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Die Vertreibung Böhmen als Lehrstück

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kleinen Minderheiten, dann die Raserei der Nazis, die <strong>Vertreibung</strong><br />

von drei Millionen Deutschen und schließlich die Trennung<br />

zwischen Tschechen und Slowaken.Wohin führt die Zukunft?<br />

<strong>Die</strong>ser Bericht beschreibt den Weg von 1848 bis 1946,<br />

einen Weg – wie Franz Grillparzer gesagt hat – von der Humanität<br />

durch die Nationalität zur Bestialität.<br />

Aber was heißt: von der Geschichte zusammengewürfelt?<br />

<strong>Die</strong> Geschichte ist kein Gott,der würfelt. <strong>Die</strong> berühmte Denkfigur<br />

– Wir waren die Ersten hier, uns gehört dieses Land, die anderen<br />

sind Eindringlinge – spielte und spielt überall auf der<br />

Welt eine verhängnisvolle Rolle. Auch in <strong>Böhmen</strong>. Tomás<br />

Garrigue Masaryk zum Beispiel, der bedeutendste Politiker der<br />

tschechischen Geschichte und Gründer der ersten Tschechoslowakischen<br />

Republik, war kein patriotischer Dummkopf, kein<br />

Hornvieh-Nationalist, kein Deutschenhasser, sondern ein<br />

selbstkritischer Legendenzerstörer,der immer wieder den Menschen<br />

suchte, wo andere nur den Tschechen sahen. Aber in seiner<br />

ersten Botschaft »An die tschechoslowakische Nation« vom<br />

22. Dezember 1918 sagte er über die Deutschen: »Was die<br />

Deutschen in unseren Ländern betrifft,ist unser Programm längst<br />

bekannt; das von den Deutschen bewohnte Gebiet ist unser<br />

Gebiet und wird unser bleiben … Ich wiederhole:Wir haben<br />

unseren Staat geschaffen;dadurch ist die staatsrechtliche Stellung<br />

unserer Deutschen bestimmt, die ursprünglich <strong>als</strong> Immigranten<br />

und Kolonisten in das Land kamen.« Immigranten und<br />

Kolonisten! In dem harmlosen Wort »ursprünglich« steckt der<br />

Hinweis auf 800 Jahre. Dam<strong>als</strong> siedelten sich Süddeutsche in<br />

Mähren (Brünn/Brno und Olmütz/Olomouc), in den Waldgebieten<br />

der böhmisch-mährischen Höhe (Iglau/Jihlava) und an<br />

hervorstechenden Punkten <strong>Böhmen</strong>s, (in Prag, Pilsen/Plzem,<br />

Leitmeritz/Litomeqice, Königgrätz/Hradec Králové) an.<br />

Masaryk mag diesen Zungenschlag bald bedauert haben.Kurz<br />

danach sprach er über »unsere Deutschen« mit so herzlichem<br />

Wohlwollen wie kein anderer tschechischer Politiker.Aber er<br />

formulierte in seinem Hieb auf die Immigranten und Kolonisten<br />

nur ein altes tschechisches Stereotyp. Schon im 14. Jahrhun-<br />

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