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Radiata2013(2)

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Gerrit Wehrenberg Wenn

Gerrit Wehrenberg Wenn ein an den Strand gekommenes Weibchen angetroffen wird, werden alle Daten ab dem Sichtungszeitpunkt auf einem in Spanisch vorgefertigten Formular aufgenommen: Die Fundzeit, das Wetter, ob etwa eine regnerische oder sternenklare Nacht herrscht, Panzerlänge und -breite und die verschiedenen Phasen der Eiablage mit Zeitangaben. Die zu erfassenden Phasen waren: 1. Wann verließ die jeweilige Meeresschildkröte das Wasser und kam an den Strand? 2. Wann begann sie mit dem Freischaufeln der ausgewählten Stelle? 3. Wann begann sie mit dem Ausheben der Nistgrube? 4. Wann begann das Weibchen mit der Eiablage? 5. Wann schaufelte die Schildkröte das Loch zu, verfestigte es mit ihrem Bauchpanzer und tarnte die Ablagestelle, indem sie sie mithilfe der großen Vorderflossen mit Sand bewarf? 6. Wann zog sich die Meeresschildkröte ins Meer zurück? Die Ausführungen variierten nur leicht zwischen den Individuen und Arten. Bei Lederschildkröten wurde mithilfe eines Lesegerätes überprüft, ob diese einen Mikrochip im Nacken- oder Schulterbereich besaßen. Dies gehörte wiederum zu einer Studie, die untersucht, inwieweit diese Schildkröten ihren Geburts- beziehungsweise Niststränden tatsächlich treu bleiben. Da nur die im 65 km Luftlinie nordöstlich und nahe der Stadt Tamarindo liegenden Las Baulas National Marine Park nistenden Lederschildkröten markiert werden und einige dieser Exemplare in Camaronal nachgewiesenermaßen bei Nistaktivitäten beobachtet wurden, kann ich hiermit das Ergebnis vorwegnehmen. Gleich während meiner ersten Nachtpatrouille sah ich eine Dermochelys coriacea; es handelte sich um die erste von mir in der Natur beobachtete Meeresschildkröte. Ihre Panzerlänge betrug 1,60 m (die Länge wurde mit einem Maßband entlang der Panzermitte ermittelt). Ein weiteres Exemplar maß 1,70 m; bei ihm konnten wir den kompletten Legevorgang Abb. 19. Frisch geschlüpfte Lepidochelys olivacea auf dem Weg in den Pazifik. Foto: D. Hörmann 34 RADIATA 22 (2), 2013

Costa Rica beobachten und protokollieren. Während das Weibchen die Eier ablegte, befand es sich in einer Art Trance; so konnte ich mich mit seinem namensgebenden dunkelblau bis schwarz gefärbten und mit hellen Punkten versehenen Panzer vertraut machen. Dessen Kiele verlaufen in geraden Linien nach hinten in Richtung einer langgezogenen Spitze. Bei Berührung erinnert der Panzer an Hartgummi. Die um einiges kleinere Lepidochelys olivacea besitzt hingegen einen im vorderen Bereich gewölbten und harten Panzer. Die Eier der beiden Arten unterscheiden sich in ihrer Größe. Die Anzahl der Gelege ist ähnlich und variiert artunabhänig individuell von Muttertier zu Muttertier. Die erfassten Gelege zählten zwischen etwa 60 und 120 Eiern. Augenscheinlich spielen dabei auch das Alter und die Größe des jeweiligen Weibchens eine Rolle. Es kam vor, dass zwei Eier zusammengewachsen waren. Diese, aber auch beschädigte und verkümmerte Eier wurden aussortiert, um das ansonsten gesunde Gelege nicht zu gefährden. Wilderer kommen ausschließlich aus der lokalen Bevölkerung. Eine Aufgabe der Strandpatrouillen ist es, gegenüber den Eierdieben Präsenz zu zeigen. Mit schwarzer Kleidung und ohne Lampen versuchen diese, unentdeckt zu bleiben. Bis auf einen Ausnahmefall konnten wir als Volontäre nichts gegen die Wilderer unternehmen, da es bei einer Konfrontation zu gefährlichen Situationen kommen kann. Dieses besagte eine und erste Mal hielten wir drei junge Männer fest, die später von der Polizei abgeführt wurden. Allerdings waren die örtlichen Polizeistationen auf eine Festnahme nicht eingerichtet; so mussten Beamte aus dem rund 50 km entfernten Nicoya kommen. Dies zeigt, dass die Wilderer aus mangelndem Interesse seitens der Exekutive kaum mit Konsequenzen rechnen müssen, wie es in Camaronal bis dato auch der Fall war. So bleibt nur zu hoffen, dass die Festnahme positive Folgen nach sich zieht. Dies ist allerdings leider nicht zu erwarten, da wir in der folgenden Zeit keinen Rückgang an Eierdiebstählen feststellen konnten. Durch die Wilderer und die natürlichen Fressfeinde wurden oft sämtliche Gelege einer Nacht vernichtet. Den besten Schutz vor Ort bietet tatsächlich die „hatchery“. Trotz dieser Schwierigkeiten ist Costa Rica ein im Natur- und Artenschutz sehr erfolgreiches Land. 25 % des Landes bestehen aus regierungseigenen Nationalparks und Reservaten wie Camaronal. Ein großer Teil des Bruttoinlandproduktes geht auf den Ökotourismus zurück, und auch die seit 1948 politisch ruhige Lage des Landes hat positive Auswirkungen (Sheridan 2011). Danksagung und Nachtrag Da mir am letzten Tag in San José meine Kamera gestohlen wurde, half mir David Hörmann, ein in Costa Rica gewonnener Freund, mit eigenen Bildern aus. Bei dem Erdbeben vom 05.09.2012 mit der Stärke von 7,6 wurde Camaronal evakuiert. Das Epizentrum lag schätzungsweise nur 25 km in nordöstlicher Richtung entfernt. Es gab einige Sachschäden, aber keine Verletzten, wie mir eine costa-ricanische Freundin über das Internet berichtete. Das Projekt wird natürlich weitergeführt, und so wünsche ich auf diesem Wege Freunden vor Ort weiterhin viel Erfolg. Literatur Sheridan, A. (2011): Das A und O im Zoo. Europas führende Zoologische Gärten 2010- 2020. – Münster (Schüling Verlag), 396 S. Autor Gerrit Wehrenberg Nienhagener Straße 1 30629 Hannover E-Mail: diangeleo@arcor.de RADIATA 22 (2), 2013 35

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