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Radiata2017(3)

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Sergi Vila de Vicente,

Sergi Vila de Vicente, Mick Delahunt & Beate Pfau Vergleich der Ökologie der Albera-Schildkröte mit der anderer Lokalformen mit größerer genetischer Diversität unter vergleichbaren Lebensbedingungen Im Department Var im Süden Frankreichs gibt es mehrere Populationen von Testudo hermanni, die auch den genetischen Einfluss von Schildkröten aus Korsika, und teilweise sogar von ausgesetzten Testudo hermanni boettgeri zeigen (Guyot & Pritchard 1999, Cheylan pers. komm.). Die Populationsdichte dort liegt bei zwei bis zehn Schildkröten pro Hektar. Diese Schildkrötenpopulationen sind teilweise ebenfalls bedroht, vor Allem durch den Verlust oder die Umstrukturierung des Lebensraums durch Aufforstungen. Dennoch können sich diese Populationen gut halten oder manchmal vergrößern, sogar unter hohem Prädationsdruck durch die starken Wildschweinbestände. Eine weitere für ökologische Vergleiche interessante Schildkrötenpopulation lebt im Bosco de Mesola, in einem ziemlich schattigen Waldgebiet im Po-Delta in Nordost-Italien (Mazzotti 2004). Es handelt sich hier um eine Population von Mischlingen von Testudo hermanni hermanni und Testudo hermanni boettgeri. Da dieses Gebiet sich etwa dort befindet, wo die beiden Unterarten von Testudo hermanni an einander angrenzen, lässt sich nicht sagen, ob der Mischlingsstatus natürlichen Ursprungs ist oder auf der Aussetzung von Schildkröten beruht. Die dritte Population, die in den Vergleich einbezogen werden soll, lebt im Delta d’Ebre in der Provinz Tarragona (Bertolero 2013). Die Gründertiere dieser Population stammen von Menorca. Das Gebiet, in dem diese Schildkröten jetzt leben, ist vergleichbar mit dem Gebiet im Naturpark Cap de Creus, wo wir prüfen wollen, wie die Schildkröten aus unserem Einkreuzungsexperiment in der Natur zurechtkommen. Einkreuzungsexperiment zur Erweiterung der genetischen Diversität der Albera-Schildkröte Die ersten Versuche zur Verpaarung von Albera-Schildkröten mit den ausgewählten Schildkröten der anderen, genetisch nahestehenden, Lokalform werden in der Reserva Natural Remolar-Filipines stattfinden. Dort steht ein Gelände zur Verfügung, das bereits Beutegreifer-sicher eingezäunt ist. Dieses Gebiet liegt auch weit genug vom natürlichen Vorkommen der Albera-Schildkröte entfernt, so dass ein versehentlicher Kontakt der Versuchs-Schildkröten mit Schildkröten in Privathand oder gar mit den Albera-Schildkröten ausgeschlossen werden kann. Hier einige Vorüberlegungen zu den Einkreuzungsversuchen: Wir nehmen an, dass die “A”-Männchen bei der Fortpflanzung gegenüber den vitaleren “M”-Männchen im Nachteil sind Die weiblichen “M”-Schildkröten könnten über längere Zeit das Sperma der “M”-Männchen speichern, mit denen sie sich früher einmal gepaart hatten, und dem entsprechend reine “M”-Nachzuchten bringen, auch wenn sie während des Experiments nur mit “A”-Männchen zusammen gehalten werden und sich auch mit diesen gepaart haben Am Ende der Einkreuzungsexperimente könnten die “A”-Weibchen durchaus noch mehrere Jahre lang Mischlings-Nachzuchten bringen, wenn sie das Sperma der “M”-Männchen gespeichert haben. Daher wird jeweils sicher sein müssen, ob ein Jungtier aus den Kreuzungsversuchen auch tatsächlich von dem Männchen abstammt, das während des Experiments mit dem Weibchen zusammen gehalten wird. Es interessiert uns sehr, ob wir eine Möglichkeit finden, die Kreuzungstiere direkt nach dem Schlupf nur nach dem Aussehen zu erkennen. So bald klar ist, mit welcher balearischen Lokalform von Testudo hermanni hermanni (“M”-Schildkröten) die Experimente stattfinden sollen, müssen die Zuchttiere beschafft werden. Falls die Menorca-Lokalform für die Versuche geeignet ist, können die Zuchttiere aus den Gruppen beschlagnahmter Schildkröten in den verschiedenen Auffangstationen Kataloniens ausgewählt werden. Wenn jedoch die Mallorca-Lokalform die bessere Wahl ist, müssen die notwendigen Genehmigungen eingeholt werden, damit die Schildkröten von dort beschafft werden können. Die für die Experimente vorgesehenen “A”-Schildkröten können nicht einfach aus der Zuchtgruppe des 12 RADIATA 26 (3), 2017

Ein neues Projekt zur Erhaltung der Albera-Schildkröte CRT entnommen werden, denn dadurch würde die Sozialstruktur der sorgfältig zusammengestellten und an einander gewöhnten Gruppe zu sehr gestört. Es gibt allerdings ein Trio von Albera-Schildkröten im CRARC, und es gibt auch „echte“ Albera-Schildkröten in Privathand. Es erscheint möglich, spezielle Verträge für geeignete Tiere aus diesen Haltungen abzuschließen, so dass die entsprechenden Schildkröten für die Zucht-Experimente zur Verfügung gestellt werden. Für unsere Experimente werden wir jeweils Trios (ein Männchen und zwei Weibchen) zusammenstellen, die ganzjährig in großen, separaten Gehegen und alle unter sehr ähnlichen Umweltbedingungen, gehalten werden. Für jede Kombination wird es zwei Trios geben. Daraus folgt, dass wir folgende Gruppen zusammenstellen müssen: Zwei Trios von einem “A”-Männchen mit zwei “A”-Weibchen Zwei Trios von einem “M”-Männchen mit zwei “A”-Weibchen Zwei Trios von einem “A”-Männchen mit zwei “M”-Weibchen Zwei Trios von einem “M”-Männchen mit zwei “M”-Weibchen So bald dann die ersten Jungtiere geschlüpft sind, werden wir entscheiden, wie wir deren Fitness quantifizieren können. Erprobung der Schildkröten aus den Kreuzungsexperimenten in natürlicher Umgebung Wiederansiedlung oder genetische Hilfestellung für eine vorhandene Population? In Katalonien gibt es einige Populationen von frei lebenden Testudo hermanni hermanni, zwar im historischen Verbreitungsgebiet, aber in Lebensräumen, wo die ursprünglich dort lebenden Schildkröten sicher komplett ausgestorben waren (Bertolero 2013). Diese Populationen wurden absichtlich oder unabsichtlich wieder angesiedelt. Deshalb sind diese Schildkröten nicht „heimisch“ im engeren Wortsinn, wie es auch in den Wiederansiedlungsrichtlinien der IUCN definiert ist (IUCN/SSC 2013). Soweit bekannt sind diese Schildkröten alle Nachkömmlinge von Tieren, die von den Balearen nach Katalonien gebracht worden waren. Sie haben jetzt die ökologische Funktion der wirklich heimischen Schildkröten übernommen. In der Albera liegt eine ganz andere Situation vor: Die wirklich heimischen Schildkröten sind zwar nicht ausgestorben, aber im Rückgang begriffen. Maßnahmen zur Populationsverstärkung mit Nachzuchten von dieser heimischen Schildkröten-Lokalform brachten nicht den erwünschten Erfolg, denn die Anzahl der frei lebenden Schildkröten sinkt immer weiter. Deshalb wollen wir mit diesem Projekt herausfinden, ob wir mit der Einkreuzung von (wahrscheinlich einem geringen Prozentsatz von) Genen einer nahe verwandten Lokalform die Populationsentwicklung der Albera-Schildkröte in ihrem natürlichen Vorkommensgebiet stabilisieren könnten. Natürlich ist es kein Projektziel, einfach Schildkröten von den balearischen Inseln im Albera-Gebiet anzusiedeln, denn das wäre nur ja ein weiteres unter vielen Wiederansiedlungsprojekten von nicht wirklich heimischen Schildkröten! Biotopansprüche der Albera-Schildkröte Die in Katalonien wirklich heimische Albera-Schildkröte ist typischerweise sehr kontrastreich und deutlich dunkler gezeichnet als die anderen Lokalformen von Testudo hermanni hermanni. Das könnte eine ökologische Anpassung sein, über die wir lange diskutiert haben. Im Vergleich mit vielen anderen Vorkommen von Testudo hermanni hermanni, zum Beispiel Korsika, Menorca, Sardinien…. ist die Boden- und Luftfeuchte im Albera-Gebiet im Sommer höher und es gibt auch verhältnismäßig viel Schatten, so dass unter diesen Bedingungen eine dunklere Färbung von Vorteil sein könnte. Außerdem kann das Färbungsmuster auf den ziemlich dunklen Böden der Albera eine gute Tarnung bewirken, und diese dunkel gefärbten Tiere könnten Vorteile in Bezug auf die Thermoregulation haben. Das sind aber alles Spekulationen, es gibt noch keine Untersuchungen dazu. Auf Mallorca lebt eine kleine Population von Testudo hermanni hermanni, in der immer wieder adulte Schildkröten mit deutlich vergrößerten schwarzen Zeichnungselementen auf dem Panzer, gefunden werden RADIATA 26 (3), 2017 13

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