INFORMATIONSBRIEF Nr. 40 / 2-2004 April - Mai - Juni - BAGSO
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Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />
Im Zeitalter der Union sprach man plötzlich positiv von „den<br />
Protestanten“. In gewisser Weise machte man sich die gemeinsame<br />
Gegnerschaft zum Katholizismus zunutze. Es war nicht mehr wichtig,<br />
dass es seit 1529 in der evangelischen Bewegung keine gemeinsame<br />
Linie weder in theologischen Fragen noch in der Vertretung gemeinsamer<br />
Interessen mehr gegeben hatte. Von daher wirkte es ungeheuer<br />
befriedend auf das evangelische Lager, dass sich mit den Unionsbestrebungen<br />
zunächst in den preußischen Territorien, später in der<br />
Pfalz und in Baden Lutheraner und Reformierte als eine Kirche<br />
begriffen. Schleiermacher schrieb in der 1830/31 verfassten zweiten<br />
Auflage seiner Glaubenslehre, man könne „den Gegensatz zwischen<br />
Protestantismus und Katholizismus vorläufig so fassen, dass ersterer<br />
das Verhältnis des Einzelnen zur Kirche abhängig macht von seinem<br />
Verhältnis zu Christo, der letzte aber umgekehrt das Verhältnis des<br />
Einzelnen zu Christo abhängig macht von seinem Verhältnis zur<br />
Kirche“.<br />
Damit schrieb Schleiermacher ein Programm für das gesamte 19.<br />
Jahrhundert, denn man sprach nun mit Vorliebe dort von dem<br />
„Protestantismus“, wo es um eine gesamtevangelische Interessenpolitik<br />
im Gegenüber zum sich immer stärker politisch engagierenden<br />
Katholizismus ging. Vor allem in Preußen rüstete man sich gegen den so<br />
genannten „ultramontanistischen“ und von Rom aus fremdbestimmten<br />
Katholizismus zum Kulturkampf. War nach der gescheiterten<br />
Revolution von 1848 das Wort Protestantismus ein Erkennungszeichen<br />
derjenigen liberal gesinnten Theologen, die am Erbe der Aufklärung<br />
festhalten wollten und sich zu diesem Zweck im Protestantenverein<br />
sammelten, so diente dasselbe Wort nur wenige Jahrzehnte später zur<br />
Bezeichnung eines kämpferischen Programms zur „Wahrung der<br />
deutsch-protestantischen Interessen“ (so im Gründungsaufruf des<br />
Evangelischen Bundes 1886 in Erfurt).<br />
Schleiermachers rationalistische Kollegen aus Heidelberg legten die<br />
theologischen Grundlagen für die pfälzische Union von 1818. Das<br />
Programm, das für sie leitend war, war konsequent reformatorisch. Nur<br />
die heilige Schrift, und zwar das Neue Testament, sollte Grundlage des<br />
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