diagnose-funk.org | <strong>kompakt</strong> | <strong>2015</strong> - 2 | seite 12Messkampagne der Stadt MünchenSteht das Ergebnis schon vorher fest?"Am Montag hat in München eine Studiegestartet, mit der die kompletteStrahlenbelastung im Alltag dokumentiertwerden soll. Gerade die MünchnerInnenstadt ist voller Strahlung. VieleBürger machen sich Sorgen, ob vondieser zunehmenden Dauerstrahlunggesundheitliche Schäden ausgehenkönnen.Das Umweltreferat der Stadt hat daherverschiedene Orte für die Messungenausgesucht: etwa den Marienplatz,Schulen, das Rathaus, öffentliche Verkehrsmittelund die Wohnungen vonBürgern, die ihre Besorgnis bereitsmitgeteilt haben," schreibt die SüddeutscheZeitung (SZ) am 01.06.<strong>2015</strong>.(http://www.sueddeutsche.de/muenchen/funksignale-in-muenchenalles-strahlt-1.2502474)Es ist zu begrüßen, wenn die Strahlenbelastungobjektiv ermittelt wird. Diebetroffenen Anwohner müssen überprüfen,ob Worst-Case-Szenarien gemessenwerden, d.h. ob im Hauptstrahlund in oberen Stockwerken gemessenwird. Doch die Aktion beginnt schonmit Merkwürdigkeiten. Dr. Bornkessel,der die Daten erhebt, ist gleichzeitigMitglied der Strahlenschutzkommissionund lässt sich von der Industriefinanzieren:"Die Studie wird übrigens vom InformationszentrumMobilfunk finanziert,einem von Mobilfunkbetreibern gegründetenVerein. Einfluss auf die Ergebnisse,versichert Bornkessel, nehmeder Verein aber nicht." (SZ vom01.06.<strong>2015</strong>) Bornkessel weiß sicher,dass das IZMF nicht selbstlos Gelderzur Verfügung stellt. Denn seine Messergebnisse,auch das weiß Dr. Bornkessel,werden so interpretiert werden:An allen Messpunkten von Mobilfunksendeanlagenwurden dieGrenzwerte weit unterschritten,eine Ausschöpfung von 10% isteine Ausnahme.Die eigenverursachte Belastungdurch DECT-Telefone, <strong>WLAN</strong> undSmartphones ist wesentlich höherwie durch die Sendeanlagen.Mit diesen Argumenten wird eine Entwarnungskampagnegestartet werden,ein Risiko gegen das andere ausgespielt(Endgeräte vs. Sendeanlagen),den Nutzern ein schlechtes Gewissengemacht und von den Schutz-und Regulierungsaufgabender Kommune abgelenkt.Es wird nicht darüber aufgeklärtwerden, dass der Grenzwert keinemedizinische Schutzkomponente enthält,dass der BUND Werte fordert, die10.000-fach unter dem Grenzwert liegen,dass Studien vorliegen, die Schädigungenim Normalbetrieb, weit unterhalbder Grenzwerte nachweisen.Die betroffenen MünchnerInnen dürfensich also nicht bluffen lassen: nehmenSie die Grenzwert-Kriterien, die derBUND aufgestellt hat und vergleichenSie damit die Werte, die das IZMF unddie Stadtverwaltung veröffentlichenwerden.Auf der Datenbank von Diagnose-Funksind die wichtigsten Studien zu Sendemastengesammelt:http://mobilfunkstudien.de/studiensymptome/mobilfunksender-studien/index.phpDer GrenzwertbluffIn Deutschland regelt die 26. BImSchV(Bundesimmissionsschutz Verordnung)die Grenzwerte für die Mobilfunkstrahlung.Sie orientiert sich an den ICNIRP-Richtlinien (International Commissionon Non-Ionizing Radiation Protection).1 Immer, wenn Bürger gegen Dauer-Immissionen von Mobilfunkmastenprotestieren, auf die Gefährdung durchdie Handystrahlung hinweisen, konterndie Behörden mit einem Argument: DieGrenzwerte werden eingehalten, jaweit unterschritten. Die Argumentationist immer dieselbe: Die gemessenenBelastungen seien nur ein Bruchteil desGrenzwertes, also kein Grund zur Besorgnis.Den Grenzwert für UMTS hatdie ICNIRP auf 10.000.000 µWatt/m 2( 61 V/m) festgelegt.Der BUND fordert einen Grenzwert von100 µWatt/m 2 zur Gefahrenabwehrund 1 µWatt/m 2 als Vorsorgewert.Der gültige Grenzwert ist so, als würdeman die Geschwindigkeitsbegrenzungauf 990 km/h festlegen, dann würde eskeine Geschwindigkeitsüberschreitungenmehr geben und jeder könnte tunund lassen was er will.Die Grenzwerte, auch bedingt der SAR-Wert² für Handys, schützen nur vor einemEffekt: dem der Gewebeerwärmungdurch die Strahlung. Denn derGrenzwert orientiert sich nur an thermischen(Wärme-) Wirkungen der Mikrowellenstrahlung.Er schützt vor etwas,was letztlich bei Handys und Mastenkeine primäre Gefährdung darstellt:Wärme. Die Erwärmung als Maßstabder Gefährlichkeit zu nehmen, wäre so,als würde man die Dosis, Wirkung undHöhe radioaktiver Strahlung bei einemAKW-Angestellten mit einem Fieberthermometerstatt dem Geigerzähler
diagnose-funk.org | <strong>kompakt</strong> | <strong>2015</strong> - 2 | seite 13und einem Spezialdosimeter messenund bewerten. Die schädigenden Effektesind durchweg im nicht-thermischenBereich, also nicht durch Temperaturerhöhungenerklärbar. Dass dieGrenzwerte die nicht-thermischen Effekteder Mobilfunkstrahlung, und damitdie Biologie, ausklammern, zeigtihre Absurdität.Welche medizinische Aussagekraft habendie Grenzwerte? So gut wie keine,denn sie vernachlässigen wesentlicheEinflussgrößen der Strahlung auf dieBiologie des Menschen, auf seine Zellen.Sie erfassennicht die athermischen Wirkungender Strahlungnicht den Frequenzmix durch dieverschiedenen Anwendungennicht die Membranpotentiale undandere Ströme und Frequenzen inden Zellennicht die biologisch-wirksame niederfrequenteTaktungnicht die Spitzen-, sondern nur Mittelwertenicht den kumulativen Effektnicht verletzliche Personen und Organismennicht die gepulste Strahlungnicht eine Dauerdosis und LangzeiteffekteZum letzten Punkt: Die ICNIRP muss inihren Richtlinien einräumen, dass derGrenzwert nur vor „kurzfristigen, unmittelbarengesundheitlichen Auswirkungen“durch „erhöhte Gewebetemperaturen“³schützt. Seriöse Forschungenweisen aber auf den Zeitfaktorhin und bringen ihn in Verbindungmit der Dauernutzung des Handys undder Dauerbestrahlung durch Basisstationen.Intensität x Zeit = Wirkung,dieser kumulative Effekt wurde in derGrenzwertfestlegung unterschlagen.Der Grenzwert hat weder einen Bezugzur Zeit noch zur Biologie.Grenzwert ohneVorsorgekomponenteDer Grenzwert ist heute auch Ideologie,Widerspiegelung eines pragmatischenMenschenbildes der herrschendenWissenschaft. Dieser thermischeAnsatz reduziert den Menschen auf einthermodynamisches Objekt, leugnetdie Komplexität biologischer Systemeund ist typisch für die Methodik undDenkweise herrschender Wissenschaft.Der Mensch wird zum strahlenresistentenKonsumenten, einer Geldquelle.Das thermische Dogma macht soden Menschen zu dem, wofür ihn dieIndustrie braucht: zum unempfindlichleblosen und strahlungsresisten-tenFestkörper, reduziert auf die technischeDIN-VDE-Empfehlung 0848. Das istdas fatale Ergebnis, wenn Technikermedizinische Normen setzen! Das Ergebnisfür den lebenden Menschen, ineinem Satz:Die Grenzwerte haben mit den Menschen,die sie schützen sollen, nichts zutun.Dies bestätigte die Bundesregierung inder Antwort vom 4. Januar 2002 auf eineGroße Anfrage der Fraktion derCDU/CSU (Bundestagsdrucksache 14 /7958) ausdrücklich. Auf die Frage derCDU/CSU Fraktion nach der wissenschaftlichenBegründung des Strahlenschutzesantwortete die Bundesregierung:„Die o.g. Bewertungen der SSK (Strahlenschutzkommission)stimmen mitden Einschätzungen internationalerwissenschaftlicher Expertengremienüberein. Bei der Ableitung der geltendenGrenzwerte, die die Grundlage derStandortbescheinigung bilden, hat dasVorsorgeprinzip keine Berücksichtigunggefunden.“ (S.18, s.a. S.14)Wenn man weiter bedenkt,dass die Basis für die heute gültigenGrenzwerte 1952 v.a. unter militärischenGesichtspunkten gelegtwurde. 4dass sie auf Grund politischer Umständeund des Lobbyismus seitüber 50 (!) Jahren nicht geändertwurden! Die Ablehnung nichtthermischerEffekte war immer mitIndustrie – oder Militärinteressenverbunden 5 .welches Wissen über Zellvorgängedamals noch nicht vorhanden war,so wird klar, dass das Festhalten andiesen Grenzwerten nicht akzeptiertwerden kann. Es ist die Abwehr vonneuem Wissen, ein Teil der Strategieder Produktverteidigung, das Profitprinzipersetzt das Vorsorgeprinzip. DieGrenzwerte sind heute die Ersatzhaftpflichtversicherungfür die Industrie,die Legitimation für den Antennenwildwuchsund die Verhinderung der Zulassungvon Klagen.SAR-Wert fürEndgeräte schützen nichtDer „Grenzwert“ für Handys wird alsSAR-Wert (Spezifische Absorptionsrate)angegeben. Die spezifische Absorptionsratebeschreibt, wie viel Leistungpro Kilogramm Körpergewicht absorbiertwird, angegeben in Watt pro Kilogramm(W/kg). Für eine Ganzkörperbestrahlunggilt ein SAR-Wert von 0,08W/kg und für eine Teilkörperbestrahlung,wie z.B. der des Kopfes gelten 2W/kg.Fälschlicherweise wird der SAR-Wertimmer wieder als Grenzwert bezeichnet.Damit täuscht dieser Wert eineverordnete Sicherheit vor und lässt sichso besser als Verkaufsargument missbrauchen.Beim SAR-Wert handelt essich aber lediglich um einen Richtwert,der von den Herstellern nicht verbindlicheingehalten werden muss, was entsprechendeÜberprüfungen auch zeigen.Auch der SAR-Wert orientiert sich nuran thermischen Wirkungen, und ermacht keine Aussage über die Strahlungsaufnahmeund –wirkung bei Kindern,denn als Modellkopf wurde nurein erwachsener Mann mit einen Körpergewichtvon ungefähr 100 kg und1,88 Meter Größe verwendet (Gandhiet al. (2011).Im Deutschen Mobilfunkforschungsprogrammwurde zugegebenen, dasses für Endgeräte gar keine Schutzvorschriftengibt: "Grundlage dieser Empfehlungensind die wissenschaftlichnachgewiesenen (die nicht-thermischenWirkungen gelten nach Auffassungder Bundesregierung als nichtnachgewiesen, Anm. DF) gesundheitsrelevantenbiologischen Wirkungen,die durch eine Einwirkung hochfrequenterFelder ausgelöst werden können.Die in der Verordnung festgelegtenGrenzwerte gelten auch für dieSendeanlagen von Run<strong>df</strong>unk, Fernsehenund Mobilfunk. Die Handys(Mobilfunk-Endgeräte) sind dagegen inder 26. BImSchV nicht berücksichtigt." 6Einmalig für ein Industrieprodukt: Esgibt keine Schutzvorschriften. Für 50Milliarden Euro UMTS-Lizenzgebührenwurde von der Bundesregierung dieGesundheit verkauft. Sie hat sich imGegenzug zur kritiklosen Förderungdieser Technologie verpflichtet. Die Bemühungender Bundesregierung, die-