atw 2019-02
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<strong>atw</strong> Vol. 64 (<strong>2019</strong>) | Issue 2 ı February<br />
Reaktorsicherheitskommission und des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Wissenschaft aufgegriffen und<br />
beantwortet wurden. Die Teilnehmer des Panels forderten<br />
eine noch wesentlich bessere und rückhaltlosere Unterrichtung<br />
der Öffentlichkeit über alle Fragen der Kernenergienutzung,<br />
insbesondere soweit sie Sicherheitsfragen<br />
berühren. In diesem Sinne versuchten am nächsten<br />
Tag der wissenschaftliche Tagungsleiter und zahlreiche<br />
Teilnehmer mit Demonstranten vor Beginn der Plenarveranstaltung<br />
über Sicherheitsprobleme in Zusammenhang<br />
mit der Kernenergienutzung zu diskutieren. Der fruchtlose<br />
Versuch einer Diskussion mit einer Gruppe, die überwiegend<br />
aus dem Thema fernstehenden Frauen und<br />
Kindern bestand, unterstreicht den guten Willen der Kerntechniker<br />
zur sachlichen Diskussion und sollte jedenfalls<br />
nicht zur Resignation seitens der Fachleute führen. Daß<br />
Demonstrationen dieser Art zustande kommen, ist letzten<br />
Endes doch wirklichem Informationsbedürfnis und<br />
mangelnder Informationsarbeit zuzuschreiben.<br />
Im Mittelpunkt der vom Präsidialmitglied des DAtF,<br />
Prof. Dr. H. Goeschel, eröffneten Plenarveranstaltung<br />
stand der Festvortrag von Dr. H. Frewer „Energieverbund<br />
zwischen nuklearen und konventionellen Kraftwerken”.<br />
Nachdem Prof. Goeschel darauf hingewiesen hatte, daß<br />
von den deutschen Reaktorbaufirmen als Vorleistung in<br />
den letzten 15 Jahren Verluste von weit über 500 Mio. DM<br />
verbucht werden mußten, unterstrich Dr. Frewer, daß die<br />
Sicherheitsauflagen für Bau und Betrieb der Kern reaktoren<br />
in der Bundesrepublik einen derart perfektionierten Stand<br />
erreicht haben, daß die internationale Konkurrenzfähigkeit<br />
der deutschen Reaktorindustrie vor allem in<br />
dritten Ländern bereits geschmälert sei. Zur verstärkten<br />
Nutzung der Kernenergie in der BRD führte er aus, daß der<br />
wirtschaftlich optimale Einsatz von Kernkraftwerken nur<br />
durch eine integrierte Verbundoptimierung aller Energieträger<br />
erreicht werden könne. Das Deutsche Atomforum<br />
führte gleichzeitig mit der Reaktortagung in der<br />
Beethoven halle eine nicht nur für die Teilnehmer, sondern<br />
noch mehr für eine breitere Öffentlichkeit bestimmte<br />
Ausstellung „Kernenergie – friedlich genutzt“ durch, die<br />
ein anschauliches Bild der verschiedenen zur Kernenergienutzung<br />
gehörenden Gebiete und Entwicklungen, vor<br />
allem auch in der Bundesrepublik, zeigte.<br />
Die nachfolgenden Kurzberichte über die einzelnen<br />
Sitzungen können und sollen wieder nur Tendenzen und<br />
nur in wenigen Fällen besonders interessierende Einzelentwicklungen<br />
hervorheben.<br />
1 Reaktoranalysis<br />
Den an der Auslegung des Reaktorkerns arbeitenden<br />
Wissenschaftlern bot sich mit 80 Vorträgen aus den<br />
Bereichen der Physik, Sicherheit und Thermohydraulik ein<br />
breites Spektrum an Informationen.<br />
An dieser Stelle seien einige allgemeine Bemerkungen<br />
und persönliche Eindrücke zur Sektion 1 festgehalten,<br />
bezüglich Details der Einzelbeiträge sei auf die in Kürze<br />
erscheinende Compact-Sammlung der Konferenz hingewiesen<br />
(am Rande sei bemerkt, daß die Herausgabe und<br />
die ansprechende Aufmachung der Compacts der Berliner<br />
Tagung wesentlich das Ansehen der Tagung gefördert<br />
haben dürften). Wenn man bedenkt, daß etwa 70 weitere<br />
Anmeldungen zurückgestellt wurden, so läßt dies darauf<br />
schließen, daß offenbar die Reaktoranalysis eine gewisse<br />
Sonderstellung im Vergleich zu den anderen Sektionen<br />
einnimmt. Dies ist zunächst sicher eine Folge des großen,<br />
umfassenden Gebietes, das die Reaktoranalysis umschließt.<br />
Es drängt sich die Frage auf, ob es sich hier nicht<br />
| | Die Podiumsdiskussion über „Kernenergie und Gesellschaft“<br />
auf der Reaktortagung 1971.<br />
eher um zwei Sektionen handelt – und man sucht nach<br />
einer möglichen Trennlinie. Würde man diese bei der<br />
Thermohydraulik ziehen, so wären allerdings nur 11 Vorträge<br />
der jetzigen Tagung daruntergefallen. Zweifellos<br />
wird das gerade genannte Teilgebiet im Laufe der nächsten<br />
Jahre ein zunehmendes Interesse finden, so daß das jetzt<br />
vorliegende stärkere Übergewicht der Physik zurückgehen<br />
dürfte.<br />
Wo liegen die sachlichen Schwerpunkte der Sektion 1?<br />
Wenden wir uns zunächst den Physikbeiträgen zu. In<br />
der Reaktortheorie kommt zweifellos der Erstellung<br />
mehr dimensionaler Reaktorprogramme eine zentrale<br />
Bedeutung zu. Dies wird natürlich durch die Ver größerung<br />
an Speicherkapazität und an Rechengeschwindigkeit<br />
moderner Computer mit bedingt, jedoch auch durch<br />
den Wunsch nach größerer Genauigkeit der Vorhersage<br />
nuklearer Parameter. Berechnungen von statischen und<br />
zeitabhängigen Neutronenverteilungen in zwei und<br />
drei Raum-Dimensionen wurden diskutiert, ebenso<br />
die Effektivität von Programmsystemen. Als besonders<br />
interessant ist dem Verfasser dabei die Bestimmung<br />
dreidimensionaler Flußverteilungen mit Hilfe von Stoßwahrscheinlichkeiten<br />
im Gedächtnis geblieben.<br />
Das Reaktorcore wird hierbei in Quader aufgeteilt,<br />
wobei die Kopplung zwischen diesen über die ein- und<br />
auslaufenden Ströme vermittelt wird.<br />
Die theoretische Analyse schneller Reaktoren scheint<br />
ebenfalls einen Schritt weitergekommen zu sein. Obwohl<br />
einige noch nicht verstandene Diskrepanzen zwischen<br />
Theorie und Experiment vorliegen und man in z. T.<br />
beeindruckenden experimentellen Versuchsreihen dabei<br />
ist, diese Unterschiede aufzuklären (z. B. die Bestimmung<br />
von ß eff ), wurde z. B. bei der Analyse einer Vielzahl von<br />
kritischen Anordnungen eine Genauigkeit in der Vorhersage<br />
der Kritikalität von besser als 1 % erreicht. Man<br />
hat damit also etwa die gleiche Unsicherheit wie bei der<br />
nuklearen Analyse thermischer Reaktoren erreicht. Dieses<br />
Ergebnis sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß<br />
zufällige Kompensationseffekte durchaus noch mit im<br />
Spiel sein können. Auf der experimentellen Seite können<br />
die Meßverfahren in kriti- tischen Anordnungen als weitgehend<br />
etabliert angesehen werden. Leider hörte man<br />
nichts über die Analyse des Reaktorrauschens bei Leistung,<br />
ein Gebiet, das einige Gruppen bearbeiten, das jedoch<br />
offenbar nur langsam Fortschritte macht. Die breit<br />
angelegte Versuchsreihe zur Physik von Plutonium- Uran-<br />
Brennstoff in Leichtwassergittern ist im Hinblick auf die<br />
Rezyklierung des Brennstoffs in thermischen Reaktoren<br />
besonders hervorzuheben.<br />
Der Bereich der Reaktordynamik und Sicherheit<br />
erscheint, verglichen mit seiner Bedeutung, etwas unterrepräsentiert.<br />
Dazu muß man beachten, daß über viele mit<br />
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SPECIAL TOPIC | A JOURNEY THROUGH 50 YEARS AMNT<br />
Special Topic | A Journey Through 50 Years AMNT<br />
1971 DAtF-KTG-Meeting on Reactors in Bonn