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moneyeditorial<br />
EDITORIAL<br />
Mehr Fairness,<br />
weniger Beamte<br />
Beamte müssen viel ertragen. Dazu gehören auch Witze über ihre Effizienz.<br />
„Warum sind bei Beamten Papiertaschentücher so unbeliebt? Weil häufig ‚Tempo‘<br />
draufsteht!“ Doch solche Pointen können Staatsdiener gut wegstecken.<br />
Denn die knapp 1,8 Millionen Beamten genießen Privilegien. Die Pressemitteilung<br />
Nr. 551 des Statistischen Bundesamtes stellt fest: Rund 1,5 Prozent des<br />
Bruttoinlandsprodukts, das sind mehr als 52 Milliarden Euro, wurden im Jahr<br />
2021 für ihre Altersversorgung aufgewendet. Mit einem durchschnittlichen<br />
Ruhegehalt von 3170 Euro monatlich sind Beamte im Vergleich zu Arbeitnehmer<br />
und Selbstständigen privilegiert. Die Schieflage wird sich durch die Zunahme<br />
staatlicher Ruheständler noch verstärken. Die Zahl der Pensionäre stieg<br />
bereits zwischen dem Jahr 2000 und 2020 um mehr als die Hälfte.<br />
Doch nicht nur bei der Altersversorgung wächst die Ungleichheit, sondern<br />
auch bei den Gehältern. Beamte kommen nach einer Umfrage der Bundesbank<br />
auf ein durchschnittliches Jahresbruttoeinkommen von 79 900 Euro. Bei Angestellten<br />
sind es hingegen 58 400 Euro und bei Selbstständigen sogar nur<br />
51 300 jährlich. Dabei genießen Beamte noch Privilegien wie eine Arbeitsplatzgarantie,<br />
keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung oder zur Rentenversicherung<br />
sowie eine eigene Krankenversicherung, die der Versorgung durch<br />
AOK & Co. weit überlegen ist. Angesichts der Lohnentwicklung gilt ohnehin<br />
nicht mehr die tradierte Annahme, dass Beamte weniger Geld verdienen als in<br />
der freien Wirtschaft und deshalb eine hohe Pension verdienen.<br />
Es ist Zeit für eine sehr grundlegende Reform, um mehr Fairness im Land zu<br />
schaffen. Warum zahlen nicht auch Beamte in die Rentenversicherung ein?<br />
Warum erhalten Beamte bis zu knapp 72 Prozent ihres letzten Gehaltes vor<br />
dem Ruhestand? Warum sind Staatsdiener aus solidarischen Gründen nicht<br />
bei einer Ersatzkasse krankenversichert? Und warum gibt es eigentlich eine<br />
lebenslange Arbeitsplatzgarantie?<br />
Wenn die Parteien nicht bald eine Modernisierung des viel zu teuren Staatsapparates<br />
anpacken, droht zum einen die wirtschaftliche Überforderung des<br />
Staates. Deutschland hat bekanntlich kein Einnahmeproblem, sondern ein<br />
Ausgabeproblem. Das gilt insbesondere bei den Staatsdienern. Zudem birgt<br />
das unfaire System sozialen Sprengstoff, aus dem extremistische Kräfte schnell<br />
Kapital schlagen können. Noch immer haben die bürgerlichen Kräfte in Regierung<br />
und Opposition genügend Stimmen, um Gesetze und Verfassung im Sinne<br />
von mehr Gerechtigkeit und besserer Leistbarkeit zu ändern. Sie sollten diese<br />
Macht schleunigst nutzen, um das Zweiklassensystem zu beenden und die<br />
Rentenversicherung zukunftssicher zu machen. Mehr Fairness ist das Gebot<br />
der Stunde.<br />
HANS-PETER SIEBENHAAR<br />
Mitglied der Chefredaktion<br />
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FOCUS MONEY <strong>42</strong>/<strong>2023</strong><br />
3
moneyinhalt<br />
11. OKTOBER <strong>2023</strong> www.money.de<br />
moneykompakt<br />
6 USA: Der Sprecher des Repräsentantenhauses<br />
wurde aus dem Amt<br />
gedrängt. Und jetzt?<br />
7 Das kaufe ich jetzt: Auch wenn<br />
die Börsen wackeln. Die CME<br />
Group gehört ins Depot<br />
7 Chart der Woche: Deutschland<br />
überweist das meiste Geld nach<br />
Brüssel<br />
7 Hit & Shit: Pfizer und die<br />
Deutsche Konsum REIT<br />
8 Daimler Truck: CO2-Reduzierung<br />
für Reisebusse unrealistisch<br />
8 Börsentag: Anleger treffen sich<br />
am 21.10.<strong>2023</strong> in Berlin<br />
9 Mikas Markt-Monitor: 70 Prozent<br />
Verlust mit einer Staatsanleihe<br />
9 Rüstung: Renk sagt Börsengang ab<br />
10 Urlaub: Reiseportal Holidaycheck<br />
erringt einen Sieg vor Gericht<br />
10 Gasspeicher: Gut gefüllt, aber die<br />
Unsicherheit bleibt<br />
98 Andis Börsenbarometer: Auch<br />
am Wochenende mit CFDs<br />
handeln<br />
12<br />
Strategisch agieren<br />
In unsicheren Zeiten wächst das<br />
Geld nicht mehr auf Bäumen. Dann<br />
lohnt sich ein Blick auf Strategien<br />
und Methoden, die Anlegern eine<br />
Alternative bieten. Drei Top-Strategien<br />
für Anleger<br />
moneytitel<br />
12 Finanzmärkte: Probleme gibt es<br />
genug. Doch der Optimismus der<br />
Profis ist groß<br />
14 Strategie: Mit der 200-Tage-Linie<br />
auf Euro-Jagd. Wie vier Titel ein<br />
Depot nach vorne brachten<br />
18 Abstauber-Taktik: Mit klugen<br />
Einstiegstechniken und cleveren<br />
Anlageprodukten zum Erfolg<br />
50<br />
Steigende Zahlen<br />
Die Gesundheitslatsche zu<br />
tragen, ist für viele Ausdruck<br />
eines Lebensgefühls. Das zahlt<br />
sich aus – Umsatz und Gewinn<br />
steigen. Aber es gibt Haken<br />
22 Top-Gewinner: Große Namen,<br />
rosige Aussichten.<br />
moneymarkets<br />
26 Interview: Tech-Investorin Cathie<br />
Wood über das Investieren in<br />
Innovationen<br />
30 Disney: Harte Konkurrenz macht<br />
dem Unternehmen zu schaffen<br />
32 Interview: Ufa-Chef Nico Hofmann<br />
über Streaming und KI<br />
34 Kolumne: Ken Fisher über die<br />
„Mauer der Angst“<br />
36 Pharma: KI kann die Entwicklung<br />
von Medikamenten beschleunigen.<br />
Welche Konzerne großes<br />
Potenzial haben<br />
4 Titelillustration: Adobe Stock<br />
Composing: FOCUS MONEY<br />
FOCUS MONEY <strong>42</strong>/<strong>2023</strong>
40 Economist: Der Kampf der<br />
Giganten. Apple gegen Microsoft<br />
44 Umweltbank: Der Aktienkurs ist<br />
abgestürzt. Doch das könnte<br />
übertrieben sein<br />
45 Chartsignal: Gold fiel zuletzt<br />
deutlich. Jetzt naht Unterstützung<br />
45 Wette der Woche: Der Börsengang<br />
von Instacart ging nach<br />
hinten los. Kommt jetzt die Wende?<br />
46 Elektromobilität: Cluster eröffnen<br />
Chancen<br />
50 Birkenstock: Eine Legende geht<br />
an die Börse<br />
54 Übernahmen: Immer mehr<br />
deutsche Unternehmen werden<br />
aufgekauft. Das kann sich lohnen<br />
57 Cancom: Attraktive Bewertung<br />
macht das Unternehmen wieder<br />
interessant<br />
62 Musterdpots: Nicole Sperch hat<br />
die Nase vorn<br />
64 ESG-Awards: Ideen für eine<br />
bessere Welt<br />
66 Marktplatz: Hotel-Bonusprogramme.<br />
Ein Kommentar<br />
moneydigital<br />
58 Mission <strong>Money</strong>: Hans-Werner<br />
Sinn befürchtet, dass der deutsche<br />
Sonderweg die Zukunft<br />
gefährdet, Kleingeldhelden und<br />
<strong>Money</strong> Talks<br />
40<br />
Duell der Giganten<br />
Microsoft könnte Apple als wertvollstes Unternehmen ablösen. Wie?<br />
Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz<br />
30<br />
Aus die Maus?<br />
Die Disney-Aktie hat sich in<br />
zwei Jahren fast halbiert. Das<br />
Tüpfelchen auf dem i ist der<br />
Streik der Schauspieler. Aber es<br />
gibt auch Grund zum<br />
Optimismus<br />
26<br />
59 Aktienanalyse: Die Swiss<br />
Life-Aktie hat Einiges zu bieten<br />
dswanlegerschutz<br />
63 Wirecard: Frist zur Teilnahme am<br />
Musterverfahren abgelaufen<br />
moneyservice<br />
68 Private Krankenversicherung:<br />
Privatpatienten achten auf Kosten<br />
und ein gutes Leistungsniveau.<br />
Die besten Policen<br />
71 Versicherungsgruppen: Die<br />
Top-15 der Europäer mit der<br />
besten Bonität<br />
74 Bewertung: Welche Kundenhotlines<br />
performen<br />
moneyanalyse<br />
81 Fonds<br />
82 Deutsche Aktien<br />
90 Internationale Aktien<br />
96 ETFs<br />
97 Zertifikate<br />
moneyrubriken<br />
3 Editorial<br />
80 Leserbriefe – Impressum<br />
98 Termine<br />
„Viele Anleger versuchen, ihr Investment<br />
zu timen – das funktioniert nicht.“<br />
CATHIE WOOD, CEO VON ARK INVEST<br />
FOCUS MONEY <strong>42</strong>/<strong>2023</strong><br />
Inhaltfotos: Adobe Stock (2), Birkenstock, Disney, Bloomberg 5
moneymarkets<br />
INTERVIEW<br />
Wir müssen<br />
viel Boden<br />
gutmachen“<br />
Die Superstar-Innovatoren werden die<br />
heutigen Nasdaq-Giganten verdrängen, ist<br />
Cathie Wood überzeugt. Die prominente<br />
Tech-Investorin und Gründerin von Ark<br />
Invest expandiert mit Rize ETF nach Europa<br />
von HEIKE BANGERT<br />
Frau Wood, wie sehr treibt es Sie um, dass viele Privatanleger<br />
in der Hausse in Ark-Innovation ETFs investiert haben und<br />
heute auf hohen Verlusten sitzen?<br />
Cathie Wood: Ich gehe davon aus, dass gerade unsere<br />
Investoren aufgrund des umfangreichen kostenfreien<br />
Researchs, das wir ihnen zur Verfügung stellen, verstehen,<br />
wovon wir sprechen, wenn es um Investitionen<br />
in Innovationen geht. Viele Venture-Capital-Präsentationen<br />
bauen auf unserem Research auf. Sie werden<br />
kaum jemanden finden, der ähnlich gründlich recherchiert<br />
wie wir. Entsprechend hoch ist unsere Überzeugung.<br />
Ich bin nicht befugt, Anlegern Ratschläge zu erteilen,<br />
kann aber sagen, was ich mit meinem eigenen<br />
Portfolio mache: Ich bilde stets einen Durchschnittswert,<br />
an dem ich mich orientiere. Viele Anleger versuchen,<br />
ihr Investment zu timen – das funktioniert nicht.<br />
Stattdessen sollten sie sich auf wenige Strategien konzentrieren,<br />
von denen Sie wirklich überzeugt sind.<br />
26 Foto: Bloomberg<br />
FOCUS MONEY <strong>42</strong>/<strong>2023</strong>
FOCUS MONEY <strong>42</strong>/<strong>2023</strong><br />
TECH-INVESTORIN<br />
WOOD auf der Bühne bei<br />
der Münchener Start-up-<br />
Messe „Bits & Pretzels“.<br />
Ihre Einschätzung zu<br />
Bitcoin: „Bullish, bullish,<br />
bullish.“<br />
Vita<br />
Cathie Wood<br />
Geboren 1955 in<br />
den USA, Studium<br />
der Wirtschaftswissenschaften<br />
an der<br />
University of Southern<br />
California bei<br />
Art Laffer, 1981<br />
Abschluss: Summa<br />
cum laude<br />
1977 Assistant<br />
Economist bei The<br />
Capital Group, 1981<br />
Wechsel zu Jennison<br />
Associates LLC,<br />
Aufstieg zur Chefökonomin<br />
und Portfoliomanagerin,<br />
ab 1998<br />
Limited Partnerin und<br />
Portfoliomanagerin<br />
bei Tupelo Capital<br />
Group, ab 2002 CIO<br />
bei AllianceBernstein<br />
2014 gründet sie<br />
ihre eigene Firma:<br />
Ark Invest, und<br />
bestimmt als CEO<br />
und CIO den Kurs<br />
Und wie lange sollten Anleger dabeibleiben?<br />
Wood: Unser Anlagehorizont beträgt fünf<br />
Jahre. Doch wir haben gerade eine Phase erlebt,<br />
in der die Zinssätze in einem Jahr um<br />
das 22-Fache gestiegen sind. Das hat es zuvor<br />
noch nie gegeben und brachte alle langfristigen<br />
Strategien unter Druck. Jetzt stehen<br />
wir kurz vor dem Ende dieses Zyklus.<br />
China ist wirtschaftlich in Schwierigkeiten.<br />
Europa wird folgen. Den USA steht als Letztes<br />
eine harte Landung bevor. Der US-Immobilienmarkt<br />
befindet sich auf einem ähnlich<br />
niedrigen Preislevel wie in den Krisenjahren<br />
2008/09. Die Autoverkäufe liegen auf Rezessionsniveau.<br />
Die Lagerbestände sind zurückgegangen.<br />
Der Konsum wird stärker<br />
einbrechen als bisher angenommen. Damit<br />
dürfte die US-Notenbank Fed die Zinsen<br />
schneller senken, als sich die meisten Menschen<br />
das vorstellen können. Das sollte sich<br />
für unsere Strategie auszahlen. Also nochmals:<br />
Unser Anlagehorizont beträgt normalerweise<br />
fünf Jahre. Doch nach der Periode<br />
der Zinserhöhungen dürfte sich dieser Horizont<br />
verlängern, weil wir in der Tat viel Boden<br />
gutmachen müssen. Ich bin mir sicher,<br />
dass die von Ihnen erwähnten Investoren<br />
dem zustimmen würden.<br />
Die Zinsen könnten aber über eine längere Zeit höher<br />
bleiben als angenommen. Das gilt nicht<br />
gerade als gutes Umfeld für Wachstumswerte...<br />
Wood: Da mögen Sie für den Gesamtmarkt<br />
recht haben. Doch die Historie lehrt uns,<br />
dass die Kurse der Superstar-Wachstumsaktien<br />
in vielen Perioden gestiegen sind, in denen<br />
die Zinsen erhöht wurden. Zuletzt war<br />
es 2017 der Fall.<br />
Sie unterscheiden zwischen Superstar- und normalen<br />
Wachstumsaktien?<br />
Wood: Ganz genau. Über den Zinssatz werden<br />
die zukünftigen Zahlungsströme diskontiert.<br />
Der so ermittelte Barwert schlägt<br />
bei reifen Unternehmen mehr ins Kontor als<br />
bei Super-Wachstumsunternehmen, vor allem<br />
weil die Menschen keine Vorstellung davon<br />
haben, wie schnell die innovativen Disruptoren<br />
wachsen. Tesla ist ein gutes<br />
Beispiel dafür. Viele Menschen dachten, Tesla<br />
wäre aus dem Nichts gekommen. Das sehen<br />
wir anders. Wir konnten jederzeit ausrechnen,<br />
dass die Einnahmen um 50 Prozent<br />
steigen werden und dass sich das Unternehmen<br />
zu einem autonomen Giganten entwickeln<br />
wird. Wir verschenken unser Research<br />
und unsere Modelle – auf Github und unserer<br />
Homepage.<br />
Haben Sie in der Krise Ihre Strategie angepasst?<br />
Wood: Nein, wir sind keine generalistischen<br />
Manager. Wir konzentrieren uns auf<br />
eine Sache, das ist Innovation. Das ist eine<br />
volatile Strategie, die Investoren gemäß ihrer<br />
eigenen Risikopräferenz beimischen<br />
sollten – mit einem Anteil von fünf bis 15<br />
Prozent. Gemessen an ihren Aktiendepots<br />
sind die meisten Anleger ohnehin mit weniger<br />
als fünf Prozent investiert. Viele denken,<br />
sie hätten diese bereits mit der Nasdaq abgedeckt.<br />
Das ist falsch. Die dort gelisteten Unternehmen<br />
weisen bereits eine große Marktreife<br />
auf und werden in naher Zukunft von<br />
unseren deutlich wachstumsstärkeren Unternehmen<br />
verdrängt. Die Gewichtung von<br />
Aktien, von denen wir überzeugt sind, haben<br />
wir in der Krise eher noch erhöht. Ich denke<br />
zwar, dass Anleger nicht alle Eier in einen<br />
Korb legen sollten, dennoch sollten sie jetzt<br />
mehr von diesen Eiern in den Korb legen als<br />
im Jahr 2020.<br />
Nvidia war einer Ihrer Favoriten. Sie haben die<br />
Chipaktie im Januar verkauft und verpassten<br />
einen großen Teil der Kursrally...<br />
Wood: Also zunächst einmal haben wir die<br />
Nvidia-Aktie zu fünf Dollar gekauft und zu<br />
380 Dollar verkauft. Wir besitzen sie nach<br />
wie vor in einigen Portfolios, haben den Anteil<br />
jedoch reduziert. Eine Frage der Bewertung.<br />
Nvidia ist ein großer Indexwert geworden.<br />
Jede einzelne Position in unserem<br />
Flaggschiff-Portfolio ist handverlesen. Ihre<br />
Berechtigung haben sie meist aufgrund ihres<br />
geistigen Eigentums. Dieses Fachwissen, die<br />
Daten und ein breit gefächerter Vertrieb ermöglichen<br />
es ihnen, Produkte und Dienstleistungen<br />
zu schaffen, die sonst niemand hat.<br />
Nehmen Sie Uipath. Das in Rumänien gegründete<br />
Softwareunternehmen betreibt<br />
eine Plattform für Robotik-Prozessautomation.<br />
Die waren sehr überrascht, dass alle ihre<br />
Geschäftskunden bereit waren, Informationen<br />
über Arbeitsprozesse mit ihnen zu teilen,<br />
die diese selbst nicht als geistiges Eigentum<br />
erachteten. Nun verfügt Uipath über eine<br />
Menge Daten, mit denen sie Modelle für ein<br />
schnelleres Umsatzwachstum und höhere<br />
Gewinnmargen erarbeiten können. Zeit ist<br />
Geld. Und in Zeiten des Arbeitskräftemangels<br />
müssen Unternehmen über Automatisierung<br />
ihre Effizienz steigern.<br />
Gilt das auch für Tesla? An der Aktie scheiden sich<br />
ja die Geister...<br />
Wood: Das gilt gerade für Tesla. Wir lieben<br />
Tesla. Tesla hat den E-Automarkt von hin-<br />
27
moneymarkets<br />
Das Beste für<br />
FOCUS MONEY-Leser<br />
Der 1843 gegründete „The<br />
Economist“ mit dem Leitmotto<br />
„Den globalen Fortschritt<br />
inspirieren“ gilt heute<br />
als eine der führenden Wirtschaftszeitschriften<br />
der<br />
Welt. Er betont seine Unabhängigkeit<br />
und Objektivität;<br />
mit Büros in 14 Ländern<br />
weltweit ist er für seine tiefen<br />
Analysen der globalen<br />
Wirtschaft und Politik<br />
bekannt. In einer Kooperation<br />
macht FOCUS MONEY<br />
seinen Lesern in der Regel<br />
wöchentlich einen ausge<br />
wählten Artikel aus „The<br />
Economist“ zugänglich.<br />
DIE ZUKUNFT DER ARBEIT: Mit generativer KI will Microsoft den Wandel grundlegend voranzutreiben<br />
ZWEITER HÖHENFLUG<br />
Wie Microsoft Apple als wertvollstes<br />
Unternehmen überrunden könnte<br />
Der amerikanische<br />
Software-Gigant aus<br />
Redmond versucht,<br />
mithilfe von künstlicher<br />
Intelligenz die<br />
Zukunft der Arbeit<br />
radikal zu verändern<br />
J<br />
ahrelang hat Microsoft versucht, Büroangestellte dazu zu<br />
bringen, mit seiner Bürosoftware Berichte zu schreiben, Tabellenkalkulationen<br />
zu füllen und Folienvorträge zu gestalten.<br />
Damit ist es vorbei: Jetzt will es das Schreiben und Befüllen<br />
der Dokumente selbst übernehmen. In seinem Hauptsitz in Redmond,<br />
einem grünen Vorort von Seattle, demonstriert das Unternehmen<br />
seine neuesten Entwicklungen. Jenseits der Glasfenster<br />
glitzern die schneebedeckten Berge und wiegen sich die<br />
Kiefern. Im Inneren befindet sich ein kleines graues Rechteck<br />
am oberen Rand eines leeren Word-Dokuments. Ein Chatbot mit<br />
künstlicher Intelligenz (KI) – oder „Copilot“, wie Microsoft ihn<br />
nennt – findet mit ein paar Worten eine große Datei in einem<br />
Computerordner und fasst deren Inhalt zusammen. Später redigiert<br />
er seine eigene Arbeit und beantwortet kurz und bündig<br />
Fragen zum Material. Er kann auch viele weitere Tricks: E-Mails<br />
zu bestimmten Themen ausgraben, eine Aufgabenliste auf der<br />
Grundlage eines Meetings erstellen und sogar eine passable PowerPoint-Präsentation<br />
über Ihren Gesprächspartner erstellen.<br />
Dies ist ein kleiner Vorgeschmack auf die Zukunft der Arbeit.<br />
Die verblüffenden Fähigkeiten der „generativen“ KI dürften<br />
viele Schreibtischjobs verändern. Es ist auch ein Vorgeschmack<br />
auf die Zukunft von Microsoft: Das einst wertvollste<br />
börsennotierte Unternehmen der Welt hofft, diesen Titel zurückzuerobern,<br />
indem es die Technologie verkauft, die den<br />
Wandel vorantreiben wird. Durch die Investition des Unter-<br />
40<br />
Illustrationen: Adobe Stock<br />
Composing: FOCUS MONEY<br />
FOCUS MONEY <strong>42</strong>/<strong>2023</strong>
nehmens in OpenAI, das Start-up hinter ChatGPT, einem<br />
beliebten KI-Chatbot, ist es in der Lage, modernste KI in<br />
seine Produkte einzubringen.<br />
Copiloten für Windows. Das bedeutet nicht nur, dass<br />
der Copilot zu seiner Büro-Software (früher „Office“ genannt,<br />
aber kürzlich in „Microsoft 365“ umbenannt) hinzugefügt<br />
wird, die im November auf den Markt kommen<br />
wird. Demnächst wird das Unternehmen einen Copiloten<br />
für sein Betriebssystem Windows auf den Markt bringen,<br />
der in der Lage sein wird, die Einstellungen Ihres Computers<br />
zu ändern, Bilder zu erzeugen und Webseiten zusammenzufassen.<br />
Copiloten für die Vertriebssoftware und das<br />
Personalwesen sind bereits verfügbar. Ein Copilot für seine<br />
Sicherheitssoftware ist in Arbeit. Im Februar fügte Microsoft<br />
seiner Suchmaschine Bing ChatGPT ähnelnde<br />
Funktionen hinzu, also einen weiteren Copiloten. Mit seinem<br />
Geschwader von Copiloten setzt Microsoft generative<br />
KI in fast jedem Aspekt seines Geschäfts ein.<br />
Dies ist vielleicht die größte Wette, die ein Unternehmen<br />
auf KI eingeht. Der Preis ist potenziell riesig. Copiloten<br />
könnten die Arbeitswelt für die 1,2 Milliarden Nutzer<br />
von Microsoft 365 und die 1,4 Milliarden Nutzer von Windows<br />
verändern. Dies würde Microsoft die Möglichkeit<br />
geben, neue Kunden zu gewinnen und mehr an ihnen zu<br />
verdienen. Das wiederum könnte das Geschäft mit Azure,<br />
dem margenstarken Cloud-Geschäft von Microsoft,<br />
ankurbeln und möglicherweise dazu beitragen, dass das<br />
Unternehmen Amazon Web Services (AWS) überholt und<br />
zum weltweit größten Cloud-Unternehmen wird. Es<br />
könnte sogar dazu beitragen, dass Microsofts Bewertung<br />
über die aktuellen 2,3 Billionen Dollar steigt und sich<br />
möglicherweise die Lücke zum derzeit wertvollsten Unternehmen<br />
der Welt, Apple, schließt.<br />
Tatsächlich bietet KI Microsoft eine verlockende Chance,<br />
etwas zu tun, was dem Unternehmen bisher entgangen<br />
ist, und all seine Angebote zu vereinen, so Mark Moerdler<br />
vom Brokerunternehmen Bernstein. Teams, der<br />
Videokonferenzdienst von Microsoft, könnte für IT-Manager<br />
attraktiver sein als der Konkurrent Zoom, wenn er über<br />
einen Copiloten verfügt, der die E-Mails der Mitarbeiter in<br />
Outlook durchsucht und Informationen aus ihren Word-<br />
Dokumenten und PowerPoints abruft. Diese ganze technische<br />
Zauberei kann auch über Azure kanalisiert werden,<br />
was das Geschäft von Microsoft weiter ankurbelt.<br />
Großes Risiko. Dennoch geht auch Microsoft ein großes<br />
Risiko ein. Im nächsten Jahr werden die Investitionsausgaben<br />
voraussichtlich um fast zwei Fünftel auf etwa 40 Milliarden<br />
Dolla steigen. Das sind fast rekordverdächtige 16<br />
Prozent der Einnahmen des Unternehmens und ein höherer<br />
Anteil als bei jedem anderen Tech-Riesen außer Meta,<br />
der Muttergesellschaft von Facebook. Ein Großteil davon<br />
wird für neue KI-Chips und Hochleistungsnetzwerke ausgegeben,<br />
die in den etwa 120 zusätzlichen Rechenzentren<br />
zum Einsatz kommen sollen, die das Unternehmen in Betrieb<br />
nehmen will. Ob sich eine solche Investition lohnt, ist<br />
eine offene Frage. So vielversprechend die Copiloten auch<br />
sind, sie haben noch viele Schwierigkeiten. Bei der Demonstration<br />
in Redmond beschrieb die KI-generierte Diashow<br />
ihren Korrespondenten als „CEO von ABC Inc“, was<br />
er definitiv nicht ist. Konkurrenten haben es auf dieselben<br />
Märkte abgesehen, insbesondere Alphabet. In dem sich zuspitzenden<br />
Kampf um die Zukunft der Arbeit ist Microsofts<br />
Position zwar beneidenswert, aber nicht unangreifbar.<br />
Es war ein langer Weg, sich diese Position zu erarbeiten.<br />
Die Blütezeit von Microsoft war in den 1990er-Jahren.<br />
Die Dominanz von Windows als Betriebssystem in Verbindung<br />
mit einer knallharten Geschäftsmentalität<br />
machte das Unternehmen mächtig, aber es stieß auch auf<br />
Ablehnung. Es folgte eine Zeit der Stagnation, da das Unternehmen<br />
von den Einnahmen aus Windows lebte. Als<br />
Satya Nadella 2014 das Ruder übernahm, rüttelte er das<br />
Unternehmen auf. Windows würde nicht mehr der<br />
Hauptschwerpunkt des Unternehmens sein. Stattdessen<br />
wurde das Unternehmen um Azure herum umstrukturiert,<br />
wobei Blockbuster-Programme wie Office in die<br />
Cloud verlagert wurden. Dies erforderte einen enormen<br />
Ausbau von Rechenzentren. Die Investitionsausgaben<br />
von Microsoft stiegen von sechs Prozent des Umsatzes<br />
Bei der Cloud ist Microsoft hinten dran<br />
Das Geschäft mit der Cloud hatte Microsoft lange<br />
strategisch unterschätzt. Diese Fehleinschätzung hat<br />
für den Softwareriesen Konsequenzen. Der Handelsriese<br />
Amazon erzielt weltweit einen deutlichen höheren<br />
Umsatz mit Cloud-Computing als Microsoft.<br />
Andere Tech-Unternehmen wie Alphabet, Alibaba<br />
und IBM spielen nur eine bescheide Nebenrolle<br />
Cloudbasierter Umsatz<br />
Anteil am weltweiten Umsatz in Prozent<br />
Amazon<br />
Microsoft<br />
Alphabet<br />
Alibaba<br />
IBM<br />
2018 19 20 21 22 <strong>2023</strong><br />
Quelle: Bloomberg<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
FOCUS MONEY <strong>42</strong>/<strong>2023</strong><br />
41
moneymarkets<br />
HINGUCKER: LVMH<br />
verpasste Birkenstock ein<br />
hochwertiges Image<br />
BIRKENSTOCK<br />
Scharfe<br />
Schlappen<br />
Börsenneuling Birkenstock bleibt<br />
unter den Fittichen von Luxusprimus<br />
LVMH. Ein gutes Zeichen<br />
– aber es gibt auch Grund zur<br />
Besorgnis. Eine Analyse<br />
von JENS MASUHR<br />
Jeder Fuß beansprucht beim Gehen 26 Knochen, 33 Muskeln<br />
und über 100 Sehnen und Bänder“, heißt es im Börsenprospekt<br />
von Birkenstock. Und weiter: „Ungeeignetes<br />
Schuhwerk kann unter anderem zu Reibung, Schmerzen,<br />
Verletzungen und einer schlechten Körperhaltung führen.“<br />
So rühmlich es ist, dass das einzigartige Fußbett dem Träger<br />
der Kultsandale ein „naturgewolltes“ Geherlebnis verschafft:<br />
Der Grund dafür, dass Menschen in den 1980er-Jahren vermehrt<br />
in die Gesundheitslatsche schlüpften, war ein anderer.<br />
Birkenstocks zu tragen, das war Ausdruck eines Lebensgefühls<br />
– ein klares Ja zu Öko, das Bekenntnis zu selbstgestrickten<br />
Socken und gegen sauren Regen. Das Motto:<br />
lieber uneitel und uncool als oberflächlich und angepasst.<br />
Die Turnschuh-Fraktion rollte nur mit den Augen. Birkenstocks<br />
am Fuß bedeutete in der Regel die Entscheidung für<br />
ein Leben allein auf dem Schulhof, blöde Kommentare der<br />
anderen und für Überzeugungsträger den politischen Stempel,<br />
tendenziell eher links, gleichzeitig gegen jeden und alles<br />
und überhaupt, anders zu sein als die Coolen. Zumindest<br />
bis zu dem Zeitpunkt, als die Helden der Neuzeit in Birkenstocks<br />
auf die Weltbühne schlappten – Vorbilder wie Apple-<br />
Mitgründer Steve Jobs. Mit ihm wurden Birkenstocks zu einer<br />
Art Erkennungsmerkmal der überdurchschnittlich<br />
Klugen und Kreativen unter uns.<br />
Schuhe für Helden. Und das getragene Schuhwerk mitunter<br />
zur erstklassigen Geldanlage. So wechselten die ausgetretenen<br />
Schlappen des Iphone-Erfinders kürzlich auf einer<br />
Auktion den Besitzer. Kein Scherz: Der Hammer fiel erst bei<br />
einem Preis von mehr als 218 000 Dollar. Vom Accessoire für<br />
Hipster schaffte es ein (pinkfarbenes) Paar sogar an die Füße<br />
50 Fotos: Adobe Stock, Birkenstock<br />
Composing: FOCUS MONEY<br />
FOCUS MONEY <strong>42</strong>/<strong>2023</strong>