Aufrufe
vor 7 Monaten

Hygiene Report 5/2023

HYGIENE Report ist das Forum für Qualitätssicherung in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. In Zusammenarbeit mit hochkarätigen Autoren aus Wissenschaft und Wirtschaft berichtet das Periodikum anwenderorientiert und praxisnah zu allen relevanten Aspekten rund um das Thema Qualitätssicherung. Themen sind beispielsweise Hygiene Management, Messtechnik, Berufskleidung, Reinigung, HACCP, Personalhygiene und mikrobiologische Nachweise mit all ihren rechtlichen und gesetzlichen Problemen.

wissenschaft 5·23 Dr.

wissenschaft 5·23 Dr. Bernd Kramer; Daniela Warschat (B.Sc.); Anna Meepool (B.Sc.); Dr.-Ing. Peter Muranyi Mikrobiologische Validierung mobiler Luftreiniger Neue Methodik zur Prüfung von UV-C-basierter Technologie am Fraunhofer IVV etabliert Im Verlauf der Corona-Pandemie standen in öffentlichen Gebäuden und (Lebensmittel-)Unternehmen neben Maßnahmen zur Personalhygiene vor allem solche der Lufthygiene im Fokus der Virenbekämpfung. Besonders UV-C-basierte Luftreiniger, die filterlos arbeiten und Viren durch UV-Strahlung inaktivieren, erlebten einen Boom. Um ihre Wirksamkeit wissenschaftlich beleg- und vergleichbar zu machen, haben Forschende des Fraunhofer-Institutes für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV (Freising) anhand zweier Bakteriophagen erfolgreich eine Validierungsmethode etabliert. In diesem Beitrag beschreiben sie ihre Methodik, mit der UV-C-basierte Luftreiniger unter praxisnahen Bedingungen auf Wirksamkeit geprüft werden können. Die Ausbreitung von aerosolgebundenen, pathogenen Erregern macht effektive Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung notwendig. Insbesondere die vom Corona-Virus Sars-Cov-2 ausgehende Pandemie hat in der Gesellschaft zu einem gesteigerten Bewusstsein hinsichtlich der Übertragung von Atemwegserkrankungen durch Tröpfcheninfektion geführt. Darüber hinaus spielen saisonale Häufungen von Infektionen mit Influenza- oder verschiedenen anderen Erkältungsviren eine immer größere Rolle im täglichen Leben. Um die Übertragung von Viren über Aerosole in geschlossenen Innenräumen zu vermindern, kommt neben einer ausreichenden Belüftung und geeigneten Abstandsregelungen auch der Einsatz von mobilen Luftreinigern in Frage. Im Zuge der Corona-Pandemie wurden insbesondere UV-C-basierte Luftreiniger entwickelt, welche filterlos arbeiten und damit weniger Wartung und laufende Kosten verursachen. Da luftgetragene Erreger nicht abgeschieden, sondern inaktiviert werden, sind neue Verfahren zur Wirksamkeitsprüfung erforderlich. Diesbezüglich gab es bis vor kurzem noch keine klaren Vorgaben, was eine standardisierte, mikrobiologische Validierung erschwerte. In den Jahren 2021 und 2022 wurden vom VDI bzw. DIN zwei Schriften veröffentlicht (VDI-EE 4300, DIN/TS67506), welche einige wichtige Hinweise hinsichtlich der erforderlichen Ausstattung sowie der Methodik bei der Wirksamkeitsprüfung von filterlosen Luftreinigern liefern. Unter anderem wird die Verwendung von Bakteriophagen als Virensurrogate empfohlen und sowohl die Prüfung der mikrobiziden Wirkung bei Einmalpassage, wie auch die Raumwirkung erläutert. Bestimmte Details sind bisher jedoch noch nicht eingehend adressiert worden, darunter der Einfluss von Randbedingungen wie beispielsweise der relativen Luftfeuchte oder dem Medium, aus welchem die Bakteriophagen aerosolisiert werden. Wirksamkeitstests unter realitätsnahen Bedingungen Basierend auf den Empfehlungen vom VDI bzw. DIN wurde am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV zunächst ein Teststand aufgebaut, mit dem UV-C basierte Luftreiniger quantitativ und unter realitätsnahen Bedingungen auf ihre Wirksamkeit hin geprüft werden können. Abbildung 1 zeigt den entsprechend ausgestatteten Modellraum mit 30 m³ Volumen. Als Surrogatviren wurden die vorgeschlagenen Bakteriophagen Phi6 und MS2 ausgewählt. Es folgte eine umfangreiche Prüfung verschiedener Verfahrensparameter, unter anderem hinsichtlich einer geeigneten Überführung der Bakteriophagen ins Aerosol, deren Stabilität im Aerosol sowie einer geeigneten Probenahme. Abb. 1: Teststand zur Prüfung mobiler Luftreiniger am Fraunhofer IVV. Vorraum mit Aerosolgenerator und Luftkeimsammler; Prüfraum mit HEPA-14 Filtereinheit und Klimagerät. Quelle: Fraunhofer IVV Da behüllte Viren wie der Bakteriophage Phi6 bekanntermaßen sensitiv auf physikalischen Stress wie z.B. die Trocknung 14 www.hygiene-report-magazin.de

november wissenschaft Abb. 2: Wiederfindung infektiöser Bakteriophagen MS2 und Phi6 in Luftproben über eine Stunde nach der Aerosolerzeugung im Prüfraum bei 30 % relativer Luftfeuchte. Vernebelung der Bakteriophagen aus entionisiertem Wasser oder künstlichem Speichel; Temperatur: 21-23 °C. reagieren, wurde zunächst die Stabilität luftgetragener Bakteriophagen Phi6 im Modellraum über einen Zeitraum von 60 min bei variabler Luftfeuchtigkeit und einer gewöhnlichen Raumtemperatur von 21-23 °C untersucht. Dabei zeigte sich, dass vor allem bei einer niedrigen relativen Luftfeuchte von 20-25 % eine hohe und zeitlich konstante Zahl infektiöser Bakteriophagen im Aerosol nachgewiesen werden kann. Mit steigender relativer Luftfeuchte wurde hingegen eine stark abnehmende Wiederfindung festgestellt. Bei 55 % relativer Luftfeuchte lag die Zahl infektiöser Bakteriophagen im Aerosol nur noch bei ca. 0,001 % des theoretischen Werts. Aktuelle Studien belegen diesen Trend, insbesondere im Fall behüllter Viren wie dem Bakteriophagen Phi6 (Božič und Kanduč 2021). Als Ursache wird vermutet, dass sich vor allem bei niedriger Luftfeuchte mit schneller Trocknung der Aerosoltropfen eine schützende gelartige, amorphe Struktur um die eingeschlossenen Viren ausbildet (Huynh et al. 2022). Auch ein Auskristallisieren von Salzen kann zur Stabilisierung aerosolgebundener Viren beitragen, wobei im Gegensatz zu höherer Luftfeuchte ein insgesamt geringerer osmotischer Stress wirksam ist (Lin und Marr 2020). Der unbehüllte Bakteriophage MS2 erwies sich demgegenüber als wesentlich robuster und zeigte unabhängig von der Luftfeuchtigkeit eine konstante Wiederfindung. Abbildung 2 zeigt beispielhaft die Wiederfindung infektiöser Bakteriophagen Phi6 und MS2 bei 30 % relativer Luftfeuchte über einen Zeitraum von 1h nach der Aerosolerzeugung. Dabei wurden die Bakteriophagen entweder aus entionisiertem Wasser oder aber aus künstlichem Speichel (Sigma Aldrich) vernebelt. Es wird deutlich, dass im Fall von MS2 eine hohe und konstante Zahl infektiöser Bakteriophagen in den Luftproben nachgewiesen werden kann. Die Wiederfindung des Bakteriophagen Phi6 ist dagegen geringer und nimmt über die Zeit weiter ab. Insgesamt zeigte sich bei der Aerosolerzeugung mit entionisiertem Wasser eine geringfügig höhere Wiederfindung infektiöser Bakteriophagen im Vergleich zu künstlichem Speichel. Bei der relativen Luftfeuchte von 30 % erwiesen sich beide Medien als geeignet. Prüfung eines UV-C basierten Luftreinigers Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde beispielhaft ein UV-C basierter Luftreiniger gemäß den Vorgaben vom VDI bzw. DIN auf dessen Wirksamkeit hin geprüft. Hierzu wurde zunächst die UV-C Sensitivität der Bakteriophagen MS2 und Phi6 bei 254 nm in einer Bestrahlungskammer bestimmt. Nach Antrocknung der Bakterio phagen auf PET-Folie wurden dezimale Reduktionsdosen (D90-Wert) von 11-12 mJ/cm² (MS2) bzw. 8-9 mJ/cm² (Phi6) ermittelt. Die Wirksamkeitsprüfung des UV-C basierten Luftreinigers wurde in der Folge sowohl bei einmaliger Passage luftgetragener Bakteriophagen durch das Gerät, als auch im Prüfraum nach Erzeugung eines bakteriophagenhaltigen Aerosols durchgeführt. Die Tabelle zeigt die ermittelte Zahl infektiöser Bakteriophagen in Luftproben, welche am Auslass des Geräts nach einmaliger Passage der Bakteriophagen durch den Luftreiniger genommen wurden. Um die Reduktion der Infektiosität nach Einmalpassage zu ermitteln, wurden jeweils fünf Proben ohne Einwirkung von UV-C und fünf Proben mit Einwirkung von UV-C bei gleichem Volumenstrom des Luftreinigers untersucht. Für den Bakteriophagen Phi6 konnte im Mittel eine Reduktion um 97,5 % nachgewiesen werden, beim Bakteriophagen MS2 lag die Reduktion bei 96,0 %. Unter Berücksichtigung der vorab bestimmten dezimalen Reduktionsdosen entspricht dies einer biodosimetrisch ermittelten Fluenz von 13-15 mJ/ cm² (Phi6) bzw. 15-17 mJ/cm² Tabelle: Reduktion der Zahl infektiöser Bakteriophagen Phi6 bzw. MS2 nach einmaliger Passage eines UV-C basierten Luftreinigers. (MS2), die der Luftreiniger auf die Bakteriophagen überträgt. Die Abweichung der beiden Werte ist möglicherweise auf schwankende UV-C Resistenzen der Bakteriophagen unter den jeweils gewählten Versuchsbedingungen zurückzuführen. 15

Wählen Sie die gewünschte Fachzeitschrift

fng MAGAZIN - Food · Nonfood · Getränke · Tobacco

WiN woodworking INTERNATIONAL