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Radiata2013(2)

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Walter Sachsse Die

Walter Sachsse Die Anteile des Materials unter Wasser werden mikrobiell sehr stark besiedelt und unterstützen damit eine biologisch gute Wasserqualität. Eine solche Einrichtung kann auch ausgewaschen werden: auf jeden Fall nur mit kaltem Wasser, und wenn sie mit Pflanzen bewachsen ist, nur mit sehr großer Vorsicht. Bei längerem Bestand werden sogar Pflanzenwurzeln an den seitlichen und an der unteren Fläche durchsprießen, womit die Ästhetik verbessert wird. Der Verfasser unterhält beispielsweise ein solches Aquarium mit einer Fläche von 50 × 20 cm für eine klein bleibende Pipiden-Art (Wabenkröte), ein weiteres Aquarium (120 × 40 cm) für zwei bis drei Plattschildkröten (Platemys platycephala; s. u.) und eine zehnköpfige Gruppe Gemalter Schwielenwelse (Hoplosternum thoracatum). Alle diese Behälter werden ohne jegliche Technik wie Filter oder Ähnliches betrieben; monatliche Wasserwechsel sind ausreichend. Eine ganz andere Einsatzmöglichkeit von Schaumgummi gibt es für jene Terrarientiere, die sich zeitweise eingraben – ein häufig praktiziertes Verhalten. Dazu wird das Material in Würfel mit je etwa 2 cm Kantenlänge geschnitten; für diesen Zweck eignen sich also jegliche Reste. Sie sollen ebenfalls gewaschen und angefeuchtet zum Einsatz kommen. Die Aufschüttung kann in Aquarien geschehen oder in ähnlich großen Plastikbehältern, die bis auf eine kleine Lüftung geschlossen werden. Wenn dort auf dem Boden etwa 1 cm hoch Wasser steht, bildet sich bei etwa 20 cm hoher Schüttung der Schaumgummistücke ein außerordentlich geeigneter Feuchtigkeitsgradient, in dem sich die Tiere ihren Platz aussuchen. Sie graben sich spontan viel williger ein, sofern beim Aufsetzen auf die Oberfläche des Substrates sehr helles Licht vorherrscht. Anschließend ist eine dunkle Aufstellung ausreichend. Ein Nachteil gegenüber Hobelspänen (Sachsse 2011) besteht darin, dass bei der Suche nach eventuell abgelegten Eiern diese im Schaumgummi leichter verdreht werden können als in Hobelspänen oder Sand. Die Behälter sollten etwa ein- bis zweimal im Monat kontrolliert werden; wenn die Tiere oben auf dem Substrat liegen, wird es Zeit, sie wieder in einen Behälter für ihre aktives Leben zurückzusetzen. Des zarteren Materials wegen ist diese Methode bei sich eingrabenden Schildkrötenarten nur für kleinere, weniger stark kratzende Exemplare geeignet, also beispielsweise für kleine Kinosterniden oder die hier vorgestellte Platemys platycephala. Auch grabende Frösche (z. B. Arten der Gattung Tomopterna) hat der Verfasser mit bestem Erfolg in diesem Substrat gehalten. Platemys platycephala ist im tropischen Südamerika von der Ost- bis zur Westküste weit verbreitet (Lehr 2002, Iverson 2004), insbesondere in Waldpfützen, die auch Teile des Jahres trockenliegen. Sie ist annähernd die kleinste und die am meisten terrestrisch lebende Halswenderschildkröte (Cryptodira) überhaupt. Für Schildkröten Maximalgrößen, also sogenannte „Rekordgrößen“ anzugeben, ist nicht sehr sinnvoll, da sich deren Bauplan unter anderen ökologischen Bedingungen ziemlich unterschiedlich auswachsen kann. Dies ist auch bei anderen ektothermen Tierarten zu beobachten. Ähnlich verhält es sich mit den sogenannten „Zwergformen“. Allerdings sind bei Plattschildkröten die Männchen in der Regel größer als die Weibchen, ein artübliches Merkmal. Es gibt also auch recht unterschiedliche Maße bei adulten, fortpflanzungsfähigen Exemplaren. Die Färbungsunterschiede mit all ihren Übergängen sind für den Verfasser so wenig überzeugend, dass er auf eine Unterteilung in Unterarten hier nicht eingehen möchte. Interessant ist aber die Anmerkung, dass diese Schildkrötenart ein Mosaik von Zellen mit verschiedenem Ploidiegrad darstellt (McBee et. al. 1985), was aber meines Wissens zytologisch noch nie nachgeprüft wurde. Durch ihre sehr weite Verbreitung in – teilweise ganz unwegsamen – Gebieten ist die Art bis 18 RADIATA 22 (2), 2013

Künstliche Materialien für Aquaterrarien heute wohl auch nicht bedroht. Das kann sich aber beim Vorgehen der Menschheit bald einmal ändern. Die Fortpflanzungsstrategie von Platemys platycephala nähert sich einem Extrem für Schildkröten: es wird meist nur ein einzelnes Ei von beachtlicher Größe abgelegt, aus dem nach 130 bis 180 Tagen ein voll entwickeltes Jungtier schlüpft. An ihm ist auch keinerlei Jugendhabitus zu erkennen – es ist die getreue Miniaturform seiner Elterntiere (Abb. 2). Auch seine Lebensweise entspricht ganz jener der adulten Exemplare, sie ist also semi-aquatisch bis semi-terrestrisch auf einem weichen Untergrund mit zahlreichen Versteckmöglichkeiten. Die Färbung des Panzers und des Kopfes bietet eine ausgezeichnete Mimese für Falllaub – unter wie über Wasser (Abb. 3). Die Ernährung besteht aus Wirbellosen aller Art, insbesondere Würmern und Schnecken (vgl. z. B. Pritchard & Trebbau 1984). Größere Brocken können, vor allem wenn sie hart sind, nicht im Ganzen geschluckt werden. Für die Ernährung in Menschenobhut eignet sich die inzwischen weit verbreitete Gelatine-Präparation („Schildkrötenpudding“) bestens. Die Art ist absolut carnivor. Es ist natürlich nicht leicht zu erraten, wann die Schildkröten eine Ruhezeit an Land verbringen möchten. Dazu kann über dem Schaumstoffblock, der – ganz überwiegend im Wasser liegend – praktisch eine Brücke bildet, im Abstand von der Höhe der Exemplare ein weiterer Block eingeklemmt werden, sodass sich die Tiere in einen Spalt oberhalb der Wasseroberfläche zurückziehen können. Es kann auch hinter einer in das Aquarium hochkant eingeklebten Glasscheibe ein Terrarienabschnitt mit den besagten Schaumstoffwürfeln gefüllt werden. Die Temperaturen sollten maximal zwischen 15 und 30 °C betragen, vorzugsweise aber 22 bis 28 °C. Da die Vermehrung dieser Art in menschlicher Obhut nicht ganz einfach gelingt, kann angenommen werden, dass die Mehrzahl der dort befindlichen Exemplare Wildfänge sind. Einige Nachzuchterfolge wurden bereits veröffentlicht (z. B. Thieme & Thieme 1996, Blanvillain 2005, Métrailler 2005, Buchert 2010); dabei ist hilfreich, dass die Art wenig scheu ist. Métrailler (2005) hatte den besonderen Vorteil, dass er 18 Exemplare zur Verfügung hatte und diese in Gruppen aufteilen konnte; er wandte auch drei verschiedene Inkubationsmethoden an. Aus den im Laufe von fünf Jahren abgelegten 38 Eiern schlüpften nur fünf Jungtiere, somit ist also eine exakte Zuordnung bezüglich des Erfolges nicht möglich. Der Vater der aktuellen Nachzucht beim Verfasser stammt noch aus der Zuchtgruppe des oben zitierten Ulrich Thieme, ein Exemplar, das schon mit erheblichen Panzerbohrlöchern aus Südamerika kam (wo diese kleine Schildkrötenart sogar gegessen wird). Folienbänder Bei diesem Material handelt es sich im Gegensatz zum Schaumgummi um den Versuch, die natürliche Deckung direkt mit künstlichem Material zu imitieren. Die Böden der stehenden und langsam fließenden Gewässer sind fast immer von einer mehr oder minder dicken Schicht Falllaub bedeckt. Dies ist bereits eine für die Evolution verantwortliche Situation; als Beispiel dafür ist nicht nur Platemys platycephala (s. o.) anzuführen, sondern es soll ganz besonders auf die Matamata (Fransenschildkröte, Chelus fimbriata) verwiesen werden. Schildkröten bevorzugen überhaupt zu Wasser und zu Lande eine Deckung, die ihrem Panzer weich anliegt. An Land graben sie sich ein, keilen sich unter Grasbüschel ein; im Wasser verschwinden sie im Schlamm oder unter Falllaub. Diesbezüglich gibt es nur ganz wenige Ausnahmen, nämlich an Land bekanntermaßen die Spaltenschildkröte (Malacochersus tornieri), auch manche Homopus-Arten, im Wasser die Großkopfschildkröte (Platysternon megacephalum) oder die kleinste der Moschusschildkröten, Sternotherus depressus, die Felsspalten als RADIATA 22 (2), 2013 19

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