29.12.2013 Aufrufe

INFORMATIONSBRIEF Nr. 40 / 2-2004 April - Mai - Juni - BAGSO

INFORMATIONSBRIEF Nr. 40 / 2-2004 April - Mai - Juni - BAGSO

INFORMATIONSBRIEF Nr. 40 / 2-2004 April - Mai - Juni - BAGSO

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

BUNDESVERBAND FÜR FRAUEN UND MÄNNER IM RUHESTAND E.V.<br />

<strong>INFORMATIONSBRIEF</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>40</strong> / 2-<strong>2004</strong><br />

<strong>April</strong> - <strong>Mai</strong> - <strong>Juni</strong><br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

damit Sie die online-Version unseres<br />

Infobriefes schneller lesen können,<br />

haben wir die Bilder und Grafiken<br />

entfernt.<br />

Die gedruckt Ausgabe mit allen<br />

Abbildungen erhalten Sie auf Wunsch<br />

bei unserer Geschäftstelle in Stuttgart.<br />

Wir bitten um Verständnis.<br />

Die Redaktion


Inhalt:<br />

- Grußwort<br />

2<br />

- Andacht: Kristin Bergmann<br />

3-4<br />

- Gebet<br />

4<br />

- Dieter Spazier<br />

5-8<br />

Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis<br />

Der Film<br />

9-18<br />

- Die Passion Jesu<br />

EKD: Der Film ist zu brutal<br />

- Uwe Siemon-Netto<br />

Der unsinnige Antisemitismus Vorwurf<br />

- Pfr.i.R. Kugele<br />

Aus einem Rundbrief<br />

- Michael Mogel<br />

Kommentar von der Stiftung “Marburger<br />

Medien”<br />

Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

- Dr. Martin Schuck<br />

19-24<br />

Hat der Protestantismus noch eine<br />

Daseinsberechtigung?<br />

- Dr. Andreas Siebenhüner<br />

25-26<br />

Seniorenbeiräte 2. Teil<br />

- Monika Bauer<br />

27-31<br />

Die Vielfalt der Altersbilder in der Bibel<br />

- Dr. Andreas Siebenhüner<br />

32-33<br />

Standpunkt: Kopftuch, Kreuz und Kippa<br />

- Frühstücksgespräche für Senioren 34<br />

- Bischof Huber<br />

35-36<br />

der neue Ratsvorsitzende der EKD<br />

- Die Kandidaten zur Wahl des<br />

37-38<br />

Bundespräsidenten<br />

Der Jahreskreis<br />

- Dieter Spazier<br />

39-42<br />

Die vier Jahreszeiten (I)<br />

Aktuelle Seniorenthemen<br />

- Umsetzung des Gesetzes zur<br />

43-46<br />

Modernisierung der Ges. KV<br />

- Dr. Wolfram Weinrebe<br />

47-48<br />

Macht das Wetter im Alter krank?<br />

Aus dem ESW<br />

- Einladung zum Jahrestreffen<br />

49-50<br />

- Projekte AusZeit für Andere<br />

51-52<br />

- Der Schatzmeister informiert<br />

52<br />

- Termine<br />

53-54<br />

Hinweise und Mitteilungen<br />

- Versicherungsschutz für Ehrenamtliche 55<br />

- <strong>BAGSO</strong> - Mitteilungen<br />

56<br />

- Therapeutische Kraft des Glaubens 57<br />

- Für Sie gelesen<br />

58-62<br />

Impressum<br />

63<br />

Inhaltsverzeichnis und Grußwort<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

unser neuer Informationsbrief sieht seine<br />

Schwerpunkte im Wesentlichen in drei<br />

Themenbereichen. Die Neuwahl des<br />

Ratsvorsitzenden, der Jahrestag der<br />

Protestation in Speyer, die bevorstehende<br />

Wahl des Bundespräsidenten<br />

und die zu erwartenden „Kopftuch-<br />

Ländergesetze“ sind Anlass zum Nachdenken<br />

über das Verhältnis von Evangelium<br />

und Öffentlichkeit, aber auch von<br />

Öffentlichkeit und Evangelium.<br />

Den anderen Themenbereich hat der<br />

sehr kontrovers diskutierte Film von Mel<br />

Gibson ausgelöst: Ein Skandal oder ein<br />

Bekenntnis? Welche Wege darf und kann<br />

Verkündigung heute gehen? Wir haben<br />

bewusst vier Beiträge zu dem Jesus-Film<br />

veröffentlicht, um die Bandbreite der<br />

Themen und die sehr unterschiedlichen<br />

Ansätze der Kritik anzudeuten.<br />

Der dritte Themenbereich soll die<br />

Resonanzen widerspiegeln, die der<br />

demografische Wandel und die dadurch<br />

bedingten Reformen im Sozialbereich<br />

auslösen und ausgelöst haben.<br />

Dieser Themenbereich wird sicherlich<br />

auch den Seniorentag des ESW beschäftigen,<br />

ebenso wie die Projekte des ESW,<br />

die sehr gut vorankommen und vielseitige<br />

Anregungen und Unterstützungen<br />

erfahren.<br />

Ihnen allen ein frohes und gesegnetes<br />

Osterfest und guten Mut in bei unserer<br />

gemeinsamen Arbeit.<br />

ESW-Info 2 / <strong>2004</strong> für: <strong>April</strong> - <strong>Mai</strong> - <strong>Juni</strong><br />

-2-


Andacht<br />

Gedanken zum Monatsspruch für <strong>Mai</strong> <strong>2004</strong><br />

1. Tim. 2, 4<br />

Was für ein Versprechen, fährt es mir gleich durch den Kopf, als ich<br />

diesen Satz aus dem 2. Brief des Paulus an Timotheus lese. Allen<br />

Menschen wird geholfen, alle werden gerettet und alle erkennen die<br />

Wahrheit!<br />

Doch schon kommen die Zweifel: Ach, was müsste sich nicht alles<br />

ändern, was müsste nicht alles passieren, damit sich dieser Wille Gottes<br />

erfüllt! Meine Gedanken kreisen um die unzähligen Missstände in dieser<br />

Welt, Krieg und Hunger in vielen Ländern der Welt, Armut, soziale<br />

Probleme und Ungerechtigkeiten auch in unserm Land. Decken nicht<br />

allein schon die täglichen Nachrichten eine riesige Kluft zwischen<br />

diesem Versprechen und der Wirklichkeit der Welt auf? Wo bleibt da der<br />

Wille Gottes?<br />

Meine Zweifel setzen sich fort: Als Christen und Christinnen sind wir<br />

selbst gefordert, unseren Teil zu einer gerechten Welt beizutragen. Habe<br />

ich selbst mich genug für dieses Ziel eingesetzt, mich nach Kräften<br />

eingebracht? Hätte ich nicht ...? Meine Zweifel werden größer.<br />

Als ich den Satz noch einmal im Zusammenhang des Briefes des Paulus<br />

an Timotheus lese, sehe ich ihn in einem anderen Licht. Paulus ruft<br />

nicht dazu auf, alle Missstände dieser Welt unverzüglich zu beseitigen,<br />

sondern er ermahnt uns, alle Menschen in das Gebet einzuschließen,<br />

weil Gott will, dass sie alle gerettet werden.<br />

Das Gebet macht zwar das Tun nicht überflüssig, aber es kann helfen,<br />

-3-


Andacht und Gebet<br />

den richtigen Weg zu finden und eine für uns Menschen allein nicht<br />

tragbare Verantwortung in Gottes Hand zurückzugeben. Wo wir nicht<br />

weiterkommen, wird Gott einen Weg finden. Wo unsere Kräfte und<br />

unser Engagement nicht ausreichen, können wir unsere Hoffnung auf<br />

Gott setzen. Denn Gottes Wahrheit wird aufdecken, was recht ist.<br />

Kristin Bergmann<br />

Gott segne deinen Weg,<br />

die sicheren und die tastenden Schritte<br />

die einsamen und die begleiteten<br />

die großen und die kleinen<br />

Gott segne dich auf deinem Weg<br />

mit Atem über die nächste Biegung hinaus<br />

mit unermüdlicher Hoffnung<br />

die vom Ziel singt, das sie nicht sieht<br />

und dem Mut, stehenzubleiben<br />

und der Kraft weiterzugehen<br />

Gottes Segen umhülle dich auf deinem Weg<br />

wie ein bergendes Zelt<br />

Gottes Segen nähre dich auf deinem Weg<br />

wie das Brot und der Wein<br />

Gottes Segen leuchte dir auf deinem Weg<br />

wie das Feuer in der Nacht<br />

Geh im Segen<br />

und gesegnet bis du Segen<br />

wirst du Segen<br />

bist ein Segen<br />

wohin dich der Weg auch führt<br />

-4-


Andacht<br />

Unter dem Stichwort „Perspektivenwechsel“ drucken wir eine eher religionsphilosophische<br />

Auslegung der Jahreslosung <strong>2004</strong> ab. Dieter Spazier - Facharzt für<br />

Neurologie und Psychiatrie i.R. nimmt, angeregt durch die Auslegung von Frieder<br />

Theysohn in der letzten Ausgabe des Infobriefes, einen Perspektivenwechsel vor, den<br />

wir unsern Lesern nicht vorenthalten wollen.<br />

Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis<br />

(Goethe, Faust II, aus Chorus mysticus)<br />

Gedanken zur Jahreslosung <strong>2004</strong><br />

Jesus Christus spricht: Himmel und Erde werden vergehen;<br />

meine Worte aber werden nicht vergehen. ( Markus 13, 31)<br />

Tao te king<br />

Es gibt ein Ding, das ist unterschiedslos vollendet,<br />

Bevor der Himmel und die Erde waren, ist es schon da,<br />

so still, so einsam.<br />

Allein steht es und ändert sich nicht.<br />

Im Kreis läuft es und gefährdet sich nicht.<br />

Man kann es nennen die Mutter der Welt.<br />

Ich weiß nicht seinen Namen.<br />

Ich bezeichne es als SINN.<br />

Mühsam einen Namen ihm gebend,<br />

nenne ich es: groß.<br />

Groß, das heißt immer bewegt.<br />

Immer bewegt, das heißt ferne.<br />

Ferne, das heißt zurückkehrend.<br />

So ist der SINN groß, der Himmel groß, die Erde groß,<br />

und auch der Mensch ist groß.<br />

Vier Große gibt es im Raume,<br />

und der Mensch ist auch darunter.<br />

Der Mensch richtet sich nach der Erde.<br />

Die Erde richtet sich nach dem Himmel.<br />

Der Himmel richtet sich nach dem SINN.<br />

Der SINN richtet sich nach sich selber.<br />

(Lao tse, TAO TE KING, [in der Übersetzung von Richard<br />

Wilhelm] 25. Spruch)<br />

-5-


Andacht<br />

[1] Im Anfang war das Wort,<br />

und das Wort war bei Gott,<br />

und Gott war das Wort.<br />

[14] Und das Wort ward Fleisch<br />

und wohnte unter uns, und wir<br />

sahen seine Herrlichkeit,<br />

eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes<br />

vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.<br />

(Evangelium des Johannes 1)<br />

[11] Und ich sah den Himmel aufgetan;<br />

und siehe, ein weißes Pferd.<br />

Und der darauf saß, hieß<br />

Treu und Wahrhaftig,<br />

und er richtet mit Gerechtigkeit.)<br />

[13] Und er war angetan mit einem Kleide.<br />

das mit Blut besprengt war;<br />

und sein Name heißt „das Wort Gottes“<br />

(Offenbarung 19)<br />

Geschrieben steht: >im Anfang war das Wort!<<br />

Hier stock ich schon! Wer hilft mir fort?<br />

Ich kann das Wort sohoch unmöglich schätzen,<br />

ich muss es anders übersetzen,<br />

wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.<br />

Geschrieben steht: im Anfang war der Sinn.<br />

Bedenke wohl die erste Zeile.<br />

Dass deine Feder sich nicht übereile!<br />

Istesder Sinn,deralles wirkt und schafft?<br />

Es sollte stehn: im Anfang war die Kraft!<br />

Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,<br />

Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe.<br />

Mir hilft der Geist! Auf einmal seh' ich Rat<br />

Und schreibe getrost: im Anfang war die T a t!<br />

(Goethe: Faust I, Studierzimmer I)<br />

-6-


Andacht<br />

Alles Fragen nach Woher? und Wohin?<br />

führt zu Gott. Wir wissen keinen Sinn.<br />

Für den Ursprung sind wir blind,<br />

weil wir nur Geschöpfe sind.<br />

Mit der geschaffenen Welt im Bunde<br />

sind wir nicht ewig, gehn wir zugrunde.<br />

Trotz so vieler Gaben,<br />

eben geboren,<br />

wieder begraben.<br />

Das Leben verloren:<br />

kaum erworben,<br />

schon erstorben.<br />

Wir sind nicht Anfang noch Ende.<br />

Es gibt nur die Wende<br />

zu Gott. Er ist das WORT:<br />

„Treu und Wahrhaftig“. Nicht der Ort<br />

für Deutungsirrlichter<br />

und Wortspiel der Dichter.<br />

(Dieter Spazier)<br />

Was wir nicht denken können, vermag nur der Glaube zu versprechen.<br />

Die Heilige Schrift verheißt das uns nicht Fassbare, das alles<br />

Vergängliche und Gleichnishafte umschließt. Himmel und Erde<br />

werden vergehen. Aber Gott bleibt bestehen. Er ist das erste und letzte<br />

aller Wörter: d a s Wort. Die Wörter der Menschensprachen sind<br />

dagegen wie Kleider, die wir brauchen, um nicht zu erfrieren. Glaubten<br />

wir nicht: es wäre dennoch über allem Verderben ein treu und<br />

wahrhaftig Bleibendes. Nennten wir es nicht Gott: es wäre trotzdem.<br />

Die Schrift lässt Jesus auch dem Vergehen preisgegeben sein, was die<br />

Vorstellung zur Wohnung Gottes macht: den Himmel. Dies ist aber der<br />

Name, den wir dem Firmament gegeben haben. Und erst seit wenigen<br />

Jahren hat unsere Himmelskunde, die Astronomie, den Beweis<br />

erbracht, dass sich in den Fernen des Kosmos gigantische Katastrophen<br />

zutragen. Milliarden lebenspendender Sonnen gehen zugrunde.<br />

Ebenso orten die Teleskope Sterngeburten. Wie immer benannt,<br />

Gravitation, Urgesetz oder Weltgeist, es sind sinngleiche Bezeich-<br />

-7-


Andacht<br />

nungen für Gott. Es ist e i n Wort, das WORT. Nichts sonst taugt uns,<br />

die wir alle sterben müssen, als Trost. Ein anderer Name ist das Tao der<br />

alten chinesischen Weisheitslehre. Darin werden die Geschöpfe<br />

eingeholt in den Sinn: „Das Tao ist groß, der Himmel ist groß, die Erde<br />

ist groß und auch der Mensch ist groß“. So verstehe ich Johannes 1,<br />

14: Und das Wort ward Fleisch. Das Jesus-Wort des Markus könnte<br />

ohne diese Bedeutung apokalyptisch erschrecken. Aber es tröstet die,<br />

die glauben.<br />

Dieter Spazier<br />

Wenn die Welt<br />

ein Dorf mit nur<br />

100 Einwohnern<br />

wäre, gäbe es ...<br />

… 60 Asiaten<br />

... 14 Afrikaner<br />

... zwölf Europäer<br />

... neun Lateinamerikaner<br />

... fünf Nordamerikaner<br />

... 50 Männer und 50 Frauen<br />

... 30 Kinder unter 15 Jahren<br />

... sieben Menschen über 65 Jahre<br />

... zwei Geburten im Jahr<br />

... einen Todesfall im Jahr<br />

... 44 Einwohner mit weniger als zwei Euro pro Tag<br />

... 18 Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser<br />

... im Jahr 2050 insgesamt 146 Männer, Frauen und Kinder<br />

-8-


Der Film<br />

Die Passion Jesu<br />

Der „Jesus-Film von Mel Gibson“ in der<br />

öffentlichen Kritik<br />

Zuerst sah es nach einer großen Pleite aus: Hollywood - Star und Oscar - Preisträger<br />

Mel Gibson fand für seinen neuen Film „Die Passion Christi", der aus dem Leben von<br />

Jesus Christus die zwölf Stunden von der Gefangennahme bis zur Kreuzigung zeigt,<br />

nicht einmal eine Verleihfirma. Biblische Stoffe gelten heutzutage ohnehin nicht als<br />

populär. Als dann noch der Vorwurf auftauchte, der Streifen sei antisemitisch, schien<br />

das Todesurteil gesprochen. Auch die EKD und namhafte Vertreter der katholischen<br />

Kirche erheben Bedenken gegen den Film.<br />

Dennoch: In den USA, aber auch in Deutschland hat der Film in Vor - Premieren auch<br />

euphorische Kritiken geerntet. Evangelikale wollen in Verbindung mit „Die Passion<br />

Christi" große missionarische Offensiven starten. Nun spricht alles dafür, dass der Film<br />

das meistgesehene „Passionsspiel" aller Zeiten wird.<br />

Um eine Diskussion zum Film „Die Passion“ zu ermöglichen drucken wir nachstehend<br />

einen Bericht U. Siemon-Netto ab sowie einen Bericht über die Stellungnahmen der<br />

Großkirchen zu diesem Film. Sie wurden uns von „idea Spektrum“ zur Verfügung<br />

gestellt. Für diese Unterstützung herzlichen Dank. Die beiden weitern Beiträge<br />

vermittelte uns Pfarrer Dr. Marquardt<br />

-9-


Der Film<br />

Deutsche Großkirchen haben Bedenken<br />

EKD: Der Film ist zu brutal<br />

Im Gegensatz zu den theologisch konservativen Protestanten, den<br />

Evangelikalen, wie Billy Graham oder Willow Creek - Chef Bill Hybels,<br />

haben die beiden großen Kirchen in Deutschland zum Teil schwere<br />

Bedenken gegen Mel Gibsons Spielfilm „Die Passion Christi". Ihre<br />

Einwände richten sich vor allem gegen die Brutalität, mit der das Epos<br />

das Leiden Jesu in den letzten zwölf Stunden bis zum Tod am Kreuz<br />

schildert. Der Film, ein Kassenschlager in den USA und Australien,<br />

kommt am 18. März in die deutschen Kinos. Nachdem der Vorsitzende<br />

der (katholischen) Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann (<strong>Mai</strong>nz),<br />

kritisiert hatte, mit der drastischen Darstellung der Grausamkeiten<br />

verkürze der Film die Botschaft der Bibel, hat auch die EKD Grund zur<br />

Kritik gefunden. Dem Streifen mangele es an theologischer Tiefe, heißt<br />

es in einem Schreiben an die 23 Mitgliedskirchen. Insbesondere eigne<br />

sich der Film, der ab 16 Jahren freigegeben wird, nicht für<br />

Konfirmanden.<br />

Pfarrer sollen den Film erst allein ansehen<br />

Pfarrer sollten sich das Werk zuerst allein anschauen, bevor sie<br />

entscheiden, ob sie es Gemeindegruppen zumuten wollen. Das<br />

Schreiben wirft dem Katholiken Gibson vor, er bade in einer<br />

„Schmerzensmann - Frömmigkeit", die alles Gewicht auf die<br />

Äußerlichkeit des Leidens Jesu lege. Damit werde das „Geheimnis der<br />

Erlösung" nicht deutlich. Die Kirchen setzen sich auch mit dem Vorwurf<br />

auseinander, der Film könnte Antisemitismus schüren. Laut Kardinal<br />

Lehmann kann es bei Zuschauern, die sich nicht gut mit dem<br />

christlichen Glauben auskennen, zu solchen Missverständnissen<br />

kommen. Die EKD distanziert sich „von allem antisemitischen<br />

Missbrauch des Films" und verweist darauf, dass die Kirchen heute<br />

entschiedene Gegner jeder Form von Antisemitismus seien.<br />

Wehe, wenn die „Passion Christi" keine Folgen hat<br />

- Der unsinnige Antisemitismus Vorwurf -<br />

Zwei Stunden nach der Kreuzigungsszene liegen meine Finger<br />

-10-


Der Film<br />

unkontrollierbar zitternd auf der Tastatur meines Computers. Meine<br />

Frau darf mich nicht ansprechen. Mein Puls ist augenscheinlich nach<br />

wie vor so hoch wie während der gesamten Vorpremiere von Mel<br />

Gibsons Film „Die Passion Christi". Ich habe in 48 Berufsjahren viel<br />

Furchtbares erlebt; mein eigenes Leben war oft in Gefahr. Aber so<br />

unfähig, meine Gefühle in den Griff zu bekommen, war ich noch nie.<br />

Ich muss es versuchen: Wenn dieses Werk keine nachhaltigen Folgen<br />

für unsere heruntergekommene westliche Gesellschaft hat, dann wehe<br />

unser! Das sage nicht nur ich; das sagte auch ein britischer Kollege,<br />

neben dem ich nach der Vorstellung in Washington längere Zeit<br />

schweigend im Taxi gesessen hatte: „Ich bin am Boden zerstört", flüstert<br />

er. „Die Passion Christi' wird in Europa Umwälzungen auslösen." Dieser<br />

Kollege ist sonst ein nüchterner Geselle, ein Wirtschaftsjournalist.<br />

Vorbote einer Erweckung<br />

Bevor im Kinosaal das Licht ausging, waren viele Zuschauer in grotesk<br />

gelockerter Stimmung - so als gelte es, einen neuen Krimi zu bewerten.<br />

Etliche hatten Plastikeimer voll Popcorn mitgebracht, ranziger<br />

Buttergeruch verbreitete sich im Saal. Sie hatten wohl ein teilweise<br />

„laszives" (schlüpfriges) Werk erwartet - der unappetitliche Ausdruck<br />

stammt aus einer verwerflichen Kritik des amerikanischen Zeitmagazins<br />

„Vanity Fair“, zu deutsch „Marktplatz der Eitelkeiten. Würden diese<br />

Zuschauer hernach Gibsons „Antisemitismus" verdammen müssen?<br />

Dieser Vorwurf ist bereits massiv durch die Medien gegeistert, gespeist<br />

von einigen jüdischen Verbandsfunktionären, aber nur einigen - und<br />

sicherlich nicht den wichtigsten.<br />

Nichts ist antijüdisch<br />

Als ich mich nach Vorstellungsende unter meinen stumm dasitzenden<br />

Kollegen umsah, war ich sicher, dass die meisten wohl in diesem<br />

Augenblick dem Rabbiner Daniel Lapin zustimmen würden. Lapin,<br />

Präsident der USA-weiten Organisation "Toward Tradition" zu deutsch<br />

etwa: Vorwärts zur Tradition -, ließ seine Mitbürger wissen: „Dies wird<br />

als der seriöseste Bibelfilm, der je gedreht wurde, in die Geschichte<br />

-11-


Der Film<br />

eingehen ... Er wird Millionen von Christen zu einem noch<br />

leidenschaftlicheren Glauben inspirieren. Er wird gewaltige Mengen<br />

von bislang religionsfernen Amerikanern zu Christen machen. Eines<br />

Tages wird dieser Film als der Vorbote der dritten großen Erweckung in<br />

Amerika gelten."<br />

Das sagte wohlgemerkt ein streng orthodoxer und sehr berühmter Jude<br />

- und er war nicht der einzige. Rabbiner Marc Gellman, ein prominenter<br />

theologischer Fernsehkommentator, nannte „Die Passion" den<br />

„machtvollsten und ungewöhnlichsten religiösen Film, den ich je<br />

gesehen habe". Michael Medved, einer der bedeutendsten jüdischen<br />

Intellektuellen in den USA, erinnerte seine Glaubensgenossen: „Dieser<br />

Film handelt nicht von "den Juden", sondern von einem spezifischen<br />

Juden, den Mel Gibson und zwei Milliarden andere als den Messias und<br />

den fleischgewordenen Gott verehren." Der unberechtigte Antisemitismus<br />

- Vorwurf gegen dieses Werk „könnte viel eher antisemitische<br />

Reaktionen auslösen als der Film selbst".<br />

Nichts an der „Passion Christi" ist in Wahrheit antijüdisch. Es war<br />

überflüssig, aus den Untertiteln dieses Films, dessen Akteure nur<br />

aramäisch oder lateinisch sprechen - Jesus (James Caviezel) übrigens<br />

beide Sprachen -, den Satz zu streichen: „Sein Blut komme über uns<br />

und unsere Kinder" (Matthäus 27,25). In diesem Streifen geht es um<br />

nichts anderes als um das Blut Christi - dies aber bitte richtig<br />

verstanden. Gibson, ein katholischer Traditionalist, hat die diversen<br />

Blutmotive in der Passionsgeschichte subtil miteinander verwoben,<br />

sofern subtil der richtige Ausdruck für ein Epos ist, dessen<br />

schonungsloser Realismus manchen Kinobesucher hernach nicht<br />

schlafen lassen wird.<br />

Sind Gibsons böswillige Kritiker blind und taub? Haben sie nicht<br />

unmittelbar vor der Eingangsszene, die Jesus im Gatten Gethsemane<br />

beten lässt: „Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir<br />

vorüber" (Matthäus 26,39), das Motto dieses Films gelesen? Es war ein<br />

Wort aus dem Alten Testament: „Er ist um unserer Missetat willen<br />

verwundet und unserer Sünde willen zerschlagen" (Jesaja 53,5).<br />

Medved hat recht: Hier geht es überhaupt nicht um „die Juden" als<br />

-12-


Der Film<br />

solche, sondern um den „unaussprechlichen Aberwitz der Menschen",<br />

den der Kirchenvater Chrysostomos (347-<strong>40</strong>7 A.D.) in seinem<br />

Kommentar zu Matthäus 27,25 hervorhob. Chrysostomos, Bischof von<br />

Konstantinopel, fuhr fort: „Aber der Liebhaber der Menschheit hielt<br />

sein Urteil gegen sie nicht aufrecht. Er bestätigte es auch nicht<br />

gegenüber ihren Kindern, sondern nahm alle an, die sich bekehrten."<br />

„Ich und meine Sünden .."<br />

Das Blut, das in der „Passion Christi" üppig und doch um kein Milliliter<br />

zuviel fließt (weil es ja die eigentliche Botschaft des Films ist),<br />

versinnbildlicht immer Martyrium und Wäsche zugleich. Die christliche<br />

Theologie hat stets diese beiden Seiten betont und klargemacht, dass<br />

Christi Werk und Leiden der ganzen Menschheit gelten. Nur die Nazis<br />

haben aus Matthäus 27,25 einen Vorwand zum Judenhass gemacht.<br />

Aber die Nazis waren keine Christen, und die „Christen", die sich mit<br />

ihnen verbündeten, waren im Grunde armselige Abtrünnige. Was<br />

wahre Christen seit fast 2000 Jahren zu diesem Thema glauben, hat<br />

keiner besser formuliert als Paul Gerhardt und keiner besser vertont als<br />

Johann Sebastian Bach in der Matthäus - Passion: „Ich, ich und meine<br />

Sünden, /die sich wie Körnlein finden / des Sandes an dem Meer, /die<br />

haben dir erreget / das Elend, das dich schläget, / und das betrübte<br />

Marterheer."<br />

Gibsons Film ist ein guter Anlass, uns einmal wieder auf die<br />

-13-


Der Film<br />

Schriftdeutung des Mittelalters zurückzubesinnen. Sie ging immer<br />

davon aus, dass der Heilige Geist in jeden Bibeltext mehrere Sinne<br />

hineingewoben hat - zum Beispiel einen historischen, einen geistlichen<br />

und einen moralischen. Nach diese Regel interpretiert der<br />

amerikanische katholische Theologe Joseph DiNoia heute den Ruf<br />

„Sein Blut komme über uns" nicht nur als das Geschrei eines verhetzten<br />

Pöbels, sondern auch als ein Gebet, das Matthäus in diesen Text<br />

aufgenommen hat. Will heißen: Sein Blut komme über uns und unsere<br />

Kinder, um uns reinzuwaschen. Wovon? Von der Erbsünde, gegen die<br />

es kein anderes Mittel gibt.<br />

Wie eine reinigende Dusche<br />

Wer die „Passion Christi" aufmerksam verfolgt, der stellt fest, dass sich<br />

dies fast von der ersten bis zur letzten Szene durch den Film zieht - sei's<br />

bei der Geißelung Christi; sei's wenn Claudia, die Frau des Pilatus, der<br />

Mutter Jesu und der Maria Magdalena weiße Leintücher reicht, mit<br />

denen sie das Blut des gefolterten Jesus vom Kopfsteinpflaster<br />

schrubben (was nicht in der Bibel steht); sei's wenn die Veronika - auch<br />

sie keine biblische Figur - mit ihrem Schweißtuch das Blut von Christi<br />

Antlitz wischt, während er das Kreuz trägt; sei's, wenn sich das vom<br />

Gekreuzigten fließende Blut und - als Rückblende - die Einsetzung des<br />

Heiligen Abendmahls abwechseln; sei's, wenn Blut und Wasser aus der<br />

Speerwunde in der Seite des soeben verschiedenen Christus wie eine<br />

reinigende Dusche auf die Gestalten unterm Kreuz herniedergehen: auf<br />

die beiden Marias, den Jünger Johannes und einen Legionär, der<br />

begriffen hatte. wer da gestorben war.<br />

Dies ist, kein Zweifel, eine Schocktherapie für Christen, wie es sie<br />

wahrscheinlich noch nie in dieser Intensität gegeben hat. Es ist eine<br />

Schocktherapie in einer Zeit, in der die meisten Europäer<br />

augenscheinlich den Glauben ihrer Väter längst zur Disposition gestellt<br />

haben und in Amerika viel Christliches geredet wird, was sich aber<br />

wenig in Werken - den Früchten des Glaubens - niederschlägt. Gibsons<br />

Film wird die Amerikaner zu einer Zeit schütteln, in der sie proportional<br />

gesehen - jedes Jahr dreimal soviel ungeborenes Leben abschlachten<br />

-14-


Der Film<br />

wie die wesentlich weniger frommen Deutschen.<br />

„Es ist einfach lächerlich zu behaupten, dieser Film richte sich gegen<br />

eine bestimmte Volksgruppe", sagte mir nach der Vorpremiere mein<br />

britischer Kollege. „Gibson wendet sich an uns alle." In einigen<br />

amerikanischen Vorberichten stand zu lesen, wie verwerflich es doch<br />

sei, dass die blutrünstigen Massen in der „Passion Christi" semitische<br />

Gesichtszüge trügen. Hätte Gibson Norweger oder Japaner<br />

importieren sollen? In Wahrheit sind gerade die sympathischsten<br />

Gestalten - zum Beispiel Jesu Mutter und die Veronika - schöne<br />

Jüdinnen. Andererseits sind die scheußlichsten Typen in diesem Film<br />

keine Juden, sondern sadistische römische Soldaten. Zudem: Wer, wie<br />

ich, in vielen Ländern aberwitzige Pöbel erlebt hat, darunter auch<br />

blonde und blauäugige Mobs in der Nazi - Zeit, in der DDR und bei den<br />

68er Randalen in der Bundesrepublik - der weiß, wie hässlich solche<br />

Massen überall sind; es gibt da keine „völkischen" Unterschiede. Der<br />

Kinobesucher, dessen bin ich sicher, wird dies instinktiv erfassen.<br />

Danach hilft nur noch beten<br />

Vielleicht ist der Rabbiner Lapin zu optimistisch. Vielleicht sind wir<br />

Europäer und Amerikaner wirklich so aberwitzig, dass auch kein<br />

Gibsonsches Rütteln mehr fruchtet. Ich hoffe nicht. Ich hoffe, dass die<br />

Abermillionen, die mir ins Kino folgen werden, hernach wie ich noch<br />

stundenlang bebend dasitzen und begreifen, dass nach diesem Film nur<br />

noch beten hilft.<br />

Es ist jetzt schon lange nach Mitternacht. Ich versuche, meine Seele zu<br />

glätten, indem ich eine CD mit Bachs Matthäuspassion ins Laufwerk<br />

meines Computers lege. Gleich kommt Paul Gerhardts Vers, der all das,<br />

was ich vor einigen Stunden gesehen habe, in die richtige Dimension<br />

rücken wird: „Ich bin's, ich sollte büßen / an Händen und an Füßen /<br />

gebunden in der Höll'; / die Geißeln und die Banden / und was du<br />

ausgestanden, / das hat verdienet meine Seel'.<br />

Uwe Siemon-Netto<br />

-15-


Der Film<br />

-16-<br />

Aus einem Rundbrief von Pfarrer i.R. Kugele<br />

Trotz ihrer Kritik kommt die Kirche nicht daran vorbei, dass dieser Film<br />

die Massen anzieht. Darum sollte sie ihn nutzen für ihren Auftrag zur<br />

Evangeliums-Verkündigung. Durch den Film wird Jesus zum<br />

Gesprächsthema in Schulen, Geschäften und Fabriken, in den Büros<br />

und in der Freizeit - und das ist gut so. Es nützt nichts, wenn wir (wg.<br />

Gewalt) dagegen opponieren.<br />

Besser ist es, die vom Film angesprochenen Menschen zu begleiten mit<br />

den angebotenen Faltblättern (Marburger Medien) und Schriften (IBS).<br />

Junge Christen, die Jesus kennen, wird der Film aufschrecken aus<br />

oberflächlicher Frömmigkeit - und tiefer ins Nachdenken bringen, was<br />

Passion ist und bedeutet.<br />

Omas und Opas aus den Bibelstunden sollten junge Christen (im<br />

Einsatz) unterstützen im Gebet, aber ihr Herz nicht durch den Film<br />

strapazieren. Freudig können sie mitwirken durch gute Gespräche mit<br />

Nachbarn und Kollegen, in der Begegnung mit Menschen unterwegs<br />

(Straße / Supermarkt) oder bei Zusammenkünften.<br />

Vom Film bewegte Menschen können wir hinweisen auf das<br />

„Drehbuch“, das Buch zum Film, das Evangelium von Jesus. Dann<br />

können sie Jesus und seine Passion inhaltlich kennen lernen um den<br />

Film recht zu verstehen. Als Erstkontakt empfiehlt sich zum<br />

Weitergeben das Taschenbuch von der IBS-Stuttgart (www.ibsdirekt.de),<br />

das die Evangelien-Berichte gut zusammenfasst (3.55 Euro).<br />

Auf den Markt kommt auch ein Bildband vom Hänssler-Verlag<br />

( www.hanssler.de) „Die Passion“ für 24,95 Euro. Preiswerter und<br />

vielleicht hilfreicher ist es, die Passionszeit wieder zu entdecken - und<br />

mit einer täglichen Lesung aus den Passionsberichten der Bibel<br />

aufzuwerten.<br />

Eine gesegnete Passionszeit wünscht Martin Kugele, Pfarrer i.R,<br />

Kommentar von Michael Mogel von der Stiftung "Marburger<br />

Medien"<br />

Wer schon einige katholische Kirchen im Süden Deutschlands besucht<br />

hat, wird sich gut an die zwölf Kreuzweg-Stationen erinnern, die dort


Der Film<br />

vielfach an den Wänden zu finden sind. Und genau diese Stationen<br />

durchläuft der Film, der zum 18. März in die Kinos kommen wird: Jesus<br />

wird gefangen genommen, verurteilt, gegeißelt ... bis hin zu Jesus wird<br />

gekreuzigt.<br />

Es ist kein Jesus-Film im üblichen Sinne, sondern es werden nur die<br />

Stunden ab der Gefangennahme im Garten Gethsemane bis zur<br />

Kreuzigung und Auferstehung gezeigt. Wer dann mit einer Tüte<br />

Popcorn in seinem Sessel sitzt, wird rasch den Appetit verlieren, denn<br />

sehr bald wird deutlich, dass man ein Kino geboten bekommt, das<br />

immer beklemmender wird. Aber genau das besagen die Evangelien<br />

auch: Hier läuft ein Prozess ab, der seinesgleichen in der Geschichte<br />

sucht. Ein Arzt und Helfer der Menschen wird vor aller Augen und<br />

Ohren mit falschen Anklagen überhäuft, die römische Regierung zeigt<br />

sich machtlos - und das Unheil nimmt seinen Lauf.<br />

Die Geißelung ist richtig brutal, denn die Henkersknechte lassen nichts<br />

aus, um Jesus fast in Stücke zu hauen; ein Hauptmann muss<br />

einschreiten, damit das Opfer nicht vorzeitig verblutet. Dann die<br />

Verurteilung zur Kreuzigung, der schier endlose Weg durch die verrückt<br />

spielende Menge, die Last des Kreuzes, unter der Jesus mehrfach<br />

zusammenbricht. Man ist fast erleichtert, als das Trio der Verurteilten<br />

endlich auf dem Richtplatz ankommt. Interessant die Rolle des Simon<br />

von Cyrene, der Jesus das Kreuz tragen hilft. Das erweckt den Eindruck,<br />

als würde der Betrachter selbst in diese Aufgabe schlüpfen. Gut<br />

gemacht auch die Rückblenden, z.B. zum Abendmahl, wo Jesus sagt:<br />

"Mein Leib für euch gebrochen; mein Blut für euch vergossen." Doch<br />

diese Szenen sind nur kurz und erschließen dem unkundigen<br />

Betrachter den tieferen Sinn des Leidens nicht im gewünschten Maße.<br />

Dann endlich die Kreuzigung und das Aufrichten der Gemarterten.<br />

Noch einmal zieht sich alles endlos hin, es gibt die bekannten<br />

Schmähungen der Zuschauer und Schriftgelehrten. Als Höhepunkt das<br />

Dreiergespräch in luftiger Höhe: Der eine Verbrecher verlästert Jesus,<br />

der andere bittet Jesus um Fürsprache - und er erhält die Zusage: "Noch<br />

heute wirst du mit mir im Paradies sein!" Das ist fatal - so nahe<br />

beieinander liegen Tod und Leben, Gericht und Rettung.<br />

-17-


Der Film<br />

Dann kommt die große Dunkelheit über das Land, ein Erdbeben<br />

erschüttert die Region und richtet im Tempel große Schäden an. Der<br />

Film schließt mit einer Andeutung von Auferstehung, das hätte noch<br />

mehr betont werden können. Beeindruckende Darstellungen werden<br />

neben Jesus auch von seiner Mutter Maria, von Maria Magdalena und<br />

von Pontius Pilatus geboten.<br />

Mein Fazit: Ja, so könnte es sich zugetragen haben. Doch um die tiefer<br />

liegende Botschaft besser zu transportieren, hätte man die eine oder<br />

andere Szene weniger grausam darstellen sollen, hätte man noch mehr<br />

Jesusworte aus seinem Leben einstreuen können. Der Film ist gar nicht<br />

geeignet als "Familienfilm", sondern nur für den Betrachter, der sich der<br />

ganzen Schrecklichkeit der damaligen Situation aussetzen kann und<br />

will. Es wird gut sein, wenn Christen die Chance ergreifen, um mit<br />

Zuschauern ins Gespräch zu kommen. Das Faltblatt "Die Passion<br />

Christi" der Stiftung Marburger Medien ist dabei sicher eine Hilfe, denn<br />

der Autor Theo Lehmann greift die Inhalte der Leidensgeschichte auf<br />

und führt sie dem Leser knapp und präzise vor Augen.<br />

-18-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Speyer und die Pfälzische Landeskirche feiern dieses Jahr den Jahrestag der<br />

Protestation, ein wichtiges und wesentliches Ereignis in der Geschichte der<br />

„Reformation“. Dr. Martin Schuck, Referent für Publizistik und Kirchenrecht am<br />

Konfessionskundlichen Institut in Bensheim, setzt sich mit der Frage auseinander,<br />

welche Wirkung und Bedeutung dieses Ereignis hatte und welche Konsequenzen sich<br />

hieraus auch heute noch für den Dialog zwischen den Kirchen ergeben.<br />

Hat der Protestantismus noch eine<br />

Daseinsberechtigung?<br />

475 Jahre nach der Speyrer Protestation<br />

In diesem Jahr ist es 475 Jahre her, dass auf dem Speyrer Reichstag<br />

sechs evangelische Reichsstände und 14 Vertreter freier Städte gegen<br />

die Mehrheit des Reichstages und gegen Kaiser und Papst darauf<br />

beharrten, in ihren Territorien und Städten die lutherische Reformation<br />

einführen zu dürfen. Es war ein Akt des Ungehorsams im Namen der<br />

Glaubens- und Gewissensfreiheit. Außerdem war es die Geburtsstunde<br />

des Protestantismus, auch wenn sich die frühen Anhänger der Reformation<br />

noch nicht so bezeichneten.<br />

Der Protestantismus hat seit dieser Zeit eine lange Strecke zurückgelegt.<br />

Diese Strecke war nicht frei von teilweise gravierenden Umbrüchen.<br />

Schon im Jahr des Speyrer Reichstages 1529 folgte bei den Marburger<br />

Religionsgesprächen der Bruch zwischen den Anhängern Luthers und<br />

Zwinglis, den späteren Reformierten. Vor allem in der Frage nach der<br />

Anwesenheit Christi im Abendmahl konnte man sich nicht einigen.<br />

Später gab es eine Phase lutherischer und reformierter Orthodoxie, wo<br />

die Lehrunterschiede zwischen den protestantischen Konfessionen mit<br />

an die Methode der katholischen Scholastik erinnernder Gründlichkeit<br />

und Spitzfindigkeit festgeschrieben wurden.<br />

Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 begann eine Entwicklung, die<br />

für die mittlerweile seit mehr als 120 Jahren bestehenden lutherischen<br />

und reformierten Kirchtümer sehr fruchtbar war. Nach den verheerenden<br />

Religionskriegen, vor allem dem Dreißigjährigen Krieg, war der<br />

Frieden zwischen den Religionen das Gebot der Stunde. Es war die Zeit<br />

-19-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

der philosophischen Aufklärung. Auch die evangelischen Fürsten (als<br />

Garanten des Fortbestands der evangelischen Kirchen) waren von<br />

dieser neuen Geistesbewegung erfasst. Manche, wie etwa Friedrich II.<br />

(der Große) von Preußen, versuchten sich als aufgeklärte Absolutisten<br />

selbst in der Rolle des Philosophen. In dieser Zeit trat der Gegensatz<br />

zwischen lutherischen und reformierten Kirchen zumindest in<br />

Deutschland immer stärker in den Hintergrund.<br />

Es waren zwei theologische Richtungen, die diesen Trend verschärften:<br />

der Pietismus und der Rationalismus: Die Pietisten wollten bewusst<br />

fromm sein, sich aber gleichzeitig in tätiger Nächstenliebe üben. Man<br />

wollte der Welt zeigen, dass der evangelische Glaube die Möglichkeit<br />

eines guten, gelingenden Lebens innerhalb einer christlichen Gemeinschaft<br />

bietet. Ein orthodoxes Beharren auf Lehrunterschiede war bei<br />

diesem Unterfangen fehl am Platz. Im Rationalismus dagegen war das<br />

bewusste Sich-Einlassen auf die Herausforderungen der Aufklärung<br />

Programm: Man wollte zeigen, dass der christliche Glaube selbst<br />

vernünftig ist und sich vor dem Tribunal der Vernunft nicht zu<br />

verstecken braucht, ja richtig verstanden vor dem Urteil der Vernunft<br />

besser noch als andere Weltanschauungen bestehen kann. Beiden<br />

Richtungen, dem Pietismus und dem Rationalismus, war gemeinsam,<br />

dass die konfessionelle Gliederung des Protestantismus in Lutheraner<br />

und Reformierte immer bedeutungsloser wurde: Es war das Zeitalter<br />

der Union.<br />

Bereits das Wöllnersche Religionsedikt von 1788 und das Preußische<br />

Allgemeine Landrecht von 1794 reden im Singular von der<br />

„protestantischen Kirche“ in Preußen, lange bevor der König 1817 die<br />

Vereinigung der Lutheraner und Reformierten verfügte. In Preußen<br />

war es der in Berlin lehrende Theologe und Philosoph Friedrich Daniel<br />

Ernst Schleiermacher, der die theologischen Grundlagen der<br />

Unionstheologie ausarbeitete. Er forderte die gänzliche Aufhebung des<br />

kirchlichen Unterschieds zwischen Lutheranern und Reformierten,<br />

damit „die protestantische Kirche in diesem Staat durchaus nur Eine<br />

sei“, so sein Vorschlag zu einer neuen Verfassung der protestantischen<br />

Kirche im preußischen Staate“ aus dem Jahr 1808.<br />

-20-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Im Zeitalter der Union sprach man plötzlich positiv von „den<br />

Protestanten“. In gewisser Weise machte man sich die gemeinsame<br />

Gegnerschaft zum Katholizismus zunutze. Es war nicht mehr wichtig,<br />

dass es seit 1529 in der evangelischen Bewegung keine gemeinsame<br />

Linie weder in theologischen Fragen noch in der Vertretung gemeinsamer<br />

Interessen mehr gegeben hatte. Von daher wirkte es ungeheuer<br />

befriedend auf das evangelische Lager, dass sich mit den Unionsbestrebungen<br />

zunächst in den preußischen Territorien, später in der<br />

Pfalz und in Baden Lutheraner und Reformierte als eine Kirche<br />

begriffen. Schleiermacher schrieb in der 1830/31 verfassten zweiten<br />

Auflage seiner Glaubenslehre, man könne „den Gegensatz zwischen<br />

Protestantismus und Katholizismus vorläufig so fassen, dass ersterer<br />

das Verhältnis des Einzelnen zur Kirche abhängig macht von seinem<br />

Verhältnis zu Christo, der letzte aber umgekehrt das Verhältnis des<br />

Einzelnen zu Christo abhängig macht von seinem Verhältnis zur<br />

Kirche“.<br />

Damit schrieb Schleiermacher ein Programm für das gesamte 19.<br />

Jahrhundert, denn man sprach nun mit Vorliebe dort von dem<br />

„Protestantismus“, wo es um eine gesamtevangelische Interessenpolitik<br />

im Gegenüber zum sich immer stärker politisch engagierenden<br />

Katholizismus ging. Vor allem in Preußen rüstete man sich gegen den so<br />

genannten „ultramontanistischen“ und von Rom aus fremdbestimmten<br />

Katholizismus zum Kulturkampf. War nach der gescheiterten<br />

Revolution von 1848 das Wort Protestantismus ein Erkennungszeichen<br />

derjenigen liberal gesinnten Theologen, die am Erbe der Aufklärung<br />

festhalten wollten und sich zu diesem Zweck im Protestantenverein<br />

sammelten, so diente dasselbe Wort nur wenige Jahrzehnte später zur<br />

Bezeichnung eines kämpferischen Programms zur „Wahrung der<br />

deutsch-protestantischen Interessen“ (so im Gründungsaufruf des<br />

Evangelischen Bundes 1886 in Erfurt).<br />

Schleiermachers rationalistische Kollegen aus Heidelberg legten die<br />

theologischen Grundlagen für die pfälzische Union von 1818. Das<br />

Programm, das für sie leitend war, war konsequent reformatorisch. Nur<br />

die heilige Schrift, und zwar das Neue Testament, sollte Grundlage des<br />

-21-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Glaubens sein. Im Gegensatz zu den anderen Unionen wurden also<br />

nicht alle existierenden lutherischen und reformierten Bekenntnisse<br />

gemeinsam als Bekenntnisse in Geltung gesetzt, sondern sie wurden<br />

ihrer Funktion als verbindlicher Aussagegestalt des Glaubens beraubt.<br />

Diese Entscheidung der pfälzischen Protestanten und ihrer akademischen<br />

Berater, die vorher geltenden lutherischen und reformierten<br />

Bekenntnisse nicht in die neue Ordnung ihrer Unionskirche zu<br />

übernehmen und auch nicht durch neuformulierte Bekenntnisse zu<br />

ersetzen, sondern einfach auf die Schrift zu verweisen, sicherte der<br />

Pfälzischen Landeskirche gegenüber den lutherischen und<br />

reformierten Kirchen programmatisch einen Rationalitäts- und<br />

Modernitätsvorsprung. Bekenntnisschriften sind ja nichts anderes als<br />

Zeugnisse der Rationalitätsgestalt des christlichen Glaubens, wie er in<br />

einer bestimmten Zeit und anlässlich einer bestimmten Entscheidungssituation<br />

wahrgenommen und im Zusammenhang ausgedrückt wird.<br />

Bekenntnisse sind demnach immer nur Zeugnis einer geistigen<br />

Entwicklungsstufe des Glaubens in politischer, kultureller, philosophischer<br />

oder theologischer Auseinandersetzung.<br />

Diese vielfältigen Wandlungen und Umbrüche, die der Protestantismus<br />

seit seiner Entstehungszeit durchgemacht hat, machen heute einen<br />

erheblichen Teil seiner Identität aus. Der Protestantismus ist zwar durch<br />

die mutige Leistung und vor allem den theologischen Scharfsinn der<br />

Reformatoren entstanden, aber man kann ihn nicht auf die Bekenntnisse<br />

der Reformation reduzieren. Es gibt so etwas wie ein<br />

eigenständiges protestantisches Milieu, das eigenständige protestantische<br />

Lebenswelt hervorbrachte, die nicht verrechenbar sind mit dem<br />

Wortlaut irgendwelcher Bekenntnisschriften, die sowieso nicht in allen<br />

evangelischen Kirchen gelten.<br />

Dieses in langen Jahrhunderten entstandene protestantische Milieu<br />

nicht mehr gewissenhaft zu pflegen, wäre für den Protestantismus der<br />

Anfang seiner Selbstaufgabe. Der Protestantismus wäre dann nur noch<br />

auf einige lutherische oder reformierte Bekenntnisschriften reduziert.<br />

Man könnte die Unterschiede zum Katholizismus durch Lehrgespräche<br />

überwinden und die evangelischen Kirchen in die von Rom regierte<br />

-22-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Weltkirche integrieren.<br />

Der Präsident des Vatikanischen Rats zur Förderung der Einheit der<br />

Christen, Kardinal Walter Kasper, hat unlängst eine solche Sicht des<br />

Protestantismus als einem historisch überholten Phänomen geliefert. In<br />

einem Brief an Reinhard Frieling, den früheren Leiter des<br />

Konfessionskundlichen Instituts Bensheim, führt er aus: „Wenn ich<br />

Luther recht verstanden habe, wollte er keine eigene Konfessionskirche<br />

gründen sondern die bestehende Kirche reformieren. Luther wäre<br />

sozusagen heilfroh gewesen, wenn wenigstens einer oder ein paar<br />

katholische Bischöfe sich der Reformation angeschlossen hätten; er<br />

hätte die von ihm als Notlösung empfundenen eigenen Ämter nicht<br />

schaffen brauchen. Ich verstehe deshalb nicht ganz, weshalb der<br />

heutige Protestantismus an der tragischen Konfessionsbindung und an<br />

der aus Not faktisch entstandenen Struktur [...] grundsätzlich festhält<br />

und dies obwohl die heutige katholische Kirche inzwischen viele<br />

legitime reformatorische Anliegen aufgegriffen hat. Luther hatte gesagt,<br />

er würde dann den Papst auf Händen tragen und ihm die Füße küssen“<br />

(veröffentlicht im Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts<br />

Bensheim 2/2003, S. 37).<br />

Was Kasper hier macht, ist nichts anderes, als den protestantischen<br />

Kirchen ihre Existenzberechtigung abzustreiten. Das ist ein Muster, nach<br />

dem katholische Theologen immer wieder verfahren: Es wird<br />

eingestanden, dass es in der spätmittelalterlichen Kirche einige Missstände<br />

gab und dass es grundsätzlich legitim war, diese zu artikulieren<br />

und in der aufgrund der damaligen kirchlichen und politischen<br />

Gesamtkonstellation leider nicht zu verhindernden „Abspaltung“<br />

einige Teilwahrheiten zu pflegen. Mit der Beseitigung jener Missstände<br />

wird freilich die Existenzberechtigung des religiösen Protests strukturell<br />

hinfällig, und die „Teilwahrheiten“ kommen eh nur im Licht der<br />

katholischen Kirche voll zum Leuchten. Lässt sich der Protestantismus<br />

auf diese Logik ein, dann ist seine Sonder- und Eigenexistenz von<br />

prinzipieller Falschheit, er fußt dann nur auf einer geistlichen im<br />

Letzten illegitimen „Spaltung“ der einen Kirche.<br />

Man kann es einem römisch-katholischen Kardinal nicht zum Vorwurf<br />

-23-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

machen, dass er eine solche Sicht vertritt. Von seinem Anspruch her,<br />

diejenige Kirche zu vertreten, in der die Kirche Jesu Christi vollständig<br />

und sichtbar verwirklicht ist, ist diese Sicht durchaus konsequent.<br />

Allerdings muss im Namen des Protestantismus energisch widersprochen<br />

werden.<br />

Der auf dem Speyrer Reichstag wirksam gewordene Impuls der<br />

Glaubens- und Gewissensfreiheit wirkt auch heute noch. Er wirkt so,<br />

dass er diese Freiheit höher schätzt als die vermeintlich apostolische<br />

Wahrheit, die sich gegen die Wahrheitsprüfung des gläubigen<br />

Gewissens in den vergangenen 475 Jahren immer gründlicher<br />

immunisiert hat. Die Form des religiösen Protests mag heute andere<br />

Formen annehmen als im 16. Jahrhundert. Die Notwendigkeit dieses<br />

Protests ist aber immer noch gegeben. Das ist die beste Daseinsberechtigung,<br />

die man sich als Protestant vorstellen kann.<br />

Dr. Martin Schuck, Speyer<br />

Der Autor ist Referent für Publizistik und Kirchenrecht am<br />

Konfessionskundlichen Institut Bensheim<br />

Gefunden werden<br />

Manchmal<br />

will ich mich verstecken<br />

und dann gefunden werden<br />

von Gott,<br />

wieder aufgehoben werden<br />

und für einen Moment lang wissen,<br />

wer ich bin.<br />

Verena Matzke<br />

-24-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Seniorenbeiräte<br />

(Folge II)<br />

2. Die rechtliche Verankerung von Seniorenbeiräten<br />

Wie so häufig entscheiden sich das Ansehen und die Reichweite einer<br />

Seniorenvertretung an ihrer rechtlichen Ausgestaltung. Vor allem die<br />

Verankerung von Seniorenbeiräten und -ausschüssen in den<br />

Gemeinde- und Landkreisordnungen birgt einigen Zündstoff und wird<br />

bundesweit vielfach diskutiert.<br />

Nach dem Vorbild des Landes Schleswig - Holstein fordern die<br />

Befürworter der Verankerung eines Seniorengremiums in der<br />

Gemeinde- und Landkreisordnung. Seniorenbeiräte werden dadurch<br />

zu kommunalen Ausschüssen mit allen Rechten und Pflichten. In<br />

anderen Bundesländern wie Baden - Württemberg oder Rheinland -<br />

Pfalz sind solche Regelungen bisher nicht vorgesehen, werden sogar,<br />

wie in Bayern, entschieden abgelehnt. Die Vertreter der Kommunalaufsichtsbehörden<br />

halten eine gesetzliche Regelung für die Bildung und<br />

Arbeit der kommunalen Seniorenbeiräte nicht für vereinbar mit dem<br />

Ziel der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung insgesamt. D.h.:<br />

Ob und in welcher Weise ein solches Gremium gebildet wird und wie<br />

sich seine beratende Tätigkeit im Verhältnis zu den kommunalen<br />

Organen gestaltet, soll der Satzungsautonomie der kommunalen<br />

Gebietskörperschaften überlassen bleiben. Jedoch scheint diese<br />

Position bereits voraus-zusetzen, was doch erst geschaffen werden soll:<br />

eine lebendige und tatkräftige Teilnahme der Bürger an den<br />

kommunalen Belangen.<br />

Im Augenblick gibt es nur eine Ausnahme im bestehenden Kommunalverfassungsrecht<br />

für die Bildung von Ausländerbeiräten, die von einer<br />

bestimmten Anzahl ausländischer Einwohnerinnen und Einwohner in<br />

den Gemeinden zu bilden sind. Dies wird mit integrationspolitischen<br />

Anliegen begründet, da Ausländerinnen und Ausländer, die nicht aus<br />

einem Staat der Europäischen Union stammen, aus verfassungsrechtlichen<br />

Gründen nach wie vor vom Kommunalwahlrecht<br />

ausgeschlossen sind. Dieses fehlende Wahlrecht dient auch als<br />

-25-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Begründung für die fakultative Regelung der Kommunalverfassung zur<br />

Bildung von kommunalen „Jugendparlamenten“.<br />

Welche konkreten Auswirkungen könnte eine Verankerung der<br />

Seniorenbeiräte in der Kommunalverfassung mit sich bringen? Eine<br />

gesetzliche Bestimmung zur Bildung kommunaler Seniorenbeiräte<br />

hätte automatisch zur Folge, dass Seniorenbeiräte als kommunale<br />

Ausschüsse gewählt werden, die den gleichen Regelungen zu folgen<br />

haben wie alle übrigen Ausschüsse. Der Vorsitz wird durch den<br />

Bürgermeister oder den Landrat bzw. einen Beigeordneten<br />

wahrgenommen. Der oder die Vorsitzende bestimmt die Tagesordnung<br />

und der Gemeinde- oder der Kreistag kann Angelegenheiten des<br />

Ausschusses an sich ziehen und seine Beschlüsse aufheben oder<br />

ändern. Der Ausschuss muss mindestens zur Hälfte aus Rats- bzw.<br />

Kreistagsmitgliedern bestehen. Die Wahl erfolgt durch den Rat oder<br />

Kreistag. Die Sitzungen sind grundsätzlich öffentlich.<br />

Vor allem die Tatsache, dass der Vorsitz nicht in der Hand der älteren<br />

Menschen liegt, stößt bei den Seniorinnen und Senioren vielfach auf<br />

Kritik. Sie plädieren für eine selbstbestimmte Leitung und Beratung der<br />

Seniorenbeiräte und verlangen damit einen Ausschuss besonderer Art,<br />

der diesen Bedingungen gerecht werden kann. Ein Ausweg aus diesem<br />

Dilemma zeichnet sich bisher noch nicht ab, einige Vorschläge sollen<br />

aber in der weiteren Folge an dieser Stelle gemacht werden.<br />

(Wird fortgesetzt)<br />

Dr. Andreas Siebenhüner<br />

-26-<br />

Der Friede<br />

ist ein Baum,<br />

der eines<br />

langen<br />

Wachstums<br />

bedarf.<br />

Antoine de Saint-Exupéry


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Die Vielfalt der Altersbilder in der Bibel *<br />

Die Bibel übermittelt eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Altersbilder.<br />

Diese Vielfalt kann heute Ermutigung sein, selbst auf die Suche nach<br />

neuen Rollen und Lebensstilen im Alter zu gehen Denn die Bilder der<br />

Bibel von alten Menschen können auch heute noch Vorbild sein. Sie<br />

können dazu anregen, Verantwortung zu übernehmen und machen<br />

Mut, im Alter auch unkonventionelle Lebensstile zu erproben.<br />

Grundsätzlich gilt das lange Leben als ein besonderer Segen Gottes<br />

(Jesaja 65,20ff. u. Sacharja 8,4f.).Alte Menschen sind in der Bibel die<br />

Lehrer der nachkommenden Generationen und Hüter der Tradition:<br />

Ihre Aufgabe ist es, Kinder in den Normen, Geboten und Gesetzen der<br />

israelischen Stämme zu unterweisen und die bestandssichernde Verbindung<br />

zwischen Tradition und Gegenwart herzustellen. Sie geben<br />

das Wort Gottes an ihre Nachkommen weiter. Vor allem halten sie die<br />

Erinnerung an die Befreiung aus ägyptischer Gefangenschaft wach<br />

(5.Mose 6; 5.Mose 32,46ff), um die Jüngeren davor zu bewahren, sich<br />

wieder in Abhängigkeit und Knechtschaft zu begeben. Sie geben<br />

Erfahrungen weiter. Jetro berät seinen Schwiegersohn Moses, wie er<br />

Leitung delegieren und trotzdem die Gesamtleitung wahrnehmen kann<br />

(1.Mose 18,13ff.).<br />

Sie halten die Erinnerungen an die Zusagen Gottes selbst dann wach,<br />

wenn die Gegenwart dem Volk anders erscheint. Der alte Simeon und<br />

die Prophetin Hanna warten lange Zeit auf den Erlöser Israels. (Lukas<br />

2,36ff.).<br />

Alte Menschen übernehmen auch priesterliche Aufgaben:<br />

Sie geben den Segen Gottes an die nachfolgende Generation weiter.<br />

Jakob segnet seine Söhne und Enkel(1.Mose 48f.).<br />

Alte Menschen haben Träume für die Zukunft:<br />

Sie erinnern an die großen Taten Gottes in der Vergangenheit und<br />

eröffnen Perspektiven, indem sie in der Gegenwart die Zukunft in den<br />

Blick nehmen. (Joel 3,1 bzw. Apostelgeschichte 2, 17).<br />

Sie nehmen Visionen ernst und brechen wie Abraham noch im Alter<br />

auf, um neue Lebensmöglichkeiten für sich und ihre Familien zu<br />

-27-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

entdecken. (1.Mose 12).<br />

Alte Menschen in der Bibel leben uneigennützig und solidarisch:<br />

Sie setzen sich über die Begrenzungen der Gesellschaft hinweg. Durch<br />

kluges Handeln sorgen Naemi und Ruth nach dem Tod des Mannes<br />

und der Söhne in der männerzentrierten Gesellschaft dafür, dass sie<br />

überleben und ein würdevolles Leben führen können. Ruth (Das Buch<br />

Ruth).<br />

Alte Menschen in der Bibel können Macht abgeben:<br />

Mose hat die Leitungsfunktion bis ins hohe Alter inne. Bevor ein neuer<br />

historischer Schritt des Volkes geschieht, muss er die Leitung an Josua<br />

weitergeben . Als Mose seinen Tod nahe weiß, segnet er alle Stämme<br />

des Volkes. Über ihn wird berichtet: “Seine Augen waren nicht dunkel<br />

geworden und seine Kraft war nicht verfallen“ (5.Mose 34,7).<br />

Alte Menschen erleben ihren Glauben als Zumutung und neue<br />

Lebenskraft: Sie kämpfen um den Glauben an Gott und tragen die<br />

Verwundungen und Brüche ihres Lebens am Leibe. Jakob wird bei<br />

seiner Rückkehr aus dem Exil in einen nächtlichen Ringkampf auf<br />

Leben und Tod verwickelt, aus dem er als „Hinkender“ herausgeht.<br />

(1.Mose 32,23ff.).<br />

Sie müssen akzeptieren, dass ihr Leben Fragment bleibt. Mose kann<br />

sein Lebenswerk, das Volk Israel in das verheißene Land zu führen,<br />

nicht vollenden (5.Mose 31.) Johannes der Täufer wird aus seiner<br />

prophetischen Tätigkeit herausgerissen und hingerichtet (Matthäus<br />

14). Damit müssen sie auch ihr Angewiesensein auf Vollendung<br />

anerkennen.(Henning Luther)<br />

Sie sind nie fertig sondern Werdende (Martin Luther). Glaubende<br />

erfahren das Alter aber auch als eine Zeit der Blüte, geistlicher<br />

Fruchtbarkeit und Ernte (Psalm 92,13-16, Psalm 103).<br />

Ausdrücklich gelten die Zusagen Jesu neu zu werden, auch den alten<br />

Menschen. So antwortet Jesus Nikodemus: „Es sei denn, dass jemand<br />

von Neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht erben"<br />

Johannes 3,3).<br />

*Vgl. Alter und ältere Menschen in Kirche und Gesellschaft, Positionen<br />

der EAfA, Hannover 2002<br />

-28-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Fragment Erfahrungen<br />

„Fragmentierung" ist ein Stichwort, mit dem Soziologen unsere<br />

postmoderne Pluralität beschreiben. Kennzeichnungen moderner<br />

Biographien wie Drahtseil - Biographie, Bastel - Biographie, Patchwork<br />

- Biographie, Risiko - Biographie, Bruch - Biographie deuten den<br />

Stückwerk - Charakter und die Zerbrechlichkeit unseres gegenwärtigen<br />

Lebens an. Dietrich Bonhoeffer hat als einer der ersten den Begriff des<br />

Fragmentes bezogen auf seine eigene Biographie. Er schreibt in<br />

"Widerstand und Ergebung", seinem Gefängnistagebuch: "Wir sind<br />

aufgewachsen in der Erfahrung unserer Eltern und Großeltern, der<br />

Mensch könne und müsse sein Leben selbst planen, aufbauen und<br />

gestalten, es gebe ein Lebensziel, zu dem der Mensch sich zu<br />

entschließen und das er dann mit ganzer Kraft auszuführen habe und<br />

auch vermöge. Es ist aber unsere Erfahrung geworden, dass wir nicht<br />

einmal für den kommenden Tag zu planen vermögen, dass das<br />

Aufgebaute über Nacht zerstört wird und unser Leben im Unterschied<br />

zu dem unserer Eltern gestaltlos oder doch fragmentisch geworden ist."<br />

Der früh verstorbene Theologe Henning Luther hat diesen Begriff für<br />

unsere Zeit bewußt aus dem ästhetischen Vorstellungsrahmen in die<br />

Theologie- und Bildungsdiskussion überführt. Er spricht von zwei<br />

Bedeutungen des Fragmentes.<br />

1. Es gibt Fragmente aus der Vergangenheit, Überreste eines zerstörten,<br />

aber ehemals Ganzen, das zum Torso oder zur Ruine geworden ist. In<br />

Museen finden wir viele solcher Fragmente. Sie lassen die vergangene<br />

Schönheit erahnen und sind trotz hohem Alter und Zerbrochenheit<br />

schön. Sie regen unser Nachdenken an. Rilkes Gedicht über den<br />

berühmten Torso des Apoll endet: "Denn da ist keine Stelle, die dich<br />

nicht sieht: Du mußt dein Leben ändern.“<br />

2. Bezeichnet der Begriff auch Fragmente aus Zukunft: unvollendet<br />

gebliebene Werke, die ihre endgültige Gestaltungsform nicht - noch<br />

nicht - gefunden haben. Dietrich Bonhoeffer sah sein Leben als<br />

"Fragment aus Zukunft". Er schreibt: „Es kommt wohl nur darauf an, ob<br />

man dem Fragment unseres Lebens noch ansieht, wie das Ganze<br />

eigentlich angelegt und gedacht war und aus welchem Material es<br />

-29-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

besteht. Es gibt schließlich Fragmente, die nur auf den Kehrichthaufen<br />

gehören, und solche, die bedeutsam sind auf Jahrhunderte hinaus, weil<br />

ihre Vollendung nur eine göttliche Sache sein kann, also Fragmente, die<br />

Fragmente sein müssen - ich denke z. B. an die Kunst der Fuge. Wenn<br />

unser Leben auch nur ein entferntester Abglanz eines solchen<br />

Fragments ist, in dem wenigstens eine kurze Zeit lang die sich immer<br />

stärker häufenden verschiedenen Themata zusammenstimmen und in<br />

dem der große Kontrapunkt vom Anfang bis zum Ende durchgehalten<br />

wird, so dass schließlich nach dem Abbrechen - höchstens noch der<br />

Choral.-„ Vor deinen Thron tret' ich hiermit“ intoniert werden kann,<br />

dann wollen wir uns auch über unser fragmentarisches Leben nicht<br />

beklagen, sondern daran sogar froh werden“.Bonhoeffer sieht sein<br />

Leben und das seiner Generation als Fragment - und gibt doch den<br />

Traum eines vollendeten Lebens nicht auf.<br />

Mich haben diese Sätze als junge Studentin getröstet nach dem frühen<br />

Tod meines Vaters. Henning Luther geht einen Schritt weiter. Er stellt<br />

dem Traum vom vollendeten Leben das Bild vom Fragment als<br />

Entlastung entgegen. Er selbst ist im Alter von 44 Jahren gestorben - viel<br />

zu früh sagen viele Theologen, denen seine Beiträge zur Theologie<br />

fehlen. Denn er hat den Schritt von der Moderne in die Postmoderne<br />

mitvollzogen. Henning Luther schreibt: „Die nicht vorhersehbare und<br />

planbare Endlichkeit des Lebens lässt Leben immer zum Bruchstück<br />

werden.“ „ Gegen das Ideal der Ganzheit und Vollkommenheit möchte<br />

ich die Vorstellung vom Fragment ins Spiel bringen. Leben als<br />

Fragment zu verstehen, heißt nicht, erniedrigt zu werden, auf die<br />

Unvollkommenheit festgelegt zu werden, also klein gemacht zu werden.<br />

Dies meint keine falsche Bescheidenheit. Leben als Fragment zu<br />

verstehen, soll vielmehr eine Befreiung sein, die uns von falschen<br />

Idealen löst. P. Noll hat einmal in seinen „ Diktaten über Sterben & Tod "<br />

kurz vor seinem eigenen Krebstod geschrieben: „ Sehen wir das Leben<br />

vom Tode her, werden wir freier “...<br />

„In Abwandlung möchte ich nun formulieren: Sehen wir unser Leben<br />

als Fragment, werden wir freier. Oder: Verstehen wir unser Leben als<br />

Fragment, können wir aufatmen und leben."<br />

-30-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Die Freiheit des fragmentarischen Lebens bedeutet auch, dass wir nicht<br />

den Erwartungen entsprechen müssen, nicht den eigenen und nicht<br />

den normativen der Psychologie. Wir müssen nicht alt und weise und<br />

ein vollendeter Charakter sein, wir müssen nicht die höchste Stufe von<br />

Eriksons Identitätskonzept erreichen. Im Glauben können wir getrost<br />

als Fragment leben, denn „Gott nötig haben ist des Menschen höchste<br />

Vollkommenheit.“ (Kierkegaard)<br />

Monika Bauer<br />

15. <strong>Mai</strong>:<br />

Tag<br />

der<br />

Familie<br />

Es gibt sie noch - die Familie mit Mutter, Vater und mehreren Kindern. Die<br />

Hälfte der sechs- bis neunjährigen Kinder wächst mit einem Bruder oder einer<br />

Schwester auf. Jedes fünfte Kind bleibt ein Einzelkind. Lässt sich aber das<br />

Wort "Familie" auf alle Formen des Zusammenlebens anwenden? Groß ist die<br />

Vielfalt der Familienformen in unserem Land: Ein-Eltern-, Zwei-Eltern- und<br />

Mehrgenerationen-Familien, Pflege- und Adoptiv-Familien, Familien mit<br />

leiblichen und angenommenen Kindern zugleich, Wochenend-Besuchs-<br />

Familien, Nach-Scheidungs-familien oder neu zusammengesetzte Familien,<br />

die heute gerne Patchwork-Familien genannt werden.<br />

Erich Franz<br />

-31-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Standpunkt: Kopftuch, Kreuz und Kippa<br />

Kann das französische „Kopftuchgesetz“ für den Streit um religiöse<br />

Selbst- bzw. Fremdbestimmung in deutschen Schulen eine Hilfestellung<br />

bieten?<br />

Die Verabschiedung der Gesetzesvorlage des Abgeordneten Aristide<br />

Briant am 9. Dezember 1905 in Frankreich zur Trennung von Staat und<br />

Kirche ließ bei vielen Beteiligten die Hoffnung bzw. Befürchtung<br />

entstehen, das religiöse Leben solle in Frankreich endgültig ausgemerzt<br />

werden. Nicht nur spätrevolutionäre „Pfaffenfresser“ waren sich sicher,<br />

dass damit der „Tod der Kathedralen“ besiegelt sei. Und die Katholische<br />

Kirche glaubte, nach 25 Jahren Kulturkampf, wie so oft, den Untergang<br />

des Abendlandes zu erleben, wo doch nur eigene Pfründe und Einfluss<br />

auf dem Spiel standen. Sie alle haben sich geirrt. Das Gesetz von 1905<br />

fand seinen festen Platz in der Identität des Landes, das von der Rolle<br />

der „ältesten Tochter der Kirche“ zur „laizistischen Republik“ mutiert<br />

war.<br />

Anders als in Deutschland, aber schließlich auch nicht in völligem<br />

Gegensatz zur hiesigen Geschichte, erklärte sich die Republik zur<br />

obersten Hüterin aller schulischen Bildungsinstitutionen, garantierte<br />

aber auch im Gegenzug die Glaubens- und Religionsfreiheit aller<br />

Bürger. Damit ist auch die Existenz von Schulen in kirchlicher<br />

Trägerschaft, freilich unter staatlicher Aufsicht, gemeint. Das heißt aber<br />

ebenso, dass an öffentlichen Schulen kein Religionsunterricht<br />

stattfindet. Die Schule ist der Ort, an dem das Land seine Identität als<br />

Republik pflegt. Nicht als Katholik, Protestant, Jude oder Muslim hat<br />

der junge Mensch in Frankreich die Chance, am gesellschaftlichen<br />

Leben aktiv teilzunehmen, sondern als „Citoyen“. Das ist keine<br />

Religionsfeindschaft, aber das Pendant zur „vom Tellerwäscher zum<br />

Millionär Fiktion“ und als solche von durchaus integrativer und<br />

assimilierender Kraft.<br />

In Wirklichkeit hat die Schule in Frankreich, wie leider in Deutschland<br />

auch, dort versagt, wo ihre integrierende Kraft besonders gefragt ist: In<br />

den Problemzonen der Vorstädte mit ihren sozialen Brennpunkten. In<br />

-32-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Deutschland zum Glück noch eine Randerscheinung, trotz einer Frau<br />

Ludin, des wiederaufgelebten Kalifatstaats und einer saudi-arabischen<br />

Akademie, ist der „tumbe“ muslimische Fundamentalismus in<br />

Frankreich traurige Alltäglichkeit. Wer sich in der gesellschaftlichen<br />

Pyramide regelmäßig auf den untersten Stufen wiederfindet und sich<br />

jeder anderen Chance beraubt sieht, sucht sein Heil, wo es ihm<br />

versprochen wird. Natürlich besitzt der Islam, wie das Christentum,<br />

eine Eigendynamik, die uns in Europa zwar irritiert, aber vor allem in<br />

Asien und Afrika in voller Blüte steht, siehe Indonesien oder Sudan.<br />

Aber diese Eigendynamik wird virulent an der Unentschlossenheit der<br />

Gesellschaft, die ihren Verächtern eine unverdiente Freizügigkeit<br />

erweist.<br />

Wen verwundert es, wenn Frau Ludin und die anderen Fundamentalisten<br />

behaupten, das Kopftuch sei ein religiöses Symbol, das<br />

dem Kreuz gleichgestellt sei. Damit werden nur unterschwellige<br />

Einflüsse aufgegriffen, die in Deutschland zumindest teilweise an der<br />

Tagesordnung sind, und das betrifft nicht erst die Tracht der Nonnen im<br />

Unterricht. Wer seine Gesellschaft metaphysisch absichern will, wird<br />

den Preis zu zahlen haben. Schon allein deshalb erscheint eine Lösung<br />

wie in Frankreich bedenkenswert, die dem Missbrauch von religiösen<br />

Symbolen in der Schule einen Riegel vorschiebt.<br />

Dr. Andreas Siebenhüner<br />

BETEN<br />

gehört dazu,<br />

wenn Menschen zur Erkenntnis<br />

der Wahrheit gelangen sollen.<br />

Erich Franz<br />

-33-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Frühstücksgespräche für Senioren zu<br />

interkulturellen Themen<br />

- Senioren und Ausländerarbeit -<br />

Eine Generation steht im Mittelpunkt des neuen, von der Ausländerbeauftragten<br />

des Landes Brandenburg, Almuth Berger, initiierten<br />

Projektes, die bisher wenig bei der Diskussion über den Abbau von<br />

Vorbehalten und Fremdenfeindlichkeit berücksichtigt wurde - die<br />

Generation der Großeltern. Aber gerade ältere Menschen verfügen über<br />

einen großen Erfahrungsschatz, um Toleranz und Offenheit gegenüber<br />

Zugewanderten zu vermitteln. Zum einen waren oft sie selbst von Flucht<br />

und Vertreibung betroffen, mussten sich nach dem Krieg in fremder<br />

Umgebung einleben, zum anderen haben sie oft einen guten Kontakt zur<br />

Enkel-Generation und ihre Ansichten werden manchmal mehr gehört als<br />

die der Eltern.<br />

Aus diesen Gedanken entstand das Konzept der "Frühstücksgespräche für<br />

Senioren", das von Senioren selbst entwickelt wurde, um Menschen<br />

miteinander ins Gespräch zu bringen. Jetzt liegt eine knapp 30-seitige<br />

Broschüre vor, die in verschiedene Themen (zum Beispiel "Vorurteil:<br />

Überfremdung", "Krieg, Flucht und Vertreibung", "Toleranz" und "Heimat")<br />

einführt und hilft, den Gesprächsfaden aufzunehmen. Die Broschüre<br />

entstand in Kooperation zwischen dem Seniorenrat des Landes<br />

Brandenburg, der Mitglied im Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus<br />

und Fremdenfeindlichkeit ist, und der Ausländerbeauftragten des<br />

Landes Brandenburg.<br />

Almuth Berger: "Wir wollen einen Gesprächsbogen zwischen den Generationen<br />

schlagen und arbeiten in diesem Bereich eng mit den Seniorenbeiräten<br />

und Gruppen der Volkssolidarität zusammen.<br />

Die ältere Generation prägt oft die Meinungen und Verhaltensweisen von<br />

Jugendlichen und Kindern. Bisher werden aber deren Lebenserfahrungen<br />

viel zu wenig berücksichtigt, wenn es um Respekt oder Vorurteile bis hin zu<br />

Gewaltbereitschaft und Rechtsextremismus geht. Mit der Idee der Frühstücksgespräche<br />

wollen wir ältere Brandenburgerinnen und Brandenburger<br />

zusammenbringen und so eine Gruppe ansprechen, die dabei noch<br />

nicht im Fokus stand, aber ein großer Multiplikator ist."<br />

-34-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Bischof Dr. Wolfgang Huber wurde 2003 zum Vorsitzenden des Rates der EKD<br />

gewählt. Wir wollen mit dem folgenden Beitrag den neuen Ratsvorsitzenden kurz<br />

vorstellen.<br />

Bischof Dr. Wolfgang Huber<br />

Berlin, Ratsvorsitzender der EKD<br />

Bischof der Evangelischen Kirche Berlin - Brandenburg - schlesische<br />

Oberlausitz<br />

geboren 1942,<br />

verheiratet, 3 Kinder<br />

Wohnort<br />

Berlin<br />

Schulzeit<br />

1948 - 1951 Volksschule in Falkau/Schwarzwald und Freiburg<br />

1951 - 1960 Humanistisches Gymnasium in Freiburg/Breisgau<br />

Ausbildung/Studium<br />

1960 - 1966 Studium der Theologie in Heidelberg, Göttingen,<br />

Tübingen<br />

Zusatzqualifikationen<br />

1966 Promotion<br />

1972 Habilitation<br />

Beruflicher Werdegang<br />

1966 - 1968 Vikar und Pfarrer in Württemberg<br />

1968 - 1980 Mitarbeiter und stellvertretender Leiter der<br />

Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in<br />

Heidelberg<br />

1980 - 1984 Professor für Sozialethik in Marburg<br />

1984 - 1994 Professor für Systematische Theologie in Heidelberg<br />

1983 - 1985 Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages<br />

1989 Lilly Visiting Professor an der Emory University in Atlanta/USA<br />

-35-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

1994 Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg<br />

<strong>2004</strong> Bischof der Evangelischen Kirche Berlin - Brandenburg -<br />

schlesische Oberlausitz<br />

Veröffentlichungen<br />

(In Auswahl)<br />

Konflikt und Konsens. Studien zur Ethik der Verantwortung, 1990<br />

Friedensethik, 1990 (zus. mit H.-R. Reuter)<br />

Kirche und Öffentlichkeit, 2. Aufl.1991<br />

Die Tägliche Gewalt. Gegen den Ausverkauf der Menschenwürde, 1993<br />

Gerechtigkeit und Recht, Grundlinien christlicher Rechtsethik, 1996<br />

Kirche in der Zeitenwende. Gesellschaftlicher Wandel und Erneuerung<br />

der Kirche, 1998<br />

Der gemachte Mensch. Christliche Ethik und Biotechnik, 2002<br />

Stichwort: EKD<br />

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist die<br />

Dachorganisation der 24 evangelischen Landeskirchen in der<br />

Bundesrepublik.<br />

Insgesamt repräsentiert sie etwa 26,5 Millionen Protestanten und<br />

damit fast ebenso viele Christen wie die katholische Kirche.<br />

Die EKD wurde im August 1945 im nordhessischen Treysa als<br />

Zusammenschluß lutherischer, reformierter und unierter Landeskirchen<br />

gegründet.<br />

Oberste Leitungsgremien der EKD sind die Synode mit 120<br />

Mitgliedern und der 15-köpfige Rat. Ratsvorsitzender und damit<br />

Repräsentant der EKD ist Bischof Wolfgang Huber.<br />

-36-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

Die Amtsperiode des derzeitigen Bundespräsidenten Johannes Rau läuft in diesem<br />

Jahr ab. Die Regierungs- und Oppositionsparteien haben ihre Kandidaten für die<br />

Wahl einer neuen Bundespräsidentin bzw. eines neuen Bundespräsidenten präsentiert.<br />

Der nachfolgenden Beitrag - er wurde uns freundlicherweise von "idea Spektrum"<br />

zur Verfügung gestellt - informiert über die beiden Kandidaten.<br />

Die Kandidaten zur Wahl des Bundespräsidenten<br />

Horst Köhler, 61, verheiratet, 2 Kinder, evangelisch<br />

Wenn es bei der Bundesversammlung im <strong>Mai</strong> keine Überraschungen<br />

gibt, dann wird auch der nächste Bundespräsident ein Protestant sein:<br />

Horst Köhler (CDU), scheidender Chef des Internationalen<br />

Währungsfonds in Washington, ist gemeinsam von CDU, CSU und<br />

FDP nominiert worden. Mit Ausnahme des Katholiken Heinrich Lübke<br />

(1959 - 1969) waren bisher alle Bundespräsidenten evangelisch.<br />

Köhler stammt aus einer Bauernfamilie, die im rumänischen<br />

Bessarabien lebte und von den Nationalsozialisten 19<strong>40</strong> ins polnische<br />

Skierbieszow umgesiedelt wurde. Dort kam er 1943 zur Welt. Gegen<br />

Ende des Zweiten Weltkriegs floh die Familie nach Markkleeberg bei<br />

Leipzig, acht Jahre später floh sie erneut - diesmal nach Württemberg.<br />

Im Unterschied zu Bundespräsident Johannes Rau, der wegen seiner<br />

Bibelkenntnis und seines langjährigen kirchlichen Engagements auch<br />

als "Bruder Johannes" tituliert wird, hat sich Köhler als Protestant nicht<br />

profiliert. Der Deutschen Evangelischen Gemeinde in Washington<br />

gehört er nicht an. Köhler ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.<br />

Eine Tochter ist erblindet.<br />

Gesine Schwan, 60, verwitwet, 2 Kinder, katholisch<br />

Bekenntnisfreudiger in Glaubensfragen hat sich die Kandidatin der rot -<br />

grünen Koalition, Gesine Schwan (SPD), gezeigt. Die 60jährige<br />

Katholikin, Präsidentin der Europa - Universität Viadrina in Frankfurt<br />

-37-


Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

an der Oder, war in den achtziger Jahren Mitglied im Diözesanrat der<br />

Katholiken im Bistum Berlin. Der Amtskirche steht sie kritisch<br />

gegenüber und hat sich unter anderem gegen den Zölibat und für die<br />

Weihe von Frauen ins Priesteramt ausgesprochen. Frau Schwan ist<br />

Gründungsmitglied des Landesverbandes "Donum Vitae" (Geschenk<br />

des Lebens) Berlin - Brandenburg, der Frauen im Schwangerschaftskonflikt<br />

berät und ihnen darüber eine Bescheinigung ausstellt, die für<br />

eine straffreie Abtreibung verwendet werden kann. Gesine Schwan<br />

wurde 1943 in Berlin geboren, ihre Eltern waren engagiert im<br />

Widerstand gegen den Nationalsozialismus.<br />

Die seit 1989 verwitwete Mutter von zwei Kindern berichtet im<br />

"Kasseler Sonntagsblatt". wie sie nach der Diagnose der tödlichen<br />

Krankheit ihres Mannes Trost im Glauben fand. "Es folgten Jahre<br />

intensiven Gebets, die mich aufrichteten und aus denen ich immer<br />

erneut Kraft schöpfen kon-nte. Dabei bemühte ich mich, mir zu vergegenwärtigen,<br />

dass ich mei-nen Glauben auch dann nicht aufgeben<br />

dürfte, wenn mein Wunsch nach Genesung meines Mannes unerfüllt<br />

blieb." Gerade das "finstere Tal" habe sie immer wieder die Kraft der<br />

Liebe als Begegnung mit Gott erfahren lassen. Aus der<br />

Grundwertekommission der SPD wurde sie 1984 entfernt, weil sie ihrer<br />

Partei vorwarf, Entspannungspolitik mit kommunistischen Ländern zu<br />

betreiben, ohne sich dort ausreichend für die Menschenrechte<br />

einzusetzen. Seit 1996 gehört sie der Kommission wieder an.<br />

Einen Treffpunkt stelle ich mir vor, an dem alle<br />

Menschen zusammenkommen: die Wachsamen,<br />

die Glaubenden, die Liebevollen, die Starken und die<br />

Handelnden.<br />

Carmen Jäger<br />

-38-


Der Jahreskreis<br />

Eigens für den Infobrief hat Dieter Spazier verschiedene Kurzgeschichten verfasst, die<br />

sich um Jahreszeiten in Natur und Leben entwickeln. Die erste davon, mit<br />

„frühlingshaften Gedanken“ und mit einem Aquarell von Spaziers Ehefrau Ingrun<br />

versehen, finden Sie nachstehend abgedruckt:<br />

Die vier Jahreszeiten (I)<br />

Carpe diem! Pflücke den Tag!<br />

Frühling<br />

Nun ist er endlich kommen doch<br />

In grünem Knospenschuh;<br />

„Er kann, er kann ja immer noch“,<br />

Die Bäume nicken sich's zu.<br />

Sie konnten ihn all erwarten kaum,<br />

Nun treiben sie Schuss auf Schuss;<br />

Im Garten der alte Apfelbaum,<br />

Er sträubt sich, aber er muss.<br />

Wohl zögert auch das alte Herz<br />

Und atmet noch nicht frei,<br />

Es bangt und sorgt: „es ist erst März,<br />

Und März ist noch nicht <strong>Mai</strong>.“<br />

O schüttle ab den schweren Traum<br />

Und die lange Winterruh:<br />

Es wagt es der alte Apfelbaum.<br />

Herze, wags auch du.<br />

( Theodor Fontane )<br />

Die Sonne steigt auf ihre höhere Bahn. Alles wird lichter. Alles wird<br />

wärmer. Das Leben gebiert sich neu. Die Natur erwacht und wir mit ihr.<br />

Warten und Hoffen weichen der Verheißung. Wie jedes Mal ist wieder<br />

Anfang. Es mindert sich die Last des Alters. Es weitet sich das Herz.<br />

Zukunft wird konkrete Utopie. Wir saugen freien Atem. Die winterliche<br />

-39-


Der Jahreskreis<br />

Wehmut nimmt die kalte Hand von unsern Schultern. Doch Winterfrost<br />

und Dunkel waren so feindlich nicht. Gerettete und Behütete,<br />

gedenken wir der Verhungerten und Verdursteten. In unsere gefüllten<br />

Gläser fällt der Wermutstropfen der hilflosen Scham. Warm behaust<br />

haben wir neue Kraft gesammelt. Im Ausruhen liegt Gnade. Nun öffnen<br />

sich die Sinne.<br />

Der Winter schmilzt dahin. Die Flüsse schwellen an. Die Winde sind<br />

entfacht. Die Frühjahrssaat wird ausgebracht. Der Bauer pflügt das<br />

aufgetaute Ackerland. In Wald und Fluren beginnt das Vogelkonzert.<br />

Reinhold ist von schwerer Krankheit genesen und konnte wieder<br />

aufstehen. Er ist dem Leben wieder geschenkt. Neu geboren. Ihm öffnet<br />

sich verloren geglaubte Zukunft. Es reifen Wünsche und werden zu<br />

Plänen.<br />

Annerose, seine Frau, wechselt wieder die Rolle. Sie hatte sich, um ihn<br />

pflegen zu können, aus der Töpferei zurückgezogen. Freundin und<br />

Partnerin Trude war den ganzen Winter über Werkstatt und Geschäft<br />

überlassen. Nun hat auch hier der Schlaf ein Ende. Neue Schaffenslust,<br />

neue Ideen. Es findet eine Feier statt. Reinhold nennt den Tag das Fest<br />

seiner zweiten Geburt. Seine Freunde kommen, die Anwaltskollegen.<br />

Angesichts der medizinischen Befunde und der ärztlichen Prognose<br />

hatte er im letzten November seinen Abschied genommen. Jetzt wirken<br />

sie auf ihn ein, wieder in die Kanzlei einzutreten. Man hat ihn als<br />

Spezialisten im Wirtschaftsrecht nicht ersetzen können. Er lässt sich<br />

überreden. Aber er stellt Bedingungen. Sie dienen der ganzen Sozietät.<br />

Man wird sie gern aufgreifen. Er will, was er in seiner besinnlichen Zeit<br />

als Sterbender rückblickend als Schwächen der Arbeitsorganisation<br />

erkannt hat, ausmerzen und notwendige Ergänzungen verwirklichen.<br />

Es waren ablenkende Gedanken. Sie konnten das Thema des Todes<br />

nicht verdrängen. Sterben ist die schwerste Prüfung des Daseins. Das<br />

Memento mori verfliegt nicht mit dem neuen Leben. Aber es erwachen<br />

neue Ideen. Wieder auf Zukunft setzen zu können! In den<br />

zunehmenden Tagen. In der wachsenden Helle. Die Blütendüfte.<br />

Sträucher und eben grünende Bäume wiegen sich im Wind, als freuten<br />

sie sich. Noch lassen sie die Sonne durch die Äste strahlen. Noch<br />

-<strong>40</strong>-


Der Jahreskreis<br />

müssen sie nicht kühlende Schatten spenden. Die Singvögel stimmen<br />

ihr Konzert an. Klingt nicht auch das Krächzen der Elstern und Krähen<br />

freundlicher? Die Knospen brechen auf. Die ersten Insekten saugen<br />

Nektar aus den frischen Blüten der Krokusse, Märzbecher, Narzissen,<br />

Forsythien. Die Bienen beginnen ihr fleißiges Werk. An den Deichen<br />

meckern die Lämmer. Alles rüstet sich für die Reise durchs Jahr.<br />

Annerose und Reinhold kommen überein, zwei Wochen in den<br />

toskanischen Frühling zu fahren. Süden. Italien. Sinnbilder des frühen<br />

Lichtes. Das sinnliche Wunder der Wiedergeburt. Frisch grünende<br />

Hügel unter azurblauem Himmel. Die Schöpfung lebt fort. Aufbruch in<br />

den nächsten Sonnenumlauf unseres Mutterplaneten. Lebenslanges<br />

Trostgeschenk. Reinhold lernt, mit seinem Körper hauszuhalten. Ihn<br />

hatte es aus heiterem Himmel getroffen. Eben war eine Sitzung bei<br />

Gericht zu Ende, als ihn, gottlob rechts, ein Hirnschlag hinstreckte.<br />

Dann die linksseitige Lähmung, und dass ihm die Sprache versagte.<br />

Eine Nachblutung hatte die Überlebensaussichten verdüstert. Und nun<br />

doch gerettet! Er wird eine lange Nachbehandlung haben. Zum Glück<br />

ist der Intellekt unversehrt. Und das Sprechen gelingt beinahe wie<br />

früher.<br />

Annerose und Reinhold sind sich näher als je zuvor. Das Menetekel des<br />

drohenden Verlustes schärft das Bewusstsein, wie gar nicht<br />

selbstverständlich es ist, füreinander da zu sein. Sie werden sich inne,<br />

dass es ohnehin kein gedankenloses Treibenlassen geben darf. Das<br />

wird auch nicht zum Recht, wenn die beiden Kinder aus dem Hause<br />

sind und ausstudiert haben. Annerose entdeckt Formen und Farben,<br />

über die sie vorher hinweggesehen hat. Sie sammelt die vielen neuen<br />

Eindrücke und empfindet die Vorfreude darauf, sie im Töpfern und in<br />

anderen Kunsttechniken Gestalt werden zu lassen.<br />

Zwei Menschen, die so wenig wie irgendwer den Sinn des Lebens<br />

wissen, werden sich nach ihrem besten Vermögen bewusster als zuvor<br />

im Tätigsein erfüllen. Sie werden im Rhythmus der gottgeschaffenen<br />

Natur mitschwingen. Carpe diem! (Horaz)<br />

Dieter Spazier<br />

-41-


Der Jahreskreis<br />

Pfad in den Frühling<br />

(Aquarell von Ingrun Spazier)<br />

-42-


Aktuelle Seniorenthemen<br />

Umsetzung des<br />

Gesetzes zur Modernisierung der<br />

Gesetzlichen Krankversicherung (GMG)<br />

Immer deutlicher wird in der Öffentlichkeit diskutiert, ob nicht Alte Menschen in<br />

besonderer Weise von den Härten des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen<br />

Krankenversicherung betroffen sind. Befürchtet wird, dass die Rentnerinnen und<br />

Rentner, deren Einkommen knapp über der Grenze zum Anspruch auf Sozialhilfe liegt,<br />

durch diese neuen Belastungen von Armut und Verlust ihrer Teilhabe am<br />

gesellschaftlichen Leben bedroht werden. Der Leiter des „Zentrums Gesundheit,<br />

Rehabilitation und Pflege“, Herrn Stenzig, hat eine Anfrage mit der Bitte um Zuleitung<br />

von Praxisbeispielen formuliert. Wir veröffentlichen im folgenden das Anschreiben an<br />

den Vorstand und den Beirat und bitten Sie sehr, wenn es Ihnen möglich ist, die<br />

Anfrage von Herrn Stenzig zu beantworten.<br />

Diakonisches Werk der EKD e.V. Hauptgeschäftsstelle<br />

Postfach 1011 42<br />

Zentrum Gesundheit,<br />

D-70010 Stuttgart Rehabilitation und Pflege<br />

Arbeitsfeld:<br />

Offene Altenarbeit<br />

Elisabeth Heinecke<br />

An die Mitglieder<br />

des Vorstands und Beirats<br />

des Evangelischen Seniorenwerks<br />

Umsetzung des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen<br />

Krankenversicherung (GMG)<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

die Anwendung und Umsetzung des Gesetzes zur Modernisierung der<br />

Gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) führt zu gravierenden<br />

Konsequenzen für verschiedene Personenkreise.<br />

-43-


Alte Menschen sind in besonderer Weise von den Härten des Gesetzes<br />

betroffen. Wir befürchten, dass die Rentnerinnen und Rentner, deren<br />

Einkommen knapp über der Grenze zum Anspruch auf Sozialhilfe liegt,<br />

durch diese neuen Belastungen von Armut und Verlust ihrer Teilhabe<br />

am gesellschaftlichen Leben bedroht werden.<br />

In der augenblicklichen Situation hat es sich als sehr wirksam erwiesen,<br />

mit Hilfe konkreter Fallbeispiele/ Praxiserfahrungen zu argumentieren,<br />

um die erforderlichen Nachbesserungen, Korrekturen und Klarstellungen<br />

zu erreichen.<br />

Beigefügt finden Sie den vom Leiter des Zentrums Gesundheit,<br />

Rehabilitation und Pflege, Herrn Stenzig, formulierten Entwurf einer<br />

Anfrage mit der Bitte um Zuleitung von Praxisbeispielen.<br />

Ich möchte Sie herzlich bitten, diese Anfrage möglichst breit zu streuen,<br />

damit die ganze Palette der Konsequenzen erfasst werden kann.<br />

Ich danke Ihnen jetzt schon für Ihre Mithilfe<br />

Mit freundlichen Grüssen<br />

Elisabeth Heinecke<br />

Referentin für Offene Altenarbeit<br />

Aktuelle Seniorenthemen<br />

Diakonisches Werk der EKD e.V. Hauptgeschäftsstelle<br />

Postfach 1011 42<br />

Zentrum Gesundheit,<br />

D-70010 Stuttgart Rehabilitation und Pflege<br />

Klaus Peter Stenzig<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

die Umsetzungsprobleme des GMG und die Konsequenzen für<br />

verschiedene Personengruppen kommen zwar nicht unvermutet,<br />

übertreffen aber doch die Erwartungen: offensichtlich werden<br />

besondere Härten für bestimmte Personengruppen als Folge von<br />

Zuzahlungen, Leistungsausgrenzungen aus dem GKV - Leistungska-<br />

-44-


Aktuelle Seniorenthemen<br />

talog oder dem Verzicht auf die Inanspruchnahme notwendiger<br />

Leistungen.<br />

Wir halten es für notwendig, die Probleme zu identifizieren, zu bündeln<br />

und bei der Politik und der Selbstverwaltung die erforderlichen<br />

Nachbesserungen, Präzisierungen und Klarstellungen einzufordern.<br />

In der politischen Diskussion um erforderliche Nachbesserungen,<br />

Klarstellungen und Verwaltungsregelungen hat es sich in den letzten<br />

Tagen als besonders wirksam erwiesen, mit Fallbeispielen/ Falldarstellungen<br />

zu argumentieren.<br />

Und so sind wir dringend auf Ihre Mitarbeit angewiesen. Wir bitten Sie,<br />

uns möglichst umgehend Praxiserfahrungen aus Ihren jeweiligen<br />

Arbeitsfeldern zuzuleiten. Von besonderer Bedeutung sind folgende -<br />

konkret dargestellte - Erfahrungen:<br />

1. Verzicht auf notwendige Leistungen von verschiedenen<br />

Personengruppen, z.B. in Folge der Praxisgebühren.<br />

2. Negative Konsequenzen für bestimmte Personengruppen in Folge<br />

von Ausgrenzungen aus dem Leistungskatalog (z.B. Sehhilfen,<br />

Fahrten).<br />

3. Negative Konsequenzen für bestimmte Personengruppen durch die<br />

Herausnahme nicht verschreibungspflichtiger Medikamente aus<br />

dem Leistungskatalog.<br />

4. Besondere Härten für bestimmte Personengruppen, die nicht unter<br />

die Klassifikation „schwerwiegend chronisch krank" fallen.<br />

5. Besondere Härten durch die Zuzahlungsregelungen für verschiedene<br />

Personenkreise in Folge begrenzter finanzieller Mittel bzw. der<br />

zunächst vollständigen Übernahme der Kosten bis zur<br />

Belastungsgrenze (z.B. Medikamente, Heilbehandlung, Krankenhausbehandlung).<br />

6. Berechnung der Belastungsgrenze und Probleme beim Stellen von<br />

Anträgen an die Krankenkassen beim Erreichen der Belastungsgrenze.<br />

7. Besondere Probleme bei Heimbewohnern, bei Beziehern von<br />

Sozialhilfeleistungen, von wohnungslosen Menschen, von<br />

Menschen mit psychischer Erkrankung etc.<br />

-45-


Die Fallbeispiele leiten Sie bitte per E-<strong>Mai</strong>l an<br />

Klaus-Peter Stenzig<br />

(Zentrum Gesundheit,<br />

Rehabilitation und Pflege).<br />

Die Adresse lautet: stenzig@diakonie.de.<br />

Wir danken Ihnen schon jetzt sehr für Ihre Mitarbeit.<br />

gez. K. - P. Stenzig<br />

Aktuelle Seniorenthemen<br />

Unser Vater, verborgen<br />

in den Himmeln,<br />

im All,<br />

Deine Schöpfung<br />

singt Dir ihr Lied,<br />

jeder Stern,<br />

jeder Halm.<br />

Und auch ich<br />

bin geborgen<br />

hier auf Erden in Dir.<br />

Deine Schöpfung<br />

singt Dir ihr Lied,<br />

und es singt auch<br />

in mir.<br />

Reinhard Ellsel<br />

-46-


Aktuelle Seniorenthemen<br />

Macht das Wetter im Alter krank?<br />

Es passiert immer wieder, dass Menschen von einer Wetterfühligkeit<br />

berichten. Oft werden diese Menschen nicht recht ernst genommen und<br />

hören Kommentare wie „ja, ja das Wetter". Tatsächlich lohnt es sich<br />

jedoch, dieses Phänomen genauer zu betrachten. Gibt es<br />

Wetterfühligkeit, ist sie altersabhängig, kann das Wetter krank machen?<br />

Die Medizin - Meteorologen glauben, dass es sich um einen uralten<br />

Schutzreflex handelt, der bei Wetterwechsel Mensch und Tier<br />

vorwarnte. Fachleute nehmen heutzutage an, dass das vegetative<br />

Nervensystem Wetterreize wie eine Antenne aufnimmt. So etwa<br />

Klimareize wie Föhn, trockenwarme Fallwinde oder die so genannten<br />

Sferics, das sind schwache, sehr kurze elektromagnetische Impulse, die<br />

sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen und Tage vor einem Gewitter<br />

entstehen können. Man kennt solche Impulse bereits als Störung im<br />

Radioempfang und Anfang 1900 wurden sie von Nachrichtentechnikern<br />

entdeckt. Unser Körper ist Leiter für elektromagnetische<br />

Impulse, daher können Wetterfühlige vorzeitig Witterungswechsel<br />

wahrnehmen. Man unterscheidet: Wetterreaktion (hierzu zählen<br />

Menschen, die kaum oder gar nichts von Wetterumschwüngen<br />

mitbekommen), Wetterfühlige, (dazu gehören Personen, die eine<br />

sensibilisierte Reaktion mit spürbaren Symptomen aufweisen wie<br />

Müdigkeit, Kopfdruck oder Konzentrationsschwäche). Etwa 30 Prozent<br />

der mitteleuropäischen Bevölkerung sind wetterfühlig, in der<br />

Altersgruppe ab 60 Jahren liegt der Anteil der Wetterfühligen sogar bei<br />

68,3 Prozent. Bürger aus weniger dicht besiedelten Gebieten (62,6<br />

Prozent) und aus ländlicher Gegend (61,4 Prozent) waren am stärksten<br />

wetterfühlig, Landwirte übrigens zu 76,9 Prozent. Die häufigsten<br />

Symptome sind Kopfschmerzen und Migräne (61 Prozent),<br />

Abgeschlagenheit (47 Prozent), Schlafstörungen (46 Prozent),<br />

Müdigkeit (42 Prozent), Gelenkschmerzen (<strong>40</strong> Prozent), Gereiztheit (31<br />

Prozent), Niedergeschlagenheit (27 Prozent), Schwindel (26 Prozent),<br />

Konzentrationsstörungen (26 Prozent) und Narbenschmerzen (23<br />

Prozent).<br />

-47-


Aktuelle Seniorenthemen<br />

Wetterempfindliche (das sind Menschen, die bereits einen<br />

geschwächten Organismus haben, der sich nicht mehr oder nur schwer<br />

kompensieren kann) . Hierunter zählt man chronisch kranke Menschen.<br />

Durch verschiedene Wetterlagen können Schübe bei chronischen<br />

Erkrankungen aktiv oder verstärkt werden. Die Rate des Auftretens von<br />

weiteren Krankheiten liegt erheblich über jener der nicht<br />

Wetterfühligen. Bei heißem Wetter klagen viele Menschen über<br />

geschwollene Beine, bei feuchtwarmer Witterung wird gehäuft<br />

Atemnot beobachtet und bei kalt - warmen Wetterlagen schwankt der<br />

Blutdruck. Bei Kälte ziehen sich die Gefäße zusammen. Es kann zu<br />

Angina pectoris kommen. Die akute Bronchitis tritt oft an nebeligen<br />

Tagen auf. Rheuma ist öfter bei Regen, hoher Luftfeuchtigkeit und<br />

fallendem Luftdruck sowie bei Temperaturabfall festzustellen. Asthma<br />

bronchiale macht sowohl bei starker Hitze wie auch bei Abkühlung dem<br />

Betroffenen Probleme. Beobachtet wurden vermehrt Asthmaanfälle<br />

ein bis drei Tage nach einer Kaltfront, gefolgt von Hochdruck (Wärme).<br />

Ältere und kranke Menschen sind also häufig wetterempfindlich. Sie<br />

sollten sich im akuten Zustand einer Wetterfühligkeit keinerlei<br />

Anstrengung aussetzen. Eine bedeutende Hilfe bietet das Biowetter,<br />

das Informationen zu Wetter und Umweltbelastung für Allergiker und<br />

Wetterfühlige beinhaltet. Diese Informationen werden aus Daten des<br />

Deutschen Wetteramtes von Medizin - Meteorologen zusammengestellt<br />

und in Zeitungen veröffentlicht. Sie sind auch bei einer speziell<br />

eingerichteten Hotline telefonisch abzufragen unter der Nummer<br />

0190/11546171. Eine Ansage für Wetterfühlige gibt es unter der<br />

Telefonnummer 0190/ 115460. Für ältere und kranke Menschen sind<br />

die Wetterfühligkeit und die Wetterempfindlichkeit existent und kann<br />

ein echtes Problem darstellen, das man kennen sollte.<br />

Dr. Wolfram Weinrebe,<br />

Internist. Altersmediziner und Ärztlicher Psychotherapeut.<br />

Chefarzt am Krankenhaus “Zum Guten Hirten” in Ludwigshafen a. Rh.<br />

Der Bericht wurde uns freundlicherweise von der “Neuen LU”, dem Magazin der<br />

Stadt Ludwigshafen a. Rh. zur Verfügung gestellt.<br />

-48-


Aus dem Evangelischen Seniorenwerk<br />

Einladung<br />

zum<br />

Jahrestreffen<br />

des Evangelischen Seniorenwerks<br />

unter dem Motto "Im Vertrauen aufbrechen"<br />

vom 7. bis 11. <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong><br />

in Breklum<br />

(Schleswig-Holstein)<br />

-49-


Aus dem Evangelischen Seniorenwerk<br />

Jahrestreffen vom 7. - 11. <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> in Breklum<br />

Montag, den 7. <strong>Juni</strong><br />

bis 17.00 Uhr<br />

19.30 Uhr<br />

Anreise<br />

Begrüßung - Abendessen<br />

Im Vertrauen aufbrechen<br />

Fabelhaftes und Nachdenkliches aus der Bibel zum<br />

Thema des Jahrestreffens mit Peter Spangenberg<br />

Dienstag, den 8. <strong>Juni</strong><br />

09.30 Uhr<br />

Mitgliederversammlung<br />

15.00 Uhr Plattform Seniorenarbeit Berichte aus<br />

der Arbeit befreundeter Organisationen<br />

19.00 Uhr Kippa und Siddur jüdische Kultgegenstände<br />

gezeigt und erklärt von Pastor i.R. Matthias Dahl<br />

Seniorentag<br />

Mittwoch, den 9. <strong>Juni</strong><br />

09.30 Uhr<br />

10.15 Uhr<br />

11.15 Uhr<br />

Andacht Bischof Dr. Hans Christian Knuth<br />

Begrüßung und Grußworte<br />

Im Vertrauen aufbrechen Landespfr. i.R.<br />

Frieder Theysohn<br />

14.15 - 16.00 Uhr Foren nach Wahl mit Hanspeter Damian,<br />

Liesel Pohl, Wolf-Dietmar Szepan, Margarete<br />

Tappenbeck, Gabriele Wendt<br />

16.30 Uhr Schlussandacht<br />

Breklum<br />

in der Evangelischen Kirche in<br />

19.30 Uhr Aus der Arbeit des Evangeliums-Rundfunks<br />

berichtet das Mitglied des Vorstandes<br />

Pastor i.R. Dr. h.c. Horst Marquardt<br />

Donnerstag, den 10. <strong>Juni</strong><br />

(an die Mitglieder ergeht gesonderte Einladung)<br />

Exkursion<br />

08.30 Uhr mit Bus und Schiff zur Hallig<br />

Hooge und dem Theodor Storm Museum in Husum<br />

19.30 Uhr Geselliger Abschlussabend<br />

Freitag, den 11. <strong>Juni</strong><br />

Reisesegen - Abreise nach dem Frühstück<br />

-50-


Aus dem Evangelischen Seniorenwerk<br />

AusZeit für andere Freiwilligendienste für<br />

Seniorinnen und Senioren im Ausland<br />

- Projekte, Termine, Informationen -<br />

Die Projekte:<br />

1. Freiwilligendienste in Italien<br />

„Asilo dei Vecchi“ in der Toscana<br />

Ein Altenheim in San Germano Chisone, einem kleinen Dorf<br />

ca. 50 km von Turin entfernt. Etwa 90 Bewohner erfahren<br />

dort Pflege, Betreuung, medizinische Hilfe, Angebote zur<br />

Beschäftigung. Die freiwilligen Helfer wirken bei der<br />

Betreuung und Begleitung mit.<br />

- „Casa Cares“<br />

Einkehr und Begegnungszentrum mit Platz für 55 Gäste.<br />

Angegliedert ist ein Gutshof mit ökologischer Landwirtschaft.<br />

Freiwillige werden benötigt für Haus und Garten und<br />

handwerklichen Bereich<br />

2. Freiwilligendienste in Ungarn:<br />

„Tarka-Barka Lakootthon“ in Baja (Süd-Ungarn)<br />

Eine Behinderten-Wohngruppe. Geistig und körperlich<br />

behinderten Menschen wird ein familienähnliches Zusammenleben<br />

ermöglicht. Freiwillige unterstützen bei häuslichen<br />

Tätigkeiten.<br />

„Tarka-barka“ in Gara<br />

Eine Behinderten-Werkstatt. Hier fertigen behinderte<br />

Menschen in Gruppen von 8 Personen Briefumschläge und<br />

Kerzen. Gara liegt in Donaunähe kurz vor der jugoslawischen<br />

Grenze. Freiwillige können in der Werkstatt helfen oder auch<br />

im Haushalt<br />

„Tiszta Forras“ in Budapest<br />

Obdachlosenheim. Hilfe bei häuslichen Tätigkeiten in Büro<br />

und Küche und Zuhören bei den Problemerzählungen der<br />

Obdachlosen (Sprache?).<br />

-51-


Aus dem Evangelischen Seniorenwerk<br />

Information zu den Projekten/ Termine zur Vorbesprechung:<br />

Für Interessierte ist ein Treffen am 17./18. <strong>Mai</strong> <strong>2004</strong> im Diakonissenmutterhaus<br />

in Neustadt-Lachen geplant. Ausführlichere Projektbeschreibung<br />

kann angefordert werden unter<br />

Tel. 06327-983215 e-mail: sr.iris@diak-mhs-lachen.de<br />

Projekte im Aufbau:<br />

Für die Beratung deutscher Residenten in Spanien suchen wir<br />

Sozialarbeiter im Ruhestand, die in der sozialen Beratung erfahren<br />

sind. Es wird ein Beratungsnetzwerk in Zusammenarbeit mit der<br />

<strong>BAGSO</strong> und der Deutschen Botschaft in Madrid sowie dem Südeuropa<br />

Beauftragten der EKD erarbeitet.<br />

Der Schatzmeister informiert:<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder,<br />

im Jahre 2003 konnte das Evangelische Seniorenwerk<br />

besondere Projekte durchführen.<br />

Da war einmal das Treffen aus Anlass des zehnjährigen<br />

Bestehens und dann der Ökumenischen Kirchentag. Für beide<br />

Projekte musste ein größerer Betrag aufgewendet werden.<br />

Ebenso für den Druck von lnformationsmaterial. Durch diese<br />

Projekte konnten wir leider keinen positiven Jahresabschluss<br />

erreichen. Ich wende mich heute mit der herzlichen Bitte an Sie<br />

alle, zu helfen, dass die sich gut entwickelnde Arbeit des ESW<br />

weitere Fortschritte machen kann.<br />

Bitte benutzen Sie den beigefügten Überweisungsträger zur<br />

Überweisung Ihres Beitrags ( 20,00 Euro - Ehepaare 30,00<br />

Euro) und möglichst einer zusätzlichen Spende.<br />

Gern stellen wir Ihnen eine Zuwendungsbescheinigung für das<br />

Finanzamt aus.<br />

-52-


ESW - auf Bundesebene<br />

ESW - Gruppe Nord<br />

ESW - Gruppe Pfalz<br />

ESW - Termine<br />

07. - 11.06.<strong>2004</strong> Jahrestreffen mit Mitgliederversammlung<br />

in Breklum<br />

15. - 16.11.<strong>2004</strong> Seminar zum ESW-Projekt “Lebenslinien”<br />

in der Tagungsstätte Kassel. Leitung<br />

Dr. Freytag (nähere Informationen im<br />

nächsten Heft)<br />

(Kontakt: Sr. Kirsten Hartlieb - Flensburg)<br />

09.06.<strong>2004</strong> Seniorentag innerhalb der<br />

Mitgliederversammlung des Evangelischen<br />

Seniorenwerkes in Breklum<br />

Thema: „Im Vertrauen aufbrechen“<br />

10.06.<strong>2004</strong> Exkursion mit dem Adler Express zur<br />

Hallig Hooge<br />

Seniorentag gemeinsam mit der<br />

Mitgliederversammlung des Evangelischen<br />

Seniorenwerkes<br />

23.11.<strong>2004</strong> voradventliches Treffen mit Jahresbesprechung<br />

für 2005 (vorgesehen: Dittmers<br />

Gasthof)<br />

(Kontakt: Sr. Emilie Bär - Speyer)<br />

15.05.<strong>2004</strong> Fahrt ins Bitscher Land<br />

05. - 12.07.<strong>2004</strong> Reise in die Nordeifel verbunden mit<br />

Spaziergängen, Schiffs- und Busrundfahrten,<br />

Besuchen und Führungen (u.a. in Monschau,<br />

Aachen und Maastricht).<br />

Reisepreis 520,-- Euro<br />

14. - 23.07.<strong>2004</strong> Seniorenfreizeit im Diakonissenmutterhaus<br />

Lachen zum Thema “Im Segen Gottes leben”<br />

-53-


ESW - Termine<br />

15.07.<strong>2004</strong> Seniorentag - Thema “Von den Früchten<br />

leben” Referent Frieder Theysohn Pfr.i.R.<br />

21.07.<strong>2004</strong> Ausflug nach Fischbach/Petersbächel<br />

Besuch des Biosphärenhauses, des Baumwipfelpfades<br />

und der Ausstellung “Zu neuem<br />

Leben - vom Baumstamm zum Kunstwerk”<br />

(Atelier Würth)<br />

10. - 21.08.<strong>2004</strong> “Thüringen ruft - der Thüringerwald lädt<br />

ein” auf den Spuren der Großen (Luther,<br />

Bach, Goethe, Schiller), Ferienfreizeit des<br />

Evangelischen Seniorenwerks Pfalz.<br />

Reisepreis 750,-- Euro.<br />

Anmeldungen bei Schwester Emilie Bär,<br />

Karmeliterstr. 20 in 67345 Speyer<br />

(Tel.: 06232/664 252)<br />

ESW - Gruppe Kaiserslautern<br />

22.04.<strong>2004</strong> 15.00 Uhr im Gemeindezentrum “Alte<br />

Eintracht” “Bilder und Lieder aus<br />

Ostpreußen”<br />

22.05.<strong>2004</strong> 15.00 Uhr im Gemeindezentrum “Alte<br />

Eintracht” Deutsche Anekdoten und<br />

Erzählungen (Lesung)<br />

24.06.<strong>2004</strong> 15.00 Uhr im Gemeindezentrum “Alte<br />

Eintracht” “Israels Könige: Saul, David<br />

und Salomo”<br />

22.07.<strong>2004</strong> Gemeinsamer Ausflug<br />

23.09.<strong>2004</strong> 15.00 Uhr im Gemeindezentrum “Alte<br />

Eintracht” Aus der Geschichte:<br />

“Konrad Adenauer und Kurt Schumacher”<br />

-54-


Hinweise und Mitteilungen<br />

Versicherungsschutz für Ehrenamtliche<br />

- Initiative Rheinland-Pfalz -<br />

Das Land Rheinland-Pfalz hat für ehrenamtlich Tätige einen Sammel- Haftpflichtund<br />

Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen. In den nächsten Wochen wird hierzu<br />

ein Informationsblatt herausgegeben, um die Öffentlichkeit auch über einzelne Details<br />

ausführlich zu informieren. Wir zitieren aus einem Rundschreiben des Ministerpräsidenten<br />

Beck:<br />

„Der Landesregierung ist es nach ausgiebigen Verhandlungen<br />

gelungen, einen Sammel- Haftpflicht- und Unfallversicherungsvertrag<br />

für ehrenamtlich und freiwillige Tätige in Rheinland-Pfalz abzuschließen.<br />

Alle ehrenamtlich oder freiwillig Tätigen in rechtlich<br />

unselbstständige Vereinigungen, deren Tätigkeit in Rheinland-Pfalz<br />

ausgeübt wird oder von Rheinland-Pfalz ausgeht sind ab dem 1 Januar<br />

<strong>2004</strong> gegen ihr persönliches gesetzliches Haftpflichtrisiko subsidiär<br />

durch das Land versichert. Im Schadensfall sind zunächst Angaben<br />

über etwaig bereits bestehende Haftpflichtversicherungen zu machen.<br />

Alle ehrenamtlich oder freiwillig Tätigen, deren Tätigkeit in Rheinland-<br />

Pfalz ausgeübt wird oder von Rheinland-Pfalz aus geht, sind ab dem 1.<br />

Januar <strong>2004</strong> durch das Land auch privat unfallversichert, es sei denn,<br />

es besteht ein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz oder es wurde<br />

bereits vom Träger, für den ein Ehrenamtlicher tätig ist, eine private<br />

Unfallversicherung abgeschlossen.“<br />

Wir sind Pilger,<br />

die auf verschiedenen<br />

Wegen einem<br />

gemeinsamen<br />

Treffpunkt<br />

zuwandern.<br />

Antoine de Saint-Exupéry<br />

-55-


Hinweise und Mitteilungen<br />

Expertengruppe nimmt Stellung zur Bewältigung<br />

der demografischen Herausforderungen<br />

Pressemitteilung der <strong>BAGSO</strong> vom 17.03.<strong>2004</strong><br />

Das Bundesseniorenministerium hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der<br />

Seniorenorganisationen (<strong>BAGSO</strong>) beauftragt, den Beitrag des zivilgesellschaftlichen<br />

Bereichs zur Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans<br />

durch die Bundesregierung zu koordinieren. Mit dem Aktionsplan soll der<br />

im <strong>April</strong> 2002 in Madrid verabschiedete 2. Weltaltenplan, der Grundsätze<br />

einer Altenpolitik vor dem Hintergrund des demografischen Wandels<br />

enthält, auf nationaler Ebene umgesetzt werden.<br />

Eine von der <strong>BAGSO</strong> einberufene Expertengruppe legt nun eine<br />

Stellung-nahme vor, der sie eine Strategie für das weitere Vorgehen<br />

entworfen hat. In der Gruppe sind relevante Institutionen wie das<br />

Deutsche Zentrum für Altersfragen (DZA), der Deutsche Verein für<br />

öffentliche und private Fürsorge und das Kuratorium Deutsche Altershilfe<br />

(KDA), aber auch namhafte Wissenschaftler vertreten: Andreas Kruse<br />

(Heidelberg), Ursula Lehr (Bonn), Gerhard Naegele (Dortmund) und<br />

Wolf D. Oswald (Erlangen). Den Vorsitz führt die <strong>BAGSO</strong> - Vorsitzende<br />

Roswitha Verhülsdonk.<br />

Nach Auffassung der Expertengruppe muss ein zentrales Anliegen des<br />

Nationalen Aktionsplans sein, die Potenziale des Alters bewusst zu<br />

machen und zu nutzen. Im Einzelnen gehe es darum, ein realistisches Bild<br />

des Alters zu vermitteln, die notwendigen Voraussetzungen für die<br />

Teilhabe älterer Menschen zu schaffen und zu sichern, insbesondere ihre<br />

Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, ihre Wirtschaftskraft<br />

stärker zu nutzen und - nicht zuletzt - die Lebensqualität im Alter<br />

sicherzustellen. Letzteres erfordere vor allem eine wirtschaftliche<br />

Absicherung im Alter; außerdem müssten die Selbstständigkeit älterer<br />

Menschen durch geeignete Wohnformen erhalten und die gesundheitliche<br />

und pflegerische Versorgung verbessert werden. Wichtig sei, die<br />

Kommunen als maßgebliche Akteure in der Altenarbeit in die<br />

Entwicklung des Aktionsplans einzubinden und bei der Umsetzung<br />

konkreter Maßnahmen zu unterstützen.<br />

-56-


Die therapeutische Kraft des Glaubens.<br />

Gemeinsame Veranstaltung von AMD und<br />

Diakonischem Werk der EKD<br />

Zum Thema "Die therapeutische Kraft des Glaubens - die christliche<br />

Gemeinde und ihr Heilungsauftrag" führt die Arbeitsgemeinschaft<br />

Missio-narische Dienste (AMD) in Verbindung mit der Abteilung<br />

Theologie des Diakonischen Werks der EKD in der Zeit vom 31. <strong>Mai</strong> bis<br />

2. <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong> in der Diakonischen Akademie Deutschlands, Berlin eine<br />

"Konsultation" durch.<br />

Anmeldungen (bis zum 30.04.<strong>2004</strong>) hierzu und vor allem nähere<br />

Informationen zu der Veranstaltung durch Arbeitsgemeinschaft<br />

Missiona-rische Dienste, Frau Mania, Reichensteiner Weg 24, 14 195<br />

Berlin (Tel.030 8 30 01-306).<br />

P<br />

f<br />

i<br />

n<br />

g<br />

s<br />

t<br />

e<br />

n<br />

Hinweise und Mitteilungen<br />

-57-


Für Sie gelesen<br />

Für Sie gelesen von Hans Steinacker<br />

Anton Rozetter, Wo auf Erden der Himmel beginnt. 394 Seiten,<br />

Halbleinen, Leseband, Herder, 39,80 EUR<br />

Lebensbrot für den Jahreskreis:<br />

Das sind die täglichen Betrachtungen des schweizer Kapuziners,<br />

Franziskusfreundes und Schriftstellers Dr. theol. Anton Rozetter. Es ist<br />

ein geschmackvoll gestaltetes Buch, das in unserer säkularen Zeit einen<br />

weiten Bogen von konkreter Spiritualität und christlicher Lebenspraxis<br />

schlägt und darüber hinaus auch eine Schatzkammer für vielfältige<br />

Anregungen und Ideen ist. Die Monatsthemen ermöglichen es, dass<br />

man auch während des Jahres in diese Texte "einsteigen" kann. In ihrer<br />

großen Spannweite bringen sie aktuelle Grundfragen und<br />

Herausforderungen unserer Zeit so ins Gespräch, dass sie gleichsam<br />

Fenster zum Himmel als auch geöffnete Türen zur Welt sind.<br />

Thees Carstens, Hermanns Hauskreis und die Beichte im Fahrstuhl,<br />

128 Seiten, Taschenbuch, Oncken, 6,90 EUR<br />

Schmunzeln über eine ernste Sache:<br />

Ein Designer mit flotter Feder, der Design und Philosophie studiert hat,<br />

ist seit über zehn Jahren Hauszeichner der christlichen Zeitschrift<br />

„ dran“. Auf der farbigen Rückseite präsentiert er jeweils sein Comic aus<br />

dem gemeindlichen Leben, das von den Lesern immer zuerst beachtet<br />

wird. Die alltägliche Wirklichkeit eines Hauskreises bringt er in seinem<br />

dritten Buch mit Witz und Würze gekonnt auf den Punkt, in dem er<br />

Freuden und Leiden dieser gemeindlichen Aktivität liebevoll und mit<br />

Humor so nachzeichnet, dass alle, die sich Woche für Woche in mehr<br />

oder weniger gemütlichen Wohnzimmern treffen, sich in diesem dritten<br />

Band seiner Bildgeschichten mehr als gut wieder erkennen.<br />

Roland Werner, Aufbruch zu Gott, 112 Seiten, Taschenbuch, R.<br />

Brockhaus, 6.90 EUR<br />

Unterwegs zu einem reifen Glauben:<br />

Der Afrikanist und Theologe ist nicht nur als Christival - Vorsitzender<br />

-58-


Für Sie gelesen<br />

und Leiter des Marburger Christus - Treff bekannt geworden. In seinem<br />

neuen Buch geht es ihm um den Lockruf, aus den Verkrustungen<br />

unserer täglichen Gewohnheiten heraus zu kommen und wieder das<br />

Wagnis der Nachfolge zu riskieren. Das heißt auch, sich neu zu öffnen<br />

und zu fragen, was etwa Durststrecken, gelebte Freundschaft, Bereitschaft<br />

zur Beichte, die Gemeinschaft der Heiligen, der Name Jesus in<br />

meinem Leben bedeuten können. Ein Satz gab mir zu denken: „Ich war<br />

im Leben so beschäftigt, dass ich keine Zeit für das Leben hatte!" 112<br />

Seiten zum Bedenken der eigenen Position und der Neuorientierung.<br />

Stephan Holthaus, Das Lachen der Erlösten, Warum Glaube und<br />

Humor zusammengehören 127 Seiten, Taschenbuch, Brunnen Basel,<br />

8,95 EUR<br />

Charisma Humor:<br />

In dem Gnadenkatalog des Korintherbriefes ist das Charisma Humor<br />

zwar unerwähnt, auch wenn der berühmte G.K. Chesterton schon<br />

freimütig behauptete: „Gott hat Humor, denn er hat den Menschen<br />

geschaffen." Und auf diese Spur führt uns ein Kirchenhistoriker, wenn<br />

er für die untrennbare Einheit von Glaube und Humor plädiert. Und<br />

das tut er sachkundig und mit guten Argumenten, um dieser unter uns<br />

verkümmernden Gnadengabe seinen wichtigen Platz zuzuweisen.<br />

Dabei kann er Humorvolles in den biblischen Geschichten und den<br />

lachenden Jesus nicht unerwähnt lassen, der auch das befreiende<br />

Lachen seiner erlösten Kinder nährt, wie uns in Beispielen aus der<br />

Kirchengeschichte vorgeführt wird. Das Buch wird dann schließlich<br />

praktisch konkret, wenn es nach der notwendigen Abgrenzung, was<br />

Humor eben nicht ist, den Segen des Humors in Predigt und<br />

Gottesdienst als Ferment der Gemeinschaft der Kinder Gottes preist.<br />

Angesichts der dauerhaften Mollstimmung in deutschen Landen und<br />

der depressiven Grundbefindlichkeit in den christlichen Gemeinden<br />

lockt das Buch, aus vollem Hals in das gebotene biblische Osterlachen<br />

einzustimmen.<br />

-59-


Für Sie gelesen<br />

...von Dr. Andreas Siebenhüner<br />

António Lobo Antunes: Was werd ich tun, wenn alles brennt? Roman,<br />

aus dem Portugiesischen übersetzt von Maralde Meyer-Minnemann.<br />

2003, Luchterhand Literaturverlag München, 25.00 EUR<br />

Bücher können wie Menschen sein. Manche erschließen sich schnell,<br />

lassen aber auch schnell das Interesse erlahmen. Andere wirken<br />

hermetisch, verschlossen kaum zugänglich, eröffnen aber dem<br />

Geduldigen eine wahre Schatzkammer, die immer wieder neue<br />

Perspektiven eröffnet. Der Roman von Antunes gehört sicherlich zur<br />

zweiten Kategorie, ist auf keinen Fall ein leichtes Lesevergnügen für den<br />

lauen Frühlingsabend. Er bietet aber dem Leser, der bereit ist zur<br />

Auseinandersetzung mit dem disparaten und inhomogenen Stoff des<br />

menschlichen Lebens, der fähig ist, dem vermeintlich gescheiterten<br />

eine zweite Chance zu geben, die ungeheure Welt der comedia<br />

humana.<br />

Was tut ein junger Mann, dessen Leben in Trümmern zu liegen scheint?<br />

Er, der nicht einmal seiner Identität sicher sein kann, die Ehe der Eltern<br />

gescheitert, der Vater tot und die eigene Drogensucht noch nicht<br />

überwunden, sucht nach einem Halt und Verlässlichkeit. Die spießige<br />

Welt seiner Pflegeeltern vermag ihm ebensowenig zu genügen wie die<br />

Verlockungen der Großstadt, die jedem neutral entgegenzukommen<br />

scheint und doch die wenigsten ungeschoren davonkommen läßt.<br />

Traum und Wirklichkeit durchdringen sich, werden gleichgültig, lassen<br />

kein Entkommen zu.<br />

Allerdings ist Lissabon mehr als nur die Metapher für eine beliebige<br />

Stadt. Hier verdichtet sich das Gefühl zu körperlichen Erscheinungen,<br />

die untergegangene Welt der Kolonialmacht Portugal feiert keineswegs<br />

fröhliche Urständ, klebt vielmehr bleiern an jeder Zukunft und für kaum<br />

ein Land ist die Mitgliedschaft in (West-) Europa so wichtig wie für<br />

Portugal. Allenfalls Irland kann sich ebensowenig aus seiner durch und<br />

durch katholisch geprägten Vergangenheit lösen und ist verurteilt, das<br />

verderbliche Gemisch aus Heuchelei und Bigotterie bis zur Neige zu<br />

leeren.<br />

-60-


Für Sie gelesen<br />

Ernst-Wilhelm Händler, Wenn wir sterben, Roman, 2003, Frankfurter<br />

Verlagsanstalt, 25.00 EUR<br />

Vier Frauen stehen im Mittelpunkt dieses Romans individuell und<br />

typisch zugleich. Das Verhältnis von Ökonomie und Individualität setzt<br />

die Spannungen frei, die ein gelingendes Leben kaum möglich werden<br />

lassen. Der 1953 geborene Autor sieht sehr genau die Verwundungen,<br />

die eine vermeintlich erfolgreiche Karriere hinterlässt, nicht nur bei den<br />

Zurückgebliebenen. Händler blickt hinter die glitzernden Fassaden und<br />

fragt nach den Folgen des Tuns, dem Soll unseres Habens.<br />

Eine Frau will nach oben, selbständig sein und erreicht ihr Ziel mit Hilfe<br />

zweier Freundinnen. Doch diese Freundinnen kehren sich gegen sie<br />

und werfen sie mit einer gezielten Intrige aus dem Nest. Das Eigentum<br />

an der Firma wechselt, aber nun beginnt erst die nächste Runde im<br />

Spiel. Die Inhaberin des mittelständischen Unternehmens träumt von<br />

der großen weiten Welt und es kommt wie es kommen muss: Gegen die<br />

Intrigantin wird intrigiert und das von einer Frau, die mit allen Wassern<br />

gewaschen ist.<br />

Vier Frauen sind Akteure und Opfer zugleich, stehen mit Mitte <strong>40</strong> am<br />

Scheideweg ihrer beruflichen Karrieren und müssen mit Selbst- und<br />

Fremdbestimmung leben: Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht<br />

kämpft, hat schon verloren. Was kann das in einer Gesellschaft heißen,<br />

die sich anschickt, den Geboten der Globalisierung zu gehorchen?<br />

Individualität wird nicht aufgehoben, erhält aber einen neuen<br />

Stellenwert jenseits der vertrauten Bindungen. Und die Sprache<br />

begleitet den ganzen Prozess, wird zum unbestechlichen Zeugen von<br />

Gewinn und Verlust ohne ein bestimmtes Ergebnis zu präjudizieren.<br />

Fritz Mierau (Herausgeber), Kauderwelsch des Lebens, Prosa der<br />

russischen Moderne, 2003, Edition Nautilus Hamburg, 19.90 EUR<br />

Menschliches, allzu Menschliches liegt diesem Buch zu Grunde. Da sind<br />

zum einen die Betrachter. Fern von jedem Perfektionsdruck leisten sie<br />

sich den Luxus auf Kleinigkeiten zu achten. Dass der Kaiser nackt ist,<br />

dürfte solchen Mitmenschen nicht allzu lange verborgen bleiben.<br />

-61-


Für Sie gelesen<br />

Allerdings stehen sie wie alle Menschen, die zu offen die Wahrheit<br />

sagen, in der Gefahr sich unbeliebt zu machen. Dem treten sie entgegen<br />

durch ihre Darstellungsweise. Grosse Erfahrung verhindert vordergründige<br />

Aufregung. Vermeintliche Skandale sind ihre Sache nicht.<br />

Noch der stärkste Wirbel entpuppt sich als Sturm im Wasserglas. Um<br />

nicht unnötig zu verletzen, sprechen sie in Gleichnissen. Eine geradezu<br />

pietistische Innerlichkeit sucht nach dauerhaften Werten angesichts der<br />

heftigen titanischen Gebärden der Zeitläufe. Und zum Schluß die<br />

Gemeinten. Innerlichkeit ließe sich ja auch als Zeichen der Resignation<br />

vor der bösen Welt verstehen. Wenn die Autoren dieses wunderbaren<br />

Buches von Alexander dem Grossen, von Sisyphos und vom<br />

Sonnenstürmer sprechen meinen sie ihre Mitmenschen und damit<br />

auch uns. Was haben wir den Weltverbesserern, Vollkommenheitsphantasten<br />

und Selbstheilern voraus? Die Frage möge jeder für sich<br />

selbst beantworten.<br />

24. <strong>April</strong><br />

bis 1.<strong>Mai</strong> <strong>2004</strong><br />

"Um Gottes Willen für den Menschen: Die Würde des Menschen am Ende<br />

seines Lebens" - so lautet das Thema der Woche für das Leben <strong>2004</strong>, die in<br />

der Zeit vom 24. <strong>April</strong> bis zum 1. <strong>Mai</strong> als gemeinsame Initiative der<br />

evangelischen und der katholischen Kirche in Deutschland stattfindet.<br />

In der Aktionswoche geht es sowohl um Fragen einer humanen<br />

Sterbebegleitung als auch um unsere Bestattungs- und Friedhofskultur.<br />

Ausdrücklich thematisiert wird der christliche Glaube an die Auferstehung von<br />

den Toten und an das ewige Leben. Die Woche für das Leben macht zudem<br />

auf die Situation all derer aufmerksam, die Sterbende auf ihrem Weg<br />

begleiten, sei es in der Familie, in ambulanter oder stationärer Pflege, in der<br />

Klinik oder im Hospiz.<br />

Die Aktionswoche, die auch in den kirchlichen Verbänden, Werken und<br />

Bildungseinrichtungen begangen wird, war erstmals 1991 von der<br />

katholischen Kirche veranstaltet worden.<br />

Seit 1994 beteiligt sich auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).<br />

-62-


IMPRESSUM: ESW-Informationsbrief <strong>Nr</strong>. <strong>40</strong> / 2-<strong>2004</strong><br />

Der ESW-Informationsbrief ist für Frauen und Männer im Ruhestand sowie für die<br />

interessierte Öffentlichkeit in Kirchen, Freikirchen, Politik und Gesellschaft.<br />

ESW-Info 2 / <strong>2004</strong><br />

-63-<br />

Herausgeber:<br />

Vorsitzender:<br />

Redaktion:<br />

-V.i.S.d.PR-<br />

EVANGELISCHES SENIORENWERK - Bundesverband für<br />

Frauen und Männer im Ruhestand e.V.<br />

Landesdiakoniepfr. i.R. Frieder Theysohn, Martin-Luther-Str. 3, 67346 Speyer<br />

Tel.: 06232/95501, Fax: 06232/980621, e-<strong>Mai</strong>l: Frieder.Theysohn@t-online.de<br />

Prof. Hanspeter Damian, Mandelring 10, 67157 Wachenheim<br />

Tel.: 06322/7243, Fax: 06322/982139, e-<strong>Mai</strong>l: esw.pressebuero@gmx.de<br />

Zuschriften, Druckvorlagen und Fotos werden an die Redaktion erbeten!<br />

Redaktionsschluß für die ESW-Info 3-<strong>2004</strong> ist der 14. <strong>Juni</strong> <strong>2004</strong><br />

Ständige Mitarbeiter: Ingrid Bader, Ludwigshafen; Kalligraphie: Annemarie Kleinitz, Bielefeld;<br />

Satz, Repro und Layout: Manfred Storck, Ludwigshafen; Druck: DW-Druckerei, Filderstadt.<br />

Nachdruck gestattet, Belegexemplare sind Pflicht. Für unaufgefordert eingesandte Fotos und Manuskripte<br />

übernehmen wir keine Verantwortung, auch nicht für deren Rücksendung. Bei Briefen und Manuskripten an die<br />

Redaktion wird das Recht zur - auch auszugsweisen - Veröffentlichung vorausgesetzt. Mit Namen oder Initialen<br />

gezeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar.<br />

Der ESW-Informationsbrief erscheint vierteljährlich.<br />

Der Bezugspreis wird durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten.<br />

Vertrieb als Streifbandzeitung, Vertriebskennzeichen: E 49498<br />

BESTELLUNGEN und ADRESSVERWALTUNG durch die<br />

ESW-Geschäftstelle: Postfach 10 11 42 in 70010 Stuttgart, Gerockstr. 17<br />

Geschäftsführung: Frau Elisabeth Heinecke, Tel.: 0711/2159- 136, Fax: -550<br />

Sekretariat: Frau Anneliese Alber, Tel.: 0711/2159 -137, Fax: -550<br />

e-<strong>Mai</strong>l: heinecke@diakonie.de + alber@diakonie.de<br />

Bankverbindung: Evang. Kreditgenossenschaft Kassel (EKK)<br />

Konto-<strong>Nr</strong>. 2623, BLZ 520 604 10<br />

Das ESW ist Mitglied folgender Organisationen:<br />

- Fachverband im Diakonischen Werk der EKD: F. Theysohn<br />

- <strong>BAGSO</strong>: Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen: F. Theysohn, E. Heinecke<br />

- EAFA: Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Altenarbeit der EKD: H. Beyer<br />

- ÖAB: Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen: R. Weiß<br />

- AMD: Arbeitsgemeinschaft Missionarischer Dienste: R. Weiß<br />

Beilagen dieser ESW-Info:<br />

Einladung und Anmeldung zum Seminar Lebenslinien; Zahlkarte des Schatzmeisters;<br />

Einladung und Anmeldung zum Seminar AusZeit.<br />

ESW-Info im Internet im Rahmen der <strong>BAGSO</strong> unter: www.bagso.de (siehe Porträt)<br />

ESW - Kontakt - Seite:<br />

Der ESW-Informationsbrief soll Sie unter der richtigen Adresse erreichen. Dazu<br />

benötigen wir Ihre gültige Anschrift. Wenn Sie Adressänderungen, Anfragen, z.B. zur<br />

ESW-Mitgliedschaft oder Materialbestellungen haben, dann schreiben Sie bitte in<br />

GROSSBUCHSTABEN an die ESW-Geschäftsstelle bzw. an die Redaktion. So helfen<br />

Sie uns bei der Bearbeitung!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!