Filmanalyse - Gabriele Jutz

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Music-Halls und Varietes gewohnt war. Welche Möglichkeiten es dabei gab, kann man sich an einem Beispiel deutlich machen: Nehmen wir an, ein Regisseur hätte irgendwann zwischen 1900 und 1906 folgende Aufgabe zu lösen: In einem Wohnzimmer streitet ein Ehepaar miteinander, die Frau ist eifersüchtig auf die Amouren ihres Mannes und macht ihm eine >Szene
(Die Varianten 2 bis 5 können ebenfalls durch weitere Einstellungen ergänzt werden.) In allen Fällen geht es um die raum-zeitliche Kontinuität des filmischen Erzählens. In der ersten Variante bleibt die Handlung in derselben Szene und Einstellung; da Ort, Zeit und Handlung identisch sind, ist die Kontinuität problemlos und die gleiche wie auf einer Theaterbühne. Die zweite Variante stellt eine Art Übergang von der szenischen, theatermäßigen zur filmischen Lösung des Anschlusses zwischen den Einstellungen dar. Erinnerungen oder Träume wurden schon auf den melodramatischen Bühnen des 19. Jahrhunderts durch Laterna magica Projektionen verwirklicht, wodurch eine zweite Szene in die erste eingefügt wurde; so auch hier: die erinnerte oder geträumte Szene wird in die fortdauernde Einstellung eingeblendet. Erinnerte und das heißt zeitlich vorangegangene Ereignisse können auch in einer neuen Einstellung, die auf die erste folgt, dargestellt werden, dann bedarf es jedoch in der Regel deutlicher Markierungen (zum Beispiel Fettblenden oder Unscharfen), die gerade die Nicht-Kontinuität zwischen beiden Einstellungen betonen. Dieses Verfahren, vorangegangene Ereignisse in der Erinnerung nachzuholen, wird flashback genannt. Die 3. bis 5. Variante stellen drei Möglichkeiten filmischer Erzählweisen dar, die jeweils mit dem Problem, an eine Bewegung aus der vorangegangenen Einstellung anschließen zu sollen, fertig werden müssen. Da die narrative Fokussierung von der Ehefrau auf den Ehemann übergeht, findet hier auch ein deutlicher Wechsel in der Erzählperspektive statt. In der 3. Variante wird die noch heute übliche und inzwischen perfektionierte Möglichkeit des direkten Anschlusses angewendet; unmerklich, weil sie scheinbar die Bewegung kontinuierlich fortsetzt, schließt die zweite an die erste Einstellung an: Die Tür wird geöffnet, der Ehemann ist dabei, im Türrahmen zu verschwinden / cut / der Ehemann betritt durch die geöffnete Tür den Salon und wirft die Tür hinter sich zu. Die Zeit als kontinuierliche Bewegung und auch die Räume schließen kontinuierlich an, alles paßt genau, daher heißt dieser Anschluß match cut. Anders in der 4. Variante. Hier hatte der Ehemann in der ersten Einstellung bereits die Tür geöffnet und war im Nebenzimmer verschwunden. Jetzt holt die folgende Einstellung zum Teil nach, was im Nebenraum während des Streits des Ehepaares vorsichging, bis die Tür aufgeht und der Ehemann im Salon erscheint. Diese partielle Gleichzeitigkeit der Handlungen stellt eine sehr enge Verbindung zwischen beiden Einstellungen her, indem die Handlungen 16 teilweise überlappen. Diese Verbindung wird temporal overlap genannt. Die 5. Variante ist das genaue Gegenteil zur 4. Der problematische Übergang zwischen den beiden Einstellungen wurde einfach >ausgelassenNach einiger Zeit, an einem anderen Ort . . .
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