W O C H E N E N D D - Kurt Viebranz Verlag
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POLITIK & GESELLSCHAFT 29. Juli 2011 Wochenend Anzeiger Seite 3<br />
Mit schreckgeweiteten Augen bäumt sich ein etwa zwei Monate<br />
altes Pony auf. Die Luft riecht nach versengtem Eiweiß. Hinter<br />
dem Pony ist noch die große Rauchschwade vom Brenneisen sichtbar.<br />
Im Vordergrund das Brandeisen. Fotos: Denise Ariaane Funke<br />
Fohlenbrennen: ab November 2012 gesetzlich verboten<br />
Kankelau/Berlin (daf) Nach<br />
dem Tierschutzgesetz ist das<br />
grundlose Zerstören von Gewebe<br />
an Wirbeltieren verboten.<br />
Der bei Pferdezüchtern<br />
traditionelle Schenkelbrand<br />
stellt hier jedoch noch eine<br />
Ausnahme dar. In Ländern wie<br />
beispielsweise Dänemark und<br />
Österreich ist die Kennzeichnung<br />
durch das etwa 800°C<br />
heiße Brandeisen, das ein bis<br />
zwei Sekunden auf den Schenkel<br />
des Tieres gepresst wird,<br />
seit einigen Jahren verboten.<br />
Schließlich entstehen hierbei<br />
Verbrennungen dritten Grades.<br />
Auch wissenschaftlich ist<br />
bewiesen, dass Ausweichreaktionen,<br />
wie erhöhte Temperatur<br />
am Wundbereich auftreten.<br />
Teilweise sind sie noch<br />
zwei Wochen nach der Brandzeichnung<br />
nachweisbar. Tragisch<br />
hierbei ist, das Pferde zu<br />
den Fluchttieren gehören. Aus<br />
einem Urinstinkt heraus las-<br />
Nachrichten für Nachbarn<br />
WARUM<br />
den Weg<br />
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Liebe Nachbarinnen<br />
und Nachbarn,<br />
sen sie sich Schmerzen daher<br />
nur einen kurzen Augenblick<br />
anmerken, um instinktiv den<br />
Anschluss an ihre Herde nicht<br />
zu versäumen. Das schmerzhafte<br />
Ritual der Brandzeichnung<br />
ist dabei längst überflüssig.<br />
Seit 1. Juli 2009 ist die<br />
Mikrochippflicht eingeführt.<br />
Hierbei wird dem Tier mit einer<br />
Kanüle ein Mikrochip in<br />
die linke Halsseite implantiert.<br />
Auf dem eingepflanzten Transponder<br />
sind, ähnlich wie bei<br />
Katzen und Hunden, alle zur<br />
Identifizierung vorhandenen<br />
Daten vorhanden. Obwohl die<br />
Brandzeichnung somit überflüssig<br />
geworden ist, halten<br />
noch viele deutsche Zuchtverbände<br />
an der für die Tiere<br />
schmerzhaften Prozedur aus<br />
Tradition fest. Die Bundesregierung<br />
gab vor wenigen Tagen<br />
bekannt, dass das Fohlenbrennen<br />
Ende nächsten Jahres<br />
nun auch in Deutschland ver-<br />
Bundestag und Bundesrat haben in diesem<br />
Sommer die 13. Novelle des Atomgesetzes<br />
verabschiedet. Mit dieser Gesetzesänderung<br />
sind die Laufzeitverlängerung für die<br />
deutschen Kernkraftwerke zurückgenommen<br />
und die Schritte zum Ausstieg aus der<br />
Kernenergie bis 2022 festgelegt worden.<br />
Unser Kernkraftwerk in Krümmel gehört zu<br />
den acht Anlagen, die nach Inkrafttreten<br />
des Gesetzes ihre Berechtigung zum<br />
Leistungsbetrieb verlieren. Die übrigen<br />
neun deutschen Kernkraftwerke werden<br />
zwischen 2015 und 2022 abgeschaltet.<br />
Die neue politische Richtung hat deutliche<br />
Veränderungen für unsere Arbeit zur Folge.<br />
Das Ziel unserer Planungen, Investitionen<br />
und Arbeiten war es in der Vergangenheit,<br />
das Kraftwerk wieder anzufahren und einen<br />
sicheren und zuverlässigen Produktionsbetrieb<br />
zu gewährleisten. Nun gehen wir<br />
bis zur Entfernung der Brennelemente in<br />
die Nachbetriebsphase und müssen uns<br />
auf einen Stilllegungsbetrieb einstellen. Um<br />
Entscheidungen über dafür erforderliche<br />
Änderungen vorzubereiten, haben wir einen<br />
Planungsprozess gestartet. Kolleginnen<br />
und Kollegen aus unterschiedlichen<br />
Bereichen und allen Standorten arbeiten<br />
dabei an verschiedenen technischen und<br />
arbeitsplatzbezogenen Konzeptvorschlägen.<br />
Die Aufgaben und Tätigkeiten unserer<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden<br />
sich in Zukunft wesentlich verändern.<br />
Stilllegung und Rückbau eines Kernkraftwerks<br />
sind große Aufgaben, die sich über<br />
einen langen Zeitraum erstrecken. Kenntnisse<br />
und Fähigkeiten, die für den Betrieb<br />
und die Technik der Kraftwerkssysteme<br />
erforderlich sind, werden auch in der<br />
Nachbetriebsphase und für die Planung,<br />
Vorbereitung und Durchführung des<br />
Rückbaus benötigt. Auch wenn das<br />
Kraftwerk keinen Strom mehr produzieren<br />
darf, gibt es für uns noch viel zu tun.<br />
Ihr Ernst Michael Züfl e<br />
Technischer Geschäftsführer<br />
Kernkraftwerk Krümmel GmbH & Co. oHG<br />
Wenn Sie zusätzliche Informationen wünschen oder Antworten auf Fragen zur<br />
Kernenergie und zum Kernkraftwerk Krümmel suchen, wenden Sie sich gern an<br />
unser Informationszentrum: Petra Kunert, Tel. 04152-59 40.<br />
Das frisch gebrannte Fohlen rennt wild über die Koppel. Es ist ein<br />
Fluchttier und zeigt seinen Schrecken.<br />
boten wird. Die Lobby der<br />
Deutschen Pferdezüchter ist<br />
zwiegespalten. Dies bewies<br />
auch das jüngst veranstaltete<br />
Fohlenbrennen in Kankelau.<br />
Wolfgang Rogge, erster Vorsitzender<br />
des Körbezirks Lauenburg/Stormarn,<br />
besitzt eine<br />
Shetlandponyzucht. Fohlen<br />
die auf seinem Hof geboren<br />
werden, werden seit Einführung<br />
der Chippflicht nicht<br />
mehr gebrannt. »Bei vielen<br />
Shetlandponyzüchtern ist das<br />
Brennen bereits aus tierschutzrechtlichen<br />
Gründen<br />
verpönt«, weiß der Züchter.<br />
Auch der Züchter Manfred<br />
Kapke aus Tramm, der etwa 50<br />
Shetlandponys besitzt, lässt<br />
seine Tiere nicht mehr brennen.<br />
»Das Fell dieser Rasse ist<br />
zudem sehr dick, es kommt daher<br />
nicht selten vor, dass man<br />
den Brand nach einiger Zeit<br />
unter dem dicken Fell gar nicht<br />
mehr sieht. Das Chippen reicht<br />
vollkommen aus, um das Tier<br />
zu identifizieren«, erklärt der<br />
erfahrene Züchter. 21 Fohlen<br />
wurden durch die Zuchtleiterin<br />
des Pferdestammbuches<br />
Dr. Elisabeth Jensen in Kankelau<br />
gekürt. Nach einem Punktesystem<br />
wurden sie nach rassetypischen<br />
Merkmalen wie<br />
Aussehen und Gang benotet<br />
und anschließend ausgezeichnet.<br />
Ihr Team bot das Chippen<br />
und die Ausstellung des Equidenpasses<br />
an. Auf Wunsch<br />
wurden die Jungtiere auch zusätzlich<br />
durch den Schenkelbrand<br />
gekennzeichnet. 10 Ponyfohlen,<br />
also etwa die Hälfte<br />
der Fohlen, wurden zusätzlich<br />
mit dem Brandeisen gekennzeichnet.<br />
Kinder hatten auf dem Roggenhof<br />
Gelegenheit auf Ponys<br />
zu reiten.<br />
Ein reichhaltiges Kuchenbuffet<br />
lud Pferdebesitzer und Gäste<br />
zum Schlemmen ein.<br />
Einer von uns: Michael<br />
Dereschewitz, Schichtleiter<br />
in Ausbildung<br />
Einmal Wasserratte, immer Wasserratte.<br />
Diese Aussage trifft auf Michael Dereschewitz<br />
zu wie auf kaum einen Zweiten.<br />
Von Kindesbeinen an ist er mit dem Meer<br />
verbunden, hat als studierter Schiffsbetriebstechniker<br />
auf dessen Wellen die<br />
Welt umfahren und verbringt auch in der<br />
Freizeit am liebsten jede freie Minute auf<br />
dem Wasser. Vor wenigen Tagen hat er<br />
seinen 43. Geburtstag gefeiert – auf<br />
seinem Segelboot, versteht sich. Bei so<br />
viel Leidenschaft überrascht es, dass der<br />
gebürtige Flensburger seinen Arbeitsplatz<br />
auf hoher See gegen eine Ausbildung<br />
zum Schichtleiter in einem Kernkraftwerk<br />
eingetauscht hat. 2001 ging er zunächst<br />
nach Philippsburg, im März 2010 wechselte<br />
er ins Kernkraftwerk Krümmel. Die<br />
Antwort hierauf ist leicht gegeben: „Aus<br />
privaten Gründen.“ Der Familienvater<br />
zweier Kinder ergänzt: „Meine Frau hat<br />
oft darunter gelitten, dass ich monatelang<br />
unterwegs war. Irgendwann musste<br />
ich mich entscheiden. Die Kernenergie<br />
fand ich immer schon spannend. Und so<br />
weit liegen Schiffe und Kraftwerke auch<br />
gar nicht auseinander“, erklärt er gut<br />
gelaunt. „Beide leben von einem ausgeprägten<br />
Teamgeist und auch die technischen<br />
Herausforderungen und<br />
Lösungsansätze sind ähnlich.“<br />
Keine EHEC-Erreger<br />
in Wässern gefunden<br />
Kiel (zrcw) - Das schleswig-holsteinische<br />
Umweltministerium<br />
hat in einem Sonderuntersuchungsprogramm<br />
die mögliche<br />
Belastung der Fließgewässer<br />
durch Kläranlagenabläufe<br />
überprüft. Es reagierte damit<br />
auf den Nachweis des EHEC-Erregers<br />
Mitte Juni in einem Bach<br />
in Hessen. In keiner der insgesamt<br />
32 schleswig-holsteinischen<br />
Proben aus Kläranlagen<br />
wurde jedoch der EHEC-Erreger<br />
nachgewiesen, teilte das Umweltministerium<br />
vorgestern<br />
mit. Im Hinblick auf die zahlreichen<br />
Erkrankungsfälle in<br />
Schleswig-Holstein wollte das<br />
Ministerium der Frage nachgehen,<br />
ob und inwieweit eine<br />
Belastung der Gewässer durch<br />
EHEC-Erreger da auftreten<br />
kann, wo Erkrankte leben oder<br />
medizinisch behandelt worden<br />
sind. Aus den Meldedaten über<br />
EHEC-Erkrankte wurden daher<br />
so genannte Schwerpunktgebiete<br />
abgeleitet. Die Kreise<br />
Herzogtum Lauenburg, Pinneberg,<br />
Stormarn, Nordfriesland<br />
und Schleswig-Flensburg waren<br />
am stärksten von EHEC-Erkrankungen<br />
betroffen. Je zwei<br />
Kläranlagen der betroffenen<br />
Kreise wurden beprobt, auf Untersuchungen<br />
im Kreis Pinneberg<br />
wurde wegen der zentralisierten<br />
Abwasserbeseitigung in<br />
der Kläranlage Hetlingen jedoch<br />
verzichtet, da die große<br />
Verdünnung des Abwassers sowie<br />
eine gezielte Schlammbehandlung<br />
einen Nachweis<br />
des EHEC-Erregers nahezu ausschließt.<br />
Untersucht wurde jeweils<br />
das Abwasser nach der<br />
Vorklärung, im Kläranlagenablauf<br />
und im Gewässer circa<br />
20 Meter nach der Einleitstelle<br />
sowie eine Probe des Klärschlamms.<br />
Alle Untersuchungen<br />
blieben ohne Nachweis des<br />
EHEC-Erregers. Das Landesamt<br />
für Landwirtschaft, Umwelt<br />
und ländliche Räume hat die<br />
Probenahmen organisiert und<br />
koordiniert. Auch bei den bisher<br />
in Schleswig-Holstein von<br />
einigen Gesundheitsbehörden<br />
durchgeführten Untersuchungen<br />
von Badegewässern ließen<br />
sich keine EHEC-Erreger nachweisen.<br />
Wie die meisten seiner Kollegen fühlt sich<br />
auch Michael Dereschewitz derzeit sehr<br />
verunsichert. „Wir Schichtleiter in Ausbildung<br />
wissen noch nicht genau, wie es für<br />
uns nach dem Aus für Krümmel weitergeht.<br />
Natürlich demotiviert uns die Situation.<br />
Aber sie bietet – wie die meisten Um -<br />
bruchsituationen – auch neue Chancen.<br />
Dabei mitzuhelfen, von ‚Betrieb’ auf<br />
‚Rückbau’ umzuschalten, ist für mich<br />
jetzt erst mal das Ziel. Ich bin im Leben<br />
viel herumgekommen und kann aus<br />
Erfahrung sagen: Wenn sich eine Tür<br />
schließt, öffnen sich drei neue.“<br />
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