INFORMATIONSBRIEF Nr. 40 / 2-2004 April - Mai - Juni - BAGSO
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Aus Kirche, Politik und Gesellschaft<br />
Glaubens sein. Im Gegensatz zu den anderen Unionen wurden also<br />
nicht alle existierenden lutherischen und reformierten Bekenntnisse<br />
gemeinsam als Bekenntnisse in Geltung gesetzt, sondern sie wurden<br />
ihrer Funktion als verbindlicher Aussagegestalt des Glaubens beraubt.<br />
Diese Entscheidung der pfälzischen Protestanten und ihrer akademischen<br />
Berater, die vorher geltenden lutherischen und reformierten<br />
Bekenntnisse nicht in die neue Ordnung ihrer Unionskirche zu<br />
übernehmen und auch nicht durch neuformulierte Bekenntnisse zu<br />
ersetzen, sondern einfach auf die Schrift zu verweisen, sicherte der<br />
Pfälzischen Landeskirche gegenüber den lutherischen und<br />
reformierten Kirchen programmatisch einen Rationalitäts- und<br />
Modernitätsvorsprung. Bekenntnisschriften sind ja nichts anderes als<br />
Zeugnisse der Rationalitätsgestalt des christlichen Glaubens, wie er in<br />
einer bestimmten Zeit und anlässlich einer bestimmten Entscheidungssituation<br />
wahrgenommen und im Zusammenhang ausgedrückt wird.<br />
Bekenntnisse sind demnach immer nur Zeugnis einer geistigen<br />
Entwicklungsstufe des Glaubens in politischer, kultureller, philosophischer<br />
oder theologischer Auseinandersetzung.<br />
Diese vielfältigen Wandlungen und Umbrüche, die der Protestantismus<br />
seit seiner Entstehungszeit durchgemacht hat, machen heute einen<br />
erheblichen Teil seiner Identität aus. Der Protestantismus ist zwar durch<br />
die mutige Leistung und vor allem den theologischen Scharfsinn der<br />
Reformatoren entstanden, aber man kann ihn nicht auf die Bekenntnisse<br />
der Reformation reduzieren. Es gibt so etwas wie ein<br />
eigenständiges protestantisches Milieu, das eigenständige protestantische<br />
Lebenswelt hervorbrachte, die nicht verrechenbar sind mit dem<br />
Wortlaut irgendwelcher Bekenntnisschriften, die sowieso nicht in allen<br />
evangelischen Kirchen gelten.<br />
Dieses in langen Jahrhunderten entstandene protestantische Milieu<br />
nicht mehr gewissenhaft zu pflegen, wäre für den Protestantismus der<br />
Anfang seiner Selbstaufgabe. Der Protestantismus wäre dann nur noch<br />
auf einige lutherische oder reformierte Bekenntnisschriften reduziert.<br />
Man könnte die Unterschiede zum Katholizismus durch Lehrgespräche<br />
überwinden und die evangelischen Kirchen in die von Rom regierte<br />
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