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Filmanalyse - Gabriele Jutz

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Tom GUNNING: Das Kino der Attraktionen.<br />

Der frühe Film, seine Zuschauer und die Avantgarde.<br />

In: Meteor, Heft 4 (1996), S. 25-34.<br />

METEOR / EARLY CINEMA<br />

Das Kino der Attraktionen<br />

Der frühe Film, seine Zuschauer und die Avantgarde<br />

Tom Gunning<br />

Tom. Gunnings Begriff Kino der Attraktionen führt zu einer Umwertung historischer Szenarien,<br />

indem er eine bisher vernachlässigte Facette der frühen Spielfilmproduktion herausarbeitet: die<br />

Inszenierung des Spektakels (dem der Plot untergeordnet wird). So stellt er eine Verbindung<br />

zwischen dem volkstümlichen Jahrmarktskino und der Avantgarde her:<br />

„exhibitionistische Konfrontation statt diegetische Versunkenheil".<br />

Im Jahr 1922 wagte sich Fernand Léger, noch ganz entzückt von Abel Gance' LA<br />

ROUE, an eine Definition der radikalen Möglichkeiten des Kinos. Das Potential dieser<br />

neuen Kunst lag in seinen Augen weder darin, „die Bewegungen der Natur zu imitie­<br />

ren", noch in dem „Irrweg" der Ähnlichkeit mit dem Theater. Ihre einzigartige Kraft<br />

sah er „darin, Bilder sichtbar zu machen ".1) Genau diese Nutzbarmachung des Visuel­<br />

len, dieser Akt des Zeigens und Aussteilens, ist für mich das deutlichste Kennzeichen<br />

des Kinos vor 1906. Näher untersucht werden soll hier sein Einfluß auf die Avantgarde<br />

der ersten Dekaden des Jahrhunderts.<br />

Was die frühen Modernen (Futuristen, Dadaisten und Surrealisten) über das Kino ge­<br />

schrieben haben, folgte einem ähnlichen Muster wie bei Leger: Enthusiasmus für das<br />

neue Medium und dessen Möglichkeiten, aber auch Enttäuschung über den Weg, den<br />

es bereits damals eingeschlagen hatte, über seine Versklavung durch traditionelle<br />

Kunstformen, vor allem Theater und Literatur. Dieses Fasziniertsein vom Potential<br />

eines Mediums (und der damit einhergehende Traum, das Kino aus dieser Versklavung<br />

durch fremde und überkommene Formen zu befreien) läßt sich aus einer ganzen Reihe<br />

von Perspektiven verstehen. Ich möchte sie hier dafür verwenden, ein Thema zu be­<br />

leuchten, das mir ohnehin am Herzen liegt: das seltsam heterogene Verhältnis des<br />

Kinos vor (ungefähr) 1906 zu späteren Filmen, wobei das Erkennen dieser Hetero-<br />

genität auch eine neue Bewertung der Filmgeschichte und der filmischen Form signa-<br />

1) Vgl. Fernand Leger: A critical essay on the plastic qualities of Gance's film THE WHEEL.<br />

In: Edward Fry (Hg.): Functions of Painting. New York 1973.<br />

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