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Recenzenci / Gutachter Marek Hałub, Lucyna Wille Projekt okładki i ...

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Erzählungen sind Medizin – Luise Büchners…<br />

143<br />

lässt. Büchner selbst erklärt Gutzkow, auf seinen Vorwurf antwortend, die<br />

Figur der Frau Holle am 25.02.1868 so:<br />

Die Verehrung der Frau Hulda war im Odenwalde sehr groß, wie überhaupt<br />

in Süddeutschland, dann machte das Mittelalter eine böse Hexe aus ihr und<br />

nannte sie Frau Holle; ihre Ehren trugen sich in den Mariencult über, […]. In<br />

allen Ländern hat die Maria die alten Götter verdrängt, nur in Deutschland<br />

nicht […]. 20<br />

Die unermüdlich fleißige Frau Holle, die ihre Kräfte schwinden fühlt, macht<br />

sich Gedanken um ihre Nachfolge und bittet Freund Storch 21 , ihr das beste und<br />

frömmste Kind zu bringen, denn sie wünsche sich ein Töchterchen. 22 Gleich<br />

einer unbefleckten Empfängnis bringt der Klapperstorch 23 das gewünschte<br />

Kind, das er, geleitet von einem Stern, in einer Krippe in einem fernen, immer<br />

heißen Land fand, 24 was den Bibelbezug durch die Anspielung auf die<br />

Krippe zu Bethlehem eindeutig herstellt. Das das Jesuskind symbolisierende<br />

Christkind wird bei Luise Büchner zu einem Mädchen; wir haben es hier demnach<br />

nicht nur mit einer bewusst herbeigeführten Entmystifizierung, sondern<br />

damit einhergehend mit einer Verweiblichung der Christusfigur zu tun.<br />

Am Ende der ersten Erzählung wird infolgedessen Weihnachten als alljährliches<br />

Fest zur Erinnerung – nicht an Christi Geburt – sondern an Christkinds<br />

Geburtstag gefeiert. 25 Dies bewirkt eine stärkere Orientierung am normalen<br />

Lebensalltag der Kinder, wodurch quasi eine endgültige Säkularisierung<br />

der Christusfigur vollzogen wird. Die volkstümliche Bezeichnung „das<br />

Christkind“ und damit auch das zugehörige Personalpronomen „es“ nehmen<br />

der aufgezeigten Verweiblichung in gewisser Weise den provokativen<br />

Charakter; das Christkind bleibt jedoch eine engelhafte Figur mit weiblichen<br />

Zügen; es ist lieb und fromm und hat schneeweiße Haut, goldene Locken,<br />

blaue Augen und Flügel auf dem Rücken. 26 Luise Büchner erklärt in ihrem<br />

Antwortschreiben an Gutzkow vom 25.02.1868:<br />

20 Gerhard K. Friesen: „Wir können alle gar nicht Respect genug vor Ihnen haben.“ (Anm.<br />

3), hier: S. 48.<br />

21 Als Propheten für Kindersegen sind eigentlich am oder im Wasser lebende Tiere typisch (vgl.<br />

Felix Karlinger: Grundzüge einer Geschichte des Märchens im deutschen Sprachraum. Wissenschaftliche<br />

Buchgesellschaft. Darmstadt 1983 (Grundzüge; Bd. 51), S. 59; vgl. auch Anm. 233.<br />

22 Vgl. Luise Büchner: Weihnachtsmärchen (Anm. 2), S. 11f.<br />

23 Klapperstörche sind ein Märchenmotiv; schon bei Andersen holen die Störche lieben Kindern<br />

Geschwister aus einem Teich (Wasser = Ursprung des Lebens!), während den bösen Kindern<br />

tote Babys gebracht werden (vgl. Hans­Christian Andersen: Sämtliche Märchen in zwei<br />

Bänden. Übersetzt von H. Denhardt. Reclam jun. Leipzig 1914, S. 196–201); in Schwaben gibt<br />

es hingegen den Volksglauben, die Frau Holle hüte den „Kindlesteich“ und bringe den Kindersegen,<br />

indem die Kinder in die Welt „hereingeschneit“ kämen (vgl. Wilhelm Laiblin: Das Urbild<br />

der Mutter. (Anm. 17), hier: S.107).<br />

24 Vgl. Luise Büchner: Weihnachtsmärchen (Anm. 2), S. 14.<br />

25 Ebd., S. 16.<br />

26 Ebd., S. 13.

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