Die Vertreibung Böhmen als Lehrstück
Die Vertreibung Böhmen als Lehrstück
Die Vertreibung Böhmen als Lehrstück
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
fach durch Verträge erzwungen hatten. Es gab ein Jus revocandi:<br />
Wessen man habhaft werden konnte, den holte man zurück. Da<br />
zog keine Schicks<strong>als</strong>gemeinschaft von Kolonisten mit kultureller<br />
Mission gen Osten. Da suchten sich Flüchtlinge eine neue<br />
Heimat, gelegentlich mussten sie »Antrittsgeld« zahlen.<br />
Was da ablief, war keineswegs ein böhmischer, sondern ein<br />
europäischer Vorgang. Es gab einen binnendeutschen Landesausbau,<br />
eine flämische »Kolonisierung« im späteren Deutschland,<br />
die deutsche »Kolonisierung« in <strong>Böhmen</strong>, Mähren, Schlesien,<br />
Ungarn, die tschechische »Kolonisierung« im Königreich<br />
Ungarn, die polnische in Russland und so weiter. Es war ein<br />
dramatisches Auf und Ab. Das 15. Jahrhundert zum Beispiel ist<br />
von einem starken Siedlungsrückgang bestimmt. Man redet von<br />
einem Wüstungsprozess.Der Wald kam zurück.Es gab Flurwüstungen<br />
und Siedlungswüstungen, gegen Ende des Mittelalters<br />
zum Beispiel war ein Großteil der östlichen Sudeten vollständig<br />
entsiedelt. <strong>Die</strong> Wahrheit ist: Bevor irgendjemand das Land<br />
zu seinem Eigentum erklären konnte,musste es in bewohnbares<br />
Land verwandelt werden.<strong>Die</strong> Menschen,die das taten,ob Deutsche<br />
oder Tschechen, waren zuerst einmal arme Hunde, Untertanen.<br />
Nach dem Dreißigjährigen Krieg erfanden die Herrschaften<br />
sogar die Leibeigenschaft.Wir haben keinen ewigen<br />
ethnischen Kampf zwischen »Deutschtum und Tschechentum«<br />
vor uns, wie Palacky meinte, sondern einen wirtschaftlichen<br />
Vorgang. Im Jahre 1091 sagte die Fürstin Hildburg zu König<br />
Wratislaw II.: »Nirgends wirst du dich eher bereichern und zu<br />
Macht und Ansehen kommen, <strong>als</strong> in dem Burgflecken zu Prag<br />
und in dem Dorfe am Wyschehrad, denn da gibt es Juden, alle<br />
Taschen voller Silber und Gold, dahin kommen aus allen Ländern<br />
die reichsten Händler, da findest du die vermögendsten<br />
Wechsler, da Kaufstätten, in denen Beute in Überfülle deiner<br />
Krieger wartet.«<br />
Kein Ostlandritt; weder ein böser Drang nach Osten noch<br />
eine Großtat des »deutschen Volkes«. Niemand hatte wirkliche<br />
Gewalt über die großen Herren, die taten, was ihnen nützte.<br />
Und nirgends im Reich hätte man eine Stelle finden können,<br />
24