15.02.2013 Aufrufe

Die Vertreibung Böhmen als Lehrstück

Die Vertreibung Böhmen als Lehrstück

Die Vertreibung Böhmen als Lehrstück

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

gerechten Kopf auch den Aufschwung von Gewerbe und Handel<br />

sah, den die Kolonisierung gebracht hatte. Aber die tschechische<br />

Version war völlig eindeutig. <strong>Die</strong> eigentlichen Erben<br />

des Landes waren die Tschechen, die deutschen »Kolonisten«<br />

waren Gäste, die von den böhmischen Königen eingeladen<br />

worden waren und die sich auch <strong>als</strong> Gäste aufzuführen hatten.<br />

<strong>Die</strong> Deutschen in den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts<br />

hätten sie <strong>als</strong> Gastarbeiter bezeichnet.<br />

Selbstverständlich gab es die deutsche Gegenlegende. In der<br />

waren die Bauern,die den Wald rodeten,Kulturheroen,die Kolonisierung<br />

war eine kulturelle Großtat und die Tschechen ein<br />

rückständiges Volk, dem erst die deutschen Bauern das richtige<br />

Ackern beigebracht hatten. Natürlich waren Bauernfamilien,<br />

die bereit waren, ihre Heimat zu verlassen und in einem fremden<br />

Urwald neu anzufangen, eine Auslese der Tüchtigen und<br />

Unternehmungslustigen. Sie spielten auch bei der Gründung<br />

von Städten eine große Rolle. »Kulturheroen« waren sie nicht.<br />

Vergessen wir die asiatischen Reitervölker, von denen wir<br />

nicht sehr viel wissen.Vergessen wir die historischen Schulen,<br />

die behaupteten, die böhmischen Slawen würden von je her auf<br />

ihrem Grund und Boden leben. »<strong>Die</strong>se Theorie«, sagt der tschechische<br />

Historiker Rudolf Turek, »kann uns die komplizierten<br />

sozialhistorischen Prozesse nicht erklären, die sich in diesem<br />

Territorium abgespielt haben. Daher muss man sich die Anschauung<br />

zu eigen machen, dass die Slawen ihre Wohnsitze in<br />

<strong>Böhmen</strong> erst um das 5. bis 6. Jahrhundert nach Christus einnahmen.«<br />

<strong>Die</strong> erste große Welle der deutschen Ostsiedlung<br />

kam im 12. Jahrhundert. <strong>Die</strong> Anfänge des slawischen <strong>Böhmen</strong>s<br />

liegen <strong>als</strong>o deutlich vor den Anfängen des deutschen <strong>Böhmen</strong>s.<br />

Aber was besagt das? Ein »Deutschtum« gab es dam<strong>als</strong> nicht.<br />

Und Gemischtsprachigkeit war selbstverständlich. <strong>Die</strong> Bevölkerungen<br />

des heutigen Frankreichs oder des heutigen Englands<br />

waren über Jahrhunderte in zahlreiche Sprachgruppen zerfallen,<br />

nicht anders <strong>als</strong> in <strong>Böhmen</strong>, Mähren und Schlesien.<br />

<strong>Die</strong> deutsche Einwanderung war ein langer Prozess,ein langes<br />

Hin und Her, und sie hatte ökonomische Gründe. <strong>Die</strong> Grund-<br />

22

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!