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Die Vertreibung Böhmen als Lehrstück

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mit verschiedener Sprache und verschiedenen Bräuchen. Sie<br />

lebten manchmal in Freundschaft, manchmal in Feindschaft<br />

miteinander, dann wieder fast ohne Kenntnis voneinander zu<br />

nehmen.Aber noch war die Überzeugung nicht vorhanden,<br />

dass die Nationalität das Organisationsprinzip des Staats sein<br />

solle.« Das stammt aus dem Jahr 1928.<br />

Daran ist richtig, dass es viele Jahrhunderte keine nationalistische<br />

Theorie gab. Man kann sich aber auch ohne Theorie totschlagen,wenn<br />

man sich nicht versteht.1502 rief bei einer harten<br />

Auseinandersetzung ein tschechischer Bürger dem deutschen<br />

Abt und Stadtherrn in Tepl zu: »Herr Abt, ihr nehmt jeden<br />

Deutschen, Bayern und Sachsen [man muss diese Reihe<br />

– Deutsche, Bayern und Sachsen – sehr bewusst aufnehmen]<br />

auf, und wisst nicht einmal, woher sie stammen und was für<br />

Leute das sind, und diese wollen dann über uns herrschen und<br />

unsere Herren sein.« In Krumau forderten 1649 die deutschen<br />

Bürger, dass der deutsche Gottesdienst aus der viel zu kleinen<br />

Jakobuskirche in die Veitskirche verlegt würde, die den Tschechen<br />

vorbehalten war, obwohl diese kaum zehn Familien in<br />

der ganzen Bürgerschaft ausmachten. 1526 schrieb das Erzbistum<br />

Prag an den Pilsner Stadtrat, »es solle in den Kirchen und<br />

Klöstern der Stadt das Wort Gottes nur auf Tschechisch gepredigt<br />

werden, die Deutschen mögen lieber Tschechisch lernen,<br />

<strong>als</strong> dass eine so ausgezeichnete tschechische Stadt deutsch werden<br />

sollte«, und 1615 wurde ein böhmisches Sprachengesetz erlassen,<br />

das uns ungeheuer modern vorkommen muss: Kein des<br />

Tschechischen unkundiger Ausländer sollte <strong>als</strong> Bewohner des<br />

Landes oder Bürger einer Stadt aufgenommen werden. »Des<br />

Tschechischen kundige Standespersonen, die nicht tschechisch,<br />

sondern eine fremde Sprache sprechen, was eine Verachtung<br />

ihrer eigenen Muttersprache darstellt und der ganzen<br />

Nation zur Schande gereicht, sollten binnen einem halben Jahr<br />

das Land verlassen.« Man könnte Hunderte solcher Beispiele<br />

zusammentragen.<br />

Es sind vor allem zwei große geschichtliche Verknotungen,<br />

die Tschechen und Deutsche – von den Slowaken war bis ins<br />

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