atw 2019-02
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<strong>atw</strong> Vol. 64 (<strong>2019</strong>) | Issue 2 ı February<br />
Das neue Strahlenschutzrecht (I): Genehmigungen<br />
90<br />
SPOTLIGHT ON NUCLEAR LAW<br />
Christian Raetzke<br />
Wir haben ein neues Strahlenschutzrecht! Das Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) ist, nachdem einzelne Elemente –<br />
Definitionen, Verordnungsermächtigungen, die Regelungen zum Notfallschutz – schon zum 1. Oktober 2017 wirksam<br />
wurden, am 31. Dezember 2018 nunmehr vollständig in Kraft getreten. Zum selben Datum ist auch die “Verordnung zur<br />
weiteren Modernisierung des Strahlenschutzrechts” wirksam geworden, die die Änderungen auf der Verordnungsebene<br />
– neue Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), weitere Verordnungen, Aufhebung der Röntgenverordnung (RöV)<br />
etc. – umsetzt. Bereits im Januarheft der <strong>atw</strong> konnten Sie, liebe Leserinnen und Leser, dazu die Einführung von Dr.<br />
Goli-Schabnam Akbarian vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) lesen. Mit<br />
diesem Beitrag soll eine kleine Reihe beginnen, die in lockerer Folge erscheinen und Schlaglichter auf einzelne Aspekte<br />
des neuen Rechts werfen wird.<br />
Bei jeder grundlegenden Änderung von Gesetzen und<br />
Verordnungen richtet sich der Blick des Anwenders<br />
notwendig auf Übergangsvorschriften, die die Überleitung<br />
auf das neue Recht gewährleisten sollen. Es handelt sich<br />
hier um §§ 196 bis 218 StrlSchG und §§ 185 bis 200<br />
StrlSchV n.F. (neuer Fassung).<br />
Eine besonders wichtige Frage dabei: was geschieht<br />
mit bestehenden Genehmigungen? Die bekannten<br />
Genehmigungsvorschriften der alten StrlSchV und der<br />
RöV sind in das StrlSchG übernommen und dort teils<br />
zusammengeführt worden. Grundlegende inhaltliche<br />
Änderungen haben sich dabei aber nicht ergeben. So ist es<br />
nur konsequent, dass das Gesetz im Grundsatz die Fortgeltung<br />
der bestehenden Genehmigungen anordnet. Man<br />
muss als Genehmigungsinhaber also nicht etwa einen<br />
neuen Antrag stellen.<br />
Um ein Beispiel zu bringen: Genehmigungen für<br />
den Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen (§ 7<br />
StrlSchV a.F.) gelten samt aller Nebenbestimmungen als<br />
Genehmigungen nach der hierfür nunmehr einschlägigen<br />
neuen Regelung in § 12 Abs. 1 Nr. 3 StrlSchG fort (siehe<br />
§ 197 Abs. 2 S. 1 StrlSchG); hat sich am 31.12.2018 eine<br />
Genehmigung nach §§ 6, 7 oder 9 AtG auf den Umgang mit<br />
radioaktiven Stoffen gem. § 7 StrlSchV a.F. erstreckt, so<br />
gilt diese Erstreckung als Erstreckung auf einen Umgang<br />
nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 StrlSchG fort (§ 197 Abs. 3 StrlSchG).<br />
Eine Anpassung des Genehmigungsbescheides an die neue<br />
Rechtsgrundlage ist rechtlich nicht erforderlich, da das<br />
Gesetz dies bereits für uns macht. Dass im schriftlichen<br />
Bescheid noch die alten “Hausnummern” stehen, ist<br />
unschädlich. Sicherlich macht es aber Sinn, bei der<br />
nächsten Gelegenheit (z. B. Änderung/Verlängerung der<br />
Genehmigung) die neuen Bezüge aufzunehmen.<br />
Zu beachten sind allerdings gewisse Spezialfälle,<br />
in denen das StrlSchG dann doch einzelne neue<br />
oder anspruchsvollere Genehmigungsvoraussetzungen<br />
einführt; hier können sich die Inhaber bestehender<br />
Genehmigungen nicht zurücklehnen, sondern sind<br />
gefordert, innerhalb bestimmter Fristen die entsprechenden<br />
Nachweise zu erbringen. Dies betrifft z. B.<br />
den Umgang mit hochradioaktiven Strahlenquellen. Hier<br />
muss bis 31.12.2<strong>02</strong>0 nachgewiesen sein, dass die neue<br />
Genehmigungsvoraussetzung des § 13 Abs. 4 StrlSchG –<br />
Vorhandensein eines Verfahrens für den Notfall und<br />
geeigneter Kommunikationsverbindungen – erfüllt ist,<br />
siehe § 197 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StrlSchG. Ein anderer solcher<br />
Umgangsfall betrifft die Anwendung am Menschen für<br />
eine Behandlung mit radioaktiven Stoffen und ionisierender<br />
Strahlung. Hier gibt es in § 14 StrlSchG teils<br />
zusätzliche Erfordernisse; § 197 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und 3<br />
StrlSchG setzt den Inhabern bestehender Genehmigungen<br />
eine Frist (Ende 2<strong>02</strong>0 bzw. Ende 2<strong>02</strong>2), entsprechende<br />
Nachweise zu führen.<br />
Eine relevante Änderung betrifft auch Genehmigungen<br />
nach § 16 StrlSchV a.F. für die Beförderung sonstiger<br />
radioaktiver Stoffe. Sie gelten als Genehmigungen nach<br />
§ 27 StrlSchG mit allen Nebenbestimmungen fort, wie<br />
§ 204 StrlSchG anordnet; das kann allerdings für maximal<br />
drei Jahre relevant werden, da dies die höchstmögliche<br />
Genehmigungsdauer ist (vgl. § 16 Abs. 1 S. 3 StrlSchG<br />
a.F.). Die Genehmigung nach § 27 StrlSchG hat die<br />
wichtige Eigenschaft, dass sie – im Gegensatz zur alten<br />
Rechtslage – nunmehr ihren Inhaber zum Strahlenschutzverantwortlichen<br />
macht (§ 69 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchG) und<br />
in der Regel die Bestellung von Strahlenschutzbeauftragten<br />
erfordert. Deshalb enthält § 204 Abs. 1 S. 2<br />
StrlSchG eine Übergangsvorschrift, wonach die entsprechende<br />
Fachkunde der Strahlenschutzbeauftragten<br />
bis zum 31.12.2<strong>02</strong>1 nachgewiesen werden muss.<br />
Von Bedeutung ist auch das Schicksal der bestehenden<br />
Freigaberegelungen, die teils in eigenen Freigabebescheiden,<br />
teils in Genehmigungsbescheiden nach § 7<br />
Abs. 3 AtG (Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen)<br />
niedergelegt sind. Die Werte für die uneingeschränkte<br />
Freigabe in Anlage III Tabelle 1 StrlSchV a.F. sind in der<br />
Neuregelung in Anlage 4 Tabelle 1 StrlSchV n.F. zum Teil<br />
verändert wurden (sie sind nunmehr identisch mit den<br />
ebenfalls angepassten spezifischen Freigrenzen). Was<br />
geschieht also mit bestehenden Freigaberegelungen? Die<br />
einschlägige Übergangsvorschrift – § 187 StrlSchV n.F. –<br />
enthält dazu zwei Grundaussagen. Die erste: bestehende<br />
Freigabebescheide und Freigaberegelungen in Genehmigungsbescheiden<br />
gelten fort. Die zweite: sie gelten fort mit<br />
der “Maßgabe”, dass die neuen Werte ab dem 1. Januar<br />
2<strong>02</strong>1 einzuhalten sind. Damit sind die Beteiligten aufgefordert,<br />
bestehende Bescheide in den nächsten zwei<br />
Jahren entsprechend anzupassen. Unterbleibt dies aus<br />
irgend einem Grund, sind ab 2<strong>02</strong>1 trotzdem die neuen<br />
Werte zugrunde zu legen.<br />
Fazit: Der Gesetzgeber hat es so eingerichtet, dass<br />
bestehende Bescheide ins neue Recht übernommen<br />
werden. Nur in bestimmten Fällen muss man innerhalb<br />
einer Frist tätig werden, um Nachweise zu geänderten<br />
Genehmigungsvoraussetzungen zu erbringen. Man wird<br />
sehen, ob das in Einzelfällen in der Praxis zu Härten führt<br />
und ob die Übergangsvorschriften wirklich alle denkbaren<br />
Fälle erfassen. Im Allgemeinen aber müssten die Inhaber<br />
von Genehmigungen (und Freigabebescheiden) mit den<br />
neuen Regelungen leben können.<br />
Autor<br />
Rechtsanwalt Dr. Christian Raetzke<br />
CONLAR Consulting on Nuclear Law and Regulation<br />
Beethovenstr. 19<br />
04107 Leipzig, Deutschland<br />
Spotlight on Nuclear Law<br />
The New Radiation Protection Law (I): Official Approvals ı Christian Raetzke