Beelitzer Nachrichten - September 2015
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23. SEPTEMBER <strong>2015</strong>, SEITE 18 NR. 8 / 26. JAHRGANG<br />
WITTBRIETZEN - Oswald<br />
Blumenstein macht ein<br />
paar Schritte aufs Feld und<br />
ist überrascht: „Das gibt’s<br />
doch nicht“, meint er, während<br />
er bis zu den Hacken<br />
im Sand versinkt. Denn<br />
trotz des heißen Sommers<br />
ist der Boden auf dem Feld<br />
der Agrar GbR Wittbrietzen<br />
alles andere als hart.<br />
Der Umweltwissenschaftler<br />
von der Uni Potsdam hat<br />
schon viele Agrarflächen<br />
kennen gelernt, vor allem<br />
im Ausland. Dort hat er<br />
erforscht, wie man sie<br />
fruchtbarer machen kann.<br />
Doch der „Karnickelsand“<br />
bei Beelitz, direkt vor der<br />
Haustür, ist ihm so noch<br />
nicht unter die Füße gekommen.<br />
Für einen Tag hat der Professor<br />
seinen Arbeitsplatz<br />
gewechselt - aus dem Hörsaal<br />
raus nach Wittbrietzen,<br />
auf den Betrieb von Jürgen<br />
Frenzel und Matthias<br />
Schmidt. Frenzel wiederum<br />
hatte bereits im Vorfeld an<br />
der Uni über die Probleme<br />
der hiesigen Landwirtschaft<br />
referiert - vor allem über<br />
die Eigenheiten des märkischen<br />
Bodens. Eine Fläche<br />
bringt gute Erträge, während<br />
es daneben schon wieder<br />
mau aussieht. „Das<br />
müssen wir doch lösen<br />
können“, sagt er, aber ohne<br />
Ressourcen wie Düngemittel<br />
zu verschwenden.<br />
„Das ginge ja in die Umwelt.“<br />
„Perspektivwechsel“ heißt das Projekt,<br />
in dessen Rahmen Unternehmer und<br />
Wissenschaftler am Arbeitsplatz des<br />
jeweils anderen in Kontakt kommen und<br />
so erfahren, wie es dort zugeht. „Man<br />
lernt sich kennen, stellt Gemeinsamkeiten<br />
fest – und daraus entstehen vielleicht<br />
gemeinsame Kooperationsprojekte“,<br />
erklärt Marco Albrecht, Referent für<br />
Technologie und Innovation bei der<br />
Potsdamer Industrie– und Handelskammer<br />
(IHK). Er betreut den Perspektivwechsel,<br />
der in diesem Jahr bereits seine<br />
neunte Auflage erlebt.<br />
Das Geheimnis für den Erfolg sieht Albrecht<br />
im „verbindenden Element“ zwischen<br />
den jeweiligen Vertretern von<br />
Wirtschaft und Wissenschaft. Das könne<br />
die gemeinsame Branche sein oder auch<br />
einfach ein besonderes Thema, das beiden<br />
am Herzen liegt.<br />
Bei Jürgen Frenzel war es die Neugier,<br />
die ihn zum Perspektivwechsel gebracht<br />
hat, erzählt der – und der unbedingte<br />
Wille, die Landwirtschaft voranzubringen.<br />
Dass man dabei auch auf sein ökologisches<br />
Gewissen hören kann, beweist<br />
Frenzel immer wieder - zum Beispiel<br />
stellt er Flächen für die Entwicklung<br />
eines Niedermoors zur Verfügung. Und<br />
für die allein mit Stalldung betriebene<br />
neue Biogasanlage des Betriebes gab es<br />
in diesem Jahr sogar den Agenda-21-<br />
BEELITZER NACHRICHTEN<br />
Erkenntnis im „Karnickelsand“<br />
Im Rahmen des Projekts „Perspektivwechsel“ der IHK hat Landwirt Jürgen Frenzel<br />
den Arbeitsplatz mit einem Umweltwissenschaftler der Uni Potsdam getauscht<br />
Forschung trifft Wirtschaft: Umweltwissenschaftler Oswald Blumenstein und Landwirt<br />
Jürgen Frenzel auf einem Maisfeld der Agrar GbR Wittbrietzen. Foto: Ute<br />
Preis für Nachhaltigkeit<br />
des Landkreises Potsdam-<br />
Mittelmark (Bericht in der<br />
nächsten Ausgabe). Seinen<br />
Tauschpartner Blumenstein<br />
hat er indes gleich<br />
mit auf den Acker genommen,<br />
um Lösungsansätze<br />
zu diskutieren.<br />
Seit Beginn des Projektes<br />
Perspektivwechsel im Jahr<br />
2007 haben mehr als 90<br />
Firmenchefs und Wissenschaftler<br />
teilgenommen.<br />
„Die Kontakte der regionalen<br />
Wirtschaft zu den<br />
wissenschaftlichen Einrichtungen<br />
der Region<br />
haben sich positiv entwickelt“,<br />
erklärt Dr. Ulrich<br />
Müller, Vorsitzender der<br />
Landesarbeitsgemeinschaft<br />
der IHKs des Landes<br />
Brandenburg. Trotzdem<br />
gebe es „noch immer Potenzial<br />
für die Zusammenarbeit<br />
zwischen Hochschulen<br />
und Unternehmen“.<br />
Solche Kooperationen zu<br />
befördern, ist Ziel des Perspektivwechsels,<br />
der eine<br />
gemeinsame Aktion der<br />
Kammern und des brandenburgischen<br />
Wissenschaftsministeriums<br />
ist.<br />
„Ich möchte Unternehmerinnen<br />
und Unternehmer<br />
ermuntern, offen auf die<br />
Hochschulen zuzugehen,<br />
um deren Potenziale kennen<br />
zu lernen und gemeinsam<br />
zu nutzen“, betont<br />
Ministerin Sabine Kunst.<br />
Dort, wo Wirtschaft und Wissenschaft<br />
zusammenkommen, würden Innovationen<br />
entstehen.<br />
Und diese Innovationen seien der<br />
Schlüssel für den Erfolg eines Unternehmens,<br />
argumentiert auch Marco Albrecht.<br />
In diesem Jahr haben sich sechs<br />
Tauschpaare auf einen Perspektivwechsel<br />
eingelassen, auf Unternehmer-Seite<br />
waren unter anderem die Chefs der Verkehrsgesellschaft<br />
Belzig oder der Klosterbrauerei<br />
Neuzelle.dabei. Auf der anderen<br />
Seite beteiligten sich Wissenschaftler<br />
der BTU Cottbus-Senftenberg,<br />
der Viadrina Frankfurt (Oder) sowie der<br />
Uni– und der Fachhochschule Potsdam.<br />
Ute Sommer / T.L.