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Filmanalyse - Gabriele Jutz

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METEOR / EARLY CINEMA<br />

kompletten Film oder als separate Aufnahmen, sodaß jedes einzelne Bild der Damen<br />

auf der Jagd nach diesem Mann auch ohne die anregenden Zwischenfälle und den nar-<br />

rativen Abschluß gekauft werden konnte. l4 )<br />

Wie Laura Mulvey in anderem Zusammenhang aufzeigte, war die Dialektik zwischen<br />

Spektakel und Narration eine der wichtigsten Antriebskräfte des klassischen Kinos. 15 )<br />

In seiner Studie zur Slapstick-Komödie mit dem Titel The pie and the chase weist<br />

Donald Crafton nach, wie der Slapstick einen wahren Balanceakt zwischen dem puren<br />

Spektakel des Gags und einer Entwicklung des Geschichtenerzählens vollführte. ] - 6 )<br />

Auf ähnliche Weise wurden traditionelle Spektakel-Filme ihrem Namen gerecht,<br />

indem sie die Momente rein visueller Reize im Erzählstrang herausstrichen. So<br />

wurde etwa die erste Version von BEN HUR (1924) in einem Bostoner Kino tatsäch­<br />

lich mit einem Zeitplan aufgeführt, der die Uhrzeiten der hervorstechendsten Attrak­<br />

tionen festhielt:<br />

8.35 p.m. The Star of Bethlehem<br />

8.40 p.m. Jerusalem Restored<br />

8.59 p.m. Fall of the House of Hur<br />

10.29 p.m. The Last Supper<br />

10.50 p.m. Reunion 17 )<br />

Die in Hollywood gängige Praxis, für einen Film zu werben, indem man seine diversen<br />

features aufzählt - jeweils mit einem imperativen „See!" versehen —, zeigt das mächti­<br />

ge Element der Attraktion, das hier unter der Deckschicht eines narrativen Regelwerks<br />

wirksam ist.<br />

Wir sind nun scheinbar weit entfernt vom Zusammenhang mit der Avantgarde, von<br />

dem diese Diskussion über das frühe Kino ausgegangen ist. Doch es ist wichtig, die ra­<br />

dikale Heterogenität, die mir am frühen Kino immer auffällt, keinesfalls als Gegenpro­<br />

gramm aufzufassen, das mit der Weiterentwicklung des narrativen Films völlig unver­<br />

einbar gewesen wäre. Diese Auffassung schiene mir zu sentimental - und auch ahisto­<br />

risch. Ein Film wie Porters THE GREAT TRAIN ROBBERY (1903) weist durchaus in<br />

14) Vgl. David Levy: Edison sales policy and the continuous actionfilm 1904-1906. In: Fell: a.a.O.,<br />

S. 207-222.<br />

15) Vgl. Laura Mulvey: Visual pleasure and narrative cinema. In: dies.: Visual and Other Pleasures.<br />

London 1989.<br />

16) Vgl. Donald Craftons Vortrag über .Slapstick, gehalten auf der FIAF'-Konferenz, Mai 1985,<br />

New York City.<br />

17) Vardac, Nicolas: From Stage to Screen: Thealrical Methodfrom Garrick to Griffith.<br />

New York 1968, S. 232.<br />

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