Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
51. GRIMME-PREIS 2015 31<br />
Grimme-Preis<br />
an<br />
Jan Georg Schütte<br />
(Buch/Regie)<br />
Ulf Albert<br />
(Schnitt)<br />
für<br />
Altersglühen-Speed Dating für Senioren<br />
(WDR/NDR)<br />
Produktion: Riva Filmproduktion<br />
Jan Georg Schütte<br />
Jan Georg Schütte, 1962 in Oldenburg geboren, studierte<br />
Schauspiel in Hamburg und New York. Er war u.a.<br />
Ensemble mitglied am Schauspiel Köln und am Thalia<br />
Theater in Hamburg. Er ist heute als freischaffender<br />
Schauspieler, Autor und Regisseur tätig. Zu seinen<br />
Werken gehören u.a. „Swinger Club“ (2005/2006), „Die<br />
Glücklichen“ (2007/2008) und „Leg ihn um - ein Familienfilm“<br />
(2011). Schütte wurde bereits mit dem Spezialpreis<br />
beim Fernsehfilmfestival Baden Baden, dem ARD<br />
Hörspielpreis, und dem Sonderpreis beim Festival des<br />
deutschen Films ausgezeichnet.<br />
BEGRÜNDUNG DER JURY:<br />
Unendlich viele Drehbücher arbeiten in uns, aber wenn es darauf<br />
ankommt, fehlen uns im Leben immer die richtigen Worte, um uns<br />
geborgen zu fühlen wie im Film.<br />
„Altersglühen“ schenkt den Schauspielern und den Zuschauern von<br />
Anfang an Freiheitsmomente. Nein, das ist keine durchgeschriebene<br />
Geschichte, nein, das sind keine festgelegten Figuren, nein, die Dramaturgie<br />
wirft keine stereotypen Rettungsringe. Der Autor und Regisseur<br />
Jan Georg Schütte und sein Editor Ulf Albert wagen das Experiment, die<br />
Schauspieler werden ohne Skript ins Offene entlassen, eingeladen.<br />
So viele Filme und Rollen sind im Fernsehen<br />
festgezurrt, steinern, wir kennen die Sätze<br />
und Wendungen bis zum Verdruss. Gegen<br />
diese öden Routinen opponiert „Altersglühen“.<br />
Die Schauspieler müssen ihre Figur<br />
selbst erfinden, der ganze Filmapparat wird<br />
durch die experimentelle Ausgangslage produktiv<br />
gefordert. Der Zuschauer bildet sich<br />
ein, Schauspieler wie Mario Adorf, Senta<br />
Berger oder Michael Gwisdek zu kennen,<br />
in und mit „Altersglühen“ kann er an ihren<br />
Prozessen der Selbstfindung und Selbsterschütterung<br />
teilhaben. Kann erleben, wie<br />
sich mimetische Handschriften, Images, spontane Impulse und biografische<br />
Muster knisternd reiben: So entstehen reizvolle Mischwesen, Figuren, die<br />
kaum ein Drehbuchautor so nah ans Leben hätte rücken können.<br />
Für diese Versuchsanordnung hat der Regisseur ein Ensemble versammelt,<br />
dass die Stars von ihrer Prominenzlast befreit und die nicht<br />
ganz so großen Namen ebenbürtig glänzen lässt. Das sind - in alphabetischer<br />
Reihenfolge - Mario Adorf, Senta Berger, Viktor Choulman,<br />
Jörg Gudzuhn, Michael Gwisdek, Matthias Habich, Brigitte Janner,<br />
Gisela Keiner, Hildegard Schmahl, Christine Schorn, Jochen Stern, Ilse<br />
Strambowski und Angela Winkler. „Altersglühen“ ist hochkomisch,<br />
bewegend, rührend, heiter, traurig, ein filmisches Antidepressivum.<br />
Die Liebes- und Freundschaftssuche im fortgeschrittenen Alter ist ein<br />
großes Thema, das hier ausgelotet wird, ohne Süßstoff-Signale, ohne<br />
Schmalspur-Tragik. Jeder wird hier seinen Lieblingsaugenblick finden,<br />
jeder zieht sich hier einen eigenen Splitter zu, der ihm unter die Haut<br />
fährt, aber Michael Gwisdeks Satz „Frauen wollen zujehört werden“ wird<br />
man ebenso wenig vergessen wie Hildegard Schmahls nahezu gesungenen<br />
Berührungswunsch, Adorfs schmerzhaft wache Responsivität,<br />
Senta Bergers zunehmende Gefühlsvereisung oder Brigitte Janners<br />
offensive Koketterie. Bitte mehr davon, hinaus ins Offene!<br />
Ulf Albert<br />
Ulf Albert, geboren 1964 in Oldenburg, studierte zunächst<br />
Physik und kam über diverse Jobs schließlich zu Schnittassistenzen<br />
u.a. bei Brigitte Kirsche und Magdolna Rokob.<br />
1998 zog er nach Hamburg und ist seither als freier Editor,<br />
Dramaturg und Regisseur tätig. 2006 begann er seine<br />
Zusammenarbeit mit Jan Georg Schütte bei dem Film „Die<br />
Glücklichen“. Außerdem ist er als Gastdozent im Bereich<br />
Dramaturgie, Auflösung und Schnitt tätig.<br />
Ich freue mich und fühle mich sehr geehrt, den Grimme-Preis<br />
für “Altersglühen – Speed Dating für Senioren” zu bekommen<br />
und verstehe ihn als ein Plädoyer für mehr Mut im TV. Gebt<br />
der Fantasie und Spielfreude der Schauspieler mehr Raum!<br />
Ihr werdet überrascht sein, was dadurch für muntere Figuren<br />
und Geschichten entstehen.<br />
Jan Georg Schütte