Marcumar muss kontrolliert<br />

werden und wird mit dem weltweit standardisierten<br />

INR-Wert gemessen. Der INR-Wert von<br />

1 bedeutet keine Gerinnungshemmung. Der INR-<br />

Wert von 2, dass die Gerinnungszeit auf das Zweifache<br />

verlängert ist, der INR-Wert von 3 auf das<br />

Dreifache. Leider wird in manchen Arztpraxen und<br />

Krankenhäusern immer noch der veraltete Quick-<br />

Wert verwendet. Eine zuverlässige Kontrolle der<br />

Blutverdünnung ist damit nicht möglich, weil der<br />

Quick-Wert von Labor zu Labor schwanken kann.<br />

Zu ihrer Sicherheit sollten die Patienten darauf bestehen,<br />

dass immer ihr INR-Wert gemessen wird.<br />

Bei einem INR von 2 – 3 wird eine Blutverdünnung<br />

erzielt, die zur Verhinderung von Embolien ausreicht.<br />

Oberhalb von 3 steigt das Blutungsrisiko<br />

deutlich an. Daher sollte bei Patienten mit Vorhofflimmern<br />

der INR-Wert in der Regel zwischen 2 und<br />

3 liegen. Damit kann das Risiko für Schlaganfälle<br />

um 80 % gesenkt werden. Nur bei Patienten mit extrem<br />

erhöhtem Risiko für Thromboembolien (z. B.<br />

mehr als 10 % im Jahr) ist eine stärkere Gerinnungshemmung<br />

nötig.<br />

Ein hohes Risiko für Gerinnselbildung haben<br />

Patienten mit Klappenerkrankungen oder künstlichen<br />

Herzklappen. Für sie gelten die untenstehenden<br />

Empfehlungen.<br />

Anfallsweises Vorhofflimmern<br />

und Vorhofflattern<br />

Wie werden Patienten behandelt, die nicht ständig,<br />

sondern immer wieder auftretende Episoden<br />

von Vorhofflimmern (paroxysmales Vorhofflimmern)<br />

haben?<br />

Die Therapie dieser Patienten unterscheidet sich<br />

nicht von denen, die unter ständigem Vorhofflimmern<br />

leiden (chronisches Vorhofflimmern). Auch<br />

Patienten mit Vorhofflattern werden genauso behandelt.<br />

Empfehlungen zur Gerinnungshemmung<br />

bei Patienten mit Herzklappenerkrankungen und Herzklappenprothesen<br />

INR-Zielbereich<br />

ohne Vorhofflimmern mit Vorhofflimmern<br />

Herzklappenerkrankung<br />

Aortenklappenfehler kein Marcumar 2,5 – 3,0<br />

schwere Mitralklappenstenose 2,5 – 3,0 3,0 – 3,5<br />

Biologische Herzklappen<br />

Aortenposition kein Marcumar 2,5 – 3,0<br />

Mitralposition kein Marcumar 3,0 – 3,5<br />

Kunstklappenprothesen<br />

1. Generation 3,0 – 3,5 3,5 – 4,0<br />

z . B. Starr-Edwards,<br />

Björk-Shiley-Standard<br />

2. Generation<br />

z . B. St. Jude Medical, Medtronic Hall<br />

Aortenposition 2,5 – 3,0 3,0 – 3,5<br />

Mitralposition 3,0 – 3,5 3,5 – 4,0<br />

67


68<br />

Vor und nach Kardioversion<br />

Wenn bei lang anhaltendem Vorhofflimmern durch<br />

Medikamente oder durch einen elektrischen<br />

Schock in Kurznarkose der normale <strong>Herzrhythmus</strong><br />

wiederhergestellt werden soll (Kardioversion),<br />

dann muss mindestens drei Wochen vorher Marcumar<br />

gegeben und diese Therapie mindestens für<br />

vier Wochen nach erfolgreicher Kardioversion fortgeführt<br />

werden. Dabei sollte der INR-Wert zwischen<br />

2 und 3 liegen.<br />

Patienten, die ein hohes Risiko für ein Wiederauftreten<br />

von Vorhofflimmern nach Kardioversion haben,<br />

sind Patienten mit Bluthochdruck, Patienten,<br />

die älter als 55 sind, Patienten, bei denen Vorhofflimmern<br />

für länger als drei Monate bestanden hat,<br />

und Patienten mit Herzschwäche. Bei diesen sollte<br />

die Marcumar-Therapie zumindest drei Monate<br />

fortgeführt werden.<br />

Was kann erreicht werden?<br />

Bei Vorhofflimmern, das nicht mit Herzklappenerkrankungen<br />

verbunden ist, kann zum Beispiel<br />

bei einem 73-jährigen Patienten mit Bluthochdruck<br />

und Zuckerkrankheit über ein Jahr das geschätzte<br />

persönliche Risiko einer Embolie von rund 4 % auf<br />

unter 1,5 % gesenkt werden. Eine Behandlung mit<br />

ASS ist in diesen Fällen nicht ausreichend, es<br />

kommt dabei nur zu einer Senkung des Risikos<br />

auf 3%.<br />

Besondere Beachtung verdient die Tatsache, dass<br />

ältere Patienten das höchste Risiko für Thromboembolien<br />

und Schlaganfälle haben und bei ihnen<br />

der größte Nutzen durch die Gerinnungshemmung<br />

erzielt werden kann. Allerdings erhalten gegenwärtig<br />

gerade diese Patienten noch selten Marcumar<br />

bzw. Falithrom.<br />

Bei älteren Patienten über 70 muss man berücksichtigen,<br />

dass sie eine höhere Empfindlichkeit gegenüber<br />

Marcumar haben. Deswegen sollte die<br />

Dosierung, insbesondere zu Beginn der Behandlung<br />

mit Marcumar, um durchschnittlich 30 % verringert<br />

und nur mit ein bis maximal zwei Tabletten<br />

täglich begonnen werden.<br />

Die Kontrolle des INR-Wertes bei älteren Patienten<br />

sollte sehr engmaschig sein. Weiterhin ist zu<br />

berücksichtigen, dass eine Reihe von Medikamenten,<br />

z. B. Cordarex, das häufig zur Behandlung von<br />

Vorhofflimmern eingesetzt wird, den Marcumar-<br />

Bedarf stark vermindert (siehe Broschüre der Deutschen<br />

Herzstiftung Gerinnungshemmung, S. 7/8).<br />

Kontrolle schafft Sicherheit<br />

Das Blutungsrisiko beträgt unter einer Marcumarbehandlung<br />

etwa 2 – 3 %/Jahr und unter ASS<br />

0,9 %/Jahr. Um das Risiko für Blutungen weiter zu<br />

vermindern, muss der INR-Wert alle ein bis zwei<br />

Wochen kontrolliert werden.<br />

Die Einhaltung des therapeutischen Bereichs (INR-<br />

Wert 2 – 3) ist für die Sicherheit des Patienten entscheidend.<br />

Nur dann werden Embolien verhindert,<br />

denn bei einem INR-Wert von 1,8 oder darunter<br />

ist das nicht mehr gesichert. Wenn Medikamente<br />

geändert werden, wenn Erkrankungen wie z. B.<br />

Grippe oder Darminfektionen und Durchfall auftreten,<br />

sollte häufiger getestet werden. Besonders<br />

bewährt hat sich die Selbstbestimmung der Gerinnungshemmung<br />

durch den Patienten mit Hilfe<br />

eines kleinen Messgeräts (Gerinnungsmonitor).<br />

Die Selbstmessung erlaubt es dem Patienten, jederzeit<br />

den INR-Wert festzustellen. Bei Änderung<br />

von Medikamenten, im Krankheitsfall oder auf Reisen<br />

mit den nicht zu vermeidenden Änderungen<br />

der Essgewohnheiten kann der Patient mit einer<br />

schnellen Dosisanpassung reagieren. Damit ist eine<br />

genauere Einhaltung des therapeutischen Zielbereichs<br />

möglich. Das steigert die Wirksamkeit der<br />

Marcumar-Therapie und senkt das Risiko für Komplikationen.<br />

Neue Hoffnung?<br />

Eine neue Gruppe von Medikamenten (sogenannte<br />

Thrombinantagonisten) wie Ximelagatran ist in<br />

mehreren Studien mit Patienten mit Vorhofflimmern<br />

untersucht worden. Es handelt sich hier um<br />

ein gerinnungshemmendes Medikament, das anders<br />

als Marcumar wirkt. Die Wirkung beginnt und<br />

endet rasch. Die Ergebnisse dieser ersten Studien<br />

zeigten, dass dieses Medikament ebenso wirksam<br />

ist wie Warfarin (das amerikanische Marcumar).<br />

Schwere Blutungen traten mit gleicher Häufigkeit<br />

auf. Allerdings waren Erhöhungen der Leberenzyme<br />

mit diesem neuen Medikament deutlich<br />

häufiger.


Aufgrund der Nebenwirkungen wurde dieses neue<br />

Medikament nach kurzer Zulassungszeit zu Beginn<br />

dieses Jahres wieder vom Markt genommen.<br />

Zusammenfassung<br />

Auch bei Vorhofflimmern und dem damit verbundenen<br />

Schlaganfall-Risiko gilt: Vorbeugen ist besser<br />

als heilen. Die strikte Behandlung des hohen<br />

Blutdrucks, der häufigsten Ursache für Vorhofflimmern,<br />

und Vermeidung größerer Alkoholmengen<br />

vermindern das Auftreten von Vorhofflimmern. Ist<br />

es jedoch dazu gekommen, verhindert die Behandlung<br />

mit Marcumar bei den Patienten mit einem erhöhten<br />

Risiko am sichersten den Schlaganfall.<br />

Weltweit erhalten immer noch zu wenig Patienten<br />

Dieser Lastwagenfahrer war<br />

einer der ersten, der die Selbstbestimmung<br />

lernte. Die Wirkung war<br />

exzellent: Es gab keine Komplikationen,<br />

weder Embolien noch Blutungen.<br />

Er fährt regelmäßig seine großen europaweiten<br />

Touren – ohne für die Gerinnungskontrolle<br />

auf Arztbesuche angewiesen zu sein.<br />

diese gerinnungshemmenden Medikamente aus<br />

Furcht vor Nebenwirkungen. Bei guter Einstellung<br />

und Kontrolle – wobei vor allem die Selbstkontrolle<br />

sehr hilfreich ist – ist der Nutzen dieser Medikamente,<br />

weil sie Schlaganfälle verhindern, wesentlich<br />

größer als die Gefahr von Blutungen. Voraussetzung<br />

ist, dass immer der INR-Wert gemessen<br />

wird, weil mit dem veralteten Quick-Wert, der in<br />

Deutschland noch allzu oft in Arztpraxen und Krankenhäusern<br />

genutzt wird, die Kontrolle unzuverlässig<br />

ist.<br />

69


Christiane K. ist eine beruflich viel beschäftigte,<br />

sportlich aktive 45-jährige Frau. Gegen Ende ihres<br />

abendlichen Waldlaufs bemerkt Christiane K. plötzlich<br />

einen ungewöhnlich raschen Herzschlag mit<br />

starkem Herzklopfen. Auch als sie aufhört zu laufen,<br />

normalisiert sich der Herzschlag nicht. Sie hat<br />

das Gefühl, „der Motor läuft die ganze Zeit mit doppeltem<br />

Tempo – wie auf Vollgas“. Sie misst die Pulsfrequenz:<br />

145 Schläge/Minute. Auch in den folgenden<br />

Stunden hält das Herzrasen an, sie fühlt sich<br />

ausgesprochen unwohl. Erst zu später Stunde<br />

kommt Christiane K. an diesem Abend zur Ruhe<br />

und schläft ein. Auch am nächsten Morgen ist der<br />

Herzschlag immer noch schnell und unangenehm,<br />

so dass sie ihren Hausarzt aufsucht. Auf dem Weg<br />

dorthin springt das Herz plötzlich wieder auf die<br />

normale „Taktfrequenz“ um, so dass das EKG unauffällig<br />

ist. In der Folgezeit treten diese <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

immer häufiger auf und halten länger<br />

an. Mit einer Langzeit-EKG-Registrierung wurde<br />

dann die Diagnose „Vorhofflattern“ gesichert<br />

(s. Abb. S. 74).<br />

70<br />

Vorhofflattern: ein Fall für die<br />

Katheterbehandlung<br />

Prof. Dr. med. Stephan Willems, Dr. med. Dipl.-Ing. Boris Lutomsky, Dr. med. Daniel Steven,<br />

Dr. med. Thomas Rostock, Universitäres Herzzentrum Hamburg,<br />

Klinik und Poliklinik für Kardiologie/Angiologie<br />

Was ist Vorhofflattern?<br />

Ähnlich wie beim Vorhofflimmern hat beim Vorhofflattern<br />

der Sinusknoten seine normale Funktion<br />

als Taktgeber zumindest zeitweilig verloren<br />

(s. Abb. S. 12). Der normale <strong>Herzrhythmus</strong> ist regelmäßig<br />

und wird durch körperliche Belastung in<br />

seiner Frequenz beeinflusst. Im Gegensatz dazu<br />

besteht das Vorhofflattern in einer kreisenden Erregung<br />

im Bereich der rechten Vorkammer mit<br />

einer Frequenz von 240 – 340 Schlägen/Minute.<br />

Weil der AV-Knoten wie ein Filter wirkt, werden<br />

nicht alle elektrischen Impulse aus dem Vorhof in<br />

die Herzkammer übergeleitet. Wie hoch die Puls-<br />

frequenz wird, hängt davon ab, wie schnell der AV-<br />

Knoten die Erregung vom Vorhof auf die Kammer<br />

überleitet. Meistens handelt es sich um eine sogenannte<br />

2:1-Überleitung. Es wird also nur jede zweite<br />

Vorhoferregung auf die Kammer übergeleitet. Es<br />

resultiert daraus eine Herzfrequenz von 120 – 170<br />

Schlägen/Minute. Allerdings kann, ähnlich wie<br />

beim Vorhofflimmern, auch eine unregelmäßige<br />

Herzschlagfolge, je nach Leitungsvermögen des<br />

AV-Knotens, die Folge von Vorhofflattern sein. Vorhofflattern<br />

kann wie bei unserer Patientin von allein<br />

zu Ende gehen (intermittierendes Vorhofflattern)<br />

oder in anhaltender Form (persistierendes<br />

oder chronisches Vorhofflattern) auftreten. Allerdings<br />

ist bei anhaltendem Vorhofflattern der Übergang<br />

in Vorhofflimmern mit einer völlig ungeordneten<br />

Kreiserregung im Vorhof häufig. Daher können<br />

bei demselben Patienten zu verschiedenen<br />

Zeitpunkten einmal Vorhofflattern, dann wieder<br />

Vorhofflimmern registriert werden.<br />

Wie entsteht Vorhofflattern?<br />

Genaue elektrophysiologische Untersuchungen<br />

(s. S. 25) haben ergeben, dass es sich beim Vorhofflattern<br />

in den allermeisten Fällen um eine Kreiserregung<br />

im Bereich des rechten Vorhofs handelt<br />

(s. Abb. S. 72). Sie verläuft in der Mehrzahl der<br />

Fälle entgegen dem Uhrzeigersinn entlang der Trikuspidalklappe.<br />

Dort besteht eine für das Vorhofflattern<br />

wichtige anatomische Engstelle (rechtsatrialer<br />

Isthmus), durch welche die Erregungsfront<br />

geführt wird, und zwar zwischen dem Mündungsbereich<br />

der unteren Hohlvene in den rechten Vorhof<br />

und der Trikuspidalklappe. Begünstigt wird<br />

das Auftreten von Vorhofflattern durch eine Vergrößerung<br />

oder Druckbelastung des rechten Vor-


hofs, wie dies bei chronischen Lungenerkrankungen,<br />

koronarer Herzkrankheit, Kardiomyopathien,<br />

Herzklappenfehlern, aber auch hohem Blutdruck<br />

der Fall sein kann.<br />

Was sind die Beschwerden?<br />

In den meisten Fällen ist Vorhofflattern mit einer<br />

im Vergleich zum normalen <strong>Herzrhythmus</strong> rascheren<br />

Kammerfrequenz verbunden. Je nach Alter und<br />

je nach Grunderkrankung nimmt der Patient den<br />

schnellen <strong>Herzrhythmus</strong> unterschiedlich wahr. Die<br />

häufigsten Beschwerden sind Herzklopfen, innere<br />

Unruhe, Herzjagen, Luftnot, allgemeine körperliche<br />

Schwäche und schnellere Ermüdbarkeit.<br />

Ähnlich wie beim Vorhofflimmern kann das Vorhofflattern<br />

grundsätzlich zwei Probleme mit sich<br />

bringen:<br />

■ Die Herzleistung ist verringert, weil der Vorhof<br />

nicht effektiv arbeitet und die Herzkammer in<br />

vielen Fällen mit konstant hoher Frequenz<br />

pumpt. Diese hohe Frequenz passt sich dann<br />

auch nicht – wie beim gesunden Herzen – den<br />

individuellen Erfordernissen, wie z. B. der körperlichen<br />

Belastung, an.<br />

■ Wenn Vorhofflattern länger besteht und unter<br />

Umständen in Vorhofflimmern übergeht, verlangsamt<br />

sich der Blutstrom, so dass sich Blutgerinnsel<br />

im linken Vorhofohr bilden können.<br />

Dabei besteht die Gefahr, dass sie über die<br />

Hauptschlagader in das Gehirn verschleppt werden<br />

(zerebrale Embolie) und zum Schlaganfall<br />

führen können.<br />

Beschwerden und Auswirkungen des Vorhofflatterns<br />

hängen im wesentlichen davon ab, ob der<br />

Patient an einer Herzkrankheit leidet und wie<br />

71


72<br />

Vorhofflattern<br />

Schnitt durch das menschliche<br />

Herz in Höhe der Herzklappenebene:<br />

Links: Trikuspidalklappe,<br />

Pfeile: Verlauf der Vorhofflatterwelle<br />

um den Herzklappenring,<br />

Mitte oben: Pulmonalklappe,<br />

Rechts unten: Mitralklappe,<br />

Rechts oben: Aortenklappe,<br />

unter der Mitralklappe<br />

befindet sich bogenförmig<br />

der Koronarvenensinus.<br />

schwer seine Herzkrankheit ist. Junge, herzgesunde<br />

Patienten vertragen Vorhofflattern in der<br />

Regel problemlos. Auf der anderen Seite kann ein<br />

z. B. durch einen Herzinfarkt vorgeschädigtes Herz<br />

rasch und manchmal akut bedrohlich beeinträchtigt<br />

werden. Durch länger bestehendes Vorhofflattern<br />

mit einer hohen Kammerfrequenz kann auch<br />

die Leistungsfähigkeit der Herzkammer durch das<br />

„hochtourige Laufen des Motors“ herabgesetzt werden.<br />

Welche Untersuchungen<br />

sind notwendig?<br />

Nach der körperlichen Untersuchung sichert das<br />

EKG während des Anfalls die Diagnose Vorhofflattern.<br />

Wenn Vorhofflattern gelegentlich auftritt, ist<br />

es hilfreich, mehrere Langzeit-EKGs zu erstellen.<br />

Neben Laboruntersuchungen zum Ausschluss<br />

einer hormonell bedingten Ursache (z. B. Schilddrüsenüberfunktion)<br />

gehört die Ultraschalluntersuchung<br />

des Herzens zum Standardvorgehen.<br />

Wenn Vorhofflattern länger besteht, kann zwischenzeitlich<br />

Vorhofflimmern aufgetreten sein. Deswegen<br />

ist auch bei länger anhaltendem Vorhofflattern<br />

eine Gerinnungshemmung (Marcumar) notwendig.<br />

Eine Schluckechountersuchung (transösophageale<br />

Echokardiographie) muss sichern, dass sich<br />

keine Blutgerinnsel gebildet haben, wenn kein ausreichender<br />

Gerinnungsschutz besteht und der Patient<br />

in den normalen Rhythmus zurückgebracht<br />

werden soll. Eine elektrophysiologische Untersuchung<br />

ist nur sinnvoll, wenn in gleicher Sitzung<br />

eine Hochfrequenzstrom-Katheterablation geplant<br />

ist.<br />

Wie wird Vorhofflattern behandelt?<br />

Grundsätzlich gibt es, wie beim Vorhofflimmern,<br />

zwei Ziele der Behandlung:<br />

■ die Kontrolle der Herzfrequenz bei weiterbestehendem<br />

Vorhofflattern.<br />

■ die Wiederherstellung des normalen <strong>Herzrhythmus</strong><br />

(Sinusrhythmus).<br />

Bei länger bestehendem Vorhofflattern kann in einzelnen<br />

Fällen die Herzfrequenz durch Medikamente<br />

(Betablocker (z.B. Metoprolol), Calciumantagonisten<br />

(z. B. Verapamil)), die die Filterfunktion des<br />

AV-Knotens verstärken, kontrolliert werden.<br />

In der Regel ist das Ziel der Behandlung von Vorhofflattern<br />

jedoch die dauerhafte Wiederherstellung<br />

des normalen Rhythmus. Zur Unterbrechung<br />

des Vorhofflatterns können Medikamente (Antiarrhythmika)<br />

verwendet werden. Diese Rhythmisierungsversuche<br />

sollten nur unter zumindest kurzer<br />

stationärer Betreuung in der Klinik erfolgen,<br />

weil dort eine Monitorüberwachung möglich ist.<br />

Häufig sind Medikamente jedoch nicht wirksam.<br />

Es müssen dann nichtmedikamentöse Verfahren<br />

angewendet werden. In Zentren mit entsprechender<br />

Ausrüstung kann über ein Schrittmacherkabel,<br />

wie es auch bei der elektrophysiologischen Untersuchung<br />

verwendet wird, nach Plazierung im Bereich<br />

des rechten Vorhofs eine sogenannte Über-


stimulation (Overdrive-Stimulation) durchgeführt<br />

werden. Bei der gewöhnlichen Form des Vorhofflatterns<br />

kann in 80 – 90 % der Fälle durch eine<br />

hochfrequente Stimulation die Kreiserregung unterbrochen<br />

und ein normaler Rhythmus erzeugt<br />

werden. Wenn die Überstimulation nicht möglich<br />

bzw. nicht wirksam ist, wird das Vorhofflattern wie<br />

Vorhofflimmern durch einen elektrischen Schock<br />

(Kardioversion) in Kurznarkose unterbrochen. Dies<br />

ist in fast allen Fällen möglich und zumindest kurzfristig<br />

erfolgreich.<br />

Tritt Vorhofflattern wiederholt auf, so stellt sich die<br />

Frage, wie man zukünftige Attacken verhindern<br />

kann. Früher wurden ausschließlich Medikamente<br />

(Betablocker oder Antiarrhythmika) eingesetzt.<br />

Diese Behandlungsverfahren sind jedoch häufig<br />

wenig effektiv.<br />

Die Verödung mit Kathetern (Katheterablation)<br />

sollte <strong>heute</strong> als Therapiemöglichkeit frühzeitig in<br />

Betracht gezogen werden. Dabei werden unter örtlicher<br />

Betäubung Elektrodenkatheter über die Leistenvenen,<br />

in seltenen Fällen auch über die Schlüsselbeinvene,<br />

zum Herzen geführt und unter Röntgenkontrolle<br />

plaziert (s. Abb.). Der Patient erhält<br />

Schmerz- und Beruhigungsmittel. Dann wird mit<br />

einzelnen Hochfrequenzstromimpulsen eine Verbindungslinie<br />

zwischen der Trikuspidalklappe und<br />

der Mündung der unteren Hohlvene gezogen. Ziel<br />

ist die elektrische Unterbrechung der in diesem<br />

Bereich verlaufenden Kreiserregung des Vorhofflatterns.<br />

Dies gelingt <strong>heute</strong> bei über 95 % der Patienten.<br />

Aufgrund der Länge der Verbindungslinie<br />

von 1,5 – 2 cm besteht die Möglichkeit, dass sich<br />

an einzelnen Stellen das verödete Herzmuskelgewebe<br />

wieder erholt und erneut elektrisch leitfähig<br />

wird: Es kann dann in etwa 5 % der Fälle zum<br />

Wiederauftreten von Vorhofflattern kommen. Dann<br />

muss die Prozedur wiederholt werden. Grundsätzlich<br />

gilt, dass die Verödung (Katheterablation) von<br />

Vorhofflattern <strong>heute</strong> nicht nur ein sehr wirksames,<br />

sondern auch ein sehr sicheres Verfahren ist. Die<br />

Risiken der Ablation sind im rechten Vorhof geringer<br />

als im linken Vorhof und liegen bei 1 % für<br />

schwere Komplikationen. Bei zusätzlich bestehendem<br />

Vorhofflimmern ist zu beachten, dass häufig<br />

eine medikamentöse Therapie einschließlich einer<br />

Blutverdünnung auch nach Katheterablation von<br />

Vorhofflattern notwendig ist.<br />

Obwohl das Risiko von Hirnembolien bei Vorhofflattern<br />

als etwas geringer eingeschätzt wird als bei<br />

Vorhofflimmern, gilt <strong>heute</strong> die Grundregel, dass<br />

Patienten, die länger als zwei Tage unter Vorhofflattern<br />

leiden, entweder mit Medikamenten zur<br />

Blutverdünnung behandelt werden müssen oder<br />

Darstellung einer Vorhofflatterablation: Sie sehen den<br />

Verödungskatheter im rechten Vorhof am Isthmus und einen<br />

Stimulationskatheter im Koronarvenensinus.<br />

73


Langzeit-EKG-Registrierung bei einem Patienten mit Vorhofflattern.<br />

Die „sägezahnartigen“ Flatterwellen sind gut erkennbar.<br />

ein Schluckecho (transösophageale Echokardiographie)<br />

durchgeführt wird, das überprüft, ob sich<br />

Blutgerinnsel gebildet haben.<br />

74<br />

Zusammenfassung<br />

Vorhofflattern ist eine <strong>Herzrhythmus</strong>störung, die<br />

bei Patienten mit oder ohne zusätzlicher Herzerkrankung<br />

vorkommen kann. Über die Ursachen<br />

und den Mechanismus (Kreiserregung im rechten<br />

Vorhof) der gewöhnlichen Form gibt es <strong>heute</strong> sehr<br />

genaue Kenntnis. Dies hat auch die Entwicklung<br />

von neuen Behandlungsansätzen wesentlich beeinflusst.<br />

Die Behandlungsstrategien richten sich<br />

nach Beschwerden und Häufigkeit der Anfälle von<br />

Vorhofflattern. Die häufigsten Beschwerden sind<br />

dabei verminderte Belastbarkeit, Luftnot und das<br />

Gefühl von Herzrasen. Wenn Patienten unter Vorhofflattern<br />

leiden und diese Rhythmusstörung wiederholt<br />

auftritt, ist <strong>heute</strong> die Katheterablation ein<br />

etabliertes und sicheres Verfahren zur dauerhaften<br />

Beseitigung dieser Rhythmusstörung.<br />

Nach wiederholt auftretendem Vorhofflattern entschied<br />

sich auch Christiane K. für diese Behandlung.<br />

Nach einem zweitägigen Aufenthalt in der<br />

Klinik mit erfolgreicher Katheterablation des Vorhofflatterns<br />

konnte sich Christiane K. bereits nach<br />

vierzehn Tagen wieder voll belasten. Seither ist das<br />

Vorhofflattern nicht mehr aufgetreten.


Lebensbedrohliche<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

Dr. med. Michael Ulbrich, Medizinische Klinik und Poliklinik I,<br />

Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Dr. med. Uwe Dorwarth, Medizinische Klinik I, Krankenhaus Bogenhausen, München<br />

PD Dr. med. Christopher Reithmann, Prof. Dr. med. Gerhard Steinbeck,<br />

Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Herbert W., ein 64-jähriger pensionierter Postbeamter,<br />

war froh, seinen Hinterwandinfarkt vor<br />

einem Jahr gut überstanden zu haben. Sein Leben<br />

verlief in ruhigen Bahnen. Eine halbe Stunde nach<br />

einem gemütlichen Spaziergang wurde ihm aus<br />

vollem Wohlbefinden heraus schlagartig übel, und<br />

es blieb ihm die Luft weg. Er konnte gerade noch<br />

nach seiner Frau rufen, die ihn auf dem Flur liegend<br />

vorfand. Schockiert blickte sie in sein blasses<br />

Gesicht, auf dem sich kalter Schweiß bildete.<br />

Sie spürte sofort, dass ihr Mann in Gefahr war. Er<br />

brachte nur noch ein paar leise, undeutliche Worte<br />

hervor, bis er die Augen nach oben verdrehte<br />

und nicht mehr reagierte. Zum Glück war der 35jährige<br />

Sohn zu Besuch. Er tastete beim Vater keinen<br />

Puls mehr und begann geistesgegenwärtig mit<br />

Wiederbelebung, während seine Mutter den Rettungswagen<br />

mit Notarzt alarmierte. Die Zeit bis<br />

zum Eintreffen des Notarztes erschien ihnen wie<br />

eine Ewigkeit. Doch dann ging alles ganz schnell.<br />

Dem Notarzt gelang es, durch einen Elektroschock<br />

mit Hilfe eines Defibrillators das Herz wieder anzuwerfen.<br />

Herbert W. wurde sofort in die Klinik<br />

gebracht: Er hatte eine lebensbedrohliche <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

überlebt.<br />

Welche Rhythmusstörung<br />

ist lebensbedrohlich?<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> können lebensbedrohlich<br />

werden, wenn der Kreislauf aufgrund eines zu langsamen<br />

oder zu schnellen Herzschlags zusammenzubrechen<br />

droht. Der zu langsame Herzschlag, der<br />

häufig auf einer Blockierung der elektrischen Überleitung<br />

vom Vorhof auf die Kammern beruht und<br />

das Einsetzen eines Herzschrittmachers erforder-<br />

lich macht, ist in einem anderen Kapitel dieser Broschüre<br />

ausführlich behandelt (S. 15).<br />

Der lebensbedrohliche, zu schnelle Herzschlag,<br />

von dem hier die Rede ist, hat seinen Ursprung in<br />

der Regel in einer erhöhten elektrischen Aktivität<br />

der linken oder seltener der rechten Herzkammer.<br />

Es kommt zu einer Verselbständigung der elektrischen<br />

Erregung der Herzkammern, die unabhängig<br />

vom natürlichen Impulsgeber, dem Sinusknoten,<br />

zu rasen beginnt. Dieser schnelle Herzschlag<br />

kann als sogenannte Kammertachykardie<br />

mit regelmäßigen Herzfrequenzen im Bereich von<br />

150 bis 250 Schlägen/Minute bedrohlich werden:<br />

Beim Kammerflattern (meist über 250 Schläge/<br />

Minute) findet sich zwar noch eine regelmäßige<br />

Erregung der Herzkammern, die Pumpleistung des<br />

Herzens fällt aufgrund der hohen Schlagfrequenz<br />

jedoch soweit ab, dass der Kreislauf innerhalb kürzester<br />

Zeit zusammenbricht. Kammertachykardie<br />

und Kammerflattern können in Kammerflimmern<br />

übergehen, bei dem die Kammermuskulatur aufgrund<br />

einer völlig ungeordneten elektrischen Erregung<br />

nur noch unkoordinierte, ineffektive Zuckungen<br />

aufweist. Das flimmernde Herz bringt keine<br />

nennenswerte Blutförderung mehr zustande.<br />

Diese Situation entspricht einem Herzstillstand, der<br />

unbehandelt innerhalb weniger Minuten aufgrund<br />

von Sauerstoffmangel zum Tod führt.<br />

Welche Beschwerden treten auf?<br />

Typische Beschwerden von bedrohlichen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

sind plötzlich auftretendes<br />

Herzrasen, Schwindel oder Bewusstlosigkeit (Synkopen).<br />

Teilweise kehrt das Bewusstsein bereits<br />

nach kurzer Zeit wieder zurück. Lebensbedrohli-<br />

75


che <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> sind oft dadurch unberechenbar,<br />

dass sie aus vollem Wohlbefinden<br />

heraus ohne vorherige Warnzeichen auftreten können.<br />

Sie sind meist nicht direkt abhängig von körperlichen<br />

Belastungen und treten häufig in Ruhe<br />

auf. 67 % der Patienten sind zum Zeitpunkt des Ereignisses<br />

körperlich nicht aktiv. Herz-Kreislauf-<br />

Probleme und plötzliche Herztodesfälle treten gehäuft<br />

während der Morgenstunden auf. Zwischen<br />

sechs und neun Uhr morgens besteht ein ungefähr<br />

zwei- bis dreifach höheres Risiko im Vergleich zu<br />

anderen Tageszeiten.<br />

Häufig ist das Auftreten lebensbedrohlicher <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

oder des plötzlichen Herztodes<br />

der erste Hinweis auf eine Herzerkrankung.<br />

Lebensbedrohliche <strong>Herzrhythmus</strong>störung (oben: Kammertachykardie,<br />

unten: Übergang in Kammerflimmern)<br />

Viele Patienten haben jedoch eine bekannte koronare<br />

Herzerkrankung oder bereits einmal einen<br />

Herzinfarkt durchgemacht. Die Schwere der Beschwerden<br />

hängt dabei im wesentlichen von drei<br />

Faktoren ab: der Herzfrequenz im Anfall, dem Zustand<br />

der herz- und gehirnversorgenden Gefäße<br />

sowie der Leistungsfähigkeit des Herzmuskels. Je<br />

schneller das Herz schlägt, desto schlechter kann<br />

es sich mit Blut füllen, so dass Blutdruck und Herzleistung<br />

abfallen. Mit zunehmender Herzfrequenz<br />

werden die Symptome daher bedrohlicher und die<br />

Rhythmusstörung gefährlicher. Zunächst kann der<br />

Patient nur Herzrasen spüren, das sich, wenn es<br />

länger dauert oder sich weiter beschleunigt, zu<br />

Schwächegefühl, Atemnot, Engegefühl in der Brust,<br />

Übelkeit, Angst, Schwarzwerden vor den Augen,<br />

Schwindel, Kreislaufzusammenbruch und Kollaps<br />

steigert.<br />

Tritt plötzlich Kammerflattern oder Kammerflimmern<br />

auf, kommt es innerhalb weniger Sekunden<br />

76<br />

zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand mit Bewusstlosigkeit.<br />

Verengungen der Arterien, die Herz und<br />

Gehirn versorgen, können zu einer Verstärkung<br />

der Beschwerden führen. Bei einer Vorschädigung<br />

des Herzens mit Zeichen einer Herzinsuffizienz<br />

(Herzschwäche) kann Herzrasen schneller zu einem<br />

Herz-Kreislauf-Versagen führen als bei einem<br />

sonst organisch gesunden Herzen.<br />

Häufigkeit<br />

In Deutschland erleiden pro Jahr mehr als 100 000<br />

Menschen einen plötzlichen Herztod. Etwa alle<br />

fünf Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch daran.<br />

In etwa 80 % der Fälle wird der Herz-Kreislauf-<br />

Stillstand dabei durch eine sehr schnelle <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

(Kammertachykardie, Kammerflattern,<br />

Kammerflimmern) hervorgerufen. Etwa ein Viertel<br />

der Patienten mit einem akuten Herzinfarkt erleidet<br />

außerhalb der Klinik einen plötzlichen Herztod.<br />

Die Wahrscheinlichkeit, einen akuten Herz-Kreislauf-Stillstand<br />

durch eine rechtzeitige Wiederbelebung<br />

(Reanimation) zu überleben, ist auch <strong>heute</strong><br />

noch trotz verbesserter Rettungssysteme leider<br />

gering und liegt in Deutschland nur bei 5 – 10 %.<br />

Die Wiederbelebungsmaßnahmen müssen sehr<br />

schnell begonnen werden, da es bereits bei einem<br />

Herz-Kreislauf-Stillstand von über vier Minuten<br />

durch Sauerstoffmangel zu einer dauerhaften Schädigung<br />

des Gehirns kommt.<br />

Ursachen<br />

Lebensbedrohliche <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> entstehen,<br />

wenn die elektrische Pulsbildung und -leitung<br />

im Herzmuskel gestört sind. Bei schnellen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> kommt es durch schnelle<br />

elektrische Impulse zu einem völlig veränderten<br />

Erregungsablauf im Herzmuskel (Abb. S. 78)<br />

Häufig sind lebensbedrohliche <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

mit Erkrankungen des Herzens verbunden.<br />

In vielen Fällen liegen Durchblutungs<strong>störungen</strong><br />

oder ein Herzinfarkt vor. Etwa 80 % der Patienten<br />

haben eine koronare Herzerkrankung. Das jährliche<br />

Risiko des plötzlichen Herztods nach einem<br />

Herzinfarkt liegt bei etwa 1 %.<br />

Erkrankte und verengte Herzkranzgefäße neigen


zur Bildung von kleinen Blutgerinnseln, die zum<br />

plötzlichen Verschluss eines Herzkranzgefäßes,<br />

d. h. zu einem Herzinfarkt, führen können. Bei<br />

einem Gefäßverschluss werden Herzmuskelgebiete<br />

von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten und<br />

sterben ab. In der Akutphase dieses Prozesses ist<br />

das Herz elektrisch sehr instabil. Diese Tatsache ist<br />

verantwortlich dafür, dass Patienten mit einem akuten<br />

Herzinfarkt an einer Rhythmusstörung, z. B.<br />

dem Kammerflimmern, sterben können.<br />

Auch andere Erkrankungen des Herzmuskels (Kardiomyopathie)<br />

sind mit einem gehäuften Auftreten<br />

von <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> verbunden. Das<br />

Risiko für lebensbedrohliche <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

erhöht sich deutlich bei einer eingeschränkten<br />

Pumpleistung des Herzmuskels (Herzinsuffizienz).<br />

In selteneren Fällen liegen angeborene Ursachen<br />

vor (z. B. Herzfehler, Ionenkanalerkrankungen,<br />

atypische Leitungsbahnen). Störungen der Schilddrüsenfunktion,<br />

des Elektrolythaushaltes (besonders<br />

Kalium, Calcium, Magnesium), starker Alkoholkonsum,<br />

Sauerstoffmangel und bestimmte Medikamente<br />

können ebenso zu <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

führen. In etwa 5 % der Fälle lassen sich<br />

keine besonderen Ursachen erkennen.<br />

Wie wird der Patient untersucht?<br />

Um genau zu wissen, mit welcher Rhythmusstörung<br />

man es überhaupt zu tun hat, sollte zunächst<br />

versucht werden, sie auf einem EKG zu erfassen<br />

und mitzuschreiben. In Notfallsituationen außer-<br />

77


halb der Klinik hat die sofortige Behandlung<br />

natürlich Vorrang, so dass dann häufig eine Dokumentation<br />

der Rhythmusstörung nicht möglich ist.<br />

Hat ein Patient eine lebensbedrohliche <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

erlitten, muss er sich unbedingt sofort<br />

einer ausführlichen stationären Abklärung in einem<br />

Krankenhaus unterziehen. Am Anfang jeder<br />

Untersuchung steht die Befragung des Patienten,<br />

die Hinweise auf eine mögliche Ursache der Rhythmusstörung<br />

geben soll. Von Interesse ist ebenso,<br />

ob bereits früher Rhythmus<strong>störungen</strong> bemerkt wurden.<br />

Dann wird man sich einen Überblick über den<br />

<strong>Herzrhythmus</strong> des Patienten in verschiedenen Situationen<br />

verschaffen. Hierfür wird ein Elektrokardiogramm<br />

(EKG) in Ruhe, unter Belastung sowie<br />

ein Langzeit-EKG, das der Patient für 24 Stunden<br />

am Körper trägt, angefertigt. Außerdem kommt der<br />

sogenannte Event-Recorder zum Einsatz, der den<br />

<strong>Herzrhythmus</strong> nicht dauerhaft registriert, sondern<br />

so programmiert ist, dass er nur bei einem Event,<br />

d. h. bei einer <strong>Herzrhythmus</strong>störung aufzeichnet.<br />

Weiterführende Untersuchungen sollen helfen, die<br />

auslösende Ursache der <strong>Herzrhythmus</strong>störung zu<br />

finden. Dazu gehören Laboruntersuchungen des<br />

Blutes, eine Röntgenaufnahme von Herz und Lungen<br />

sowie die Ultraschalluntersuchung des Herzens.<br />

Die genauesten Informationen über eine bestehende<br />

Herzerkrankung und deren Schweregrad<br />

ergeben sich durch eine Herzkatheteruntersuchung.<br />

Daher ist diese Untersuchung für Patienten nach<br />

einem lebensbedrohlichen Ereignis unverzichtbar.<br />

Hierbei werden Katheter über Blutgefäße in der<br />

Leiste ins Herz vorgeschoben und mit Hilfe von<br />

Kontrastmittel die Herzkranzgefäße und die linke<br />

Herzkammer dargestellt. So können eventuelle Ver-<br />

78<br />

Sinusknoten<br />

AV-Knoten<br />

Vorhöfe<br />

Kammern<br />

Die Erregung des Herzens entsteht normalerweise<br />

im Sinusknoten, dem natürlichen Impulsgeber,<br />

und wird über den sogenannten AV-Knoten<br />

auf die Kammern übertragen. Beim<br />

Kammerflimmern verliert der Sinusknoten seine<br />

Steuerfunktion. Die Kammern entwickeln eine<br />

eigene chaotische elektrische Erregung, die nur<br />

noch zu ungeordneten Zuckungen des<br />

Herzmuskels und damit zum Herzstillstand führt.<br />

engungen von Herzkranzgefäßen festgestellt und<br />

gegebenenfalls aufgedehnt werden.<br />

Bei der elektrophysiologischen Untersuchung wird<br />

das Herz über Elektrodenkatheter in der rechten<br />

Herzkammer stimuliert, um festzustellen, an welcher<br />

Rhythmusstörung der Patient leidet und wie<br />

anfällig das Herz für diese Rhythmusstörung ist.<br />

Unter Umständen kann es erforderlich sein, eine<br />

kleine Probe aus dem Herzen zu entnehmen und<br />

mikroskopisch zu untersuchen, um eine Herzmuskelerkrankung<br />

festzustellen.<br />

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?<br />

Bei der Therapie ist zwischen der Akut-Situation<br />

und der langfristigen Behandlung der Patienten zu<br />

unterscheiden.<br />

Akut-Situation<br />

Da bei lebensbedrohlichen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

die Gefahr des Herz-Kreislauf-Versagens besteht<br />

und die Folgeschäden sehr rasch eintreten<br />

können, ist in der Akut-Situation schnelles Handeln<br />

von großer Bedeutung. Entscheidend für das<br />

Überleben der Betroffenen ist das schnelle und gezielte<br />

Reagieren der Beobachter. Neben der Verständigung<br />

des Notarztes ist bei Bewusstlosigkeit<br />

eine sofortige Herz-Lungen-Wiederbelebung wichtig,<br />

um die lebenswichtigen Organe weiter mit Sauerstoff<br />

zu versorgen (Abb. S. 80).<br />

Bei sehr schnellen lebensbedrohlichen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

(z. B. Kammerflimmern) sollte als<br />

rettende Maßnahme die möglichst frühzeitige Anwendung<br />

eines Elektroschocks mit Defibrillator erfolgen.<br />

Da bis zum Eintreffen des Notarztes oft


Keine HLW<br />

verzögerte<br />

Defibrillation<br />

Frühe HLW<br />

verzögerte<br />

Defibrillation<br />

Frühe HLW<br />

frühe<br />

Defibrillation<br />

Frühe HLW<br />

sehr frühe Def.<br />

frühe ACLS<br />

Minuten<br />

2 4 6 8 10<br />

Durch eine sofortige Herz-Lungen-Wiederbelebung,<br />

den frühzeitigen Einsatz der Defibrillation und den<br />

möglichst frühen Beginn erweiterter lebensrettender<br />

Herz-Lungen-Wiederbelebung Defibrillator ACLS<br />

wertvolle Zeit verstreicht und sich die Überlebenschance<br />

dabei in jeder Minute um etwa 10 % verringert,<br />

werden in öffentlichen Bereichen zunehmend<br />

Automatisierte Externe Defibrillatoren (AED) installiert,<br />

die durch geschulte Laienhelfer problemlos<br />

angewendet werden können (Abb. S. 81).<br />

Die Deutsche Herzstiftung und andere Initiativen<br />

bemühen sich derzeit um eine vermehrte Verfügbarkeit<br />

dieser Geräte an öffentlichen Plätzen und<br />

Gebäuden und um ein breites Training der Bevölkerung<br />

in der Anwendung dieser Geräte.<br />

Behandlung des Grundleidens<br />

Bei Patienten, die einmal eine lebensbedrohliche<br />

<strong>Herzrhythmus</strong>störung überlebt haben, besteht ein<br />

Risiko von etwa 10 %, innerhalb der ersten sechs<br />

Monate nach dem Ereignis plötzlich zu sterben.<br />

Aus diesem Grund sind eine konsequente Abklärung<br />

möglicher Ursachen und eine entsprechende<br />

Therapie erforderlich. Je nach zugrundeliegender<br />

Erkrankung stehen verschiedene medikamentöse<br />

und nicht-medikamentöse Therapieformen<br />

zur Verfügung. Beispielsweise muss ein Patient mit<br />

einer koronaren Herzerkrankung optimal mit<br />

Medikamenten eingestellt werden (z.B. mit ASS,<br />

0–2%<br />

überleben<br />

2–8%<br />

überleben<br />

20%<br />

überleben<br />

30%<br />

überleben<br />

Maßnahmen (ACLS) kann die Überlebenswahrscheinlichkeit<br />

bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand<br />

deutlich verbessert werden.<br />

Betablocker, ACE-Hemmer, Lipidsenker). Liegen<br />

höhergradige Engstellen der Herzkranzgefäße vor,<br />

kann eine Ballonaufdehnung, gegebenenfalls mit<br />

Einsetzen einer Gefäßstütze (Stent), erforderlich<br />

sein. Kardiomyopathien oder Störungen des Mineralhaushaltes<br />

(Kalium, Magnesium etc.) werden<br />

mit Medikamenten behandelt. Substanzen, die an<br />

der Entstehung von Rhythmus<strong>störungen</strong> beteiligt<br />

sein können, müssen abgesetzt werden.<br />

Die Behandlung der Grunderkrankung soll durch<br />

eine Stabilisierung oder Besserung des Grundleidens<br />

die Neigung zu Rhythmus<strong>störungen</strong> verringern.<br />

In vielen Fällen kann es gelingen, ein Fortschreiten<br />

der zugrundeliegenden Erkrankung zu<br />

verhindern. Das Risiko für das Auftreten von <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

besteht aber möglicherweise<br />

weiterhin.<br />

Rhythmusmittel und Defibrillator<br />

In der Behandlung lebensbedrohlicher <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

wurden in den vergangenen Jahren<br />

große Fortschritte gemacht. Zunächst standen nur<br />

Medikamente zur Behandlung der <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

(Antiarrhythmika) zur Verfügung. Inzwi-<br />

79


80<br />

Leben retten kann man lernen.<br />

Das Vorgehen ist relativ einfach.<br />

Aber es muss in Herz-Lungen-<br />

Wiederbelegungskursen gelernt<br />

und geübt werden.<br />

Wo? Fragen Sie die Herzstiftung<br />

(Telefon 069 955128-111).


schen ist bekannt, dass diese Antiarrhythmika häufig<br />

nicht wirksam sind und bei herzkranken Patienten<br />

nicht selten zur Zunahme der Rhythmusstörung<br />

oder sogar zum Herzstillstand führen können.<br />

Aus diesem Grund war es wichtig, für Patienten<br />

mit lebensbedrohlichen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

alternative Therapiekonzepte zu entwickeln.<br />

Da lebensbedrohliche Rhythmus<strong>störungen</strong> zuverlässig<br />

durch einen Elektroschock beendet werden<br />

können und die Zeit vom Auftreten bis zur Unterbrechung<br />

der <strong>Herzrhythmus</strong>störung für das Überleben<br />

entscheidend ist, kommt bei Patienten mit<br />

erhöhtem Risiko für einen plötzlichen Herztod zunehmend<br />

der implantierbare Defibrillator (ICD =<br />

implantable cardioverter defibrillator) zum Einsatz.<br />

Das Gerät kann sehr zuverlässig lebensbedrohliche<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> erkennen und behandeln.<br />

Dadurch kann die Lebenserwartung von<br />

Risikopatienten wesentlich beeinflusst werden<br />

(s. S. 82).<br />

Wenn es bei einem Patienten zu häufigen Entladungen<br />

des Defibrillators kommt, können Medikamente<br />

(z. B. Betablocker, Amiodaron) durch Unterdrückung<br />

der Rhythmusstörung die Häufigkeit<br />

der Schockabgabe verringern.<br />

Was kann die Katheterablation?<br />

Ein interessantes und vor allem bei gutartigen Formen<br />

von Herzrasen sehr erfolgreiches Verfahren<br />

stellt die Katheterablation dar. Hier wird im Rahmen<br />

eines Herzkathetereingriffs gezielt Strukturen<br />

am Herzen verödet, die für die Rhythmusstörung<br />

verantwortlich sind. Dadurch kann die Rhythmusstörung<br />

oft geheilt werden. Dieses Vorgehen<br />

kommt jedoch nur für bestimmte Patienten mit<br />

lebensbedrohlichen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> in<br />

Frage. Dabei kann durch diese Behandlung allein<br />

in der Regel aber kein ausreichender Schutz vor<br />

gefährlichen Rhythmus<strong>störungen</strong> erreicht werden.<br />

Bei Patienten mit ICD kann jedoch in einigen Fällen<br />

durch eine Ablation in Kombination mit einer<br />

optimalen medikamentösen Behandlung die Häufigkeit<br />

der notwendigen Schocktherapien und damit<br />

die Lebensqualität deutlich verbessert werden.<br />

Eine Strategie der Vorbeugung<br />

Das Hauptproblem lebensbedrohlicher <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

ist die Tatsache, dass die meisten<br />

Patienten an ihrer ersten lebensbedrohlichen <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

sterben, bevor ärztliche Hilfe sie<br />

erreichen kann. Deswegen ist das Hauptziel vorbeugender<br />

Strategien die frühzeitige Erkennung<br />

und Behandlung von Risikopatienten. Neben regelmäßigen<br />

Untersuchungen ist es für den Patienten<br />

wichtig, auf Beschwerden zu achten, die auf<br />

eine Herzkrankheit hinweisen. Dazu zählen z. B.<br />

ein Engegefühl oder Schmerzen in der Brust, die<br />

unter körperlicher Belastung auftreten. Atembeschwerden<br />

oder ein allgemeines Schwächegefühl<br />

können erste Hinweise für eine Herzschwäche sein.<br />

Bei Patienten nach Herzinfarkt oder einer bekannten<br />

Herzschwäche sind Episoden mit anhaltendem<br />

Herzrasen von großer Bedeutung. Plötzlich auftretender<br />

Schwindel und Ohnmachtsanfälle<br />

sind als mögliche<br />

Warnsymptome für eine lebensbedrohliche<strong>Herzrhythmus</strong>störunganzusehen.<br />

In diesen Fällen<br />

sollte dringend eine weitere<br />

Abklärung erfolgen.<br />

Automatisierter Externer<br />

Defibrillator (AED).<br />

81


Lange Zeit musste der plötzliche Herztod als unentrinnbares<br />

Schicksal hingenommen werden.<br />

Männer und Frauen wurden plötzlich aus dem Leben<br />

gerissen, ohne dass man ihnen helfen konnte.<br />

Dann wurden die modernen Antiarrhythmika (Medikamente<br />

gegen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>) entwickelt.<br />

Die Ergebnisse blieben unbefriedigend.<br />

Eine Wende zeichnete sich erst ab, als der Herzspezialist<br />

Michel Mirowski einen engen Freund<br />

durch plötzlichen Herztod verlor. Dieser Tod ließ<br />

ihm keine Ruhe: Er erfand den implantierbaren Defibrillator<br />

(im Volksmund Defi, in der Fachsprache<br />

ICD, nämlich implantable cardioverter defibrillator).<br />

Der erste wurde 1980 in Baltimore einer Patientin<br />

eingesetzt. Inzwischen sind weltweit viele<br />

100 000 Patienten mit Defibrillatoren behandelt<br />

worden.<br />

82<br />

Schutz vor dem plötzlichen Herztod:<br />

der Defibrillator<br />

Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe, Medizinische Klinik II,<br />

(Schwerpunkte Kardiologie und Angiologie), Marienhospital Herne, Ruhr-Universität Bochum<br />

Ursache des plötzlichen Herztodes<br />

Der plötzliche Herztod wird nahezu immer durch<br />

lebensbedrohliche <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> ausgelöst,<br />

die zum Zusammenbruch des Kreislaufs<br />

führen: Es sind krankhaft schnelle Herzschläge, sogenannte<br />

Kammertachykardien, die das Herz mit<br />

einer Frequenz von 150 – 300 Schlägen pro Minute<br />

schlagen lassen. Dieses Herzrasen geht oft innerhalb<br />

von Sekunden bis Minuten in eine völlig<br />

ungeordnete elektrische Erregung über, das sogenannte<br />

Kammerflimmern. Das Herz zuckt nur noch<br />

und kann deshalb keine Leistung mehr erbringen.<br />

Der Kreislauf bricht zusammen, die Gehirnfunktion<br />

erlischt. Nur ein Elektroschock kann das Herz<br />

wieder in den richtigen Rhythmus bringen. Dieser<br />

Schock kann abgegeben werden durch externe<br />

Defibrillatoren, die <strong>heute</strong> z. B. nicht nur in Kliniken,<br />

sondern auch in Flugzeugen und Flughäfen<br />

zur Verfügung stehen, oder durch schrittmacherähnliche<br />

Geräte, die gefährdeten Patienten eingesetzt<br />

werden.<br />

Für welche Patienten?<br />

Seit 1980 der erste Defibrillator eingesetzt wurde,<br />

haben sich unsere Kenntnisse über Häufigkeit und<br />

Ursachen des plötzlichen Herztodes wesentlich erweitert.<br />

So hat man auch lernen müssen, dass durch<br />

eine Therapie mit Medikamenten das Risiko des<br />

plötzlichen Herztodes nicht gesenkt werden kann.<br />

Neben der Behandlung der Grunderkrankung ist<br />

daher der Defibrillator das einzig wirksame Verfahren,<br />

das Risiko des plötzlichen Herztodes zu<br />

verringern.<br />

Bei welchen Patienten sollte ein Defibrillator eingesetzt<br />

werden?<br />

■ Heute besteht kein Zweifel, dass Patienten, die<br />

eine lebensbedrohliche Rhythmusstörung überlebt<br />

haben, von einem Defibrillator profitieren.<br />

Entsprechend empfehlen weltweit alle Leitlinien,<br />

einen Defibrillator bei diesen Patienten einzusetzen.<br />

■ Ebenfalls allgemein anerkannt ist <strong>heute</strong> die Notwendigkeit,<br />

einen Defibrillator bei Patienten<br />

einzusetzen, deren anhaltende Rhythmus<strong>störungen</strong><br />

in den Herzkammern (z. B. anhaltende<br />

Kammertachykardie) zu einer Beeinträchtigung<br />

der Herz- und Kreislaufleistung führen wie Blutdruckabfall,<br />

Minderdurchblutung des Gehirns<br />

mit Benommenheit (Präsynkope) oder Bewusstlosigkeit<br />

(Synkope).<br />

■ Patienten mit koronarer Herzkrankheit und deutlich<br />

eingeschränkter Leistungsfähigkeit der linken<br />

Herzkammer (meist nach mehrfachen Herzinfarkten)<br />

haben ein erheblich erhöhtes Risiko<br />

für einen plötzlichen Herztod. Wenn diesen<br />

Patienten ein Defibrillator eingesetzt wird, kann<br />

ihr Risiko plötzlich zu sterben, deutlich vermindert<br />

werden. Diese Patienten sollten einen Defibrillator<br />

erhalten, wenn die Auswurffraktion der<br />

linken Herzkammer unter 30 % und die Breite


Röntgenaufnahme des Brustkorbes eines Patienten nachdem<br />

ein Einkammer-Defibrillator eingesetzt ist. Eine Elektrode ist zur<br />

Entdeckung von gefährlichen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>, zur<br />

Stimulation und zur Schockabgabe in der Spitze der rechten<br />

Kammer zu erkennen. Der Generator ist links über den Rippen<br />

zu sehen.<br />

des Kammerkomplexes im EKG über 120 ms<br />

liegt. Diese Empfehlung gilt nicht innerhalb der<br />

ersten Monate nach einem Herzinfarkt, sondern<br />

erst später, wenn der Zustand chronisch geworden<br />

ist.<br />

■ Weniger klar ist die Situation bei Patienten, bei<br />

denen die Leistungsfähigkeit des Herzens nicht<br />

durch koronare Herzkrankheit, sondern durch<br />

andere Herzerkrankungen eingeschränkt ist.<br />

Auch diese Patienten haben ein deutlich erhöhtes<br />

Risiko, unerwartet und plötzlich zu sterben,<br />

aber die Leitlinien empfehlen derzeit nur im Ausnahmefall<br />

(z. B. bei familiärer Belastung durch<br />

plötzlichen Herztod bei dieser Erkrankung) das<br />

Einsetzen eines Defibrillators.<br />

■ Andere Krankheitsbilder, bei denen das Einsetzen<br />

eines Defibrillators bei besonderer Gefährdung<br />

des Patienten erwogen werden sollte:<br />

angeborene QT-Syndrome, Brugada-Syndrom<br />

sowie Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie.<br />

Patienten, die einen Herzstillstand infolge eines<br />

niedrigen Kaliumspiegels oder während eines Herzinfarkts<br />

oder bei einem schweren Angina pectoris-<br />

Anfall erlitten haben, erhalten dagegen in der Regel<br />

keinen Defibrillator. In diesen Fällen reicht normalerweise<br />

die Behandlung der Grundkrankheit<br />

aus.<br />

Was kann ein Defibrillator?<br />

Der Defibrillator besteht aus einem Elektrodensystem,<br />

das gefährliche <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

erkennt sowie einem Generator, der in der Lage<br />

ist, die Spannung aufzubauen, die zur Schockabgabe<br />

gebraucht wird. Das Gerät überwacht den<br />

<strong>Herzrhythmus</strong> kontinuierlich. Wird eine gefährliche<br />

<strong>Herzrhythmus</strong>störung erkannt, dann gibt es einen<br />

Gleichstromimpuls ab, der den regulären <strong>Herzrhythmus</strong><br />

wiederherstellt. Die dazu benötigte Energie<br />

liegt zwischen 3 – 25 Joule. Moderne Defibrillatoren<br />

verfügen über eine ausgefeilte Technik, so<br />

dass die Stärke des Elektroschocks auf die Bedürfnisse<br />

des einzelnen Patienten abgestimmt werden<br />

kann.<br />

Außerdem speichert der Defibrillator durch ein eingebautes<br />

Langzeit-EKG alle Rhythmus<strong>störungen</strong>.<br />

Je nach Diagnose stehen unterschiedliche Geräte<br />

zur Verfügung:<br />

■ Als Standard der heutigen Defibrillator-Therapie<br />

gilt der Einkammer-Defibrillator, bei dem<br />

lediglich eine Elektrode über eine Vene im Herzen<br />

plaziert wird. Sie ermöglicht es, <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

zu erkennen, das Herz zu stimulieren<br />

und elektrische Schocks abzugeben. Der<br />

Generator, der die Energie für den Schock liefert,<br />

wird unter die Haut im Bereich der Brustmuskulatur<br />

eingesetzt.<br />

Eine wichtige Aufgabe des Defibrillators ist es,<br />

schnelle <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> zu erkennen,<br />

die dem Kammerflimmern vorausgehen. Dann<br />

reagiert das Gerät mit dem sogenannten Overdrive<br />

(Abb. S. 84). Das heißt: Es unterbricht das<br />

Kammerrasen durch noch schnellere Impulse<br />

und bringt das Herz in den normalen Rhythmus.<br />

Wenn das gelingt, bleibt dem Patienten der Elektroschock<br />

erspart. Gelingt die Unterbrechung<br />

nicht, dann bereitet die elektrische Entladung<br />

der <strong>Herzrhythmus</strong>störung ein Ende.<br />

Um den Patienten gegen einen zu langsamen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong> abzusichern, verfügt der Einkammer-Defibrillator<br />

zusätzlich über eine Schrittmacherfunktion.<br />

83


84<br />

Zweikammer-Defibrillator<br />

Bei einem Zweikammer-Defibrillator wird nicht<br />

nur wie bei einem Einkammer-Defibrillator eine<br />

Elektrode an der Spitze der rechten Herzkammer<br />

eingesetzt, sondern zusätzlich eine weitere im rechten<br />

Vorhof. Dieser Defibrillator ist besonders bei<br />

Patienten von Nutzen, die neben den bösartigen<br />

Kammerrhythmus<strong>störungen</strong> auch Vorhofflimmern<br />

(phasenweise oder anhaltend) haben. Warum?<br />

Vorhofflimmern verursacht häufig eine rasche Kammerfrequenz,<br />

die bei einem Einkammer-Defibrillator<br />

unnötige Schockabgaben hervorruft. Das<br />

Zweikammer-System kann die schnellen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

besser unterscheiden und beugt so<br />

einer unnötigen Schockabgabe vor. Vollständig<br />

kann man sie allerdings durch einen Zweikammer-<br />

Defibrillator nicht verhindern.<br />

Der biventrikuläre Defibrillator<br />

Bei einer Reihe von Patienten (etwa ein Drittel) mit<br />

schwerer Herzschwäche breitet sich die Erregung<br />

im Herzen verzögert und nicht gleichzeitig aus. Damit<br />

ist das Zusammenziehen der linken Hauptkammer<br />

gestört und die Auswurfleistung des Herzens<br />

vermindert. Bei einem biventrikulären Defibrillator<br />

werden nicht nur der Vorhof und die Spitze der<br />

rechten Herzkammer stimuliert, sondern zusätzlich<br />

die Seitenwand der linken Herzkammer (Dreikammer-System).<br />

Hierdurch wird das Zusammenspiel<br />

der einzelnen Abschnitte der linken Herzkammer<br />

verbessert und die Herzleistung gesteigert.<br />

Durch diese Art der Stimulation wird auch die Häufigkeit<br />

bösartiger <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> vermindert,<br />

allerdings nicht so, dass solche Rhythmus<strong>störungen</strong><br />

nicht mehr auftreten könnten. Daher kombiniert<br />

man diese Art der Stimulation mit einem Defibrillator.<br />

So erhalten solche Patienten einen<br />

Zweikammer-Defibrillator mit einer zusätzlichen<br />

Elektrode, der die Seitenwand der linken Herzkammer<br />

stimuliert.<br />

A<br />

B<br />

I<br />

Abb. A: Overdrive: Durch Abgabe von vier Impulsen<br />

[ATP = antitachykardes Pacing (Stimulation)] wird das Herzrasen<br />

vom Defibrillator ohne Elektroschock beendet.<br />

Abb. B: Diese Aufzeichnung zeigt eine Kammertachykardie,<br />

eine Stimulation des Herzens, die nicht wirkt, und deswegen<br />

gibt der Defibrillator einen Schock ab. Nach der Schockabgabe<br />

schlägt das Herz etwas langsamer, dann sorgt die Schrittmacherfunktion<br />

des Defibrillators dafür, dass das Herz wieder<br />

normal schlägt.<br />

II<br />

III<br />

Wie lange hält ein Defibrillator?<br />

Die Batterie eines Defibrillators hat eine Funktionsdauer<br />

von fünf bis zehn Jahren. Die Haltbarkeit<br />

ist abhängig von der Stärke und der Häufigkeit<br />

der abgegebenen Schocks. Eine Erschöpfung<br />

der Batterien zeigt das Gerät frühzeitig an. Dann<br />

muss der Generator in einer Operation ausgetauscht<br />

werden.<br />

I<br />

II<br />

III<br />

I<br />

II<br />

III


Wie wird der Defibrillator<br />

eingesetzt?<br />

Voraussetzung für das Einsetzen eines<br />

Defibrillators ist eine Reihe von Untersuchungen:<br />

EKG, Echokardiographie,<br />

Röntgenaufnahme des Brustkorbs.<br />

Eine Herzkatheteruntersuchung<br />

klärt den Zustand der Herzkranzgefäße<br />

und die Herzleistung. Die elektrophysiologische<br />

Untersuchung gibt Informationen<br />

über die Art der Rhythmusstörung und wie ihr<br />

am besten begegnet werden kann.<br />

Während in den Anfängen der ICD-Therapie kein<br />

Zweifel daran bestand, dass der Einbau von Defibrillatoren<br />

durch einen Herzchirurgen vorgenommen<br />

werden sollte, nehmen <strong>heute</strong> in einer Reihe<br />

von Zentren die Kardiologen allein oder gemeinsam<br />

mit dem Herzchirurgen diesen Eingriff vor;<br />

denn in den vergangenen Jahren sind die Defibrillatoren<br />

wesentlich kleiner geworden.<br />

Durch die kleinen Aggregate ist eine Vollnarkose<br />

zum Einsetzen des Gerätes nicht nötig. Nur wenn<br />

während der Operation die Stärke des Elektroschocks<br />

bestimmt wird, erhält der Patient eine Kurzzeitnarkose.<br />

24 Stunden lang muss der Patient nach<br />

der Operation überwacht werden, um frühzeitig<br />

Probleme wie Blutungen (Hämatome), Ansammlung<br />

von Gewebeflüssigkeit (Serome) oder Verschiebungen<br />

der Elektrode(n) zu erkennen. Dann<br />

kann der Patient auf eine Allgemeinstation verlegt<br />

werden. Die Dauer des stationären Aufenthaltes<br />

ist in Abhängigkeit von der Grundkrankheit des<br />

Patienten zwischen zwei und vier Tagen. Vor der<br />

Entlassung sollte eine Kontrolle und Feineinstellung<br />

des Defibrillators erfolgen.<br />

Wann zum Arzt?<br />

Nach dem Einsetzen des Defibrillators muss der<br />

Patient in drei- bis sechsmonatigen Abständen zu<br />

einer ambulanten Untersuchung kommen, damit<br />

Störungen oder Komplikationen erkannt und beseitigt<br />

werden. Ein weiterer Vorteil der regelmäßigen<br />

Kontrollen liegt darin, dass der Patient, der oft<br />

schwer herzkrank ist, engmaschig betreut wird.<br />

Modell eines Defibrillators.<br />

Außerdem raten wir den Patienten,<br />

in die Klinik zu kommen:<br />

■ nach der ersten Schockabgabe,<br />

■ wenn sich der Patient nach<br />

einer Schockabgabe nicht wohl<br />

fühlt und<br />

■ wenn die Schockabgaben sich<br />

häufen. Die Ursachen vermehrter<br />

ICD-Entladungen müssen umgehend abgeklärt<br />

werden.<br />

Komplikationen<br />

Infektionen gehören zu den schwerwiegenden<br />

Komplikationen nach dem Einsetzen eines Defibrillators.<br />

Die Infektionsrate ist mit 2 % relativ niedrig,<br />

etwa die Hälfte der Patienten stirbt, wenn sich<br />

die Infektion unbehandelt im Körper ausbreitet.<br />

Das kann vermieden werden, wenn der Patient<br />

schnell in die Klinik kommt. In einzelnen Fällen<br />

hat eine antibiotische Behandlung Erfolg gehabt.<br />

Die meisten Herzspezialisten sehen diese Behandlung<br />

als ungeeignet an und empfehlen bei einer<br />

Infektion, das gesamte Defibrillator-System zu entfernen.<br />

Dann muss gewartet werden, bis die Infektion ausgeheilt<br />

ist, um erneut einen Defibrillator einzusetzen.<br />

Wie kann der Patient eine Infektion entdecken?<br />

Zeichen einer Infektion sind Rötungen und Schwellungen<br />

in dem Bereich, in dem der Defi eingesetzt<br />

wurde. Bei der Hälfte der Patienten stellt sich auch<br />

erhöhte Temperatur ein. Da die Infektion sich<br />

schleichend entwickelt, kann sie Tage bis Wochen<br />

nach Einsetzen des Defibrillators auftreten. Die Gefahr<br />

ist größer beim Wechsel des Geräts als beim<br />

Ersteinsetzen.<br />

Komplikationen des Elektrodensystems werden in<br />

etwa 5 – 10 % der Fälle beobachtet. Es kann zur<br />

Bei jedem Verdacht einer Infektion von Elektrodensystem<br />

und/oder Generator sollte der Patient<br />

umgehend das Zentrum, das den Defibrillator<br />

eingesetzt hat, aufsuchen.<br />

85


Verschiebung der Elektroden kommen, zur Verlagerung<br />

der Sonden, zu Kabelbrüchen usw. Diese<br />

Defekte zeigen sich in häufigen Entladungen.<br />

Typisch ist in solchen Fällen, dass die Entladung<br />

durch bestimmte Bewegungen hervorgerufen wird.<br />

Einer unserer Patienten hatte immer elektrische<br />

Entladungen, wenn er seinen Enkel hochhob. Das<br />

Gerät war defekt. Solche Defekte müssen rasch<br />

chirurgisch behoben werden.<br />

Beim Auftreten häufiger ICD-Entladungen sollten<br />

die gespeicherten Elektrogramme so schnell<br />

wie möglich analysiert werden. Ein Defekt des<br />

Elektrodensystems muss unverzüglich durch eine<br />

Operation beseitigt werden.<br />

86<br />

Häufige Entladungen<br />

Häufige Entladungen können nicht nur durch Defekte<br />

des Elektrodensystems hervorgerufen werden,<br />

sondern auch durch Rhythmus<strong>störungen</strong>, die<br />

an sich nicht gefährlich sind wie z. B. Vorhofflimmern<br />

oder Vorhofflattern. Der Verdacht, dass Defi-<br />

Entladungen auf Rhythmus<strong>störungen</strong> aus dem Vorhof<br />

zurückgehen, ergibt sich häufig schon aus dem<br />

Beschwerdebild des Patienten: Oft haben solche<br />

Patienten mehrere Schocks hintereinander, ohne<br />

dass sie schwindlig oder bewusstlos werden. Bei<br />

der Mehrzahl dieser Patienten ist eine Behandlung<br />

mit Medikamenten (Digitalis, Verapamil, Betablocker,<br />

Antiarrhythmika) erfolgreich, und nur bei<br />

sehr wenigen Patienten (etwa 5 %) sind andere<br />

Maßnahmen notwendig.<br />

Eine wiederholte Schockabgabe in kurzen Abständen<br />

stellt eine Notfallsituation dar, da der Patient<br />

zum einen durch die meist schmerzhaften Schockimpulse<br />

erheblich psychisch beeinträchtigt ist und<br />

zum anderen eine unangemessene Schockabgabe<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> fördern kann und damit<br />

eine Gefährdung für den Patienten darstellt. Unangemessen<br />

ist eine Schockabgabe, wenn sie nicht<br />

durch schnelle <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> in den<br />

Herzkammern ausgelöst ist. Eine Klinikeinweisung<br />

ist in der Regel unumgänglich.<br />

Allerdings gibt es häufige ICD-Entladungen auch<br />

durch lebensgefährliche <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

bei schwer herzkranken Patienten. Sie werden vor<br />

allem bei einer Verschlechterung der Herzleistung<br />

beobachtet. In solchen Fällen muss die Therapie<br />

in erster Linie darauf abzielen, die Herzschwäche<br />

zu behandeln und/oder den <strong>Herzrhythmus</strong> zu stabilisieren.<br />

Wechselwirkungen mit Medikamenten<br />

Patienten mit einem Defibrillator müssen oft Medikamente<br />

einnehmen; auch Medikamente gegen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>, die den <strong>Herzrhythmus</strong><br />

stabilisieren sollen.<br />

Zwischen Medikamenten und Defibrillator gibt es<br />

keine Wechselwirkungen mit einer wichtigen Ausnahme:<br />

Amiodaron (z. B. in: Cordarex, Amiohexal).<br />

Wenn Patienten, die einen Defibrillator tragen,<br />

Amiodaron verordnet bekommen, muss ihr<br />

Gerät neu programmiert werden. Die elektrische<br />

Energie bei der Schockabgabe muss erhöht werden,<br />

damit Kammerflimmern zuverlässig beendet<br />

werden kann.<br />

Mit dem Defi leben<br />

Wie empfindet man den Schock, den das Gerät bei<br />

Kammerflimmern abgibt?<br />

Das ist sehr unterschiedlich. Manche haben dabei<br />

nur ein unangenehmes Gefühl. Die Mehrzahl der<br />

Patienten empfinden einen mehr oder weniger starken<br />

Stoß in der Brust. Manche fühlen sich benommen,<br />

bei 8 – 10 % der Patienten tritt eine vorübergehende<br />

Bewusstlosigkeit auf. Vielen Patienten<br />

zeigt ein warnendes Vorgefühl, dass eine elektrische<br />

Entladung folgt. Sie haben dann die Möglichkeit,<br />

sich darauf vorzubereiten, indem sie sich hinsetzen<br />

oder hinlegen.<br />

Für die Lebensqualität der Patienten hängt viel davon<br />

ab, dass die Ärzte den Patienten umfassend<br />

aufklären und auf seine Besorgnisse und Ängste<br />

eingehen. Deshalb haben wir wie viele Kliniken<br />

eine Defi-Ambulanz, in der die Patienten rund um<br />

die Uhr immer einen Ansprechpartner für ihre Probleme<br />

finden.<br />

Gut informierte Patienten wissen, dass der Defi das<br />

beste Mittel gegen den plötzlichen Herztod ist, und<br />

dass es keine Alternative gibt, die so zuverlässig


ihr Leben rettet. Die Zahl<br />

der Patienten, die mit ihrem<br />

Defibrillator gut zurechtkommen,<br />

ist erstaunlich<br />

hoch: Es sind rund<br />

95 %.<br />

Ja, es gibt Leute, die die erste Entladung ihres Defis<br />

feiern, weil sie darin den Beweis sehen, dass ihr<br />

Defi sie vor dem plötzlichen Herztod schützt.<br />

Wichtig für die Lebensqualität ist, dass der Defibrillator<br />

wenig Einschränkungen bringt. Gegen Einflüsse<br />

von außen ist er gut geschützt. Nur starke<br />

Magnetfelder, z. B. Transformatoren, große Industriemaschinen<br />

wie Generatoren und Elektromotoren,<br />

sind zu meiden. Die Magnetresonanztomographie<br />

(MRT) als Untersuchungsverfahren darf – zumindest<br />

im Brustkorbbereich – nicht angewandt<br />

werden.<br />

Ein heikler Punkt, der viele Patienten beschäftigt,<br />

ist das Autofahren. Autofahren ist in den ersten<br />

sechs Monaten nach Einsetzen eines Defis nicht erlaubt,<br />

damit beobachtet werden kann, ob Entladungen<br />

des Defis stattfinden und wenn ja, welche<br />

Beschwerden auftreten. Wenn der Elektroschock<br />

zu Bewusstseinstrübungen oder gar zur Bewusstlosigkeit<br />

führt, ist selbstverständlich das<br />

Autofahren auch auf Dauer nicht möglich.<br />

Dagegen gibt es im Sport kaum Einschränkungen.<br />

Nur von Kampfsportarten, die dem Gerät etwas anhaben<br />

können, ist abzuraten. Für sexuelle Aktivitäten<br />

bringt der Defi keine Probleme. Die elektrische<br />

Spannung geht bei Berührung auf den Partner<br />

nicht über.<br />

Handys können genutzt werden, man sollte sie<br />

15 cm vom Defibrillator entfernt halten. Am besten<br />

sollte man das Telefon auf der dem ICD gegenüberliegenden<br />

Seite tragen und auf dem gegenüberliegenden<br />

Ohr telefonieren.<br />

Schematische Darstellung eines Defibrillators mit Aufzeichnung eines im Herzen<br />

abgeleiteten EKGs.<br />

An sich selbstverständlich: Sicherheitsgurte und<br />

Gurte mit schweren Taschen sollten nicht direkt<br />

über dem Defibrillator getragen werden, weil sonst<br />

die Elektroden beschädigt werden können.<br />

Flugreisen sind unproblematisch. Eine Studie unserer<br />

Arbeitsgruppe, die von der Deutschen Herzstiftung<br />

unterstützt wurde, hat gezeigt, dass Sicherheitsschleusen<br />

und Handdetektoren auf Flughäfen<br />

den Defi nicht beeinträchtigen. Dasselbe gilt<br />

bei Diebstahlsicherungen von Kaufhäusern.<br />

Vor Auslandsreisen empfiehlt es sich, den Hersteller<br />

des Defibrillators anzurufen, um sich Adressen<br />

im Ausland zu beschaffen, die bei Zwischenfällen<br />

Hilfe leisten können.<br />

Es darf nicht vergessen werden, dass die Einschränkungen,<br />

die den Alltag der Patienten beeinträchtigen,<br />

z. B. mangelnde Belastbarkeit, nicht auf den<br />

Defibrillator zurückzuführen sind, sondern auf die<br />

Grundkrankheit. Die meisten Träger eines Defibrillators<br />

leiden an einer koronaren Herzkrankheit<br />

oder an einer Kardiomyopathie. Nur bei 5 % der<br />

Patienten tritt Kammerflimmern auf, obwohl sie<br />

sonst gesund sind. Ein typischer Fall: Eine 42-jährige<br />

Frau brach plötzlich beim Kartenspiel zusammen:<br />

Herzstillstand. Ihr Mann rettete sie durch<br />

Herz-Lungen-Wiederbelebung. Ein Defibrillator,<br />

sagte die sonst rundum gesunde Frau, käme für<br />

sie nicht in Frage. Sie habe keine Lust Lebensqualität<br />

einzubüßen. Als die Ärzte ihr erklärten, wie<br />

wenig ihr Leben eingeschränkt würde, entschied<br />

sie sich für den Defibrillator und lebt seither sehr<br />

zufrieden.<br />

87


Als mein Arzt das erste Mal vom Defi sprach, war<br />

ich skeptisch. Die Vorstellung, in meiner Brust ein<br />

Gerät zu tragen, das mir gelegentlich Elektroschocks<br />

versetzt, war mir unangenehm. Damals<br />

1997 hatte ich drei Klappenoperationen mit schweren<br />

Komplikationen hinter mir. Einen Herzstillstand<br />

hatte ich überlebt, und danach verordneten mir die<br />

Ärzte Amiodaron und Betablocker. Diese Medikamente<br />

bewährten sich zunächst: Ein Herzstillstand<br />

kam nicht mehr vor. Aber nach eineinhalb Jahren<br />

traten schwere Nebenwirkungen auf. Deshalb<br />

brachten die Ärzte den Defi ins Gespräch. Nur sehr<br />

zögerlich ließ ich mich überzeugen. Erst nach mehreren<br />

Gesprächen mit meinen Ärzten und nachdem<br />

ich eine zweite Meinung in einem großen<br />

Herzzentrum eingeholt hatte, entschloss ich mich<br />

zum Defi.<br />

Die Operation, in der der Defibrillator eingesetzt<br />

wurde, war problemlos. Trotzdem sah<br />

ich mit Bangen der Zukunft entgegen.<br />

Ich quälte mich mit den Problemen,<br />

die auf mich zukommen sollten. Wie<br />

würde das Leben mit dem Defi aussehen?<br />

Vor allem wie würden die<br />

Elektroschocks auf mich wirken?<br />

In dieser Situation war es für mich<br />

sehr wichtig, mit Menschen<br />

sprechen zu können, die<br />

schon länger mit einem<br />

Defi lebten. In der Klinik<br />

besuchte mich die Vorsitzende<br />

des ICD-Arbeitskreises<br />

Links der<br />

Weser und in der<br />

Reha-Klinik traf ich<br />

auf eine Patientin,<br />

die mir von ihren Erfahrungen<br />

mit Elek-<br />

88<br />

Leben mit dem Defi<br />

troschocks erzählte. Dadurch wurden mir meine<br />

Ängste zum großen Teil genommen. Eine große<br />

Hilfe waren auch die Gespräche mit dem Elektrophysiologen<br />

und den Psychologen der Reha-<br />

Klinik.<br />

Die ersten Monate gab der Defi keine Schocks ab.<br />

Es gelang ihm durch sogenannte Stimulationen das<br />

Herzrasen zu unterbrechen, das dem Herzstillstand<br />

vorausgeht. Ich wurde immer sicherer, zumal nun<br />

auch die Nebenwirkungen der vorher verabreichten<br />

Medikamente schwanden. Die<br />

erste Schockabgabe war nicht so<br />

schlimm, wie von mir befürchtet.<br />

So lernte ich meinen Defi lieb gewinnen.<br />

Ich vertraute ihm, da ich auf dem<br />

Ausdruck der Defi-Abfrage die<br />

Rhythmus<strong>störungen</strong> und das<br />

Eingreifen des Defis selbst<br />

sehen konnte. Mir wurde<br />

bewusst, wie der<br />

Defi mein Leben<br />

schützt.<br />

Mein kleiner „Aufpasser<br />

in der Brust“<br />

bringt mir ein sehr<br />

positives, gutes und<br />

sicheres Lebensgefühl.<br />

Denn ich<br />

weiß, kein Medikament<br />

ist bei gefähr-


Unterwegs mit der Herzsportgruppe.<br />

lichen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> so sicher wie der<br />

Defi. Meine Sorgen wurden immer geringer. Die<br />

Rhythmus<strong>störungen</strong> sind zwar immer noch vorhanden<br />

und ab und zu gibt der Defi Stimulationen<br />

oder in wenigen Fällen auch Schocks ab. Da ich<br />

die Rhythmus<strong>störungen</strong> in der Regel rechtzeitig<br />

merke, kann ich mich auf die Reaktion des Defis<br />

vorbereiten. Die Stimulationen merke ich nicht;<br />

der Schock ist zwar unangenehm, aber zu ertragen.<br />

Da nach dem Schock in den meisten Fällen die<br />

unangenehmen Rhythmus<strong>störungen</strong> vorbei sind,<br />

fühle ich mich nach wenigen Stunden wesentlich<br />

besser.<br />

2004 erhielt ich einen neuen Defi. Er ist technisch<br />

ein großer Schritt nach vorn – ähnlich, wie es bei<br />

den Computern zur selben Zeit zu beobachten war.<br />

Das Gerät erkennt jetzt die dem Kammerflimmern<br />

vorausgehenden <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> besser,<br />

so dass es zu weniger Schockabgaben kommt.<br />

Mein Lebensalltag ist sehr befriedigend. Da ich<br />

erfahren habe, wie wichtig es ist, sich mit anderen<br />

Patienten auszutauschen, arbeite ich intensiv in<br />

verschiedenen Selbsthilfe- und Herzgruppen.<br />

Inzwischen habe ich die Regionalgruppe Emsland/Ostfriesland<br />

des ICD-Arbeitskreises Links der<br />

Weser gegründet. Seither arbeite ich dort als stellvertretender<br />

Vorsitzender. Über zu wenig Abwechslung<br />

kann ich mich nicht beklagen. In meiner Freizeit<br />

freue ich mich an der Natur und an der Pflege<br />

von Haus und Garten. Bei den täglichen Spaziergängen<br />

und wenn das Wetter es erlaubt, begleitet<br />

mich beim Fahrradfahren mein Schäferhund. Mit<br />

meiner Lebensgefährtin gehe ich gern auf Reisen<br />

– was früher nicht möglich war.<br />

Fazit: Ich komme mit dem Defibrillator gut zurecht,<br />

weil ich mich sicherer fühle.<br />

Hermann Wessels, Neubörger<br />

89


Yvonne, eine 15-jährige Schülerin, hatte eigentlich<br />

nicht so recht Lust, schon wieder zur Routineuntersuchung<br />

zu ihrem Kardiologen zu gehen. Ihr Leben<br />

wurde schon zu lange von medizinischen Eingriffen<br />

und Kontrollen diktiert.<br />

Nur dieses eine Mal wollte sie den vorgegebenen<br />

Termin noch wahrnehmen. Denn in den letzten<br />

Monaten waren Phasen aufgetreten, bei denen sie<br />

besonders bei körperlichen Anstrengungen ein ungewohnt<br />

starkes Herzjagen spürte. Es war ihr dabei<br />

schwindlig, und sie hatte auch Atemnot. Sie<br />

selbst fand das nicht so schlimm, aber da war die<br />

Mutter, die sich Sorgen um sie machte.<br />

Als sie zur Welt kam, so wurde ihr erzählt, sei sie<br />

am ganzen Körper blau gewesen, was die Ärzte<br />

auf einen schweren angeborenen Herzfehler zurückführten.<br />

Im Gegensatz zu anderen Kindern<br />

mischte sich in ihrem Herzen das blaue Blut aus<br />

dem Körper mit dem roten Blut aus der Lunge.<br />

Schon in den ersten Lebensmonaten war eine Operation<br />

(Fontan-Operation) und eine weitere im Alter<br />

von zehn Jahren durchgeführt worden.<br />

Jetzt, nach den einzelnen Untersuchungen, wartete<br />

sie auf die abschließende Besprechung. Der Doktor<br />

erklärte, dass das Herz von Yvonne viel zu<br />

schnell schlage, vermutlich schon eine ganze Weile.<br />

Er sprach von einer tachykarden (schnellen)<br />

<strong>Herzrhythmus</strong>störung und empfahl dringend die<br />

Einweisung in das nächstgelegene Krankenhaus,<br />

das auf jugendliche und erwachsene Patienten mit<br />

operierten angeborenen Herzfehlern spezialisiert<br />

sei. Dort sollte Yvonne sich einer sogenannten elektrophysiologischen<br />

Untersuchung unterziehen. Über<br />

einen Herzkatheter solle die Ursache für den zu<br />

schnellen Herzschlag geklärt und wenn möglich<br />

auch beseitigt werden. Dabei werde über den Ka-<br />

90<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> nach der<br />

Operation angeborener Herzfehler<br />

Dr. med. Joachim Hebe, Praxis für Elektrophysiologie/Kardiologie,<br />

Klinikum Links der Weser, Bremen<br />

Prof. Dr. med. Karl-Heinz Kuck, Abt. II., Medizin/Kardiologie,<br />

Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg<br />

theter Strom abgegeben und dadurch die Herzmuskelzonen<br />

verödet, die für das Herzrasen verantwortlich<br />

seien.<br />

Am nächsten Tag folgte der Eingriff: Yvonne bekam<br />

fast gar nichts davon mit. Sie erhielt ein Beruhigungsmittel,<br />

mit dem sie schnell tief und fest einschlief.<br />

Ein sanftes Rütteln an ihrer rechten Hand<br />

holte sie wieder zurück: Ihr erster Blick richtete<br />

sich auf das glückliche Gesicht ihrer Mutter, die ein<br />

paar Freudentränen in den Augen hatte. Alles war<br />

überstanden. Die Ärzte sprachen von einem erfolgreichen<br />

Eingriff, der vier Stunden gedauert habe.<br />

Yvonne fühlte sich nur noch etwas schlapp und<br />

müde, als sie am nächsten Morgen das Bett verlassen<br />

durfte. Einen Tag später wurde sie entlassen<br />

und konnte wenige Tage darauf wieder zur Schule<br />

gehen.<br />

Die letzten Kontrolluntersuchungen zeigten einen<br />

normalen und stabilen <strong>Herzrhythmus</strong>. Yvonnes Leben<br />

änderte sich: Jetzt erst merkte sie, wie leicht<br />

ermüdbar sie früher gewesen war. Auch reichte die<br />

Luft wieder bis in die vierte Etage. Jetzt konnte sie<br />

sich in der Schule besser konzentrieren und in der<br />

Gruppe ungebremst an allen Unternehmungen teilnehmen.<br />

Das neue Verfahren hat die <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

geheilt.<br />

Yvonnes Geschichte ist exemplarisch: Die Medizin<br />

hat in den letzten zwei Jahrzehnten enorme<br />

Fortschritte in der Diagnose, der Operation und<br />

der Nachsorge komplexer angeborener Herzfehler<br />

gemacht. Dadurch erreichen immer mehr Patienten<br />

das mittlere und hohe Erwachsenenalter<br />

mit einer annehmbaren bis guten Lebensqualität.<br />

Allerdings: Trotz aller Fortschritte bleiben bei diesen<br />

Patienten häufig Fehlbelastungen einzelner<br />

Anteile des Herzens bestehen. Bei ihnen treten in


obere Hohlvene<br />

Vorhof-Reentry-<br />

Tachykardie<br />

untere Hohlvene<br />

Darstellung des Herzens nach einer Operation zur<br />

Korrektur eines angeborenen Herzfehlers. Der Chirurg<br />

stellte eine direkte Verbindung vom rechten Vorhof zur<br />

Lungenarterie her. Im Vorhof läuft eine schnelle kreisende<br />

<strong>Herzrhythmus</strong>störung (Reentry-Tachykardie)<br />

entlang der Narbe, die von dem chirurgischen Eingriff<br />

herrührt. Der gelb unterlegte Bereich der kreisenden<br />

Tachykardie ist eine Zone, die für die <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

verantwortlich ist. Eine Hochfrequenzstromablation,<br />

die diese Zone verödet, kann das Auftreten<br />

der <strong>Herzrhythmus</strong>störung dauerhaft verhindern.<br />

zunehmender Zahl wiederkehrende und chronische<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> auf.<br />

Diese <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> sind von großer Bedeutung,<br />

weil Patienten, die wegen angeborener<br />

Herzfehler operiert wurden, <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

erheblich schlechter vertragen als Menschen<br />

mit normalen Herzen. Die Lebensqualität dieser<br />

Patienten ist wesentlich stärker beeinträchtigt und<br />

zugleich ist das Risiko einer vitalen Bedrohung relativ<br />

hoch.<br />

Aorta<br />

Lungenarterie<br />

rechter Vorhof<br />

Ursachen erworbener<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

chirurgische Narbe<br />

rechte Kammer<br />

Es gibt angeborene <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> wie<br />

das Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW-Syndrom),<br />

wo die Ursache – eine zusätzliche Reizleitung<br />

– bereits bei der Geburt angelegt ist.<br />

Abzugrenzen sind hiervon die erworbenen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>,<br />

die durch Erkrankungen (z. B.<br />

Herzmuskelentzündung), Fehlbelastungen (Druck-<br />

/Volumenüberlastung) oder Sauerstoffunterversorgung<br />

(Koronarsklerose) des Herzens entstehen<br />

können. Dazu gehören auch <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>,<br />

die ein nicht operierter Herzfehler im Lauf der<br />

Zeit hervorruft. Ein Beispiel dafür ist Vorhofflimmern,<br />

das bei Patienten mit einem nicht operierten<br />

Vorhofseptumdefekt bei mehr als 50 % der Fälle<br />

zu finden ist.<br />

Weiterhin können erworbene <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

direkt oder mittelbar durch chirurgische<br />

91


92<br />

Rechts: 12-Kanal-Oberflächen-EKG der gleichen Patientin<br />

während der Vorhoftachykardie mit 1:1-Überleitung<br />

auf die Kammerebene und der sich daraus ergebenden<br />

Kammerfrequenz von 220/min. Jetzt hat die Patientin<br />

Beschwerden: Herzrasen, Schwindel, Atemnot.<br />

Eingriffe hervorgerufen werden. Diese können akut<br />

im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Operation<br />

(z. B. als Folge der chirurgischen Durchtrennung<br />

des AV-Knotens) oder mehrere Jahre später<br />

auftreten z. B. als Folge von Vernarbungen.<br />

Typisch ist hier der Ausfall des Sinusknotens nach<br />

ausgedehnter Vorhof-Chirurgie (z. B. bei Vorhofumkehr<br />

nach Mustard/Senning, bei einer Transposition<br />

der großen Gefäße) oder der AV-Block III°<br />

(nach Korrektur eines AV-Kanals oder einer Fallot’schen<br />

Tetralogie).<br />

Welche Beschwerden treten auf?<br />

Zu langsame Herzschlagfolge (Bradykardie)<br />

Wenn der Hauptimpulsgeber des Herzens, der<br />

Sinusknoten, zu langsam arbeitet oder die Überleitung<br />

gestört ist (AV-Block), sinkt die Herzfrequenz<br />

unter 40 bis 50 Schläge pro Minute. Dabei<br />

kann es zu einer kritischen Unterversorgung des<br />

Links: 12-Kanal-Oberflächen-EKG der jungen Patientin<br />

Yvonne bei der Aufnahme ins Krankenhaus. Yvonne<br />

empfindet keine Beschwerden. Zu sehen ist eine Vorhof-<br />

Reentry-Tachykardie mit einem 2:1-Verhältnis von Vorhof<br />

zur Kammeraktivierung bei einer Vorhoffrequenz von<br />

220/min und einer sich daraus ergebenden Kammerfrequenz<br />

von 110/min. Offensichtlich hatte sich die Patientin<br />

an die dauerhaft hohe Herzfrequenz gewöhnt.<br />

Kreislaufs kommen, die sich durch Schwindel oder<br />

gar durch Verlust des Bewusstseins (Synkope) äußern<br />

kann. Eine höchstgradige AV-Überleitungsstörung<br />

(totaler AV-Block) in Kombination mit dem<br />

Fehlen eines ausreichenden Ersatzrhythmus kann<br />

zum Kreislaufzusammenbruch führen.<br />

Zu schnelle Herzschlagfolge (Tachykardie)<br />

Schnelle <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> im Vorhof (atriale<br />

Tachykardien) wirken sich je nach Dauer und<br />

Herzfrequenz verschieden aus. Bei Vorhoffrequen-


zen von bis zu 350/min kann je nach Bremswirkung<br />

des AV-Knotens das Herz bis zu mehr als 200<br />

mal in der Minute schlagen. Es ist leicht vorstellbar,<br />

dass bei Vorliegen einer Herzerkrankung solche<br />

Herzfrequenzen schlecht vertragen werden.<br />

Hinzu kommt, dass dann auch die Zusammenarbeit<br />

zwischen Vorhof und Kammer gestört ist und<br />

dadurch die Pumpkraft des Herzens deutlich verringert<br />

wird.<br />

Auch bei schnellen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> in den<br />

Herzkammern sind herzoperierte Patienten besonders<br />

betroffen. Während bei einem sonst herzgesunden<br />

Patienten Kammerfrequenzen von 220/min<br />

bis zu mehreren Stunden durchaus vertragen werden,<br />

können bereits wesentlich langsamere Kammerfrequenzen<br />

bei Patienten mit angeborenen<br />

Herzfehlern zu schwersten klinischen Beschwerden<br />

bis hin zum Zusammenbruch der Herz-Kreislauf-Funktion<br />

führen.<br />

Es kommt auch vor, dass Patienten die schnellen<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> nicht wahrnehmen, so<br />

dass sie nur durch einen Zufall aufgedeckt werden.<br />

In anderen Fällen treten Beschwerden auf:<br />

Herzrasen, Herzstolpern, Schwindel („Es wird mir<br />

schwarz vor Augen“), Brustschmerzen, Atemnot,<br />

plötzliche Bewusstlosigkeit und sogar Herz-Kreislauf-Stillstand<br />

(schnelle ventrikuläre Tachykardie,<br />

Kammerflimmern). Wichtig zu wissen ist: Auch Patienten,<br />

die ihre <strong>Herzrhythmus</strong>störung nicht spüren,<br />

können vital gefährdet sein. Deswegen muss<br />

der <strong>Herzrhythmus</strong> von Patienten, die wegen angeborener<br />

Herzfehler operiert wurden, regelmäßig<br />

vom Arzt kontrolliert werden.<br />

Welche Möglichkeiten<br />

der Behandlung bestehen?<br />

Langsame <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

(Bradykardien)<br />

Patienten mit langsamen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

können <strong>heute</strong> mit individuell abgestimmten Schrittmachersystemen<br />

trotz der angeborenen Fehlbildung<br />

des Herzens meist hervorragend versorgt werden.<br />

Einschränkungen der Lebensqualität, auch<br />

der Berufsausübung, gehören in der Regel der Vergangenheit<br />

an.<br />

Schnelle <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> (Tachykardien)<br />

Je nachdem, welche Beschwerden schnelle <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

auslösen und welche Bedrohung<br />

von ihnen ausgeht, kommen unterschiedliche<br />

Behandlungsstrategien in Betracht:<br />

■ keine Therapie<br />

■ Korrektur der Fehlbelastungen des Herzens<br />

durch Medikamente, durch Operation oder<br />

Herzkathetereingriff<br />

■ antiarrhythmische Therapie durch Medikamente,<br />

Hochfrequenzstromablation oder Einsetzen<br />

eines Cardioverters/Defibrillators<br />

Nicht alle schnellen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> bedürfen<br />

einer Behandlung. Voraussetzung ist, dass<br />

diese <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> keine vitale Bedrohung<br />

oder auch auf Dauer keine Schädigung der<br />

Herzfunktion mit sich bringen. Bei Patienten mit<br />

angeborenen Herzfehlern ist das jedoch selten der<br />

Fall. Daher muss man sich in den meisten Fällen<br />

zu einer Behandlung der <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

entschließen.<br />

Oft ist bei Patienten, die wegen angeborener Herzfehler<br />

operiert sind, später schwer auseinanderzuhalten,<br />

welche Schäden die Operationsnarben und<br />

welche Schäden die Fehlbelastungen, die nach der<br />

Operation bleiben, hervorrufen. Falls der Nachweis<br />

gelingt, dass <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> auf Fehlbelastungen<br />

zurückgehen, sollte in erster Linie versucht<br />

werden, sie durch Medikamente oder durch<br />

Operation zu verringern oder zu beseitigen. Gegebenenfalls<br />

kann dieses Vorgehen mit einer antiarrhythmischen<br />

Therapie kombiniert werden.<br />

93


94<br />

Antiarrhythmische Therapie<br />

Medikamente<br />

Mit Medikamenten gegen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

(Antiarrhythmika) versucht man, die <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

zu unterdrücken oder zumindest das<br />

durchschnittliche Niveau der Kammerfrequenz im<br />

Normbereich zu halten. Die überwiegende Zahl<br />

dieser Antiarrhythmika hat eine Reihe von Nebenwirkungen,<br />

die sich unter anderem negativ auf die<br />

Funktion des Herzens (z.B. Pumpkraft) auswirken<br />

kann.<br />

Elektrophysiologische Untersuchung (EPU)/Hochfrequenzstromablation<br />

Therapie der Wahl für schnelle <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

nach Operation angeborener Herzfehler<br />

ist heutzutage die Hochfrequenzstromablation<br />

(s. S. 26). Während Medikamente derartige <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

zeitweise unterdrücken, lassen<br />

sie sich mit dieser Technik dauerhaft heilen.<br />

Das Verfahren kann vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter<br />

eingesetzt werden. Behandelt werden<br />

neben den herzoperierten Patienten auch Säuglinge<br />

und Kinder, die „nur“ an einer <strong>Herzrhythmus</strong>störung<br />

leiden, ohne dass eine Herzoperation<br />

durchgeführt werden muss.<br />

Die Erfolgsquote der Hochfrequenzstromablation<br />

liegt für die Mehrzahl der <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

bei über 90 %. Wesentliche Voraussetzung für den<br />

Erfolg ist große Erfahrung mit dieser Behandlung.<br />

Außerdem müssen besondere zusätzliche bildgebende<br />

Techniken zum Auffinden (Lokalisation)<br />

und Analyse der <strong>Herzrhythmus</strong>störung (sogenannte<br />

Mapping-Techniken) zur Verfügung stehen. Die<br />

Eingriffszeiten sind heutzutage deutlich kürzer als<br />

früher und liegen in der Regel bei zwei bis vier<br />

Stunden.<br />

Das Risiko dieser Therapie hängt von der zugrundeliegenden<br />

Herzkrankheit, von der Art der Rhythmusstörung<br />

und vom Alter des Patienten ab. Je<br />

schwerer die Herzkrankheit und je jünger der<br />

Patient, desto höher das Risiko. Ebenso ist die Behandlung<br />

von <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> mit Ursprung<br />

in den Herzkammern im allgemeinen risikoreicher<br />

als die Behandlung von <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

aus den Herzvorhöfen. Heutzutage sind<br />

schwerwiegende Komplikationen selten und liegen<br />

in einer Größenordnung von zwei bis drei Prozent.<br />

Eine Notwendigkeit der Behandlung mit der<br />

Hochfrequenzstromablation besteht immer dann,<br />

wenn die <strong>Herzrhythmus</strong>störung lebensbedrohlich<br />

ist oder zu einer Pumpschwäche des Herzens führt.<br />

Implantierbarer-Cardioverter-Defibrillator<br />

Bei Patienten mit lebensbedrohlichen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>,<br />

deren Behandlung z. B. durch<br />

Hochfrequenzstromablation nicht gelingt, sollte<br />

das Einsetzen eines Cardioverters/Defibrillators<br />

(ICD) erwogen werden (s. S. 82). Dieses System ist<br />

in der Lage, schnelle <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> zu<br />

beenden. Es ist besonders bei Patienten angebracht,<br />

bei denen bereits in der Vergangenheit schnelle<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> zum Zusammenbruch der<br />

Herz-Kreislauf-Funktion (plötzlicher Herzstillstand)<br />

geführt hatten.<br />

Fortschritte der Medizin<br />

In den letzten Jahren sind große Fortschritte in der<br />

Behandlung von <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> erreicht<br />

worden, die gerade Patienten zugute kommen, die<br />

wegen angeborener Herzfehler operiert wurden.<br />

Herzschrittmacher helfen bei langsamen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

(Bradykardien). Bei schnellen <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

(Tachykardien) ist in zunehmendem<br />

Maße die Hochfrequenzstromablation<br />

erfolgreich. Dadurch können diese Patienten eine<br />

oft lebenslange Einnahme von Medikamenten<br />

(Antiarrhythmika) vermeiden.<br />

Das Einsetzen eines Cardioverters/Defibrillators<br />

kann ausgewählte Patienten, bei denen ein lebensbedrohliches<br />

Risiko erkannt wurde, vor dem plötzlichen<br />

Herztod schützen.<br />

Das heutige breite Therapiespektrum wird in Zentren<br />

praktiziert, die auf die Versorgung von Patienten<br />

im Jugend- und Erwachsenenalter mit angeborenen<br />

Herzfehlern und auf die neuen Verfahren<br />

zur Therapie von <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> spezialisiert<br />

sind.


Wichtige Informationen können Sie den folgenden<br />

Broschüren, Sonderdrucken und Faltblättern entnehmen,<br />

die hervorragende Herzexperten für Sie<br />

geschrieben haben:<br />

■ Sonderdruck Nr. 24<br />

Helfen Medikamente bei<br />

<strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong>?<br />

■ Sonderdruck Nr. 32<br />

Störeinflüsse auf Herzschrittmacher<br />

■ Sonderdruck Nr. 13<br />

Bluthochdruck – das verkannte Risiko<br />

Das hilft Ihnen weiter<br />

■ Broschüre Gerinnungshemmung<br />

■ Broschüre dolce vita – herzgesund leben<br />

■ Gesundheits-Pass<br />

■ Notfallausweis<br />

■ Ausweis zur Gerinnungskontrolle bei Behandlung<br />

mit Marcumar, Falithrom oder Coumadin<br />

Diese Informationsmaterialien erhalten Sie als Mitglied<br />

kostenlos, ansonsten gegen eine Versandkostenpauschale<br />

von 1,45 Euro pro Artikel in Briefmarken.<br />

Ihre Anforderung schicken Sie an:<br />

Deutsche Herzstiftung e.V.<br />

Vogtstraße 50<br />

60322 Frankfurt am Main<br />

Wir hoffen, dass Sie durch die vorliegende Broschüre <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong> besser verstehen werden<br />

und dadurch auch besser mit ihnen umgehen können. Wenn das so ist, freuen wir uns und sind Ihnen<br />

dankbar, wenn Sie unsere Arbeit mit einer Spende unterstützen, zum Beispiel:<br />

mit einer Überweisung auf unser<br />

Spendenkonto 903000<br />

Frankfurter Sparkasse<br />

BLZ 500 502 01<br />

mit einem Anruf aus dem deutschen Festnetz:<br />

Spendenhotline 0900 1 444 224<br />

Der Anruf kostet 5,- Euro und die Verrechnung<br />

dieser Spende erfolgt über Ihre Telefonrechnung.<br />

95


Die Deutsche Herzstiftung hilft Ihnen, gesund zu<br />

bleiben – oder, wenn Sie krank sind, mit Ihrer<br />

Krankheit besser fertig zu werden:<br />

■ Sprechstunde<br />

Die Deutsche Herzstiftung bietet ihren Mitgliedern<br />

eine telefonische Arztsprechstunde mit Herzspezialisten<br />

und Herzchirurgen zweimal im Monat an.<br />

Außerdem können sich die Mitglieder jederzeit<br />

schriftlich an die Sprechstunde: Patienten fragen<br />

– Ärzte antworten der Zeitschrift der Deutschen<br />

Herzstiftung wenden oder die Fragen online stellen.<br />

Jedes Jahr werden Tausende von Anfragen bearbeitet.<br />

■ Zeitschrift<br />

Die Deutsche Herzstiftung gibt für ihre Mitglieder<br />

viermal im Jahr die Zeitschrift Herz <strong>heute</strong> heraus,<br />

in der Spezialisten über neue Entwicklungen auf<br />

allen Gebieten der Medizin informieren: über koronare<br />

Herzkrankheit und Herzinfarkt, über Bypass-<br />

und Klappenoperationen, über Rhythmus<strong>störungen</strong><br />

und Schrittmacher, über neue Behandlungsmethoden,<br />

Medikamente und ihre Nebenwirkungen,<br />

über Ernährung und Cholesterin, auch<br />

über alternative Medizin. Zusätzlich berichten Patienten<br />

über ihre Erfahrungen.<br />

Auf den Internetseiten der Deutschen Herzstiftung<br />

können Mitglieder auch auf Artikel aus früheren<br />

96<br />

Was kann die Deutsche Herzstiftung<br />

für Sie tun?<br />

Ausgaben der Zeitschrift und Sprechstunden zurückgreifen.<br />

■ Informationsdienst<br />

Besonders wichtige Themen haben wir für unsere<br />

Mitglieder als Sonderdrucke zusammengefasst:<br />

Herzuntersuchungen, Herzinfarkt, Ballondilatation,<br />

Herzklappe, Stress usw. Darüber hinaus informieren<br />

wir über Warnsignale vor Herzinfarkt<br />

und Schlaganfall, Reisetipps für Herzkranke, Endokarditis-Prophylaxe,<br />

Selbstkontrolle des Gerinnungswertes<br />

und vieles andere. Jedem Mitglied<br />

steht der Notfallausweis für Herzpatienten zur Verfügung.<br />

Das Informationsmaterial kann ebenfalls<br />

online bestellt werden.<br />

Unter www.herzstiftung.de können sich Besucher<br />

über die Ziele und die Struktur der Herzstiftung<br />

und deren Aktivitäten informieren. Das Lexikon<br />

erklärt medizinische Fachbegriffe. Interessierte können<br />

sich über Veranstaltungstermine informieren,<br />

den Newsletter beziehen, Broschüren und Ratgeber<br />

anfordern oder herunterladen und Kontakt zu<br />

Selbsthilfegruppen knüpfen u.v.m. Mit der Suche-<br />

Funktion können schnell und gezielt die gewünschten<br />

Inhalte gefunden werden.<br />

■ Herz-Seminare und Vorträge<br />

Warum muss ich welche Medikamente regelmäßig<br />

einnehmen? Was geschieht bei einer Bypass-Ope-<br />

An dieser Stelle sollte ein Aufnahmeantrag kleben, mit dem Sie<br />

Mitglied in der Deutschen Herzstiftung werden können.<br />

Wenn er fehlt und Sie Mitglied werden wollen, rufen Sie uns einfach an:<br />

Telefon 069 955128-0 oder<br />

online unter www.herzstiftung.de.<br />

Natürlich können Sie uns auch schreiben:<br />

Deutsche Herzstiftung<br />

Vogtstraße 50<br />

60322 Frankfurt am Main


ation? Was ist Herzschutzkost? Wie ist sie im Alltag<br />

zu erreichen? Wie stark soll ich mich körperlich<br />

belasten? Antworten auf diese und andere Fragen<br />

geben Ihnen nicht nur unsere Informationsschriften,<br />

sondern auch Herzspezialisten auf<br />

unseren Herz-Seminaren und Vortragsveranstaltungen.<br />

Eine vollständige Übersicht der Termine<br />

finden Sie auf den Internetseiten der Deutschen<br />

Herzstiftung.<br />

■ Herzwoche/Herzmonat<br />

Die Deutsche Herzstiftung führt jedes Jahr eine bundesweite<br />

Aufklärungsaktion durch: die Herzwoche<br />

z. B. zur Früherkennung des Herzinfarktes oder den<br />

Herzmonat z. B. zum Thema <strong>Herzrhythmus</strong><strong>störungen</strong><br />

oder Herzklappenerkrankungen.<br />

■ Reisen für Herzkranke<br />

Die Deutsche Herzstiftung bietet gemeinsam mit<br />

Reiseveranstaltern fachärztlich und sporttherapeutisch<br />

betreute Reisen an, die auf die Wünsche<br />

und Bedürfnisse chronisch kranker Menschen abgestimmt<br />

sind.<br />

■ Gesprächs- und Selbsthilfegruppen<br />

Unter dem Dach der Deutschen Herzstiftung haben<br />

sich über 90 Gruppen für Bypass-, Schrittmacher-<br />

und Herzklappen-Patienten gegründet. Hier<br />

treffen sich Patienten und ihre Angehörigen zum<br />

Erfahrungsaustausch.<br />

■ Kinderherzstiftung<br />

Die Deutsche Herzstiftung engagiert sich mit ihrer<br />

Kinderherzstiftung für herzkranke Kinder und unterstützt<br />

ihre Familien durch Information und Rat.<br />

Mit der Zeitschrift Herzblatt erhalten Eltern eines<br />

herzkranken Kindes viermal im Jahr wichtige Informationen<br />

über angeborene Herzfehler und ihre Behandlung.<br />

Kinderkardiologen, Herzchirurgen und Psychologen<br />

schreiben in Herzblatt, aber auch Eltern selbst.<br />

Sie vermitteln Erfahrungen über ihr Leben mit einem<br />

herzkranken Kind und berichten über Probleme,<br />

die sie bewältigen müssen.<br />

■ Forschung<br />

Im Kampf gegen die Herz-Kreislauf-Krankheiten ist<br />

die Forschung von besonderer Bedeutung. Alle wesentlichen<br />

Fortschritte der letzten Jahrzehnte wurden<br />

durch die Förderung der Wissenschaft erzielt.<br />

Die Förderung der Forschung ist ein besonderes Anliegen<br />

der Deutschen Herzstiftung in Verbindung mit<br />

der Deutschen Stiftung für Herzforschung.<br />

Die Stärke der Deutschen Herzstiftung ist ihre enge<br />

Bindung zur Wissenschaft: Sie ist nicht nur mit der<br />

Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herzund<br />

Kreislaufforschung eng verbunden, sie ist auch<br />

die offizielle Vertretung Deutschlands in der internationalen<br />

Gemeinschaft der Herzstiftungen. Dem<br />

Wissenschaftlichen Beirat gehören fast alle führenden<br />

Kliniker und Wissenschaftler an, die auf<br />

dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen arbeiten.<br />

■ Wir setzen uns für Ihre Gesundheit<br />

und Ihr Leben ein<br />

Die Deutsche Herzstiftung kämpft für eine bessere<br />

Versorgung der Herzpatienten. Sie hat ihren Einfluss<br />

erfolgreich geltend gemacht gegen die lebensgefährlichen<br />

Wartelisten in der Herzchirurgie. Sie<br />

setzt sich energisch für eine einheitliche medizinische<br />

Notrufnummer in Deutschland und gegen<br />

den Pflegenotstand ein. Sie vertritt auf politischer<br />

Ebene die Interessen der Patienten gegenüber<br />

Krankenkassen und dem Gesetzgeber, was <strong>heute</strong><br />

von besonderer Wichtigkeit ist.<br />

■ Mehr als 55 000 Mitglieder<br />

Die Deutsche Herzstiftung wurde 1979 von bedeutenden<br />

Medizinern gegründet. Sie ist ein gemeinnütziger<br />

Verein, der sich ausschließlich aus<br />

Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Die<br />

Deutsche Herzstiftung steht unter der Schirmherrschaft<br />

von Barbara Genscher.<br />

Immer mehr Herzpatienten und Gesunde werden<br />

Mitglied in der Deutschen Herzstiftung, weil sie ihnen<br />

hilft, gesund zu bleiben oder, wenn sie krank<br />

sind, mit ihrer Krankheit besser fertig zu werden.<br />

Zur Zeit hat die Deutsche Herzstiftung mehr als<br />

55 000 Mitglieder. Und jeden Tag kommen neue<br />

dazu.<br />

97


Deutsche<br />

Herzstiftung<br />

ISBN 3-9806604-8-6

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