26.05.2022 Views

FOCUS_22_2022_Vorschau

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

LEBEN<br />

Dieses Haus hat die<br />

Hotellerie in Deutschland<br />

geprägt wie<br />

kaum ein anderes<br />

Direkt vor der Boutique<br />

Schaibles,<br />

un weit der Lichtentaler<br />

Allee,<br />

steht ein schwarz<br />

glänzender Rolls-<br />

Royce-Oldtimer.<br />

Nicht so einer, der<br />

für Hochzeitsfotos gemietet wird, weniger<br />

museal, sondern ernst gemeinter Luxus.<br />

Darin sitzt ein Herr im Anzug mit nachgeschwärztem<br />

Haar und schaut auf seinem<br />

Smartphone die Aufzeichnung eines klassischen<br />

Konzerts auf YouTube an. Es wird<br />

wild dirigiert auf seinem kleinen Bildschirm,<br />

derweil die Gattin vermutlich elegante<br />

Nachtwäsche bei Schaibles kauft.<br />

In jeder anderen Stadt als Baden-Baden<br />

würde eine Szene wie diese Aufmerksamkeit<br />

schüren. In Hannover oder Berlin<br />

fährt man ja eher E-Roller als Rolls-<br />

Royce. Als Bewohner dieses Kurorts im<br />

Schwarzwald aber, mit seinen mondänen<br />

Thermalbädern, den am Hügel gelegenen<br />

Villen und dem Schloss Versailles<br />

nachempfundenen Casino, der Stadt mit<br />

der – nach Heidelberg – höchsten Millionärsdichte<br />

Baden-Württembergs, ist man<br />

derlei Straßenszene gewohnt.<br />

Es ist eine andere Welt, hier ist der alte<br />

Luxus zu Hause. Und das hat auch mit<br />

„Brenners Park-Hotel“ zu tun, das gerade<br />

sein 150. Jubiläumsjahr feiert. Es gehört zu<br />

den teuersten Hotels in Deutschland, war<br />

das erste mit Pool, Miterfinder der Spa-<br />

Kultur, sicher aber auch ein Haus, an dem<br />

sich deutsche Geschichte erzählen lässt.<br />

Das „Brenners“, wie es in liebevoller<br />

Kurzform genannt wird, liegt an der Oos,<br />

einem lieblich plätschernden Flüsschen,<br />

in den schon mal ein Tisch gestellt wird,<br />

wenn ein Gast ausgerechnet dort dinieren<br />

möchte. Und zum Dessert kann man seiner<br />

Liebsten einen Diamanten servieren<br />

lassen. Es sind Geschichten wie diese,<br />

von der ein historisches Haus lebt. Man<br />

könnte das „Brenners“ die Mutter der<br />

Grandhotellerie nennen.<br />

Pralinen, frische Blumen, Champagner<br />

„Unser Anspruch ist nicht Zufriedenheit,<br />

sondern Begeisterung“, sagt Hoteldirektor<br />

Henning Matthiesen beim Afternoon Tea<br />

in der „Oleander Bar“, benannt nach dem<br />

Tierfreundlich<br />

Hotelkatze Kléopatre<br />

mit Bambi:<br />

2019 wurde die<br />

Trophäe in Baden-<br />

Baden verliehen<br />

Weitläufig<br />

Der Hotelpark<br />

an der Lichtentaler<br />

Allee reicht<br />

bis an die Oos<br />

legendären Galopper, der zwischen 1927<br />

und 1929 dreimal den Großen Preis von<br />

Baden in Iffezheim gewann. Weiche Teppiche,<br />

vor dem Kamin ein weißes Sofa, auf<br />

der Etagere Tramezzini und Macaron Forêt<br />

Noire, kreiert von Pierre Hermé in Paris.<br />

„Wir sind nur so gut wie die Suppe,<br />

die wir gerade serviert haben“, sagt der<br />

Chef in seinem in hanseatischer Perfektion<br />

sitzenden Anzug. 300 Mitarbeiter erfüllen<br />

alle Wünsche, und das auf eine besondere<br />

Art. Wer zum Dinner allein am Tisch<br />

sitzt, wird in eine freundliche Unterhaltung<br />

verwickelt, darf sich den Grill in der<br />

Küche anschauen und mit dem Kellner<br />

über diese fantastische Kaffeesauce zum<br />

Rind schwärmen. Wer zum Frühstück zwei<br />

Kaffee beim Roomservice bestellt und nur<br />

einen bekommt, wird bei der Nachlieferung<br />

mit einem Schokoladengeschenk<br />

bedacht. Auf dem Zimmer Pralinen, frische<br />

Blumenbouquets, Champagner<br />

sowieso. Wünsche der Gäste aufspüren,<br />

bevor sie selbst merken, dass sie welche<br />

haben: So geht Luxushotellerie.<br />

Stammgäste sind eine wichtige Zielgruppe.<br />

Wie Lady Hermé de Wyman Miró,<br />

die seit 1937 herkommt und vor ein paar<br />

Jahren ihren 100. Geburtstag hier feierte.<br />

Es gibt Herren, die ihren Tee jeden Tag<br />

zur selben Zeit am selben Tisch in der<br />

„Oleander Bar“ einnehmen, dabei lesen,<br />

ein bisschen beobachten, die Flasche<br />

Wasser bleibt den Tag über am Tisch stehen<br />

bis zum Abend. Es gibt Stammgäste,<br />

die über Monate bleiben, Witwen in Pelz<br />

und mit schwerem Schmuck, jeden Abend<br />

mit neuer Begleitung, an wechselnden<br />

Tischen – immer herzlich empfangen.<br />

Drei Restaurants gehören zum Hotel.<br />

Eines ist außerhalb des Hauses im Park<br />

gelegen. Eines im Wintergarten. Dort<br />

kocht sich Küchenchef Alexander Mayer<br />

in Richtung Stern. Zur Livemusik am<br />

Piano gibt es Zweierlei vom Wagyu-Rind.<br />

Nebenan im „Fritz&Felix“wird ein Rindertartar<br />

serviert, das manche Gäste als Vorund<br />

als Nachspeise bestellen.<br />

Die Geschichte des „Brenners Park-<br />

Ho tel & Spa“ beginnt 1872 mit der Ersteigerung<br />

des Hotels „Stéphanie-les-Bains“<br />

durch den Hofkleidermacher Anton Alois<br />

Brenner. Sein Sohn Camille übernimmt<br />

1883, erweitert das Hotel um den benachbarten<br />

Kurhof, macht es in den Jahren bis<br />

zum Ersten Weltkrieg zu einem international<br />

anerkannten Haus. Er stellt es in den<br />

USA vor, hält Kontakte zum benachbar ten<br />

Frankreich, nach Russland. Nach Ende des<br />

Zweiten Weltkrieges gehört Baden-Baden<br />

zur französischen Besatzungszone, das<br />

Militär nutzt das Hotel jahrelang als Ver-<br />

Fotos: Brenner's Park Hotel, Jürgen Feuerer/Prisma<br />

102 <strong>FOCUS</strong> <strong>22</strong>/20<strong>22</strong>

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!