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51. GRIMME-PREIS 2015<br />
Verschwörungstheoretiker in der Wagenburg<br />
Warum Fernsehanstalten und Redakteure mit der neuen Art von Kritik nicht<br />
umgehen können<br />
von Dietrich Leder<br />
Als im Winter 2014 in Dresden bei den Demonstrationen der<br />
„Pegida“- Bewegung der Ruf „Lügenpresse“ skandiert wurde, galt<br />
er nicht nur den klassischen Print-Titeln von Tages- und Wochenzeitungen,<br />
sondern zugleich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und<br />
vor allem dessen Nachrichtensendungen. Der Begriff ist eine allumfassende<br />
Denunziation, der zufolge alle lügen – mit Ausnahme derjenigen,<br />
die diese Lüge erkannt haben und sich ihr mutig entgegenstellen.<br />
Seine denuziatorische Absicht verweist auf seine enge Verwandtschaft<br />
mit Verschwörungstheorien aller Art und enthält im Kern bereits eine<br />
gewisse antimoderne, meist auch antisemitische Haltung.<br />
Dennoch scheint er ein allgemeines Unbehagen zu treffen, das über<br />
die „Pegida“-Bewegung hinausreicht. Die klassischen Massenmedien<br />
scheinen auf viele Menschen wie ein monolithischer Block zu wirken,<br />
der zu bestimmten Themen und Problemen eine Art von Einheitsmeinung<br />
verbreitet und Widersprüche nicht zulässt. Dieser Eindruck,<br />
der in Detailuntersuchungen zu bestimmten politischen, ökonomischen<br />
und kulturellen Themen erst noch zu verifizieren ist, verdankt sich auch<br />
der Tatsache, dass seit einigen Jahren im Bund eine große Koalition<br />
regiert. Und diese befleißigt sich darin, dass sie Konflikte und Probleme<br />
im kleinen Kreis eher rhetorisch verkleinert und verkleistert, als sie löst<br />
oder offen austrägt.<br />
Auch die klassischen Massenmedien bilden eine große Koalition<br />
Die Massenmedien, die sich in ihren Meinungsbereichen in der<br />
Geschichte der Bundesrepublik grosso modo nach den politischen<br />
Fraktionen von Konservativen (CDU/CSU) und Sozialdemokraten (SPD)<br />
sortiert haben, bilden demnach ebenfalls eine Art von großer Koalition,<br />
welche die Oppositionsparteien wie Linke, Grüne oder die AfD nur am<br />
Rande behandelt. Der außerparlamentarische Protest von rechts, wie er<br />
sich in der „Pegida“-Bewegung zeigt, muss geradezu zwangsläufig, da<br />
identitätsstiftend, gegen diese große Koalition von Print- und TV-Medien<br />
polemisieren.