29.12.2013 Aufrufe

INFORMATIONSBRIEF Nr. 40 / 2-2004 April - Mai - Juni - BAGSO

INFORMATIONSBRIEF Nr. 40 / 2-2004 April - Mai - Juni - BAGSO

INFORMATIONSBRIEF Nr. 40 / 2-2004 April - Mai - Juni - BAGSO

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />

besteht. Es gibt schließlich Fragmente, die nur auf den Kehrichthaufen<br />

gehören, und solche, die bedeutsam sind auf Jahrhunderte hinaus, weil<br />

ihre Vollendung nur eine göttliche Sache sein kann, also Fragmente, die<br />

Fragmente sein müssen - ich denke z. B. an die Kunst der Fuge. Wenn<br />

unser Leben auch nur ein entferntester Abglanz eines solchen<br />

Fragments ist, in dem wenigstens eine kurze Zeit lang die sich immer<br />

stärker häufenden verschiedenen Themata zusammenstimmen und in<br />

dem der große Kontrapunkt vom Anfang bis zum Ende durchgehalten<br />

wird, so dass schließlich nach dem Abbrechen - höchstens noch der<br />

Choral.-„ Vor deinen Thron tret' ich hiermit“ intoniert werden kann,<br />

dann wollen wir uns auch über unser fragmentarisches Leben nicht<br />

beklagen, sondern daran sogar froh werden“.Bonhoeffer sieht sein<br />

Leben und das seiner Generation als Fragment - und gibt doch den<br />

Traum eines vollendeten Lebens nicht auf.<br />

Mich haben diese Sätze als junge Studentin getröstet nach dem frühen<br />

Tod meines Vaters. Henning Luther geht einen Schritt weiter. Er stellt<br />

dem Traum vom vollendeten Leben das Bild vom Fragment als<br />

Entlastung entgegen. Er selbst ist im Alter von 44 Jahren gestorben - viel<br />

zu früh sagen viele Theologen, denen seine Beiträge zur Theologie<br />

fehlen. Denn er hat den Schritt von der Moderne in die Postmoderne<br />

mitvollzogen. Henning Luther schreibt: „Die nicht vorhersehbare und<br />

planbare Endlichkeit des Lebens lässt Leben immer zum Bruchstück<br />

werden.“ „ Gegen das Ideal der Ganzheit und Vollkommenheit möchte<br />

ich die Vorstellung vom Fragment ins Spiel bringen. Leben als<br />

Fragment zu verstehen, heißt nicht, erniedrigt zu werden, auf die<br />

Unvollkommenheit festgelegt zu werden, also klein gemacht zu werden.<br />

Dies meint keine falsche Bescheidenheit. Leben als Fragment zu<br />

verstehen, soll vielmehr eine Befreiung sein, die uns von falschen<br />

Idealen löst. P. Noll hat einmal in seinen „ Diktaten über Sterben & Tod "<br />

kurz vor seinem eigenen Krebstod geschrieben: „ Sehen wir das Leben<br />

vom Tode her, werden wir freier “...<br />

„In Abwandlung möchte ich nun formulieren: Sehen wir unser Leben<br />

als Fragment, werden wir freier. Oder: Verstehen wir unser Leben als<br />

Fragment, können wir aufatmen und leben."<br />

-30-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!